>
> Ich kann mich aber dem von vielen in diesem Forum
> gepflegten Straßenbahnenthusiasmus, der für eine
> mehr oder
> minder groß angelegte Erweiterung des Netzes in
> den ehemaligen Westteil der Stadt plädiert, nicht
> so recht
> anschließen:
Der Begriff "Straßenbahnenthusiasmus" ist ein Totschlagargument ohne inhaltlichen Hintergrund.
Fakt ist jedoch folgendes:
1. Im Westteil der Stadt wurde das gesamte Straßenbahnnetz - trotz hoher Nachfrage und Beliebtheit bei den Kunden - komplett stillgelelgt. LEdicglich ca. 20% der Strecken wurden durch U-Bahnen ersetzt. Der "Rest" muss den Bus nehmen.
2. Straßenbahnen werden - das kann man als statistsisch erwiesen annehmen - bei gelichen anderen Rahmenbedingungen - von Fahrgästen (nicht nur irgendwelchen ÖPNV-Freaks) besser nachgefragt als Busse. Sie sind also in der Lage, höhere MArktanteile für den ÖPNV zu erschließen, als Busse.
3. Straßenbahnen sind auf stark nachgefragten Achsen wirtschaftlicher als Busse (trotz größerer Betriebskosten). Bei den meisten neuen französischen Straßenbahnsystemen sind es übrigens ausschließlich die Straßenbahnlinien, die ihre Betriebskosten voll einfahren, alle ihre Buslinien müssen subventioniert werden. Gerade die Straßenbahnlinien machen dort Gewinn - die Busse nicht.
4. Der Bereich, wo U-Bahnen einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber anderen Lösungen entfalten , liegt bei extrem hohen FAhrgastzahlen. Bei einer Betrachtung der Kosten von Bau/Betrieb und zu erwartender Nachfrage (= Einnahmen) dürften in Berlin auf kaum einem Korridor noch neue U-Bahnen in Frage kommen, jedoch noch auf eine ganze Menge Straßenbahnachsen. Es gibt nun einmal eine Bandbreite an Fahrgastzahlen, wo die Straßenbahn am effektivsten ist - und diese Bandbreite decket eine ganze Menge Streckenkorridoren in Berlin ab.
5. Das dem so ist, haben inzwischen in der "westlichen Welt" (also vergleichbare Rahmenbedingungen, wie hier bei uns) die meisten Städte erkannt und bauen wieder Straßenbahnen aus. Auch viele Städte, die über U-Bahnen verfügen. Hier ein paar U-Bahn-Städte mit neuen oder erweiterten Straßenbahnsystemen in den letzten Jahren: Stockholm, Paris, London, Lyon, Barcelona, Madrid (in Bau), Bilbao, Bereich Newark bei New York, Los Angeles, Toronto, Prag, Philadelphia (Reaktierung Tramstrecken), Amsterdam, Brüssel (in Bauvorbereitung), Rom, Mailand...
Warum soll es da in Berlin anders sein, als in allen möglichen anderen Städten ?
Ich bleibe da skeptisch und meine,
> daß dieses Verkehrsmittel gegenüber einem
> leistungsfähigen
> Busverkehr (der niemals so viele Nahverkehrsfans
> auf sich ziehen wird wie die "Elektrische") -
> zumal in der in Berlin ja
> wohl nach wie vor eher mäßigen
> Durchschnittsgeschwindigkeit keineswegs nur
> Vorteile bietet.
Dann nenne mir bitet die Nachteile und ihre konkreten Auswirkungen auf die Nachfrage (also somit auf das betriebswirtchaftliche Ergebnis).
Und dann bitte ich um eine Begründung, inwieweit dann eine Bus oder eine U-Bahn besser sein soll.
Gerne auch konkret auf einzelne Strecken in Berlin bezogen.
Ob sinnvoll oder nicht
> entscheidet aber letztendlich vor allem die
> Streckenführung und das Einzugsgebiet einer Linie.
> Daher hier meine
> unmaßgeblichen Anmerkungen zu den in Aussicht
> genommenen Erweiterungen:
Zweifellos. Eine Straßenbahn ins "Niemandsland" zu bauen ist sinnlos. Aber macht dann dort eine U-Bahn Sinn?
>
> Turmstraße: Ich halte die U5-Anbindung der
> Turmstraße für vordringlicher und
> verkehrspolitisch sinnvoller als die
> Straßenbahnanbindung über Beusselstraße.
> Wahrscheinlich ist die U-Bahn zwar teurer, dennoch
> dürften einige
> Kilometer Straßenbahn von Wedding bis Moabit auch
> nicht ganz ohne sein. Vielleicht könnte man die
> Baukosten ja
> noch durch den Verzicht auf Fritz Schloß-Park (auf
> Systemen wie London ist der Bahnhofsabstand auch
> wesentlich
> größer als in Berlin) verringern. Mit einem Schluß
> am Lehrter Bahnhof hängt die U55 bzw. U5
> jedenfalls in der Luft und
> kann ihren vollen verkehrlichen Wert nicht
> entfalten. Das wurde ja auch vor gar nicht so
> langer Zeit schon einmal
> ausführlich diskutiert.
Zm Thema Anbindung ab dem Hauptbahnhof in Riechtung Moabit habe ich unlängst in der Gruppe bln.verkehr was geschrieben, da hierzu aber auch jetzt in diesem Forum diskutiert wird, bin ich mal so frei, einiges daraus hier nochmal zu übertragen - diese Analyse ist vergelichsweise "wertfrei" gegenüber Straßenbahn und U-Bahn:
Moabit hat eine sehr schnelle Verbindung in Nord-Süd-Richtung mit der U9 -
mit einer attraktiven Durchquerung in Ost-West-Richtung hapert es aber bis
zum heutigen Tage. Ist sicherlich ein "Überbleibsel" aus Westberlinzeiten,
als östlich von Moabit eben die Welt am Ende war - starke Verkehrsrelationen
bestanden da nicht.
Heute wird dieser Korridor (der nach 1990 drastisch an Bedeutung gewonnen
hat) recht leidlich mit Bussen bedient. Recht leidlich dahingehend, da es
lediglich eine attraktive Linie in Ost-West-Richtung gibt (Bus TXL alle 10
Minuten), ansonsten man mit einem unzureichenden Angebot abgespeist wird:
warum bis zum heutigen Tag der 10-Minuten-Takt von Bus 245 an der
Seydlitzstraße endet, versteht eigentlich kein Mensch. Kaum einen Kilometer
weiter gäbe es Anschluss an die U6, die Nord-Süd-S-Bahn und drei
Straßenbahnlinien...
Nun gäbe es verschiedene Varianten für eine Bedienung des
Moabiter-Ost-West-Korridors (und natürlich die Beibehaltung des status quo -
aber da wird kaum jemand zusätzlich den ÖPNV hier nutzen...). Vor allem auch
dahingehend, da am Rande von Moabit in einiger Zeit einige Strecken enden
werden deren Weiterführung sich ja durchaus anbieten würde. Ich gehe jetzt
davon aus, dass irgendwann sowohl U5 und die Straßenbahn den Hauptbahnhof
aus Richtung Osten erreichen werden und evtl. die Nordringanbindung mit der
S-Bahn kommt (offizielle Berliner Planungen).
Zwei Varianten habe ich mal herausgegriffen:
1. Weiterbau der U5 bis Turmstraße oder gar Jungfernheide und kein Weiterbau
der Straßenbahn westlich Lehrter Bahnhof :
Vorteile:
Schnelle großräumige Verbindung zwischen Mitte und Moabit, dürfte auch zu
einer Verlagerung einiger großräumiger Verkehrsströme führen (z.B.
Kreuzberg-Moabit, was heute über U7-U9 umständlich via Wilmersdorf fährt, künftig mit U5-U6 oder U8).
Nachteile:
Keine Flächenerschließung für Moabit. Der Stadtteil ist sehr dicht und hat
ein sehr starkes lokales Verkehrsaukommen. Um dieses zu bedienen, ist auch
weiterhin eine ausgedehntes und dicht bedientes Busnetz erforderlich. Darum
sind mit der U5 weiter nach Westen kaum Substitutionseffekte (Im Sinne eines
Wegrationalisieren von Bussen) zu erwirtschaften, insbesondere, wenn hier auch noch ein Weglassen eines U-Bahnhofes vorgeschlagen wurde.
Desweiteren ist eine verlängerte U5 kaum nutzbar als Feinverteiler der
Fahrgäste vom Hauptbahnhof nach Moabit hinein. Die Fußwege (womöglich mit Gepäck etc.) sind zu den U-Bahnhöfen recht weit. Dies würde als nicht besonders attraktiv wahrgenommen, wenn man für ca. 3-4 Minuten U-Bahn-Fahrt 10 Minuten laufen muss etc. (ist wieder die Problematik der zu groben Erschließung durch
U-Bahnen).
Natürlich ist die U-Bahn-Variante in Bau und Betrieb wesentlich teurer als
Variante 2:
2. Weiterbau der Straßenbahn bis Turmstraße bzw. Jungfernheide und kein
Weiterbau der U5 westlich Hbf:
Vor- und Nachteile
Attraktives Schienenverkehrsmittel (auch an alle Skeptiker immer wieder
gerne wiederholt: auch in Berlin haben alle nach 1990 gebauten
Straßenbahnstrecken zu erheblichen Fahrgastzuwächsen in diesen Korridoren
geführt, die Berliner verhalten sich da nicht anders als die Leute in
anderen Städten) auf der Moabiter-Ost-West-Verbindung incl.
Flächenerschließung entlang dieser Achse.
Dadurch kann ein Großteil der Busse problemlos substituiert werden können.
Die Straßenbahn eignet sich hier in sehr guter Weise als
flächenerschließendes Verkehrsmittel, weshalb sie eine gute Funktion als
Zubringer sowohl zur U9, Verkehrsmittel für den starken innermoabiter
Verkehr, als auch als Zubringer aus Moabit zum Hauptbahnhof genutzt werden
kann. Desweiteren entsteht eine umsteigefreier Korridor in Richtung
Prenzlauer Berg (M10) und nördliche Mitte (M8). Für die Verbindung in
Richtung Alexanderplatz oder Unter den Linden muss am Hbf. umgestiegen
werden, Das bedeutet für einige Fahrzeitverlängerungen gegenüber der
Variante 1 (die sonst einen U-Bahnhof vor der Tür hätten), für andere ändert
sich nicht allzuviel an Fahrzeit (Wegfall Fußweg, dafür umsteigen). Für die
Bedienung des großräumigen Korridors Moabit - Kreuzberg - Neukölln dürfte
die Wirkung der Straßenbahn nicht so stark sein, wie in der obigen
U-Bahn-Variante (einmal mehr umsteigen). Um so stärker entfaltet die
Straßenbahnvariante ihre Vorzüge bei kurzen und mittleren Strecken und innerhalb Moabits und als Zubringer zum übergeordneten S+U-Bahn-Netz und zum Fern- und Regionalbahnhof.
3,4,5,... nun kann man gut die Varianten weiterentwickeln. Sowohl
dahingehend, dass man die Strecken jeweils an ihren Enden weiterbaut, oder
aber dass man auch vielleicht Varianten 1+2 kombiniert (U-Bahn bis
Turmstraße und Tram bis Jungfernheide oder das ganze umgedreht, Anbindung an
die Straßenbahn am Virchowklinikum, eine Groß-U-Bahn-Linie Spandau-Hönow
etc...).
Aus meiner Sicht verfehlt allerdings eine Lösung gänzich ohne Straßenbahn in Moabit verkehrlich ihre Wirkung und stellt rausgeschmissenes Geld für unzureichenden Nutzen dar.
>
> Hermannplatz: Auch Kreuzberg, Neukölln scheint mir
> kein ideales Terrain für die Straßenbahn zu sein.
> Das ist mir zu
> innerstädtisch
Was ist für eine Straßenbahn "zu innnerstädtisch"?
Straßenbahnen entfalten soch gerda in dicht bebauten innerstädtischen Quartieren ihren höchsten Verkehrswert (hohes Nachfragepotential, kurze Zugänge zu den HAltestellen, weniger Platzbedarf als ein Bus...)
und eigentlich von wenigen Ecken
> abgesehen auch durch die U.Bahn
> überdurchschnittlich gut
> erschlossen. Wenn überhaupt, würde die Strecke in
> der von Jens Fleischmann in einem anderen Beitrag
> in diesem
> Thread befürworteten Streckenführung durch den
> Görlitzer Park einigen Sinn machen. Ansonsten -
> aber z.T. meiner
> Ansicht nach selbst dann - halte ich Sie für
> überflüssig. Das Geld, das ja sowieso keiner hat,
> könnte man besser
> verwenden.
Wofür bitte?
Ich halte die Straßenbahn gerade in ihrer geraden Verbindung durch den Görlitzer Park als sehr sinnvoll:
1. Feeinerschließung des von ihre bedienten Gebietes in Nord-Süd-Richtung. Der Bereich m den Görlitzer Park mit mehreren zehntausenden Einwohnern wird heute ausschlielich durch den Bus M29 in Ost-West-Richtung bedient. Wer aus diesem Bereich in z.B. Richtung Friedrichshain möchte, muss mehrfach für eine kurze Strecke umsteigen: Bus M29-U1-Tram M10. Da ist man meistens zu Fuß schneller! Die U-Bahnen erschließen das Gebiet nur in Randlage und erfordern aus dem Kiez heraus lange Fußwege uns stellen somit keien ernstzunehmende Alternative dar.
Die Straßenbahn würde hier wesentlich zu einer Verbesserung der Erschließung dieses Areals beitragen. Bus M29 könnte dann weiter in Richtung Treptow fahren (statt zum Hermannplatz umzuknicken), womit eine weitere Netzlücke zumindest mit dem Bus geschlossen würde.
2. Großräumige Verbindungen: Wenn man heute den an sich kurzen weg von Neukölln nach Friedrichshain umnternehmen möchte, glicht das eine kleinen Weltreise und ist von den FAhrzeiten und der BEquemlichkeit (häufiges Umsteigen) kein Ruhmesblatt für den ÖPNV. Vom Hermannplatz in die Warschaue Straße muss man zweimal umsteigen: U8-U1-M10. Die Straßenbahn zum Hermannplatz würde in der Relation Neukölln/Kreuzberg - Friedrichshain/ südlöstlicher Prenzlauer Berg (entlang Danziger Straße etc.) zu drastischen FAhrzeitverkürzungen führen, da sie die direkte Strecke fährt und Umsteigevorgänge reduziert.
Viele Grüße
Ingolf