Netz Ost: Wer kommt zum Zuge?
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Kiel (Thomas Christiansen) - Ein erneuter Verlust würde den Marktanteil der DB-Tochter Regionalbahn Schleswig-Holstein auf unter ein Drittel schrumpfen lassen, ihr derzeit größter Konkurrent Nord-Ostsee-Bahn (NOB) würde nach der 2005 erfolgten Übernahme der Marschbahn bei einem erneuten Erfolg künftig etwa die Hälfte des Nahverkehrs auf der Schiene betreiben.
Wie immer das Vergabeverfahren Netz Ost demnächst endet, das Land hofft auf bessere Leistungen für weniger Geld. Die Öffnung des SPNV, des öffentlichen Nahverkehrs auf der Schiene, für andere Anbieter wird allgemein als Erfolgsgeschichte gesehen. Der Wettbewerb hat die Kosten für das Land erheblich gesenkt, dabei gleichzeitig das Angebot deutlich verbessert und so mehr als 20 Prozent zusätzliche Fahrgäste auf die Schiene gelockt.
Zuletzt war das als besonders lukrativ geltende Netz West mit der so genannten Marschbahn von Hamburg nach Westerland auf Sylt ausgeschrieben und danach an die NOB vergeben worden. Trotz des herben Verlustes blieb die Regionalbahn der Deutschen Bahn AG (DB) dank des Zuschlags für den FLEX zwischen Hamburg und Flensburg Marktführer, doch damit wäre bei Verlust des Netzes Ost Schluss.
Zu dem knapp 370 Kilometer langen Netz Ost gehören neben den Strecken Kiel-Lübeck und Hamburg-Lübeck auch Lübeck-Puttgarden, Lübeck-Travemünde, Lübeck-Lüneburg und Aumühle-Büchen. Zusammen sind dort täglich rund 50000 Fahrgäste unterwegs. Die Verkehrsleistungen, die nach Zug-Kilometern (Gesamtstrecke, die alle Züge zusammen im Netz fahren – derzeit etwa fünf Millionen) berechnet wird, könnten mit der Neuvergabe durch häufigere Verbindungen sogar noch steigen. Außerdem wird über zwei neue Bahnhöfe – Lübeck-Blankensee und Ahrensburg-Gartenholz – nachgedacht. Alle Verbesserungen sind aber wegen der Kürzung der Regionalisierungsmittel des Bundes noch fraglich.
Das Netz Ost habe "große Bedeutung" für die DB, sagt deren Sprecher Ole Constantinescu und ergänzt: "Wir erwarten eine regen und interessanten Wettbewerb, dem wir uns stellen." Noch bis zum 22. September können alle Eisenbahnunternehmen ein Angebot bei der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft (LVS) abgeben. Dort haben sich bereits "mehrere Interessenten" gemeldet.
"Wir freuen uns auf interessante Angebote und hoffen, wie auch in den bisherigen Wettbewerbsverfahren die Qualität des Schienenverkehrs zu steigern und den Zuschussbedarf senken zu können", hatte Verkehrminister Dietrich Austermann (CDU) beim Start des "Interessenbekundungsverfahrens" erklärt. Anders als bei den früheren Wettbewerbsverfahren gibt es dieses Mal keine klassische Ausschreibung und keine Vergabekommission. Nach einer Durchsicht der Angebote wird gezielt mit geeigneten Bewerbern verhandelt. Die Entscheidung trifft letztlich allein der Minister, dem schon nachgesagt worden war, er habe sich damit gegen den weiteren Wettbewerb und längst für die DB-Tochter entschieden. Austermann hatte seine Entscheidung damit begründet, dass das billigste Angebot "nicht immer das Beste" sei.
Auch bei herkömmlichen Ausschreibungen kann sich der Minister über die Empfehlung der Vergabekommission hinweg setzen. Außerdem können unterlegene Bieter Beschwerde einlegen. Das Land plant nach Abschluss des Verfahrens Ende 2006 die neue Bestellung der Leistung für den Zeitraum von Ende 2009 bis Ende 2019.