Liebe Stichbahn,
Ich habe gleich einmal in meiner privaten Bibliothek gestöbert und bin fündig geworden. Vielleicht hilft Dir der Aufsatz eines Dr. Dreydorf, "In 25 Jahren vom Dorf zur Großstadt", (Dreydorf war damals Leiter des
statistischen Amtes der Stadt Berlin-Wilmersdorf) aus dem Jahr 1913 etwas weiter. Der Text ist wiederabgedruckt in dem Buch
Von der Wilhelmsaue zur Carstennfigur - 120 Jahre Stadtentwiclung in Wilmersdorf, Berlin 1987, S. 40-55.
Freydorfs gesamter Bericht hat übrigens auch ein gewisses verkehrshistorisches Interesse und kündet überdies von einem positiven Aspekt des dt. Kaiserreiches, nämlich dem enormen technischen Innovationsschub jener Jahre (biologische Kläranlage, U-Bahn etc.), zumindest in jenen städtischen Gemeinden, deren Steueraufkommen es möglich machte, sich eine moderne Infrastruktur zu leisten.
Die relevante Passage zu Hermann Müller - der als Kanalisationsfachmann aus dem schlesischen Breslau zum Wilmersdorfer U-Bahn-Bau (dies ist sicher auch der Grund für die von Dir erwähnte Gedenktafel) stieß, lautet auf Seite 52:
"Bereits 1902 war, wie schon oben erwähnt, mit der Neukanalisation Wilmersdorfs begonnen worden, zu deren Durchführung die Gemeinde den derzeitigen Stadtbaurat Hermann Müller (damals Direktor der Breslauer Kanalisationswerke) als dritten Gemeindebaurat berufen hatte. Das nach seinen Plänen geschaffene Werk der Kanalisation - in der Hauptsache aus drei Teilen, dem weitverzweigten Kanalnetz, dem Kanalwasserhebewerk (Pumpstation) und der bei Stahnsdorf errichteten biologischen Abwasserreinigungsanlage bestehend - ist in einem der folgenden Kapitel eingehend geschildert. Es sei deshalb hier nur bemerkt, daß diese, zum Teil noch nirgends in gleicher Weise und Ausdehnung geschaffenen Anlagen im August 1906 ihrer Bestimmung übergeben werden konnten.Nach den Entwürfen des Stadtbaurats Müller wird auch die zur Zeit ihrer Vollendung entgegengehende städtische Untergrundschnellbahn ausgeführt, welche im Anschluß an den auf Charlottenburger Gebiet liegenden Bahnhof Wittenbergplatz der Berliner Hoch- und Untergrundbahn das Stadtgebiet Wilmersdorfs zunächst in nordwestlicher Richtung (bis zum Fehrbelliner Platz) durchläuft, dann in südlicher Richtung bis zu dem an der Gemarkungsgrenze belegenen Rastatter Platz weiterführt und hier in dem in unmittelbarer Nähe des Grunewalds sich erstreckenden Gebiet der Kgl. Domäne Dahlem ihrer Fortsetzung findet. Der Bau dieser, Wilmersdorf zeitlich näher an den Verkehrs- und Geschäftsmittelpunkt der Reichshauptstadt
heranrückenden Bahn beruht auf verschiedenen Beschlüssen der städtischen Körperschaften aus dem Etatsjahre 1908/09, war aber bereits 1899 von der damaligen Gemeindeverwaltung als ein auf die Dauer unabweisbares Bedürfnis der Wilmersdorfer Einwohnerschaft anerkannt worden."
Beste Grüße
Deutsche Oper
2 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.10.2005 00:39 von Deutsche_Oper.