Willkommen! Einloggen Ein neues Profil erzeugen

erweitert
VBB-Chef FRANZ:"S-Bahn muss besser werden!"
geschrieben von joha 
Gestern 11.7.2008 längeres Interwiev mit VBB-Chef Franz in der Berliner Abendschau.

Sein Fazit: Die S-Bahn nutzt nicht ihr Potenzial um "Autoumsteiger" zufrieden zu stellen. Volle, unsaubere und unpünktliche Züge würden "Neuumsteiger" nicht dauerhaft an die S-BAhn und den VBB binden können.

Die S - Bahn müsse ihre Anlagen und das Fahrzeugmaterial besser instand halten und Abstriche bei der Sparsamkeit machen um auch weiterhin attraktiv bleiben zu können.

Jeder zehnte Zug sei über 5 Minuten verspätet, was regelmässig Anschlüsse verhindere und die Situation auf dem Ring müsse verbessert werden . Die zu kurzen Züge verhinderten einen zügigen FAhrgastwechsel, die Aufenthaltszeiten würde dadurch überschritten und dies wäre einer der Gründe für die ständigen Verspätungen.

Demgegenüber Ingo PRIEGNITZ der S-BAhnsprecher:
Es gebe keine Probleme. MAn könne "für die eine Stunde Berufsverkehr keine zusätzlichen Züge bereit halten"!



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.07.2008 12:42 von joha.
Zitat
Demgegenüber Ingo PRIEGNITZ der S-BAhnsprecher:"Es gibt keine Probleme!"
Diesem Döspaddel müsste man jeweils links und rechts eine geben.
So eine Frechheit das zu sagen!
Wieso, er hat doch Recht. Wer soll das bezahlen? Werden die Fahrpreise erhöht nölen die selben Leute doch wieder rum.
Nun, Herr Sarrazin überweist der S-Bahn ja nicht alle Bundesmittel für die S-Bahn, sondern behält einen Teil davon für den allgemeinen Haushalt ein.
Das Geld könnte man der S-Bahn mal zukommen lassen.
Interessant dass der Bund der Steuerzahler oder so nicht schon längst geklagt hat-
Adenosin schrieb:
-------------------------------------------------------
> Nun, Herr Sarrazin überweist der S-Bahn ja nicht
> alle Bundesmittel für die S-Bahn, sondern behält
> einen Teil davon für den allgemeinen Haushalt
> ein.
> Das Geld könnte man der S-Bahn mal zukommen
> lassen.
Und es ist dann nicht anzunehmen, dass die S-Bahn unter den gegenwärtigen Bedingungen dies für eine Verbesserung ihres Betriebes im Sinne des Fahrgastes einsetzen würde. Vielmehr würde wohl die Gewinnabführungsquote an den Mutterkonzern überproportional steigen. Man sollte sich nur mal anschauen, um wieviel der von der Berliner S-Bahn an die Konzernzentrale abgeführte Gewinn zugenommen hat - bei gleichzeitiger Verschlechterung der Angebotsqualität.

Alle Probleme mit der S-Bahn alleine auf die Politik und die unzureichende Finanzanzausstattung mit öffentlichen Geldern zurückzuführen trifft nicht vollständig den Kern des Problems. Denn das gegenwärtig verfolgte Politik der Privatisierungsmodell der Bahn ist so angelegt, dass vor allem um eine Erzielung kurzfristiger Gewinne und deren Abführung an die künftigen Aktionäre im Mittelpunkt steht und zum Hauptmodell der Geschäftstätigkeit wird. Der Einsatz dieser Einnahmen für eine Verbesserung des Systems aus Sicht des Fahrgastes ist da nur zweitrangig.

> Interessant dass der Bund der Steuerzahler oder so
> nicht schon längst geklagt hat-
Der Bund der Steuerzahler ist leider auch nur eine Lobbyvereinigung. Gerade bezüglich des Schienenverkehrs ist von diesem Verband nur selten positives zu hören. Üblicherweise plädiert dieser wher für eine Reduzierung der öffentlichen Gelder für dieses System - aber er kritisiert nur wenig die Ausgaben für das Verkehrssystem Straße (von einzelnen besonders kuriosen Einzeprojekten mal abgesehen - da man damit ein besonderes Medienecho erzielen kann).

Ingolf
joha schrieb:
-------------------------------------------------------
> Gestern 11.7.2008 längeres Interwiev mit VBB-Chef
> Franz in der Berliner Abendschau.
> ...
> Jeder zehnte Zug sei über 5 Minuten verspätet...

Mit den "über 5 Minuten" hat sich Franz wohl irrtümlich verplappert. Dieser "lockere" Grenzwert galt eigentlich bisher nur beim Regionalverkehr. Für die S-Bahn wurde bisher strenger "über 2 Minuten" als unpünktlich gemessen. Das jeder zehnte S-Bahn-Zug dann noch mehr als 5 Minuten Verspätung gehabt haben soll ist wohl quatsch, bei zwei Minuten kann ich mir das eher vorstellen.

Übrigens, der DB-Regionalverkehr sieht ja mit seinem Wert (2007: 87,22 %, 2006: 85,61 % - unter 90% schon seit Jahren) richtig beschi**en aus. Dagegen ist die S-Bahn noch Gold... aber das Nachlassen ist unter der Führung von dem Doktorchen (Heinemann) spürbar.

Erstaunlicherweise werden die Unpünktlichkeits-Definitionen in der aktuellen Qualitätsbroschüre nicht einmal erwähnt. Hauptsache, der VBB hat zu seiner Daseinsberechtigung mal wieder eine bunte Broschüre auf Hochglanzpapier herausgegeben - egal was da überhaupt wie gemessen wurde...tse, tse. VBB -Qualitätsbilanz 2007 (PDF, ca. 4,3 MB) oder: Schaut, so bunt ist der VBB-Verbund...

----
Fahr lieber mit der Bundesbahn
./.
12.07.2008 15:55
./.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.04.2009 17:59 von Jäger90.
Anonymer Benutzer
...
12.07.2008 16:05
...



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.01.2011 23:45 von 54E.
hotte789 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Wieso, er hat doch Recht. Wer soll das bezahlen?
Die S-Bahn selber. Hat die nicht einen dicken, zweistelligen Millionenbetrag an Gewinn eingestrichen im lezteten Jahr?

Nachtrag: 34 Mio ¤ waren es.
[www.tagesspiegel.de]



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.07.2008 17:41 von jottlieb.
Schuld hat einzig und alleine der Senat. Die saumäßige Qualität der S-Bahnleistung ist lange bekannt, doch was hat man getan? Anstatt die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen und einen neuen Verkehrsdienstleister zu bestellen, hat man die S-Bahn GmbH mit einem Verkehrsvertrag bis 2015 belohnt. Was soll sie sich da noch anstrengen? Ich würde bei soviel Dämlichkeit auch weiterhin ungetrübt wilde Sau spielen.

Die Autofahrer werden sich erst bei einem Benzinpreis von ca 2, Euro darüber Gedanken machen., ob sie sich in einen vollen Ringzug quetschen. Oder sich am Samstag morgen in eine vollgek.... S-Bahn setzen.

Allgemein hat man sowieso das Problem, das nicht mehr genügend Kapazitäten im ÖPNV vorhanden sind, sollte tatsächlich eine massive Umsteigewelle vom Auto einsetzen. Das hat man genauso geflissenlich verschlafen - absichtlich - wie "das Ding mit dem Öl" : es war bekannt, spätestens seit 1973, das es irgendwann mit dem Öl zuende sein wird. Aber nein, was hat man gemacht - immer schön drauflos, als wenn es kein Morgen geben würde. Da kann die Springerpresse noch so plärren, es ist Fakt, der Ölpreis wird weiter steigen - und es war abzusehen! Und nun ist der Bock fett - sollen die Verantwortlichen sehen, wie sie da rauskommen!

Ich kann nur sagen, jeder der heute noch freiwillig Auto fährt ist dumm - fatal ist es nur für die, die Dank der Verkehrspolitik der letzen 30 Jahre aufs Auto angewiesen sind!
Das VBB Heft ist aber doch recht interessant. Schaut man sich die Ursache der Verspätungen an fällt auf, dass die S-Bahn selbst 2006 noch für 20%, 2007 aber schon für über 67% aller Verspätungen selbst schuld war. Eine ganz klare Steigerung.

*******
Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
Die S-Bahn war am besten als sie zur BVG gehörte.
BR 23 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Die S-Bahn war am besten als sie zur BVG gehörte.

So kann man das nicht sagen, zumal die S-Bahn nie zur BVG gehörte, sondern der Berliner Senat 10 Jahre lang Betriebsrechte für bis zu vier S-Bahnlinien besaß, mit deren Betrieb er die BVG beauftragte.
Die Entwicklung in diesen zehn Jahren war in der Tat beeindruckend und ist unwiederholbar.

so long

Mario
Da ist beim Einstellen des Beitrages etwas schiefgelaufen.
Bitte nächsten Beitrag von mir lesen.

Ingolf



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.07.2008 01:28 von Ingolf.
Polski schrieb:
-------------------------------------------------------
> Schuld hat einzig und alleine der Senat. Die
> saumäßige Qualität der S-Bahnleistung ist lange
> bekannt, doch was hat man getan? Anstatt die
> Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen und
> einen neuen Verkehrsdienstleister zu bestellen,
> hat man die S-Bahn GmbH mit einem Verkehrsvertrag
> bis 2015 belohnt.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass sich nicht ohne weiteres ein neuer Betreiber eines derart großen und technisch isolierten Netzes finden würde. Ein Unternehmen, welches sich für den Betrieb eines derartigen Netzes engagieren möchte, wird ebenso wie inzwischen die S-Bahn Berlin GmbH darauf bedacht sein, kräftige Gewinne einfahren zu können. Und zwar mindestens so viel, dass sich die Investition (u.a. in einen komplett neuen und nur in diesem Netz einsetzbarem Fahrzeugpark) komplett refinanziert und ein Zusatzgewinn bleibt. Und das ist auch bei Veolia, Arriva und wie sie alle auch heißen mögen nicht anders als bei der Deutschen Bahn.

Was nach jetzigem Stand der Dinge und dem gewählten Geschäftsmodell zur Abwicklung des S-Bahn-Verkehrs in dieser Stadt dem Senat wohl vorgeworfen werden kann, ist dass er sich entweder gar nicht ernsthaft für die Einhaltung des Verkehrsvetrages mit der S-Bahn interessiert oder dass er so schlecht verhandelt hat, dass ihm (und den Fahrgästen) die S-Bahn auf der Nase herumtanzen kann und noch mehr Gewinne für die künftigen Aktionäre des Bahnhkonzerns abzweigen kann.

Viele Grüße
Ingolf
Ingolf schrieb:
-------------------------------------------------------
> Ein Unternehmen,
> welches sich für den Betrieb eines derartigen
> Netzes engagieren möchte, wird ebenso wie
> inzwischen die S-Bahn Berlin GmbH darauf bedacht
> sein, kräftige Gewinne einfahren zu können. Und
> zwar mindestens so viel, dass sich die Investition
> (u.a. in einen komplett neuen und nur in diesem
> Netz einsetzbarem Fahrzeugpark) komplett
> refinanziert und ein Zusatzgewinn bleibt. Und das
> ist auch bei Veolia, Arriva und wie sie alle auch
> heißen mögen nicht anders als bei der Deutschen
> Bahn.

Genau das ist das Problem! ÖPNV gehört nicht in Privatwirtschaftliche Hände. ÖPNV soll nicht Gewinn für ein (bald Börsennotiertes) Unternehmen machen, sondern dafür sorgen, dass die Bevölkerung möglichst günstig in einem zuverlässigen und großen Netz mobil sein kann.
jottlieb schrieb:
-------------------------------------------------------
> Ingolf schrieb:
> --------------------------------------------------
> -----
> > Ein Unternehmen,
> > welches sich für den Betrieb eines derartigen
> > Netzes engagieren möchte, wird ebenso wie
> > inzwischen die S-Bahn Berlin GmbH darauf
> bedacht
> > sein, kräftige Gewinne einfahren zu können. Und
> > zwar mindestens so viel, dass sich die
> Investition
> > (u.a. in einen komplett neuen und nur in diesem
> > Netz einsetzbarem Fahrzeugpark) komplett
> > refinanziert und ein Zusatzgewinn bleibt. Und
> das
> > ist auch bei Veolia, Arriva und wie sie alle
> auch
> > heißen mögen nicht anders als bei der Deutschen
> > Bahn.
>
> Genau das ist das Problem! ÖPNV gehört nicht in
> Privatwirtschaftliche Hände. ÖPNV soll nicht
> Gewinn für ein (bald Börsennotiertes) Unternehmen
> machen, sondern dafür sorgen, dass die Bevölkerung
> möglichst günstig in einem zuverlässigen und
> großen Netz mobil sein kann.

Und wer soll dann bitte schön die Investitionen erbringen.. Der Staat?
Die Steuerzahler wollen immer weniger zahlen und mit einer 15% - 16% Arbeitslosenquote in Berlin und Umland, bedeutet dieses, dass die hier im Forum so unbeliebten (Süd)Westdeutschen Steuerzahler weiterhin Ingolf's tolle Träume einer Ku'damm - Dahlemer Strassenbahn subventionieren müssten. Weil dort das Steuergeld erwirtschaftet wird.

IsarSteve



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.07.2008 13:01 von IsarSteve.
Der ÖPNV ist in privatwirtschaftlichen Händen problematisch, wenn diese Unternehmen ohne Konkurrenz sind und so einen hohen Preis und Gewinn heraushohlen können. Dagegen kann man mit einem Unternehmenswettbewerb steuern und dem Kartellrecht.

Ob der Wettbewerb im ÖPNV schon ausreichend entwickelt ist, um Schlussfolgerungen und neue politische Entscheidungen zu fällen, ist fraglich. Die Marktdominanz der ehemaligen öffentlichen Betriebe hat dem Wettbewerb eher behindert als gefördert; das ist leider auch in anderen Branchen der infrastrukturellen Grundversorgung zu beobachten (Beispiel Energiewirtschaft).

Wenn das Gwinnstreben privatwirtschaftlicher Unternehmen kritisiert wird, sollte man auch die Selbsbedienungsmentalität staatlich (meistz schlecht) organisierter Betriebe und ihre Folgekosten für den Haushalt nicht vergessen, was schließlich Auslöser für die Privatisierungswelle war.

Um den Verkehrsvertrag und seine Kosten hatte der Senat bereits hart gerungen. Wenn nun die Qualität der S-Bahn in 2007 in die Kritik des VBB geraten ist, geschieht das im Auftrag des Senats von Berlin. Man wird sehen, was er daraus macht.

Vorwürfe sind in Anbetracht der wenigen Erfahrung mit dem Bestellermodell an alle Landesregierungen leicht möglich.

----
Fahr lieber mit der Bundesbahn
IsarSteve schrieb:

>
> Und wer soll dann bitte schön die Investitionen
> erbringen.. Der Staat?
Dann schaue Dir doch einmal an, wer denn weltweit Investitionen in Verkehrsinfrastruktur tätigt. Es ist - bis auf ganz wenige Ausnahmen bei hochbelasteten "Flaschenhälsen", wie z.B. Brücken etc. - immer die öffentliche Hand. Und das unabhängig vom jeweiligen Gesellschaftsmodell.
Der Grund liegt ganz einfach darin, dass Verkehrinsfrastruktur (und auch einige andere netzgebundenen Infrastrukturen) in Bau und Betrieb so teuer sind, dass sie mit Einnahmen durch Maut, Trassenentgelten etc. nie einen Gewinn in der Höhe abwerfen werden, der die Ansprüche privater Investoren befriedigen kann.
Und auch dort, wo "privat" bei Verkehrsinfrastrukturinvestitionen draufsteht, steht bei genauerem hinsehen fast immer auch die öffentliche Hand dahinter und bezahkt den privaten Investor ganz kräftig für seine Leistung. Dabei sind die jeweiligen Modelle recht vielfältig - angefangen von "einfachen" Durchführungs- und Betriebsverträgen bis hin zu komplizierteren BOT (Build - Operate - Transfer) Modellen.

... weiterhin Ingolf's tolle Träume einer
> Ku'damm - Dahlemer Strassenbahn subventionieren
> müssten.

Insgesamt scheint Dich das Thema doch sehr beeindruckt zu haben, da Du es immer wieder ins Gespräch bringst. ;-)
Ich beantworte zuerst mit einer Gegenfrage: Sollen wir uns dann aber U-Bahnen leisten können?
Ich betrachte den "X10-Korridor" zwischen der City-West und Zehlendorf bezüglich seiner Potentiale und bereits gegenwärtiger trotz Deiner Frotzeleien sehr wohl als straßenbahnwürdig - aber eben nicht U-Bahn-würdig. Wenn auch nicht in höchster Priorität und eher langfristig angelegt (denn dazu müsste sich die Straßenbahn ersteinmal wieder in die westliche City vorarbeiten).

Und grundsätzlich ist die Entscheidung Straßenbahn auf Haupkorridoren vs. Status Quo (Busse) weniger eine des Geldes, sondern eine der politischen und verkehrlichen Perspektive: Denkt man nur kurzfristig (wie leider die meisten unserer Politiker) dann wird man natürlich jede Investition in neue Schienenstrecken abklehnen, denn irgendwie funktioniert es ja auch mit Bussen. Denn Straßenbahnstrecken kosten natürlich viel Geld und der Nutzen zeigt sich erst über einen längeren Zeitraum in Form geringerer laufender Betriebskosten bei gleichzeitig wesentlich größeren Fahrgastzahlen und etwas weniger Autoverkehr.

...Weil dort das Steuergeld erwirtschaftet
> wird.
Das ist eigentlich das Prinzip eines halbwegs sozialen Staatswesens, dass es auch einen Auusgleich zwischen reicheren und ärmeren Regionen gibt. Verzichtet man darauf, bricht das alles irgendwann auseinander.
Und die langfristig wirkende ökonomische Struktur unserer Gesellschaft begünstigt nun einmal die Herausbildung bestimmter regionaler Disparitäten. Wenn heute eine bestimmte Region ökonomisch erfolgreich ist, kann das in einigen Jahrzehnten ganz anders aussehen. Das hat sehr viel mit den geographisch wirkenden Mechanismen der Wirtschaft und der technologischen Entwicklung zu tun. Aber das ist schon ein ganz anderes Thema...

Ingolf
Prinz Eisenherz schrieb:

> Ob der Wettbewerb im ÖPNV schon ausreichend
> entwickelt ist, um Schlussfolgerungen und neue
> politische Entscheidungen zu fällen, ist fraglich.
> Die Marktdominanz der ehemaligen öffentlichen
> Betriebe hat dem Wettbewerb eher behindert als
> gefördert; das ist leider auch in anderen Branchen
> der infrastrukturellen Grundversorgung zu
> beobachten (Beispiel Energiewirtschaft).
Das ist genau das Dilemma, in dem wir uns hier befinden. Eine rein staatliche Struktur schafft keinen besonderen Anreiz für effizientes Handels - eine rein private Form orientiert sichg am schnellen Gewinnstreben und nicht am öffentlichen Auftrag. Und Modelle, die sich dazwischen befinden, neigen dazu, die negativen Wirkungen noch zu verstärken (man möchte ja als ehemaliges öffentliches Unternehmen jetzt besonders gut zeigen, wie "kapitalistisch" man doch ist).
Was langfristig die bessere Lösung ist, kann man m.E. noch nicht genau bestimmen.

Und ob das Kartell- und Wettbewerbsrecht wirklich für eine langfristig zufriedenstellende Form der Erbringung der Dienstleistung "Öffentlicher Verkehr" ausreicht, ist durchaus kritisch zu hinterfragen. Dazu folgende Anmerkungen:
(1) Ungelöst bleibt das Grunddillemma, das Private die teure, öffentlich erstelle Infrastruktur zwar gerne für wenig Geld vom Staat übernehmen - aber wegen mangelnder Gewinnaussichten nie ausreichend für deren langfristigen Erhalt oder gar Ausbau investieren. Man wird - dass passierte in der Geschichte privater Verkehrsinfrastruktur praktisch immer, auch schon vor 100 Jahren - diese auf Verschleiß abwirtschaften und dann im katastrophalen Zustand an den Staat (wieder) verkaufen. Und in der Zwischenzeit kräftig Gewinne aus dem laufenden (auch noch subvetionierten) Betrieb einstreichen.
(2) Wer in einem bestimmten Korridor Infrastruktur betreibt, hat dort quasi zumindest für einen Teil des Verkehrs eine Monopolstellung. Konkurrenz in Form paralleler Angebote (zum Beispiel eine parallele Autobahn oder Bahnlinie) rechnet sich nicht und wird daher nicht gebaut werden. Also bedarf es hier sehr starker Kontroll- und Regulierungsmechanismen, damit ein Angebot im öffentlichen Interesse (z.B. als ernsthafte Altrnative zum Auto auf einem Vorortbahnkorridor) aufrechterhalten werden kann.
(3) Oligopolbildung im Gesamtmarkt. Dort, wo schon vor etlichen Jahren dereguliert wurde (Großbritannien, Dänemark, Schweden, städtischer ÖPNV in Frankreich) hat sich überall gezeigt, dass es über kurz oder lang zur Herausbildung eines Marktes einiger weniger, dafür aber sehr mächtiger Anbieter kommt. Denn es ist eine Illusion anzunehmen, dass der Wettbewerb um ÖPNV-Ausschreibungen von vielen nicht allzugroßen (mittelständischen, unabhängigen) Unternehmen in Formn echter Konkurrenz um die Aufträge stattfindet. Dazu ist das System zu komplex und aufwändig - von einigen kleineren ländlichen Bussystemen mal abgesehen. Die Oligopolbildung hat übrigens auch Auswirkungen auf die Preisbildung. In Schweden und Dänemark hat man die Erfahrung gemacht, dass bei der zweiten Ausschreibung einer Leistung (nach Ablauf der ersten Periode) diesselben Anbieter auf einmal 10-15% mehr Geld (inflationsbereinigt) für diesselbe Leistung haben wollten. Bei der ersten Ausschreibung ging es noch darum, den Markt zu erobern - bei der zweiten dann um das kräftige Geldverdienen.

Aus meiner Sicht bedarf es nach den gegenwärtigen Erfahrungen bei der Wahl des Modells "Wettbewerb um öffentliche Aufträge durch Private" zuallererst einer klaren Positionierung des Auftraggebers (öffentliche Hand) dahingehend, dass der ÖPNV eine öffentliche Dienstleistung darstellt, für die selbstverständlich auch öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden. Und die zweite Erkenntnis ist, dass Private zwar in der Lange sind, den reinen Betrieb effizient und wirtschaftlich zu organisieren - aber nicht den Bau und den Erhalt der Infrastruktur. Hier müssen noch entsprechende ordnungspolitische Strukturen geschaffen werden, die die Infrastruktur zumindest unter starker staatlicher Kontrolle belassen. Nicht ganz grundlos wurde in so manchen Ländern die Schieneninfrastruktur der Eisenbahn unlängst wieder verstaatlicht, nachdem man eine bittere Lektion gelernt hat...

> Wenn das Gwinnstreben privatwirtschaftlicher
> Unternehmen kritisiert wird, sollte man auch die
> Selbsbedienungsmentalität staatlich (meistz
> schlecht) organisierter Betriebe und ihre
> Folgekosten für den Haushalt nicht vergessen, was
> schließlich Auslöser für die Privatisierungswelle
> war.
M.E ist das ein Auslöser. Ein anderer ist ein Paradigmenwechsel einer neuen Generation von Politik und Management, die der privaten Gewinnerwirtschaftung für wenige ein höheres Gewicht, als der Erhöhung des Wohlstandes für möglichst viele Menschen bzw. der Erfüllung öffentlicher Interessen beimisst. Und das wirkt sich besonders stark in dem Bereich öffentlicher Dienstleistungen aus.

Ingolf
Sorry, in diesem Forum dürfen nur registrierte Benutzer schreiben.

Hier klicken, um sich einzuloggen