Diese 8 Mio. Euro sind zwar schon eine ärgerliche Summe, aber man muß diese Zahl auch mal im Kontext sehen: dies sind rund 1% des Jahresumsatzes bzw. ca. 0,009 Euro pro Fahrgast, wenn man mal die Zahlen des 2004er-Geschäftsberichts zugrunde legt.
Was würde eine Videoüberwachung des gesamten Netzes im Vergleich dazu kosten?!
Ich hab mir mal die Mühe gemacht, ein paar Zahlen zu recherchieren.
Für einige Videoüberwachungsprojekte in Brandenburg und Sachsen fand ich folgende Zahlen (Q:Landesregierung Brandenburg, Stadtverwaltung Leipzig):
- einmalige Investitionskosten pro Kamera ca. 5.000-6.000 Euro,
- laufende Kosten für Leitungsmiete, Wartung etc.: ca. 1.600 Euro pro Monat und Kamera.
Für die Personalkosten gaben beide Quellen an, es wären keine entstanden, da man auf bestehendes Personal zurückgreifen konnte. Im Klartext heißt das natürlich, dass diese Mitarbeiter somit nicht mehr für die reale Präsenz im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen. Realistischerweise kann eine Person maximal 20 Kameras überwachen, bei Personalkosten von 50.000 Euro pro Person und einem Drei-Schicht-Betrieb macht das 625 Euro pro Monat und Kamera.
Wenn man jetzt sparsam an diese Ausstattung herangeht und für jeden U-Bahn- und Tram-Wagen sowie jeden Bus 2 Kameras für jeden Bahnhof 5 Kameras ansetzt, benötigt man für eine Überwachung des gesamten Netzes 7.574 Kameras, macht ein Investitionsvolumen von knapp 38 Mio. Euro und laufende Kosten von knapp 17 Mio. Euro im Monat! Selbst wenn nun noch einen deutlichen Spareffekt durch die massenhafte Installation einberechnet und sowohl bei der Investition als auch bei den Fremdkosten nur 1/3 der Kosten ansetzt, muss man zunächst 12 Mio. Euro investieren und hat zusätzliche laufende Kosten von 8,8 Mio. Euro pro Monat bzw. 105 Mio. Euro im Jahr bzw. 12 Cent pro Fahrgast.
Und was bekommt man dafür:
·„Videoüberwachung hilft keinem Opfer. Wer in eine unangenehme Situation kommt, wer überfallen wird, braucht Hilfe von anderen Menschen, die einschreiten - sofort. Eine Aufzeichnung des Vorfalls kann bestenfalls nachträglich für die Ermittlungen der Polizei verwertet werden.
·Videoüberwachung verhindert keine Straftaten - sie ist sinnlos zur Senkung der Kriminalität: Es findet eine Verdrängung z.B. der Drogenszene in andere Stadtteile (Einkaufsstraßen, Wohngebiete) statt. Wenn dann auch dort Kameras installiert werden, führt das, konsequent zu Ende gedacht, langfristig eben doch zu einer flächendeckenden Videoüberwachung.
Videoüberwachung verletzt Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte
·Die Unschuldsvermutung wird außer Kraft gesetzt, wenn Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum dauernd beobachtet werden und damit als potentielle Straftäter/innen behandelt werden.
·Das Bundesverfassungsgericht hat im sogenannten Volkszählungsurteil (1983) festgestellt, dass Menschen, die damit rechnen müssen, dass all ihre Handlungen registriert und gespeichert werden, alles tun werden, um nicht aufzufallen. Sie werden also z.B. vermeiden, zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einer Bürgerinitiative zu gehen. Konformitätsdruck führt dazu, dass Bürger ihre Grundrechte nicht mehr wahrnehmen. Damit schadet eine solche Überwachung nicht nur der individuellen Entfaltung einzelner Menschen, sondern auch dem Gemeinwohl.
Wem nützt die Videoüberwachung eigentlich?
·Videoüberwachung nützt populistischen Politikern, die damit ein einfaches Mittel zur Profilierung haben ("wir tun was für Ihre Sicherheit"). Videoüberwachung ist symbolische Politik.
·Videoüberwachung bringt Geld für Elektronikkonzerne, die Kameras verkaufen und installieren. Ein großer Lobbyist für Videoüberwachung ist daher der ZVEI (Zentralverband der Elektronik- und Elektroindustrie).
·Videoüberwachung bringt Geld für Telekommunikationskonzerne, die Standleitungen vermieten, mit denen die Kameras mit der Überwachungszentrale verbunden werden. Vor einigen Jahren noch zahlte die Polizei in Köln monatlich 8.000 DM (ca. 4.000 Euro) für jede Leitung zu einer Notrufsäule. Diese Folgekosten der Videoüberwachung werden regelmäßig verschwiegen.
Fazit:
·Videoüberwachung ist teuer. Das Geld, das für Installation und laufende Kosten der Videoüberwachung ausgegeben wird, fehlt für sinnvolle Maßnahmen: Streifenpolizisten vor Ort, soziale und Jugendprojekte, Hilfe für Drogenabhängige, Stadtgestaltung für freundliche und lebendige Innenstädte als öffentlicher Ort.
·Videoüberwachung hilft nicht gegen Kriminalität. Sie verdrängt lediglich Randgruppen.“
Die letzten Aussagen hat der FoeBuD e.V. formuliert, aber ich übernehme Sie mal so, weil es eigentlich meine Einschätzung gut auf den Punkt bringt.
Gruß, Lopi2000