Die Aufgabe, die Buslinien in Neu Wulmstorf zu organisieren und zu bezahlen, ist Sache des Landkreises. Dieser hat aber um Unterstützung der lokalen Politik und Verwaltung gebeten, da diese die Besonderheiten und Bedürfnisse vor Ort viel besser kennen. Deshalb wurde ein Arbeitskreis eingerichtet, in dem neben Vertretern des Landkreises, der Verkehrsgesellschaft Nordostniedersachsen (die die Planung der Linien im Auftrag des Landkreises vornimmt) und des HVVs auch die Verwaltung (das sind diejenigen, die hauptberuflich im Rathaus arbeiten) und Vertreter aller politischen Fraktionen vertreten waren, ich für meine Fraktion.
Dieser Arbeitskreis hat sich in diversen Sitzungen mit dem Thema befasst. Es musste immer ein Kompromis zwischen dem politisch Gewollten, dem Finanzierbaren und schlicht dem Machbaren gefunden werden.
Ich konzentriere mich hier und im Folgenden nur auf den Kernort. Das bedeutet nicht, dass mir die Ortsteile egal sind.
Die Politik hat im Wesentlichen folgende drei Wünsche formuliert:
1. Die Buslinien sollen auf den Bahnhof ausgerichtet sein und dort gute Anschlüsse von und zur S-Bahn nach Hamburg herstellen.
2. Sämtliche Teile im Kernort sollen in etwa gleich häufig bedient werden.
3. Es soll aber auch nach wie vor eine Buslinie über die Landesgrenze nach Hamburg-Neugraben geben.
Begründung:
zu 1: Die Hauptnachfrage unseres ÖPNV ist der Verkehr in und aus Richtung Hamburg. Daher hat eine Optimierung dieser Anschlüsse Vorrang vor innerörtlichen Optimierungen.
zu 2: Die uns vorliegenden Ein- und Aussteigerzahlen der bisherigen Linien deuten im Groben auf eine über den Kernort gleichmäßig verteilte Nachfrage hin.
zu 3: Die uns vorliegenden Ein- und Aussteigerzahlen der bisherigen Linien weisen einen nicht unbeachtlichen Anteil von Fahrgästen aus Neu Wulmstorf aus, die vor dem S-Bahnhof Neugraben aus- bzw. einsteigen.
Es wurden zahlreiche Linienverläufe im Arbeitskreis diskutiert. Die größten prinzipiellen Unterschiede sind dabei die zwischen Stichlinien, also Linien, die vom Bahnhof wegführen und in beiden Richtungen bedient werden, und Ringlinien, die nur in einer Richtung befahren werden müssen.
Ringlinien haben zwei Vorteile:
Vorteil 1:
Weil sie nur in einer Richtung befahren werden müssen, kann man bei gleichem finanziellen Einsatz einen doppelt so häufigen Takt fahren wie auf einer Stichlinie.
Vorteil 2:
Mit einer Ringlinie kann ein größeres Gebiet erschlossen werden als mit einer Stichlinie.
Ringlinien haben aber auch zwei Nachteile:
Nachteil 1:
Ein Fahrgast wird auf seinem Hin- und Rückweg den Ring einmal komplett durchfahren haben. Siehe Linie 540: Steigt ein Fahrgast morgens etwa an der Haltestelle Heideweg ein und abends dort wieder aus, so hat er im Laufe des Tages den Ring genau einmal durchfahren.
Daraus folgt, dass eine Ringlinie nicht zu lang sein darf. (Übrigens leidet der Busverkehr in Buxtehude genau unter diesem Punkt.) Eine Riesen-Ringlinie vom Bahnhof über Liliencronstraße bis zum Freibad und zurück über die Schifferstraße wurde übrigens wegen dieses Nachteils auch verworfen.
Nachteil 2:
Die Fahrplangestaltung ist unflexibel. Startet der Ringbus etwa 5 Minuten nach Ankunft einer S-Bahn aus Hamburg, so steht seine Wiederankunftszeit am Bahnhof nach Durchfahren des Ringes fest. Beispiel 1: Wenn der Ringbus 12 Minuten verkehrt, ist alles in Ordnung: Ankunft der S-Bahnen auf Minute 00 (aus Hamburg) und 01 (aus Buxtehude). Abfahrt des Busses auf Minute 05. Wiederankunft des Busses am Bahnhof nach Durchfahren des Ringes: Minute 17. Abfahrt der S-Bahnen auf Minute 20 (nach Buxtehude) und 21 (nach Hamburg).
Beispiel 2: Wenn der Ringbus 14 Minuten verkehrt, werden die Anschlüsse sehr schlecht: Ankunft der S-Bahnen auf Minute 00 und 01. Abfahrt des Busses auf Minute 05. Wiederankunft des Busses am Bahnhof nach Durchfahren des Ringes: Minute 19. Abfahrt der S-Bahnen auf Minute 40 und 41, nach einer Umsteigezeit von über 20 Minuten.
Vor diesem Hintergrund entstand die jetzige Lösung:
Vier Linien, und zwar 240neu, 440, 540 und 641neu.
Die 440 als Stichlinie vom Bahnhof zum Freibad mit einem ausgedehten 20-Minunten-Takt, zwischen 9:00 und 15:30 Uhr jedoch im 40-Minuten-Takt. Am Wochenende 30-Minuten-Takt.
Die 540 als Ringlinie vom Bahnhof über Liliencronstraße, B73 und Bahnhofstraße mit denselben Taktzeiten wie die Linie 440. Am Sonnabend bis 17 Uhr im 30-Minuten-Takt, danach und am Sonntag im 60-Minuten-Takt. (Hier weicht der Entwurf übrigens vom Wunsch der gleichmäßigen Bedienung beider Ortshälften ab, allerdings fehlt am Sonnabendnachmittag und am Sonntag auch die Nachfrage aus dem Gewerbegebiet bei der Lessingstraße.)
Die Linie 240neu von der Landesgrenze über die Breslauerstraße zum Freibad, in beiden Richtungen auf dem gleichen Linienweg. Der Weg über die Poststraße war schlicht finanziell nicht mehr drin. Als Ausgleich wurde die Haltestelle "Bredenheider Weg (Süd)" eingeführt, die an der Kreuzung Breslauer Straße / Bredenheider Weg errichtet werden soll. Dieser Linie verkehrt in der Woche von früh bis spät im Stundentakt, am Wochenende nur im Spätverkher.
(Übrigens wurde morgens eine kleine "Rhytmusstörung" im Stundentakt eingebaut, damit die Gesamtschule Fischbek gut zum Unterrichtsbeginn um 8:00 Uhr erreicht werden kann. Eine weitere "Rhytmusstörung" nachmittags stellt sicher, dass die Schüler der Gesamtschule zum Unterrichtsende um 13:30 Uhr nicht den Bus gerade verpassen.)
Die Linie 641neu ist ein Nachtbus und verkehrt am Wochende ab Neugraben, wenn die S-Bahn nicht mehr nach Neu Wulmstorf fährt. Es fährt über Königstraße, Bredenheider Weg, Breslauer Straße, B73, Bahnhofstraße zum Bahnhof. Zu den Nachtzeiten sollte ein Bus die reinen Wohngebiete meiden, daher verkehrt er etwa auch nicht durch die Schifferstraße. Der Nachtbus verkehrt viermal pro Wochenendnacht, die Abfahrten in Neugraben sind ungefähr um 1:00 Uhr, 2:00 Uhr, 3:00 Uhr und 4:00 Uhr. (Dazu muss man wissen, dass die S-Bahn am Wochenende bis Neugraben die ganze Nacht durch fährt.)
Speziell zum Spätverkehr gab es noch ein Problem zu lösen: Die S-Bahn verkehrt ab 22:00 Uhr nur noch im Stundentakt, und zwar in beide Richtungen nahezu gleichzeitig. Die Ringlinie 540 könnte zwar wunderbar eine aus Hamburg zur vollen Stunde ankommende S-Bahn "abverteilen", würde aber 12 Minuten später wieder am Bahnhof ankommen, sodass die Fahrgäste dort bis zur nächsten vollen Stunde auf die S-Bahnen warten müssten.
Die Verkehrsplaner fanden das zunächst akzeptabel ("Um diese Zeit will kaum noch jemand stadteinwärts fahren"), wir wussten aber von der Firma Schwarz-Cranz, dass dann eine Spätschicht endet und es sehr wohl eine Nachfrage nach Hamburg gibt. Übrigens haben wir seitens der Politik bei dieser Diskussion auch das Anrufsammeltaxi als Alternative zum Bus verworfen, da es nicht im HVV-Tarif integriert ist.
Die Lösung im nachfrageschwachen Spätverkehr sieht nun folgendermaßen aus: Die Linien 440 verkehrt nicht mehr vom Bahnhof zum Freibad. Dafür verkehrt die Linie 540 als "Abverteiler" der S-Bahn über Liliencronstraße, dann aber nicht zum Bahnhof zurück, sondern zum Freibad. Dort "verwandelt" sich der Bus in die Linie 240neu und fährt weiter nach Neugraben. Damit kann von der S-Bahn auch im Spätverkehr das Wohngebiet am Moorweg und am Freibad erreicht werden (letzteres allerdings über einen Umweg) und die Arbeitnehmer von Schwarz-Cranz werden ohne extreme Umsteigezeit nach Hamburg gefahren.
Außerdem haben wir Politiker noch nach einer Lösung gesucht, wie wir den Stundentakt der S-Bahn im Spätverkehr mildern können. Die Lösung ist, das die Linie 240neu genau 30-Minuten zeitversetzt zur S-Bahn in Neugraben startet. Damit kann auch spät abends von Neugraben aus unser Neu Wulmstorf alle halbe Stunde erreicht werden, trotz des Stundentaktes der S-Bahn. Wenn die Linie 240neu im Spätverkehr das Freibad erreicht, "verwandelt" sie sich in Linie 440 und fährt weiter zum Bahnhof.
Ansonsten liegen die Fahrplanlagen während der 40-Minunten-Taktes am Tage so, dass sowohl vom Bahnhof weg als auch zum Bahnhof hin alle 20 Minuten immer abwechselnd eine der beiden Linien 440 und 540 fährt. Wer also in der Nähe der Bahnhofstraße wohnt, hat auch in der Woche zwischen 9:00 und 15:30 Uhr alle 20 Minuten einen Bus.
Dies ist in sofern interessant, als dass damit auch während des 40-Minuten-Taktes die Linie 540 zum Einkaufen in den Ort und zurück verwendet werden kann. Auf dem Rückweg muss eben mit der Linie 440 etwa vom Rathaus zum Bahnhof gefahren werden, von wo aus es dann nach relativ kurzer Umsteigezeit (vermutlich sogar mit demselben Fahrzeug) auf der Linie 540 weiter geht.
Bis hierher glänzt alles noch einigermaßen.
Leider ist es so, dass die Linie 540 nicht mehr über die Haltestellen Lessingstraße und Kantstraße geführt werden kann, ohne gravierende Nachteile in Kauf zu nehmen.
Würde die Linie diesen Umweg fahren (was auch mit höheren Kosten bzw. Taktausdünnungen einhergehen würde), so würden (siehe oben Nachteil 2) die Umsteigezeiten vom Bus in die S-Bahn grottig sein, die Fahrgäste würden bei leichten Verspätungen des Busses nur noch die Rücklichter der S-Bahn sehen.
Dies kann man durchaus in Kauf nehmen und wir haben diese Variante auch intensiv diskutiert. (Dann allerdings als Variante, dass bis Mittags das Umsteigen IN die S-Bahn passt und ab Mittags AUS der S-Bahn. Damit wären allerdings die Umsteigezeiten für Fahrgäste, die morgens in Gewerbegebiet wollten und abends zurück in beiden Richtungen 20 Minuten.)
Allerdings glauben wir, dass wir dadurch im Laufe der Zeit viele Fahrgäste verlieren würden. In der Folge würde der Landkreis vermutlich auf die Idee kommen, den Betrieb auszudünnen, mit der Folge, weitere Fahrgäste zu verlieren, etc.
Die uns vorliegenden Fahrgastzahlen für die Haltestelle Kanstraße sind sehr niedrig, sie würden diesen Nachteil nicht rechtfertigen.
Anders sind die Fahrgastzahlen der Haltestelle Lessingstraße, die sind sehr hoch. Allerdings liegt die Haltestelle Lessingstraße nur 300 m von der immer noch bedienten Haltestelle Ernst-Moritz-Arndt-Straße entfernt.
Damit ergibt sich für die Arbeitnehmer im Gewerbegebiet folgende Bilanz:
Variante A mit Fahrt der Linie 540 durch die Lessingstraße: Ausgedünnterer Takt und damit eine höhere durchschnittliche Wartezeit und 20 Minuten Umsteigezeit am S-Bahnhof.
Variante B ohne Fahrt der Linie 540 durch die Lessingstraße: 4 Minuten mehr Fußweg (Gesundheit vorausgesetzt), dichterer Takt und optimale Umsteigezeit zur S-Bahn.
Wir hielten die Variante B für die Arbeitnehmer im Gewerbegebiet für die bessere.
Übrigens hätte Variante A auch eine 20-minütige Umsteigezeiten am Bahnhof für alle anderen Nutzer der Linie 540 bedeutet, z.B. für die in der Moorwegsiedlung.
Es bleibt das Problem der sehr wenigen Fahrgäste an der Haltestellt Kanstraße. Die Idee war hier, die Haltestelle "Goethestraße" in Richtung Norden dicht an die Einmündung der Fritz-Reuter-Straße in die Liliencronstraße zu verlegen.
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 05.07.2009 20:12 von juergen_waszkewitz.