BimKutscher schrieb:
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> @Ingolf:
>
> Zunächst vielen Dank für die bemitleidenden Worte!
> Leider muss ich Dir mitteilen, dass man in dieser
> Stadt alleine bei der Anfrage nach einer
> Sperrfläche auf einer Straße zugunsten des ÖPNV
> eher erreicht, dass der zuständige Beamte des
> Bezirkstiefbauamtes Schaum vor dem Mund kriegt und
> vermutlich nach dieser Anfrage am Ende seiner
> Nerven für drei Monate seiner Arbeitsstelle
> fernbleiben wird.
Ja, leider kenne ich diese Problematik auch zur genüge.
Endgültig lösen würde dieses Problem wahrscheinlich erst eine Neuordnung der Zuständigkeiten in diesem Bereich. Es ist absolut unverständlich, warum lokale "Bezirksfürsten" aufgrund ihrer Egoismen darüber zu entscheiden haben, dass eine ÖPNV-Linie (von gesamtstädtischer Bedeutung) im Stau zu stehen hat. Und das häufig nur wegen einigen Parkplätzen im einstelligen Bereich...
Es ist sinnlos: Ein täglicher
> Running-Gag sind die Linksparkstreifen in der
> Straße Am Kupfergraben. Hier gibt es jeden Tag
> mindestens eine Verkehrsbehinderung. Ist ja egal,
> denn hier kann man mal wieder zeigen, wie
> unflexibel und unnötig dieses künftig wegfallende
> Verkehrsmittel ist, dass noch nichtmals in der
> Lage ist, an einem falschparkenden Auto
> vorbeizufahren. Der fabrikneu blitzende
> klimatisierte Doppeldecker könnte das natürlich
> schon...
Ich möchte mal sehen, wie ein "fabrikneu blitzender
klimatisierter Doppeldecker" denn durch die Kastanienallee hindurchkäme.
Nur so nebenbei: Wenn dort Ersatzverkehr ist, ergeben sich für den Abschnitt Hackescher Markt - Eberswalder schnell Fahrzeiten von 45 Minuten und mehr...
Trotz aller Behinderungen ist die Straßenbahn in solchen hochgenutzten und engen Straßenräumen das stabilste (weniger Platzbedarf in der Breite und straßenmittige Führung) und verträglichste (keine Abgase!) öffentliche Verkehrsmittel. Das wird man anhand vieler Beispiele in vielen Städten bestätigen können. Nicht ganz grundlos bauen die Franzosen ihre Straßenbahnen "sehr gern" durch solche Straßenräume - weil sie genau dorthin fahren wollen, wo viel lost ist (=Ziele der Fahrgäste). Allerdings sind die dort wesentlich konsequenter bei der Heraushaltung des Autoverkehrs.
Miteinigen kleinen Verbesserungen könnte man das ganze auch hierzulande aber verbessern, ohne gleich komplett den Autoverkehr rausschmeißen zu müssen oder den Straßenraum intensiv umzubauen:
1. Kaphaltestellen: Damit verhindert man das Zuparken der Haltestellenbereiche und kann das Ein- und Aussteigen beschleunigen. Die Verkehrssicherheit würde erhöht und auch Autofahrer wissen genau, wo sie parken dürfen, und wo der Haltestellenbereich ist (es ist übrigens auch völlig unverständlich, warum als Minimalmaßnahme die Haltestellenbereiche nicht mit einer zick-zack-Linie abmarkiert sind. Das ist anderswo absoluter Standard).
2. Umwandlung einiger Parkplätze in Lieferzonen und deren konsequente Überwachung.
Heute ist es doch so, dass frühmorgens einige Berufspendler die Parkplätze zuparken und dann den ganzen Tag dort stehen. Lieferverkehre werden so zum Parken in zweiter Reihe gezwungen - die Behinderungen sind vorprogrammiert.
3. Den Fahrradverkehr wird man nicht rausschmeißen können, dafür ist die Kastanienallee zu wichtig (als Durchgangsstraße und als Ziel). Daher sollte man am Rosenthaler Platz und dem Knoten Eberswalder Fahrradschleusen einrichten, um die Radfahrer von der illegalen Nutzung der Tramfreigabephase abzuhalten.
4. Halteverbote jeweils vor den Kreuzungen. Damit gäbe es genug Ausweichfläche sowohl für rechtsabbiegende Autos als auch für Radfahrer.
>
> Ich habe hier im Forum bereits Keile bezogen für
> meine These, dass die Straßenbahn im Jahre 2006
> auf der Straße nur noch in Ausnahmefällen etwas zu
> suchen haben sollte. Ich bleibe dabei, was
> erwartet man von einer Straßenbahnlinie, deren
> Trasse über 70% in Straßenlage geführt wird und
> ein großes Stück die Schönhauser Allee befährt?
Nun ja, in anderen Städten bekommt man auch mit straßenbündigen Strecken hohe Pünktlichkeitsgrade hin. Vielleicht nicht in Wien - wenn Du schon immer von der "Bim" redest ;-) , da es dort leider oft ähnliche automobilfreundliche Politikmechanismen gibt, wie in Berlin, aber z.B. in Leipzig, Dresden oder im Paradebeispiel Zürich. Und dort fahren Straßenbahnen oft über sehr stark belastete Hauptstraßen. In der Schweiz ist die Diskussion um straßenbündige Strecken, wie bei und ohnehin in dieser Form nicht bekannt. Es wird dort pragmatisch nach Beschleunigungsmöglichkeiten im Bestand gesucht.
> Die Pläne, an der Schönhauser Allee/Bornholmer
> Str. eine Gleisverbindung in die Wisbyer Str.
> einzubauen und die Strecke zwischen Bornholmer
> Str. und Eberswalder Str. einzustellen, hat sich
> ja in Wohlgefallen aufgelöst ...
Ein Glück!
Die Aufgabe der Straßenbahn Schönhauser Allee wäre eine absolute Katastrophe für den ÖPNV im ganzen Bezirk und der Todesstoß für das gesamte Pankower Netz und irgendwann für die Kastanienallee.
Warum sind denn die Straßenbahnen in der Schönhauser denn trotzdem permanent so gut ausgelastet, obwohl sie nicht besonders zuverlässig fahren, obwohl die U2 alle 5 Minuten obendrüber fährt (die Straßenbahn ja nur alle 10 Minuten)?
Die Schönhauser ist nun einmal ein sehr wichtiges Ziel, sowohl für die Leute aus Pankow (aus beiden Ästen der M1) als auch aus dem Bereich Kastanienallee. Die Schönhauser ist Einkaufsstraße von überregionaler Bedeutung (diese Funktion hat sie inzwischen wiedererlangt), in ihrem Bereich liegen Freizeitziele: Kino, Kneipen, z.B. in der Gleimstraße - da haben wir dann wieder die Prenzlauer-Berg-Szene-Huschen von vorher;-) - und mit der Ringbahn haben wir einen sehr wichtigen Umsteigepunkt.
Die gesamte M1 führt auf ihrer Strecke praktisch nahezu idealtypisch entlang einer zentralen "Aktivitätenachse". Es gibt nun einmal hier eine sehr starke Beziehung zwischen den benachbarten Stadtteilen - und vieles davon konzentriert sich nun einmal um die Schönhauser (oder die Kastanienallee).
Es wäre m.E. absolut töricht, ausgerechnet diesen zentralen Punkt nicht mehr mit der Straßenbahn andienen zu wollen. Und zwar mit einer Straßenbahn, die umsteigfrei dahin führt, wo sehr viele Kunden der Ziele der Schönhauser wohnen. Es ist illusorisch anzunehmen, dass die Fahrgäste dann aus Pankow kommend z.B. auf dem Weg in die Kastanienallee in S Pankow in die U2 steigen würden, um nach 4 Minuten Fahrzeit wieder auszusteigen und dann noch einmal in die Straßenbahn in die Kastanienallee einzusteigen. Es ist illusorisch anzunehmen, dass die Pankower es als Attraktivitätsgewinn ansehen werden, auf dem Weg vom Einkaufen mit ihren schweren Taschen in die U2 die Treppen raufklettern zu müssen, um nach zwei Minuten Fahrzeit dann wieder Treppen zu steigen, um in die Straßenbahn umzusteigen. Umsteigen werden die Kunden aufs Auto oder aufs Moped (dieses Zeug boomt ja in Berlin leider auch inzwischen) oder auf Fahrrad (das wäre zumindest ökologisch verträglich, aber sicher nicht für die Wirtschaftlichkeit der BVG).
Oder würdest Du z.B. auf die Idee kommen, aus der Steglitzer Schloßstraße oder aus dem Bereich Kudamm/Tauentzien die Busse rauszuschmeißen? Sie sind mindestens ebenso unzuverlässig, wie die M1 und haben eine noch geringere Reisegeschwindigkeit.
Bei solch wichtigen Linien kann doch die Lösung nicht lauten, dass man diese bei schlechtem Funktionieren abschafft - sondern dass man weiter für deren Verbesserung kämpft.
Viele Grüße
Ingolf