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Fragen zur Landesnahverkehrsgesellschaft
geschrieben von dubito ergo sum 
Hallo aus Berlin!
Wie ihr sicherlich mitbekommen habt, ist der S-Bahnverkehr in Berlin fast gänzlich zum erliegen gekommen.
1,3 Millionen Fahrgäste täglich können nun zusehen, wo sie bleiben.
Der zuständigen DB-Tochter sind Sicherheit und Aufrechterhaltung des Betriebes bis zur Zwangsstillegung von 3/4 der Flotte durch das EBA völlig egal gewesen, es ging nur darum, jährlich stark steigende Gewinne an den Mutterkonzern zu überweisen.

In Berlin werden nun alle möglichen zukünftigen Betriebsformen diskutiert, da der gültige Verkehrsvertrag nicht einmal sein Papier wert ist und Berlin Zustände erlebt, die nur noch mit 1945 vergleichbar sind.

Z.B. wird eine Landesnahverkehrsgesellschaft diskutiert, v.a. weil es für eine Ausschreibung dieses einmaligen Netzes, das einmalige Fahrzeuge erfordert, kaum genügend Bieter geben dürfte.

Folgende Gedanken habe ich im Berliner Forum geschrieben - mich würden dazu eure Meinungen, Erfahrungen und Kritiken interessieren:


Was unterscheidet den Gewinner einer Auschreibung wie metronom eigentlich noch von einer Zeitarbeitsfirma?
Konstantes Kapital gibt es nicht, da die Fahrzeuge vom Land gemietet werden, die Benutzung der Strecken dem jeweiligen Eigentümer vergütet wird und metronom auch keine Werkstätten hat, sondern Wartungsaufträge vergibt.
Metronom verfügt lediglich über variables Kapital: Um Kosten wie Löhne, Mieten, Trassen etc. vorzustrecken, bis Fahrgeldeinnahmen und die Zuschüsse der LNVG beisammen sind.

Da das konstante Kapital zur Verfügung gestellt und dessen Verwendung vorgeschrieben wird, findet der Wettbewerb ausschließlich im Bereich des variablen Kapitals statt.
Trassenkosten, Mieten etc. sind Fixkosten, bestenfalls bei den Wartungsaufträgen kann der eine Wettbewerber vielleicht noch etwas besser verhandeln, als der andere.
Bleiben zwei Punkte, wo sich die Wettbewerber noch unterscheiden können: Fahrgeldeinnahmen und Löhne.
Die Fahrgeldeinnahmen sind an das Tarifgefüge der DB bzw. von Verkehrsverbünden gebunden.
Erhöhte Einnahmen lassen sich also ausschließlich durch mehr Fahrgäste gewinnen.
Die Zahl der Fahrgäste stieg tatsächlich - aber wohl eher durch die schnelleren, geräumigeren, komfortableren und moderneren Züge der LNVG, als durch metronom als Betreiber.
Die Spielräume der Wettbewerber sind derart gering, dass sie kaum ihre Fahrgeldeinnahmen selbst positiv beeinflussen können.

Bleiben die Löhne als einziges wirkliches Wettbewerbskriterium.
Die Konkurrenz findet also ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten statt - attraktivere Bahnhöfe, effizientere Züge, Strecken, Tarife o.ä. liegen ausserhalb der Einflussmöglichkeiten der Betreiber.

Der Vorteil einer Landesverkehrsgesellschaft liegt also darin, dass das Land seine Verantwortung gegenüber den Fahrgästen besser wahrnehmen kann, aufgrund der viel detaillierteren Vorgaben und der viel leichteren Möglichkeiten, einen schlechten Betreiber durch einen anderen zu ersetzen.

Aber da das Land statt des Betreibers über die Betriebsmittel verfügt, stellt sich die Frage, warum es dann den Betrieb outsourct?

Das Land nimmt als Eigentümer der Betriebsmittel seine Verantwortung gegenüber den Beschäftigten nicht wahr, sondern setzt sie sogar noch einem System aus, das letztlich nur auf Lohndumping ausgerichtet ist.
Die Zeitarbeitsfirma mit Betriebsgenehmigung im Eisenbahnbereich, die die geringsten Lohnkosten durchsetzen kann, gewinnt die Ausschreibung.
Und wenn diese endet und kein anderer gleichwertiger Auftrag in Sicht ist, wird das Personal entlassen.
Wie praktisch!
Züge oder Werkstätten wird man nicht so leicht los - nun hängen sie dem Unternehmer auch nicht mehr wie ein Klotz am Bein!
Jegliches Risiko des Unternehmers hat das Land übernommen, Profit wird dennoch garantiert und beide minimieren ihre Kosten durch verschärfte Ausbeutung der Beschäftigten.

Das Land hat keinen Grund, nicht selbst als Betreiber zu agieren.
Lohndumping mag sich zwar betriebswirtschaftlich lohnen, ist aber volkswirtschaftlich bestenfalls ein Nullsummenspiel für das Land.
Ist das die Zumutung von hire-and-fire zu minimalen Löhnen für die Beschäftigten wert?

Berlins Straßen sind zu eng, um sie nur dem MIV zu opfern!
Wie bei uns die Landesverkehrsgesellschaft in Niedersachsen organisiert ist, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau.

Ich halte es aber für sinnvoll, dass die öffentliche Hand gerade in solchen Fällen wie in Berlin mehr Kontrolle übernehmen nehmen sollte und sich zu einem reibungslosen Verkehr verpflichtet. Dekbar wäre es, dass die Stadt Berlin selbst Betreiber der S-Bahn-Flotte sein könnte, in dem sie sich selbst als Interessent in den "Bewerberpool" mit anbietet.

Die Kassen sämtlicher Länder und Kommunen scheinen nach Hörensagen sehr leer zu sein, aber gerade durch die Einnahmen aus dem ÖPNV können diese Kassen wieder gut gefüllt werden.

Beispiel Hannover:

2007 wurde intalliance aufgegeben, eine dubiose Mischmaschform aus üstra und DB, in dem die Bahn Anteilseigner der üstra war. Nachdem die Region Hannover seit 2007 wieder mehr Einfluss hatte, konnte die üstra 2008 sogar Gewinne erzielen. Dies war nur möglich, da die üstra dank der Region ein permanent gut ausgebautes Schienennetz besitzt und ausreichend gewartete Stadtbahnen im Netz hat.

Ein guter Bahnbetrieb scheint demnach nur gewährleistet zu sein, wenn die öffentliche Hand Hauptanteilseigner eines Verkehrsbetriebes ist, denn:

- Die Bahn agiert bundesweit und konzentriert sich nicht auf bestimmte Orte. Im Gegensatz dazu, wissen Kommunen jedoch besser über ihre eigene Verkehrssituation bescheid.

- Die Kommunen (oder Länder) agieren nicht nur gewinnorientiert sondern auch (hoffentlich) bürgernäher. Sie müssen die Verantwortung für ihre Infrastruktur übernehmen und dazu gehört ein reiblungsloser Verkehrsfluss. Nur dann zeigen mehr Bürger Interesse, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
Liegen nicht gerade bei Metronom die Löhne über denen der DB?
Auch was die angemessene Bezahlung und soziale Sicherheit der Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens angeht:

Wenn hier eine Stadt die Oberhand hat, sind sie über Tarifverträge abgesichert.
Herbert schrieb:
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> Liegen nicht gerade bei Metronom die Löhne über
> denen der DB?

Das der Metronom vergleichsweise gut zahlen soll, habe ich auch schon öfter gehört. Auch kann man nicht wirklich behaupten, dass der Metronom seine Züge extern warten lässt. Dies geschieht in den Werkstätten der OHE in Uelzen und der EVB in Bremervörde – beide Unternehmen sind über die NiedersachsenBahn grösster Anteilseigner beim Metronom. Ich mag mich täuschen, aber die Werkstatt in Uelzen ist auch erst im Zuge der Vergabe der Leistungen Bremen – Hamburg und Uelzen – Hamburg, wenn ich das recht in Erinnerung habe.

Auch die NordWestBahn, hat zur Wartung der LNVG-LINT, die sie betreibt eine Werkstatt in Osnabrück gebaut, auch die Eurobahn hat eigene Werkstätten und die EVB, welche mit LNVG-LINT im Auftrag der DB zwischen Bremerhaven und Cuxhaven pendelt, hat ja wie gesagt die Werkstatt in Bremervörde.

Generell stimmt aber, dass Ausschreibungen das Lohndumping fördern, dies sehe ich aber relativ unabhängig von einem Fahrzeugpool. Sieht man ja schön (um beim Nahverkehr zu bleiben) bei Stadtbussen: Früher wurden diese in Deutschland gefertigt, heute kommen sie oft aus Osteuropa, da dort die Personalkosten einfach geringer sind. Produktion in D darf man aber nicht fordern. Auch das Hire&Fire-Prinzip ist vom Fahrzeugpool unabhängig: Was meinst du passiert mit dem Personal bei einer Privatbahn, die ihre Fahrzeuge gekauft hat, wenn sie eine Ausschreibung verlieren und daher das Personal nicht mehr brauchen? Genau das Gleiche, wie mit dem Metronom-Personal in einem solchem Fall!

Generell sehe ich im Fahrzeugpool eigentlich nur Vorteile:
1.) Die Fahrzeuge werden in einer zweiten Ausschreibung mit Sicherheit erneut verwendet, da die LNVG diese ja bezahlt hat und daher ein Interesse an ihrer Nutzung hat. Anderswo ist dies nicht sicher, was passiert mit den Fahrzeugen, wenn eine Gesellschaft eine Strecke nicht behält? Eine Einsatzgarantie hat niemand! Bisher werden ja auch oft Neufahrzeuge gefordert, so dass ein Weiterverkauf auch nicht als sicher gelten darf. Im Zweifel bleibt der Schneidbrenner, obwohl die Fahrzeuge noch weitere 10 bis 15 Jahre gut einzusetzen gewesen wären!

2.) Dadurch dass die LNVG für alle Ausschreibungen gesammelt einen Vertrag abschließen kann, sinken die Kosten pro Fahrzeug, man kann also einen grösseren Mengenrabatt erzielen.

3.) Die Fahrzeuge entsprechen genau dem, was sich die LNVG vorgestellt hat, ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einer Ausschreibung das genaue Fahrzeug vorschreiben darf, bestenfalls die Bauart.

4.) Die Betriebsaufnahme kann früher erfolgen, da in den meisten Fällen die Fahrzeugbeschaffung der grösste Zeitfresser bei einer Betriebsübernahme ist. Hier kann die Bestellung schon bei Ausschreibung bzw. der Vorbereitung erfolgen, bei Beschaffung durch den Betreiber frühestens nach der Vergabeentscheidung.

Gerade für die S-Bahn Berlin oder Hamburg, würde ein solches Fahrzeugpool-Modell auch Sinn machen, wenn man tatsächlich ausschreiben will. Im Moment besitzt einfach ausschließlich die DBAG (bzw. deren Töchter) Fahrzeuge, die für diese Netze tauglich sind, gleichzeitig lassen sich diese Fahrzeuge aber auch faktisch nirgendwo anders einsetzen. Aber auch bei der "grossen" Eisenbahn finde ich das Modell durchaus sinnvoll, auch wenn ein Betreiber hier wenigstens die theoretische Chance hat mit den alten Fahrzeugen anderswo anzutreten.
Hallo dubito ergo sum,

Du hast die Situtaion richtig erfasst. Die metronom Eisenbahngesellschaft ist eine reine Personalgesellschaft. Ihre Aufgabe besteht im wesentlichen darin, Lokführer und Fahrgastbetreuer für die Züge zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich besteht eine sehr kleine Verwaltung, die auch Marektingaufgaben übernimmt. Auch für die Reinigung der Züge ist Metronom verantwortlich, wobei ich nicht weiß, ob die das mit eigenem Personal machen oder ob sie damit wiederum andere Unternehmen beauftragen.

Die Wartung der Fahrzeuge liegt, wie von Dir bereits erwähnt, nicht bei Metronom selber. Auch die Betriebsüberwachung der Züge ist "outgesourct". Einen Fehler hast Du noch drin, Metronom enthält keine Fahrgeldeinnahmen, denn die gehen an die LNVG.

Du darfst aber auch nicht vergessen, dass Metronom fast als reine Länder-/Kommunalbahn gegründet wurde. Erst durch den Verkauf der OHE-Anteile durch das Land Niedersachsen hat man es mit einer "echten" Privatbahn zu tun.

Wenn ein Fahrzeugpool verwendet wird, ist es in der Tat so, dass der Wettbewerb nur noch über die Löhne läuft. Bei Metronom verdienen die Lokführer relativ gut (teilweise besser als bei der DB), die Fahrgastbetreuer werden jedoch relativ schlecht bezahlt, daher kommt auch der relativ hohe Frauenanteil.
Zitat
gleisbauer
Die Wartung der Fahrzeuge liegt, wie von Dir bereits erwähnt, nicht bei Metronom selber. Auch die Betriebsüberwachung der Züge ist "outgesourct". Einen Fehler hast Du noch drin, Metronom enthält keine Fahrgeldeinnahmen, denn die gehen an die LNVG.

Das ist doch Unfug! Die Betriebswerke sind keinesfalls nach außen vergeben, sondern die Wartung wird von den Teilhabern der metronom Eisenbahngesellschaft mbH in eigenen Werkstätten durchgeführt. Nur weil irgendeine DB Regionalverkehrsgesellschaft ihre Züge in Werkstätten eines anderen DB Tochterunternehmens schickt, würde ja auch keiner von Outsourcing (bescheuertes Wort) sprechen.

Zitat
gleisbauer
Du darfst aber auch nicht vergessen, dass Metronom fast als reine Länder-/Kommunalbahn gegründet wurde. Erst durch den Verkauf der OHE-Anteile durch das Land Niedersachsen hat man es mit einer "echten" Privatbahn zu tun.
Sehr vereinfacht gedacht... Das Land Niedersachsen hielt eine Beteiligung an der OHE, die widerum beteiligt war an der NiedersachsenBahn, die wiederum an der metronom EG beteiligt war. Alles in allem ein Anteil von gut 30% wenn ich mich recht erinnere - genug um vom Wertgewinn der OHE durch die metronom Strecken zu profitieren, aber um von einer reinen Länder und Kommunalbahn zu sprechen würde ich darauf nicht gründen wollen.
Dazu kommt aber die Beteiligung der komplett städtischen Hamburger Hochbahn über BeNEX und die ebenfalls Städtische BSAG - in der Summe dann tatsächlich erhebliche Beteiligungen der Länder.

Anhand dieser Beteiligungen wird dann auch klar, dass es sich keinesfalls um einen reinen Personaldienstleister handelt, sondern um ein Unternehmen mit gebündelter Nahverkehrserfahrung im Hintergrund.

Zitat
gleisbauer
Wenn ein Fahrzeugpool verwendet wird, ist es in der Tat so, dass der Wettbewerb nur noch über die Löhne läuft. Bei Metronom verdienen die Lokführer relativ gut (teilweise besser als bei der DB), die Fahrgastbetreuer werden jedoch relativ schlecht bezahlt, daher kommt auch der relativ hohe Frauenanteil.
Auch hier wieder Bullshit! Zum einen gibt es doch noch eine Menge weitere Kriterien, die eingehen können und auch müssen, dabei sind die Eigentumsverhältnisse nicht unwesentlich, dazu kommen sicherlich die Werkstätten, Der Preis der Dienstleistung, in den neben den Personalaufwendungen auch noch allerlei andere Punkte eingehen, zum Beispiel auch nicht ganz unwesentlich die veranschlagten Zinskosten und etliches mehr. Dann kommen noch ein paar nicht unmittelbar im Preis ausgedrückte Punkte hinzu: Der Leistungsumfang, der für den genannten Preis angeboten wird, die Toleranzen und was es kostet von den Toleranzen abzuweichen und dazu noch etliche weitere Punkte. Die schlechtere Bezahlung der Fahrgastbetreuer mag auch daher rühren, dass es halt "nur" noch Fahrgastbetreuer sind und keine Zugführer. Die Abfertigung macht meineserachtens der Tf selber (korrigiert mich wenn ich falsch liege). Man muss denen aber zu gute halten, dass sie dafür die Betreuung der Fahrgäste bedeutend ernster nehmen, als ihre Vorgänger von der DB.

Gruß

Jonas
jonpro schrieb:
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> Die Abfertigung macht meineserachtens der Tf
> selber (korrigiert mich wenn ich falsch liege).

Bist Du Dir da sicher?
Aufgrund der Tatsache, daß die u.a. von Metronom genutzten Waggons mit TBA ausgerüstet sind (automatisch ["selbsttätig"] schließende Türen, durch Lichtschranken gesichert), muß der Tf nur noch die Türfreigabe zurücknehmen.
Sobald er die Meldung erhält, daß alle Türen geschlossen sind, kann er anfahren, muß aber dennoch entweder aus dem Fenster schauen oder (sofern vorhanden) die SAT-Technik nutzen.
Bei der AKN werden dafür simple Klappspiegel genutzt. Bei Stadtbahnfahrzeugen nutzt man dafür die für die Teilnahme am Straßenverkehr eh vorhandenen Rückspiegel.

Soweit ich weiß, gibt es jedoch keinen zentralen Schließbefehl von der Lok bzw. dem Steuerwagen aus.
Schließt also eine Tür nicht automatisch, muß der Fahrgastbetreuer oder der Lokführer selbst hingehen und nachhelfen.

Dieses System funktioniert genau anders herum als das bei den Hamburger S- und U-Bahn-Fahrzeugen. Denn dort schließt keine Tür selbsttätig, nachdem diese nicht mehr benutzt wird -- hier gibt der Tf bzw. Zf den zentralen Schließbefehl.

Gruß Ingo
Zitat
INW
Bist Du Dir da sicher?
Nein bin ich nicht, schrieb ich ja - meine Beobachtung von der Strecke deutet aber darauf hin. Was du schreibst meines Erachtens auch. Die regelmäßige Aufforderung vom Tf doch bitte aus dem Türbereich zurückzutreten, weil es sonst nicht weiterginge bringt dann beide Theorien unter einen Hut.

Gruß

Jonas
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