Die Welt, heute Freitag 20.01.2006
Mehdorn zieht in den Bügelbau
Die Frage nach dem neuen Sitz der Deutsche-Bahn-Zentrale war zuletzt eine der heikelsten in der ganzen Republik. Jetzt hat der Bahn-Chef offenbar die Bügel-Bauten über dem Berliner Hauptbahnhof ausgewählt.
von J. Fahrun, G. Doelfs und A. Puppe
Berlin - Klaus Wowereit und Hartmut Mehdorn haben sich wieder versöhnt. Nach dem Streit um den Wegzug der Konzernzentrale von Berlin nach Hamburg trafen sich der Bahn-Chef und der Regierende Bürgermeister am Rande des Neujahrsempfangs des staatseigenen Konzerns. Und ganz nebenbei beschrieb Mehdorn dem Sozialdemokraten auch seinen neuen Arbeitsplatz in der Hauptstadt.
Das jedenfalls erzählte Wowereit gestern morgen bei einem Vortrag vor Mitgliedern und Gästen des Wirtschaftsclubs VBKI im Hotel Intercontinental: "Herr Mehdorn hat mir aus dem Bahn-Tower gezeigt, wo sein neues Büro sein wird", sagte der Regierende. "In den Bügelbauten am Hauptbahnhof." 2007 werde er dort einziehen, habe Mehdorn ihm gesagt.
Das würde bedeuten, daß die Bahn-Zentrale die konzerneigenen Büros über dem Glasdach des neuen Bahnhofs nutzen wird. Denn der Mietvertrag für den derzeitigen Sitz im Glasturm des Sony Centers am Potsdamer Platz läuft im Jahr 2009 aus.
Daß der Regierende Bürgermeister öffentlich diese Aussage machte, sorgte bei der Bahn AG für Verwunderung. Die Darstellung des Regierenden Bürgermeisters wurde nicht bestätigt, aber auch nicht ausdrücklich dementiert. Die Frage der Konzernzentrale ist nach dem Ärger um die Umzugspläne nach Hamburg für den bundeseigenen Transport- und Logistikriesen ein heikles Thema.
Im Rahmen der Kostenreduzierung sei die Bahn dabei, in den Städten Frankfurt/Main, Hamburg und Berlin Bürostandorte zu verdichten und aus Mietimmobilien auszuziehen, hieß es. "Idealerweise in eigenen Immobilien", sagte Konzernsprecher Werner W. Klingberg: "Es gibt Überlegungen, das Büroraumangebot im Berliner Hauptbahnhof zu nutzen. Beschlüsse oder Termine gibt es dazu noch nicht."
Die beiden Hochhausblöcke über dem Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof, die während der Bauphase spektakulär bei laufendem Bahn-Betrieb über das Dach geklappt wurden, bieten zusammen 44 000 Quadratmeter Fläche. Der eine Bügel wird nach Darstellung der Bahn zu einem Hotel ausgebaut. Der zweite böte mit 22 000 Quadratmetern aber in etwa ausreichend Platz für die 700 Bahner, die derzeit noch im Sony-Tower arbeiten. Weil aber die Vermarktung der Bügel schwierig ist, wollte es die Bahn bisher nicht ausschließen, auch den zweiten Bau selbst zu nutzen.
Sollte der Bahn-Chef tatsächlich demnächst in den Hauptbahnhof ziehen, bräuchte die Bahn den geplanten eigenen Hochhausturm in der Nachbarschaft wohl nicht, zumal sie kurz vor dem angepeilten Börsengang eine solche Großinvestition wohl kaum rechtfertigen könnte. In Senatskreisen hieß es, der Verzicht auf den eigenen Turm sei beschlossene Sache.