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Stern: Bahn ließ über 1.000 Mitarbeiter ausspionieren
geschrieben von BahnInfo-Redaktion 
Wie die Zeitschrift Stern in ihrer Ausgabe vom 22. Januar 2009 berichten wird, hat die Deutsche Bahn AG im großen Stil Mitarbeiter und deren Angehörige ausspionieren lassen. Mehr als 1.000 Personen sollen betroffen gewesen sein.

Wie der Stern in einer Vorabmeldung mitteilte, beruft sich das Magazin auf interne Auftragsunterlagen. In allen Fällen war die Network Deutschland GmbH aktiv, dieselbe Detektei, die auch bei der Telekom für Spitzeldienste eingesetzt wurde. Die Konzernrevision der Bahn beauftragte Network zuletzt 2007; die Spähaktionen liefen im Namen der Korruptionsbekämpfung. Eine der verdeckten Aktionen bei dem Staatsunternehmen trug laut stern den Decknamen "Eichhörnchen": Im Jahr 2003 erhielt Network Deutschland dabei den Unterlagen zufolge den Auftrag auszukundschaften, ob Top-Manager oder Ehepartner außerhalb des Unternehmens wirtschaftlich engagiert waren. Im Fall von "Eichhörnchen" bestand also kein konkreter Verdacht. Die Revision der Bahn reichte eine CD-ROM mit den persönlichen Daten von 774 Führungskräften an die Detektei weiter. Bereits im Dezember 2002 lief laut stern das Projekt "Babylon". Auch hier wurde eine Rasterfahndung initiiert, statt gezielt nach Tätern zu suchen. Die Firma Network erhielt dabei den Auftrag, Verbindungen zwischen Mitarbeitern der Bahn und Lieferanten zu ermitteln. Hunderte Personen wurden im Zuge von "Babylon" gerastert. In der Auftragsbeschreibung der Detektei heißt es dazu: Nach dem Adressabgleich sei der Auftrag "dahingehend erweitert" worden, "auch die Bank- und Telefonverbindungen in die Untersuchung einzubinden". Der für die Aufsicht des Konzerns zuständige Datenschutzbeauftragte von Berlin, Alexander Dix, hält solche Spähaktionen für nicht rechtens. Dem stern sagte Dix: "Wir haben bei der Bahn erhebliche Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz festgestellt." Die Behörde prüfe, ob das Unternehmen ein Bußgeld zahlen müsse. Möglicherweise rufen die Spitzelaufträge auch die Ermittlungsbehörden auf den Plan. Datenschützer Dix: "Ein Straftatbestand ist in einigen Fällen nicht auszuschließen. Wir prüfen, ob wir die Staatsanwaltschaft einschalten."

Vom stern konfrontiert, räumte die Bahn ein, dass es entsprechende Ermittlungsaktionen gab. Auch mögliche Probleme beim Datenschutz gibt der Konzern zu. Ein Vergleich mit Datenschutzskandalen - wie bei der Telekom - sei jedoch "völlig falsch und abwegig". Das Unternehmen reagierte am Dienstag mit einer Erklärung auf die stern-Recherchen.

In dieser Erklärung heißt es, die Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn AG seien „blühender Unsinn“. Konzernsprecher Oliver Schumacher sprach davon, daß die Deutsche Bahn AG wiederholt Opfer „schwerster Fälle von Wirtschaftskriminalität und Korruption“, weswegen sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mit aller Härte dagegen vorgehe.

Bereits am 4. Juni des vergangenen Jahres berichtete die Berliner Tageszeitung über „das auf Einschüchterung beruhende System Mehdorn.“ Auch damals wurde der Bahn vorgeworfen, ihre Mitarbeiter ausspionieren zu lassen, auch damals war bereits die Firma Network Deutschland im Spiel. Die Bahn gab aber an, mit Network Deutschland ausschließlich zur Aufdeckung von Scheinfirmen und zum Auffinden vermißter Vermögenswerte, wie z.B. Lokomotiven, zusammenzuarbeiten.

Link zur Tageszeitung

Politiker aller Parteien zeigten sich im Laufe des Tages bestürzt und forderten Aufklärung. Wie der verkehrspolitische Sprecher der SPD vom Kölner Stadtanzeiger zitiert wird, sei das Thema nächste Woche auf der Tagesordnung im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages. Peter Hettlich von den Grünen sagte: „Das ist ein dicker Skandal, der sich nicht hinter dem Telekom-Skandal verstecken muss.“ Er hält es auch für möglich, daß die Deutsche Bahn AG Abgeordnete ausspionieren ließ. „Ich schließe bei diesem Konzern überhaupt nichts aus.“

Besonders brisant ist, daß es ausgerechnet SPD und Grüne waren, die zwischen 1998 und 2005 gemeinsam die politische Verantwortung für die Entwicklung trugen, die die Deutsche Bahn AG in dieser Zeit genommen hat. SPD und Grüne haben gemeinsam das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, aufgegeben und wollten die Deutsche Bahn AG in ihrem damaligen Zustand – gegen aller Widerstände – an die Börse bringen. Unter Rot-Grün kam Hartmut Mehdorn ins Amt und erst unter Rot-Grün begann die Deutsche Bahn AG eigenständige Unternehmenspolitik, unabhängig von der Bundesregierung zu machen.

"In einer solchen Größenordnung Ausspähungen zu veranlassen, noch dazu ohne konkrete Verdachtsmomente, das ist ein ungeheurer Vorgang", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Liberalen, Horst Friedrich, stern.de. "Die Bahn ist ein Unternehmen, das der rechtsstaatlichen Bundesrepublik gehört und kein volkseigenes Kombinat in einem Unrechtsstaat, in dem man beliebig die Leute bespitzeln kann."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), die bereits bei den TAZ-Vorwürfen im Juni keinerlei Kommentare abgaben, haben sich auch zu dem Stern-Artikel nicht geäußert.

Kommentar

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 16.02.2009 01:24 von BahnInfo-Redaktion.
Krasse Sache. Wird nicht die letzte Firma sein , die geoutet wird.
Hallo,

leider mussten auch hier zwei Beiträge auf Grund von Unsachlichkeiten / Beleidigungen entfernt werden.

Wir bitten alle User, sachlich und freundlich miteinander umzugehen und den Forumsfrieden zu achten.

Grüße
Forummaster Südwest
Wie der Datenschutzbeauftragte der DB, Wolfgang Schaupensteiner, gestern vor dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages sagte, hat die Deutsche Bahn AG insgesamt 173.000 Mitarbeiter bespitzeln lassen. Deren Daten wurden mit den Daten von 80.000 externen Firmen, Vereinen und Organisationen abgeglichen, die mit der DBAG geschäftlich zu tun haben. Die Betroffenen wurden auch im Nachhinein nicht darüber informiert.

Verkehrspolitiker aller Parteien zeigten sich über die Methoden der Rasterfahndung, die den Strafverfolgungsbehörden nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur in äußersten Ausnahmen erlaubt ist, entsetzt. Am Mittwoch, den 11. Februar wird die Befragung vor dem Verkehrausschuß fortgesetzt. Dann werden auch die Leiter der Konzernrevision und der Unternehmenssicherheit teilnehmen.

Horst Friedrich von der FDP sprach von einer „völlig neuen Dimension“ und Winfried Herrman von den Grünen verlangte eine lückenlose Aufklärung. Weder Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerten sich zur Sache.


Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Alle drei Bahngewerkschaften sind sich ausnahmsweise einig: Man ist entsetzt und empört darüber, daß die Deutsche Bahn AG knapp 80% ihrer Mitarbeiter systematisch hat ausspionieren lassen.

In einer gemeinsamen Presseerklärung von Transnet und GDBA verlangen die Vorsitzenden Klaus Hommel und Alexander Kirchner, „die Salami-Informationspolitik des Konzerns muß ein Ende haben“. „Künftig müssen der Aufsichtsrat oder entsprechende Gremien, die noch geschaffen werden können, Kontrollaktionen überwachen“, forderten Kirchner und Hommel. Die Grundrechte der Beschäftigten und ihrer Familien müssten gewahrt bleiben. Allerdings sei auch der Gesetzgeber gefordert. „Hier müssen klare Spielregeln für den Umgang mit entsprechenden Kontrollaktionen vorgegeben werden.“ Zwar sei der Kampf gegen Korruption „richtig und wichtig“, aber die pauschale präventive Kontrolle von über 170.000 Mitarbeitern sei kein angemessenes Mittel dagegen.

Auch die GDL hält es grundsätzlich für notwendig, daß „in begründeten Einzelfällen“ Maßnahmen gegen Korruption ergriffen werden. „Dennoch darf die Bahn ihre Mitarbeiter nicht einem Generalverdacht aussetzen“, so der GDL-Bundesvorsitzende. Noch schlimmer werde alles dadurch, dass der DB-Vorstand seine Mitarbeiter über einen solchen Eingriff in die persönlichen Daten nicht informiert habe. „Das erfordert eine umgehende Entschuldigung des DB-Vorstands bei den Beschäftigten. Sollte der Bahnvorstand gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstoßen habe, sind auch personelle Konsequenzen zu ziehen.“ „Damit hat der DB-Vorstand den Datenschutz mit Füßen getreten“, so Claus Weselsky.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
220.000 Menschen arbeiten bei der Deutschen Bahn AG, davon hat man 173.000 präventiv ausspionieren lassen. Ohne einen konkreten Verdacht, ohne daß es konkrete Hinweise gegeben hätte. In lediglich 100 Fällen gab es Hinweise darauf, daß Korruption stattgefunden haben soll. Das bedeutet noch nicht, daß hier tatsächlich etwas strafrechtlich relevantes passiert ist, sondern das bedeutet nur, daß ein konkreter Anfangsverdacht vorlag – aber erst nach der Bespitzelung. Ohne auch nur den geringsten Anlaß wurde hier die Privatsphäre von 173.000 Menschen verletzt, hier wurde nach den Kriterien der Rasterfahndung gearbeitet, denen das Bundesverfassungsgericht für die Strafverfolgungsbehörden hohe Hürden gesetzt hat. Nur bei konkreten Hinweisen auf etwa ein geplantes Attentat darf so gearbeitet werden. Nicht aber darf der Arbeitgeber hier externe Detekteien beauftragen, die privaten Daten der Mitarbeiter mit den Daten externer Unternehmen, Vereine und Verbände abzugleichen, die man sich ergaunert hat.

Eine Überprüfung ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz nur dann erlaubt, wenn es konkrete Verdachtsmomente gibt, nicht aber „für alle Fälle“. Zudem ist der betroffene Mitarbeiter auch dann darüber zu informieren, wenn sich – trotz der konkreten Verdachtsmomente – keine Erhärtung der Anhaltspunkte ergeben hat. All das ist nicht passiert, all das verstößt aufs schärfste gegen geltendes Recht. Die Forderung des FDP-Verkehrspolitikers Friedrich nach einem Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages ist daher berechtigt. Unabhängig davon, daß die Bundesdatenschutzbehörde ein Bußgeldverfahren einleiten muß, muß auch politisch überprüft werden, was im bundeseigenen Konzern schiefgelaufen ist und wieso die Deutsche Bahn AG ein derartiges Eigenleben entwickeln konnte, ohne daß Verkehrspolitiker der Regierung etwas mitgekriegt haben.

Es ist übrigens bezeichnend: Erneut haben sich weder Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. Aber das ist vielleicht auch gar nicht das schlechtste, nachdem Wolfgang Tiefensee letzten Herbst die Öffentlichkeit dreist belogen hat, ist seine Glaubwürdigkeit ohnehin auf dem Nullpunkt angekommen. Und die Bundeskanzlerin schwebt sowieso über den Dingen, Demoskopen sind sich über die Ursache ihrer Beliebtheit einig: Die Leute bringen sie nicht mit Politik in Verbindung. Wie sagt der Kabarettist Volker Pispers so schön: „Hosenanzugtragender Sprechblasenautomat“. Eine passende Bezeichnung für das politische Elend im allgemeinen und den miserablen Zustand der Eisenbahn im besonderen.


Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 30.01.2009 02:15 von BahnInfo-Redaktion.
BahnInfo-Redaktion schrieb:
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> Es ist übrigens bezeichnend: Erneut haben sich
> weder Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee
> (SPD) noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
> geäußert.

Doch, Tiefensee hat. Gestern war es in der Tagesschau zu sehen; schriftlich konnte ich es bis jetzt nicht finden.

Im Tagesspiegel wird es kurz erwähnt.

Und der Spiegel bringt auch was darüber



MfG,
L.W.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 30.01.2009 08:39 von L.Willms.
Ja, inzwischen hat sich der Herr Minister, anderthalb Wochen nachdem der Stern es berichtet hat und Monate nachdem Handelsblatt und Tageszeitung erstmals darüber schrieben, auch zur Sache geäußert.

Das haben auch wir nicht unterschlagen, siehe hier.
Bahnchef Mehdorn war eigenen Angaben zufolge nicht darüber informiert, daß die Konzernrevision 173.000 Mitarbeiter bespitzeln ließ. Gleichzeitig aber verteidigte er den Vorgang als notwendige Korruptionsbekämpfung und sagte, diese Maßnahmen würden den allgemeinen Empfehlungen von Transparency International entsprechen und seien in Großkonzernen üblich. Weiterhin soll auch der Aufsichtsrat nicht informiert gewesen sein. Er erklärte das damit, daß der Vorstand sich mit solchen Alltagsgeschäften nicht zu befassen habe, er sei ja auch nicht für das Bestellen von Briefmarken und Briefumschlägen zuständig. Zudem sagte Mehdorn, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) solle „sich nicht darum kümmern“. Am Freitag äußerte der Minister sich erstmals zu den seit Monaten kursierenden Spionage-Vorwürfen gegen die Bahn.

Mehdorn sagte, die Bahn würde auch wieder so handeln – allerdings würde man es „anders kommunizieren“. Der Bundesverkehrsminister schaltet sich, auch gegen Mehdorns ausdrücklichen Wunsch, sehr wohl in die Sache ein. „Es macht einfach keinen Sinn, daß 173.000 einfache Mitarbeiter auf Korruption überprüft wurden. Das hat mit guter Unternehmenskultur nichts zu tun.“ Tiefensee nannte es zudem „inakzeptabel“, daß das systematische Ausspionieren von Mitarbeitern mit der Bestellung von Briefmarken gleichgesetzt werde.

Die Bahn selbst schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Diese solle zu einer „Versachlichung“ der Debatte beitragen und rausfinden, ob die Spionageaktionen strafrechtlich relevant seien. Mehdorn sieht sich als Opfer einer „unverantwortlichen Skandalisierung.“ Derweil geht auch die Aufklärung auf politischer Ebene weiter. Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages wird sich noch im Februar erneut mit den Vorgängen befassen. Zudem will Horst Friedrich, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Untersuchungsausschuß nicht mehr ausschließen. Zudem nannte Friedrich die Einschaltung der Staatsanwaltschaft eine „Nebelkerze“. Er geht davon aus, Mehdorn wolle damit weitere Ermittlungen verhindern „und zwar mit dem Argument, es liefen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und so lange könnten keine Aussagen gemacht werden.“

Derweil äußerten sich Sprecher mehrerer DAX-Konzerne im Tagesspiegel. Bayer, BASF, VW und die Deutsche Post erklärten übereinstimmend, daß die Behauptung Mehdorns, solche Spionageaktionen seien in Großkonzernen üblich, falsch sei. Weder würden Mitarbeiter dort „gescreent“ werden, noch würden sie mit den Daten von Geschäftspartnern oder anderen externen Firmen und Organisationen abgeglichen werden. Erst recht würde man keine vertraulichen Daten der Mitarbeiter in die Hände externer Detekteien geben.

Unterdessen berichtete Spiegel-Online, daß führende Verkehrspolitiker davon ausgehen, Korruptionsbekämpfung sei nicht primäres Ziel der Bahn gewesen. Horst Friedrich etwa soll mehrere Dokumente und detaillierte Schilderungen von Mitarbeitern erhalten haben, die diesen Verdacht untermauern. Auch sein Kollege von den Grünen, Winfried Hermann, sagte, daß es „bei der Aktion auch darum ging, herauszufinden, wer Informationen aus der Bahn weitergegeben hat, beispielsweise an Kritiker des Konzerns.“

In zumindest einem bekannt gewordenen Fall ging es in der Tat nicht um Korruption, sondern darum, daß Bahnchef Mehdorn anonym bei den Steuerbehörden angezeigt worden ist. Vor über drei Jahren bereits erhielten alle Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG einen Brief von Hartmut Mehdorn, in dem er vorsorglich bekanntgab, daß man „Verrat“, damit meinte er die Weitergabe vertraulicher Unterlagen, nicht weiter dulden werde. Diesem würde man „ebenso energisch begegnen wie der Korruption“, dabei würde man „alle uns zur Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Wie die Sueddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 2. Februar 2009 berichtet, fordern die Gewerkschaften der Tarifgemeinschaft Transnet/GDBA eine öffentliche Entschuldigung von Bahnchef Mehdorn. Letzte Woche war bekannt geworden, daß die Deutsche Bahn AG 173.000 Mitarbeiter habe ausspionieren lassen. Dies war am Freitag von Mehdorn als normaler Vorgang der Korruptionsbekämpfung bezeichnet worden, Mehdorn sieht sich als Opfer einer Skandalisierungskampagne.

Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der GDBA, sprach offen über eine mögliche Abberufung Mehdorns durch den Aufsichtsrat. Man hoffe, „daß Herr Mehdorn und der Bahnvorstand noch die Kurve kriegen und erkennen und erklären, daß sie Mist gebaut haben.“ Allerdings reiche eine bloße Entschuldigung „natürlich mehr als nur zu sagen tut mir leid“. Selbstverständlich müsse darüber geredet werden, „wie das in Zukunft vermieden wird.“ Hommel und sein Kollege Alexander Kirchner von Transnet verlangten eine Sondersitzung des Aufsichtsrates. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, man habe sich mit den Vorgängen intensiv beschäftigt. „Die Empörung über die bislang bekannt gewordenen Details der „Schnüffel-Affäre“ ist nach wie vor groß. Unter den Beschäftigten der Deutschen Bahn AG herrscht große Unruhe. Die bisherigen Erklärungen reichen uns nicht aus. Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates in der Vergangenheit von der Überprüfung von 173.000 Mitarbeitern informiert worden wären.“ „Wir verlangen auf dieser Sitzung umfassende Aufklärung zu Hintergründen und Details. Wir erwarten nach wie vor, daß der Konzernvorstand die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich informiert.“ Aufsichtsratschef Werner Müller kündigte bereits an, „wenn die Spitzenvertreter der Belegschaft im Aufsichtsrat kurzfristig eine außerordentliche Sitzung wünschen, dann wird diese anberaumt.“

Wie die Sueddeutsche Zeitung weiter berichtet, sei die Entscheidung, den Betriebsrat nicht zu informieren, ganz bewußt gefällt worden. Es seien „Zweifel an der Zuverlässigkeit bzw. Diskretion des (zu geschwätzigen) Betriebsrats“ vorhanden, haben Bahnvertreter der Berliner Datenschutzbehörde gegenüber geäußert, wie es in einem Bericht der Behörde heißt, der der SZ vorliegt. Besonders erstaunt sei die Behörde zudem über die Abwicklung des Auftrages, der der Bahn zufolge 800.000 Euro gekostet haben soll. Dieser wurde bei der Detektei Network Deutschland, die auch für die Deutsche Telekom AG und Lidl Mitarbeiter ausspioniert hat, ausschließlich mündlich und ohne schriftliche Auftragsvergabe erteilt. Zudem habe die Bahn wahllos eMails der Betroffenen weitergeleitet, u.a. auch solche an den Betriebsrat und Informationen über Betriebsratssitzungen.

Die verkehrspolitischen Sprecher von FDP und Grünen im Bundestag, Horst Friedrich und Winfried Hermann, gehen davon aus, daß die Korruptionsbekämpfung nur vorgeschoben sei, tatsächlich wolle man überprüfen, welche Mitarbeiter Kontakte zu Journalisten, Privatisierungskritikern oder Fahrgastverbänden haben.

Mehdorn aber geht weiter in die Offensive. Er streitet nach wie vor alle Vorwürfe ab und geht davon aus, alles richtig gemacht zu haben. Er kritisiert den Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, wirft er ihm „Geheimnisverrat und Befangenheit“ vor. Sollte er weiter an der Aufklärung mitarbeiten, werde die Bahn die zuständige Senatsverwaltung des Landes Berlin einschalten, die der Datenschutzbehörde übergeordnet ist. In einem Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer heißt es, die Tatsache, daß Dix sich in der Öffentlichkeit geäußert habe, würde dafür sorgen, daß „eine unparteiische Amtsausübung im genannten Verwertungsverfahren nicht gewährleistet ist.“ Weiter wirft die Bahn ihm vor, daß er dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages einen Bericht seiner Behörde übermittelt habe.

Dix kündigte an, daß es im Februar zwei weitere Prüfungen geben werde, bei denen er weitere Informationen gewinnen wolle. Dies lehnt Mehdorn allerdings ab.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Bahnchef Mehdorn hat den DB-Mitarbeitern einen Brief geschrieben, in dem es heißt „niemand ist (...) ausspioniert, abgehört oder bespitzelt worden.“ Weiter heißt es: „Wenn dadurch bei Ihnen der Eindruck entstanden sein sollte, der Vorstand misstraue den Mitarbeitern, dann bedauere ich das ausdrücklich. Nichts liegt dem Vorstand ferner als solche Verdächtigungen.“ „Aus heutiger Sicht waren wir hier übereifrig, und es gab eine falsch verstandene Gründlichkeit. Für die grundsätzlich sinnvolle und zulässige Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung war es nicht nötig, den Kreis der Mitarbeiter, die in den Datenabgleich einbezogen wurden, so weit zu ziehen.“ „Für die Zukunft greife ich gerne die Anregung der Gewerkschaften auf, in einem intensiven Dialog mit den Beschäftigten verbindliche und transparente Regelungen zu vereinbaren.“

Zuvor war der Bahnchef stark unter Druck geraten, die Vorsitzenden der Tarifgemeinschaftsgewerkschaften Transnet und GDBA sprachen sogar schon öffentlich von einer Abberufung Mehdorns durch den Aufsichtsrat. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kritisierte noch am Morgen den Bahnchef: „Es dauert zu lange, und es kommt nicht konsequent und im Ganzen ans Tageslicht.“ „Wir haben noch lange nicht genug Informationen, um einschätzen zu können, wie die Aktionen tatsächlich vor sich gegangen sind.“ Dabei wies er auch daraufhin, daß Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und er „auf einer Linie sind.“ Sie äußerte sich zwar nicht persönlich, ließ aber über einen Sprecher mitteilen, daß sie die Linie des Verkehrsminister unterstütze.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Wie die Sueddeutsche Zeitung und die Financial Times Deutschland übereinstimmend berichten, hat der Vorstand der Deutschen Bahn AG alle Mitarbeiter ausspionieren und überprüfen lassen. Anfang letzer Woche war noch die Rede von ca. 1.000 Führungskräften, Ende letzter Woche war die Rede von 173.000 Mitarbeitern, jetzt ist anscheinend klar, daß sämtliche Mitarbeiter systematisch ausspioniert und überprüft wurden.

Dies geht aus einem Brief hervor, den Achim Großmann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, an die anderen Aufsichtsräte geschrieben haben soll. Kopien dieser Briefe liegen den beiden Zeitungen eigenen Angaben zufolge vor. Dies soll im Aufsichtsrat für Empörung gesorgt haben, man sei „schockiert“ und entsetzt darüber, daß der Bahnvorstand nur „scheibchenweise“ mit der Wahrheit herausrückt.

Herausgekommen sein soll dies bei einer Sitzung des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrates, zu der der Bahnchef herbeizitiert worden war. Auf dieser Sitzung sei „nicht ausreichend“ geklärt worden, wer die zweite Massenbespitzelung, die im Jahr 2005 stattgefunden hat, angeordnet hat, Fragen seien „nur unzureichend“ beantwortet worden.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Erstmals hat ein hochraniger Politiker einer Regierungspartei einen möglichen Rücktritt von Bahnchef Mehdorn ins Gespräch gebracht: Der Lünener Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte im Kölner Stadt-Anzeiger vom 4. Februar 2009, für den Fall daß sich der Verdacht einer weiteren Spionageaktion gegen alle Mitarbeiter erhärten solle, "wird sich Herr Mehdorn nach einer anderen Tätigkeit umsehen müssen." Wiefelspütz weiter: "Wenn er es gewußt hat, ist es schlimm; wenn nicht, ist es auch schlimm." Dieter Wiefelspütz sitzt seit 1987 für die SPD im Deutschen Bundestag und ist seit 1998 innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er ist direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hamm - Unna 2.

Bild: Dieter Wiefelspütz



Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.02.2009 12:57 von BahnInfo-Redaktion.
Am kommenden Mittwoch (12. Februar 2009) wird sich der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages erneut mit der Spionage-Affäre bei der Deutschen Bahn AG befassen. Doch bereits vorher, "Ende dieser Woche wollen wir die Unterlagen auf dem Tisch haben", sagte Uwe Beckmeyer, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion der Deutschen Presseagentur. "Jetzt müssen alle Karten auf den Tisch." "Ein Hinhalten wird nicht länger möglich sein" so der 59jährige Bremerhavener Abgeordnete. Nach seinem Fraktionskollegen Dieter Wiefelspütz ist er der zweite hochrangige Regierungsabgeordnete, der Mehdorns Stuhl wackeln sieht. Einen Rücktritt bzw. eine Abberufung kann er "am Ende nicht ausschließen", er wisse nicht "was noch aufgedeckt wird".

Aus der Opposition wird unterdessen auch Kritik an Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) laut. Der Grüne Verkehrsexperte Anton Hofreiter forderte nach Tiefensees politischer Verantwortung zu fragen. "Bislang konnte man nicht den Eindruck gewinnen, daß er das zu 100% bundeseigene Unternehmen DBAG jemals wirksam zu kontrollieren in der Lage gewesen wäre." Die Grünen waren von 1998 bis 2005 gemeinsam mit der SPD in der Regierung. In diese Zeit fallen ein Großteil der Spionageaktionen der Deutschen Bahn AG gegen die Mitarbeiter. Unter Rot-Grün wurde zudem Hartmut Mehdorn ins Amt berrufen.

Nach wie vor hält der Bundesverkehrsminister an Mehdorn fest - zumindest offiziell. Wie die Sueddeutsche Zeitung berichtet, sei es regierungsintern Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die einen Wechsel an der Bahnspitze im Wahljahr vermeiden wolle. Dazu schreibt Albrecht Müller heute auf den Nachdenkseiten: "Wenn es wirklich stimmt, wie behauptet wird, daß vor allem die Bundeskanzlerin zu Mehdorn hält und die SPD Seite mit dem Verkehrsminister Tiefensee dies nicht mehr tut, dann wäre dies doch ein vorzüglicher Konflikt, an dem die SPD sich endlich mal wieder profilieren könnte. Dem Entschluß, Mehdorn rauszuwerfen, würde die Mehrheit unseres Volkes folgen - die verkehrspolitisch interessierten und kundigen sowieso." Albrecht Müller war von 1973 bis 1982 unter Willy Brandt und Helmut Schmidt Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt. Zudem war er der Organisator des Wahlkampfes 1972 und saß von 1987 bis 1994 als SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Er wird dem linken Parteiflügel zugerechnet und wurde einer breiten Öffentlichkeit in den letzten Jahren als einer der schärfsten innerparteilichen Kritiker Gerhard Schröders bekannt.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.02.2009 15:15 von BahnInfo-Redaktion.
Der gute Uwe Bckmeyer sollte sich für die Wiedereinführung der Straßenbahn in
seiner Heimatstadt Bremerhaven einsetzen, bevor die Fahrgastzahlen des reinen
Busbetriebs noch weiter zurück gehen.

JE
Hast Du ihn diesbezüglich mal über www.abgeordnetenwatch.de kontaktiert?
Wie die Deutsche Bahn AG mitteilt, wird sie die Bundesregierung Anfang kommender Woche mit einem ausführlichen Bericht über die Bespitzelung ihrer Mitarbeiter informieren. Mehdorn sicherte zu, alle verfügbaren Informationen der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag und dem Aufsichtsrat vorzulegen. Aufgrund des Menge der zu sichtenden Unterlagen sei ein abschließender Bericht bis Montag nicht erstellbar. Am kommenden Mittwoch (11. Februar 2009) wird sich der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages erneut mit der Spionage-Affäre befassen.

Bahnchef Mehdorn hat sich unterdessen heute auf einer Sitzung des Konzernbetriebsrates zu den Vorwürfen geäußert. Demnach bedauere er die Vorkommnisse und sichere zu, daß solche Schnüffeleien 2009 nicht stattfänden. Zur weiteren Aufklärung werden dem Konzernbetriebsrat vom diesem auszuwählende externe Sachverständige zur Verfügung gestellt. Einem Bericht der Aachener Zeitung zufolge, sagte der stellvertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende Jens Schwarz gesagt "die Entschuldigung reicht." Eine Rücktrittsforderung werde es durch den Konzernbetriebsrat nicht geben.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.02.2009 14:43 von BahnInfo-Redaktion.
Wie soll man da eigentlich unseren Kindern ein positives Demokratieverständnis vermitteln, wenn solche Sachen, wie sie Herr MEhdorn abzieht, ungestraft bleiben?
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