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Großer Bahnhof, kleine Auslastung
geschrieben von Ecke 
Tagesspiegel, heute Montag 30.01.2006

Die gläserne Röhre ist der teuerste Neubau der Bahn Doch in anderen Städten halten mehr Fernzüge

Jetzt ist es auch von außen zu erkennen: Berlin hat einen neuen Hauptbahnhof. Metergroß prangt der Schriftzug nun auch an der Fassade des gläsernen Gebäudes, das am 27. Mai offiziell eröffnet werden soll. Einen Tag später, zum Fahrplanwechsel, werden dann auch Züge in der neuen Station halten. Berlin besitzt dann den wohl teuersten Bahnhof, den die Bahn jemals gebaut hat. Mehr als 700 Millionen Euro sind am Standort des früheren Lehrter Bahnhofs investiert worden. Der wichtigste Bahnhof im Netz der Bahn ist damit aber nicht entstanden.

Der Hauptbahnhof wird in den nächsten Jahren bei weitem nicht ausgelastet sein, das gibt auch Bahnchef Hartmut Mehdorn zu. Um Leben in den Bau zu bringen, lässt er nach der Eröffnung des Hauptbahnhofs bekanntlich keine Fernzüge mehr im Bahnhof Zoo halten. Offiziell begründet die Bahn den Verzicht auf den Stopp der Züge im Westen der Stadt damit, dass die meisten Reisenden so vier Minuten Fahrzeit sparten. Etwa 160 Fernzüge werden nach Angaben der Bahn am Anfang im Hauptbahnhof halten – weniger als zum Beispiel in Köln (175), Hamburg (191) oder Frankfurt am Main, wo es laut Bahn-Statistik sogar 342 sein sollen. Ob die Bahn allerdings die Zahl ihrer Züge überall richtig zählt, ist zweifelhaft. Für den Bahnhof Zoo nennt die offizielle Statistik nämlich 206 Fernzüge pro Tag, während es am Ostbahnhof, wo die meisten dieser Züge ebenfalls halten, nur 130 sein sollen.

Mit Zahlen hat die Bahn auch in den vergangenen Jahren am Hauptbahnhof jongliert. Mehrfach hat sie einen Eröffnungstermin ganz fest verkündet und dann doch wieder verschoben – vom Jahr 2000, über 2004 schließlich zu 2006. Um Bauzeit – und Kosten – zu sparen, ließ Bahnchef Hartmut Mehdorn auf Empfehlung seiner Ingenieure das gläserne Dach verkürzen: von geplanten 430 Metern auf nur noch 321 Meter. Bei einem langen ICE werden nun die Fahrgäste der ersten Klasse bei Regen nass.

Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Die in Einzelanfertigung hergestellten Scheiben sowie die Stahlträger waren komplett produziert und bezahlt; sie lagern jetzt nutzlos am Ostbahnhof. Und auch die Umplanung für das verkürzte Dach war teuer. Zahlen dazu nannte die Bahn vorsichtshalber nicht. Weil die Arbeiten am Dach wegen der neuen Planung mehrere Wochen lang ruhten, hat man auch an der Bauzeit so gut wie nichts gespart. Dafür sieht der Bahnhof, der mit der langen Halle und den quer darüber liegenden Bürogebäuden nach dem Willen der Architekten Gerkan, Marg und Partner ein Wahrzeichen der Stadt werden sollte, nun irgendwie unproportioniert aus.

Wie teuer der Hauptbahnhof am Ende wird, könnte auch ein Prozess entscheiden. Um Kosten zu sparen, hat die Bahn im unterirdischen Teil statt der von den Architekten geplanten Gewölbedecke eine einfache Flachdecke einbauen lassen. Dagegen klagen die Architekten.

Mehdorn sagt, die Welt werde Berlin um den schönen Bahnhof beneiden und eines Tages werde auch die Kapazität ausgenutzt. Man habe schließlich für die Zukunft gebaut. Klaus Kurpjuweit

Diesen Senf werden wir bis zum Sommer noch öfter lesen...
Wenn die DB irgendwas so baut, dass die Kapazität gerade für das Betriebsprogramm ausreicht, dann ist es falsch ("Sparwahn"), wenn auf Vorrat geplant und gebaut wird, dann ist es auch falsch ("Größenwahn"). Und wie soll eigentlich ein Bahnhof ausgelastet werden, wenn von 6 "logischen" Zulaufstrecken (Kremmener, Nord- , Stettiner, Potsdamer, Anhalter und Dresdener Bahn) gerade mal zwei voll zur Verfügung stehen? So ist es kein Wunder, dass die Nord-Süd-Verbindung noch nicht voll ausgelastet werden kann.
"Unproportioniert"? Doch wohl nur, wenn man den ursprünglichen Entwurf kennt. Das allererste Modell von 1993 zeigt sogar eine noch viel kürzere Halle.

Aber mal eine andere Frage: Hat der Hbf bei den Berlinern eigentlich schon einen Spitznamen? Sowas wie "Waschmaschine" für den Merkel-Bau?
Re: Mehdorn-Central
30.01.2006 16:45
Mehdorn-Central-(Station) habe ich nun schon öfter gehört. Weiß aber nicht, ob sich der Begriff durchsetzen wird. =)
TSFKALB (The Station formerly known as Lehrter Bahnhof)
Die meisten Spitznamen, die in Berlin angeblich kursieren, sind Erfindungen der "Stadtbilderklärer", die witzig sein wollen.

Beste Grüße
Harald Tschirner
Harald Tschirner schrieb:
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> Die meisten Spitznamen, die in Berlin angeblich
> kursieren, sind Erfindungen der
> "Stadtbilderklärer", die witzig sein wollen.

Ich dachte immer, das käme aus der BLÖD-Zeitung.

Aber es stimmt prinzipiell, meist zitiert werden diese Spitznamen von irgendwelchen Wichtigtuern (vorwiegend Nicht-Berlinern), die gerne ein gewisses Insiderwissen über Berlin und dessen Bewohner vortäuschen wollen. Die machen dann immer ein ganz schlaues Gesicht und behaupten: "Der richtige Berliner nennt das Waschmaschine!".

Ich kenne nicht einen einzigen Berliner, der das Kanzleramt "Waschmaschine" nennen würde. Das einzig von Berlinern wirklich benutzte Synonym, das mir jetzt spontan einfällt, ist der Wasserklops. Alles andere ist Quatsch.
Zitat

Tunnelmaus schrieb:
-------------------------------------------------------
> Diesen Senf werden wir bis zum Sommer noch öfter
> lesen...
> Wenn die DB irgendwas so baut, dass die Kapazität
> gerade für das Betriebsprogramm ausreicht, dann
> ist es falsch ("Sparwahn"), wenn auf Vorrat
> geplant und gebaut wird, dann ist es auch falsch
> ("Größenwahn"). Und wie soll eigentlich ein
> Bahnhof ausgelastet werden, wenn von 6 "logischen"
> Zulaufstrecken (Kremmener, Nord- , Stettiner,
> Potsdamer, Anhalter und Dresdener Bahn) gerade mal
> zwei voll zur Verfügung stehen? So ist es kein
> Wunder, dass die Nord-Süd-Verbindung noch nicht
> voll ausgelastet werden kann.
> "Unproportioniert"? Doch wohl nur, wenn man den
> ursprünglichen Entwurf kennt. Das allererste
> Modell von 1993 zeigt sogar eine noch viel kürzere
> Halle.
>
> Aber mal eine andere Frage: Hat der Hbf bei den
> Berlinern eigentlich schon einen Spitznamen? Sowas
> wie "Waschmaschine" für den Merkel-Bau?

Oh, auf ein Mal ist es der Merkel Bau und wahrscheinlich auch die Kanzlerinnen U-Bahn.

Immer alles so zu recht legen wie man es braucht.


[www.ostkreuzblog.de]
Das Onlinetagebuch zum Ostkreuz-Umbau.
Tunnelmaus schrieb:
-------------------------------------------------------
> Diesen Senf werden wir bis zum Sommer noch öfter
> lesen...
> Wenn die DB irgendwas so baut, dass die Kapazität
> gerade für das Betriebsprogramm ausreicht, dann
> ist es falsch ("Sparwahn"), wenn auf Vorrat
> geplant und gebaut wird, dann ist es auch falsch
> ("Größenwahn"). Und wie soll eigentlich ein
> Bahnhof ausgelastet werden, wenn von 6 "logischen"
> Zulaufstrecken (Kremmener, Nord- , Stettiner,
> Potsdamer, Anhalter und Dresdener Bahn) gerade mal
> zwei voll zur Verfügung stehen? So ist es kein
> Wunder, dass die Nord-Süd-Verbindung noch nicht
> voll ausgelastet werden kann.

Was soll denn da noch groß kommen? Das die Dresdener Bahn über die Anhalter angebunden ist tut nichts zur Sachen, ebenso wie die Nordbahn über Karower Kreuz auf die Stettiner Bahn trifft. Die Kremmener war schon immer kaum mehr wie eine Nebenbahn.


Spandauer
Tunnelmaus schrieb:

Aber mal eine andere Frage: Hat der Hbf bei den Berlinern eigentlich schon einen Spitznamen?

-> Der durchschnittliche Berliner über zwölf wird wohl noch sehr lange "Ehemaliger Lehrter" sagen.

Morgen wird heute schon gestern sein - genießt das Leben
Tchiao,
Philipp Borchert
... oder er sagt einfach Hauptbahnhof oder gar nur "Haupt" ;-)
Ostbahn schrieb:
-------------------------------------------------------
> ... oder er sagt einfach Hauptbahnhof oder gar nur
> "Haupt" ;-)

...und meint damit den Ostbahnhof ;-)

Das Lehrter Stadtbahnhof ist auch immernoch recht häufig zu hören.

Dafür staunen die Touris ja immer, was das für ein komischer Hauptbahnhof ist.
Ich verstehe gar nicht, weshalb immer auf dem Hr. Kurpjuweit herumgehackt wird. Er spricht doch weitestgehend nur Fakten an.

Im Grunde könnte doch alles so schön sein:
- hätte Hr. Mehdorn nicht diese alberne Dachverkürzung vorgenommen,
- würde Hr. Mehdorn alle aus Richtung Westen kommenden und in Berlin endenden Fernzüge weiterhin über die Stadtbahn fahren lassen,
- hätte er auch im Tiefgeschoß den Architektenentwurf so gelassen, wie er war,
- hätten sich die Poltiker entschlossener den St.Florians-Aktivisten in Lichtenrade entgegengestellt udn die Dresdner Bahn für den Fernverkehr ausgebaut,
- wäre Berlin mit etwas besserer Finanzpolitik gesegnet und die U5 sowie S21 sowie die Straßenbahn durch die Invalidenstr. längst in Betrieb und der neue Hbf damit anständig an den ÖPNV angeschlossen,
dann, ja dann wären die Menschen sicher mit dem neuen Bahnhof ganz zufrieden.

Und die Umbenennung des Lehrter Stadtbahnhofs (denn an den Lehrter Bf kann sich doch kaum noch einer erinnern) in "Berlin Zentralbahnhof" hätte man sicher auch entspannter zur Kenntnis genommen.





1 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.01.2006 22:49 von micha-hbg.
micha-hbg schrieb:
-------------------------------------------------------
> Und die Umbenennung des Lehrter Stadtbahnhofs
> (denn an den Lehrter Bf kann sich doch kaum noch
> einer erinnern) in "Berlin Zentralbahnhof" hätte
> man sicher auch entspannter zur Kenntnis
> genommen.

Bestimmt nicht. ;-)

Darüber hinaus klingt "Zentralbahnhof" einfach grausam.

Jens
micha-hbg schrieb:
-------------------------------------------------------

>
> Im Grunde könnte doch alles so schön sein:
> - hätte Hr. Mehdorn nicht diese alberne
> Dachverkürzung vorgenommen,
> - würde Hr. Mehdorn alle aus Richtung Westen
> kommenden und in Berlin endenden Fernzüge
> weiterhin über die Stadtbahn fahren lassen,
> - hätte er auch im Tiefgeschoß den
> Architektenentwurf so gelassen, wie er war,
> - hätten sich die Poltiker entschlossener den
> St.Florians-Aktivisten in Lichtenrade
> entgegengestellt udn die Dresdner Bahn für den
> Fernverkehr ausgebaut,
> - wäre Berlin mit etwas besserer Finanzpolitik
> gesegnet und die U5 sowie S21 sowie die
> Straßenbahn durch die Invalidenstr. längst in
> Betrieb und der neue Hbf damit anständig an den
> ÖPNV angeschlossen,
> dann, ja dann wären die Menschen sicher mit dem
> neuen Bahnhof ganz zufrieden.


Ganz genau das sind alle entscheidenden Punkte, die die Freude über den neuen Bahnhof trüben. Und hätte man statt der U5 die Südanbindung der S21 vom Heuboden bis zum Hauptbahnhof gebaut, könnten zum Fahrplanwechsel dort bereits die ersten S-Bahn-Züge fahren. Und zwar mit sinnvoller Anbindung an das restliche Netz. Wesentlich aufwändiger als die U5 bis zum Brandenburger Tor wäre diese Strecke doch wohl auch nicht geworden. Man hätte sich zwei Bahnhöfe gespart und statt einer Baugrube vor dem Hotel Adlon hätte man eine im Zuge der Ebertstraße und östlich des Reichstages gehabt. Nicht schön, aber was solls, Berlin ist an Baugruben gewöhnt. Jetzt wo die Neubauten in der Umgebung des Spreebogenparks stehen, dürfte der Bau der Tunnelstrecke in der Zukunft auch nicht gerade einfacher geworden sein.
micha-hbg schrieb:
-------------------------------------------------------
>
>...
>
> - würde Hr. Mehdorn alle aus Richtung Westen
> kommenden und in Berlin endenden Fernzüge
> weiterhin über die Stadtbahn fahren lassen,

Es fahren fast alle von Westen und in Berlin endenden Züge über die Stadtbahn.

[reiseauskunft.bahn.de]

Einfach mal durchgucken!




Spandauer
Ecke schrieb:
-------------------------------------------------------
> Tagesspiegel, heute Montag 30.01.2006
> Um Leben in den Bau
> zu bringen, lässt er nach der Eröffnung des
> Hauptbahnhofs bekanntlich keine Fernzüge mehr im
> Bahnhof Zoo halten. Offiziell begründet die Bahn
> den Verzicht auf den Stopp der Züge im Westen der
> Stadt damit, dass die meisten Reisenden so vier
> Minuten Fahrzeit sparten.

Tja, dann hatte ich neulich bei meiner Deutschland-Ticket-Tour wohl eine Sinnestäuschung. Kam mir doch glatt so vor, als wären am Bahnhof Zoo mindestens dreiviertel der Fahrgäste mit mir ausgestiegen. Wenn die da, wie ich, wirklich alle dahin wollten, dürften da wohl künftig für "die meisten Reisenden" eher ein paar Minuten drauf kommen.
>Im Grunde könnte doch alles so schön sein:
Ja, hätte, könnte, wäre. Aber die Bahnrealität ist nun mal keine Modelleisenbahn, wo immer die Ideallösungen verwirklicht werden können. Dafür sind auch einfach zu viele Interessen beteiligt.
Wenn das alles so gekommen wäre, wie du beschrieben hast (wäre ja alles wünschenswert gewesen!), dann hätte man was anderes zum Bemeckern gefunden. Garantiert.

Das gleiche "Theater" hatten wir 1991 zum ICE-Start, 2002 bei der Eröffnung der NBS Köln-Rhein/Main und auch bei der SFS Berlin-Hannover, um nur einige Beispiele zu nennen. Immer gibt es irgendwas, was noch nicht ganz ideal ist, und wo entweder die böse Bahn oder die bösen Politiker dran schuld sind, und da wird sich dann dran hochgezogen. Inzwischen redet kein Mensch mehr darüber.
@ Fahrsteiger: danke für den Hinweis, die S21 hätte in der Tat vielen Bürgern im Norden bzw. Süden Berlins umsteigefreie bzw. umsteigeerträgliche (z.B. am selben Bahnsteig in Gesundbrunnen) Verbindungen zum neuen Hbf geboten und damit dessen Akzeptanz erhöht.

@ Spandauer: ich nehme Bezug auf die Aussage der Bahn, dass nach Fertigstellung des Mittelbahnsteigs in Südkreuz (ex Papestr) die ICE-Linien aus Richtung Hannover bzw. Kassel-Braunschweig über den Nord-Süd-Tunnel geführt werden und in Südkreuz enden sollen (und zwar ab Dezember 2006). Wurde dieses Konzept mittlerweile geändert ? Im übrigen war natürlich mit meiner Bemerkung gemeint, dass die über die Stadtbahn geführten Züge auch in Zoo halten sollten !

@ Tunnelmaus: ich denke, dass ich nicht meine Modellbahnphantasie beschrieben habe, sondern die ursprünglich (d.h. von der Bahn bzw. Politik in Auftrage gegebene) Planung referiert habe. Und nur ein Hinweis am Rande und damit zugegebenermaßen off topic dieses Forums: es gibt seit Fertigstellung der SFS Hannover-Berlin Debatten darüber, dass Magdeburg und Potsdam vom Fernverkehr abgehängt wurden, es gibt seit Fertigstellung der NBS Köln-Frankfurt Diskussionen über die Fahrzeiten, die Zwischenhalte in Köln Flughafen, Siegburg, Montabaur und Limburg sowie die Anbindung von Wiesbaden. Das sind immer genau die Themen, die seit der Planung auf der Agenda standen und eben nicht aufhören !
@Micha: Soweit ich das in Erinnerung hab, sollen die "Frankfurter ICE" ab Dezember unten fahren, die Züge Richtung Hannover & Ruhrpott aber auf der Stadtbahn bleiben.
@ Jay: so muss es dann wohl verkündet worden sein...es hätte wenigstens den Vorteil, dass die Bewohner der östlichen Stadtteile ihren ICE Richtung Ruhr/Wupper bereits in Ostbf besteigen können. Was die Führung der Frankfurter ICE über den Tunnel bis Südkreuz und dann leer retour und über östlichen Innenring nach Rummelsburg soll, wird wohl immer das Geheimnis der Bahn bleiben.
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