Hallo,
hab' das Unterforum "Nahverkehr Ostdeutschland" gerade erst entdecket. Der Beitrag von Vincent ist, in aller Höflichkeit, aber so falsch, dass er beantwortet werden muss.
Vincent Ertel schrieb:
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> Hallo!
>
> Also das Befahren der Weichen mit der geringen
> Geschwindigkeit liegt zweifelsohne an der geringen
> Spurweite von 1000 mm.
Das ist völlig absurd. Der Einfluss der Spurweite auf die Höchstgeschwindigkeit einer Strecke wirkt sich erst in einem Geschwindigkeitsbereich aus, der von Straßenbahnen wohl nie erreicht werden wird. Es gibt planmäßige Geschwindigkeiten von 160 km/h auf Kapspur (was mit 1067 mm nur knapp über der Meterspur liegt).
Allein Gleislagefehler können bei schmaler Spur den Komfort mehr beeinträchtigen als bei Normalspur.
> Außerdem liegt es immer am
> Winkel der Kurven und Weichen, wie schnell diese
> befahren werden können.
Kurven haben keine Winkel und bei Weichen findet man die Winkelangaben eher im Modellbahnbereich. Kurven und Weichen (im abzweigenden Strang) haben einen Radius. Der hat in der Tat Einfluss auf die maximale Kurvengeschwindigkeit. Aber auch das ist zunächst mal eine Frage von Komfort und Verschleiß, welche Geschwindigkeit man dort Fahrgästen und Fahrzeug antuen möchte. Bis eine Straßenbahn entgleist, ist zuvor schon Oma Druse und der Kinderwagen durch den Fahrgastraum geschleudert worden.
> Das Alter und die
> Abnutzungen spielen natürlich auch eine Rolle -
> manche Verkehrsbetriebe kümmern sich nicht um ihre
> Gleise, lassen sie verfallen, und stellen dort
> einfach nur Langsamfahrstellen auf.
Bis es zu kritischen Verschleißzuständen kommt, dauert es schon einige Zeit. Und Frankfurt dürfte nach der Wende fast alle Gleise und Weichen saniert haben, so dass es da keine Probleme gibt. Wenn es mal zum Bruch einer Weichenzunge kommt, dann gibt es halt für eine Zeit mal wirklich nur Schrittgeschwindigkeit, aber das wird kein Dauerzustand sein, dafür sorgt schon die technische Aufsichtsbehörde. Oder die Strecke wird stillgelegt.
Wesentlich mehr Einfluss auf die Höchstgeschwindigkeit hat die Bauart der Weiche. Ob Tief- oder Flachrillenherzstücke verwendet werden. Bei Flachrillenherzstücken läuft der Spurkranz auf und wird quasi über den kreuzenden Schienenstrang "gehoben". Ich nennen das immer "kontrollierte Entgleisung". Das mag für den Eisenbahner komisch aussiehen, bei der Eisenbahn wird ein Auflaufen des Spurkranzes tunlichst vermieden (so ist nämlich die Entgleisung definiert), bei der Straßenbahn ist das aber seit Jahren im sicher Praxisbetrieb - wenn auch der Stand der Technik allmählich zu Tiefrillenherzstücken übergeht. Diese sind dann in der Tat "eisenbahnmäßiger".
Bei Flachrillenherzstücken sind Geschwindgkeiten bis etwa 30 km/h völlig praxistauglich (macht meines Wissens Erfurt so). Viele andere Betriebe lassen aus Komfort- und Verschleißgründen nur geringere Geschwindigkeiten zu. Aber das ist Teil der jeweiligen Betriebsphilosophie. Und wenn es in Frankfurt so ist, wo es dem Betrieb ja nun nicht rosig geht, dann ist das völlig legitim - wenn sogar nicht unbedingt notwendig. Was nutzt es eine Weiche ständig mit 30 km/h zu befahren, wenn ich kein Geld für die Verschleißbehebung (Aufschweißen, etc.) oder gar den Austausch der Weiche habe. Wenn die Weichen so nicht nur noch 10, sondern 20 oder mehr Jahre liegen bleiben kann, dann kann das den Betrieb schon in eine Zeit retten, bis die Rahmenbedingungen für schienengebundenen Nahverkehr wieder besser aussehen als heute.
Zumal in Frankfurt nicht an jeder Straßenecke Weichen liegen, so dass der Fahrzeitverlust überschaubar bleibt. Wenn er durch ohnehin nötige geringe Geschwindigkeiten an Kreuzungen und Haltestellen überhaupt entsteht.
Ein weiteren Einfluss auf die Geschwindigkeit auf Weichen hat, ob die Weichenzungen verriegelt sind oder nicht (sich also theoretisch unter dem Zug umstellen können).
Unverriegelte Weichen dürfte es in Frankfurt (und andernorts im Osten) im Streckennetz kaum noch geben. Unverriegelt heißt meist max. 15 km/h, verriegelt heisst meist 40 km/, wenn, ja wenn nicht ein die Geschwindigeit begrenzendes Flachrillenherzstück folgt ;-)
> Irgendwann ist
> dann das ganze Netz mal eine einzige große
> Langsamfahrstelle...und in Frankfurt hat man ja
> manchmal richtig Angst in der Bahn, weil man
> denkt, sie bricht jeden Augenblick auseinander -
> was an den Gleisen und der Wartung der Fahrzeuge
> liegt. Aber eine Hand wäscht die andere - kaputte
> Fahrzeuge machen die Gleise kaputt, schlechte
> Gleise machen die Fahrzeuge kaputt...
Komm' hör' auf! Solches Schlechtreden ist nur eins: kontraproduktiv für alle Beteiligten. Und nach Deinen obigen Ausführungen, in aller Freundlichkeit, hast Du nicht den notwendigen technischen Sachverstand um das überhaupt beurteilen zu können.
> Das die Weichen, die stumpf befahren werden, nicht
> auch elektrisch gestellt werden, ist ein reiner
> Kostenpunkt. Denn so eine Weichenelektronik ist
> nicht gerade das Billigste - das ist aber in allen
> Betrieben so.
Das ist kein Kostenpunkt, das ist schlicht Betriebsphilosphie einer Straßenbahn: der gegenüber der Eisenbahn sehr vereinfachte Betrieb. Und zwar schon immer, seit dem es Straßenbahnen überhaupt gibt. Und Weichen die im Regelbetrieb ausschließlich stumpf befahren werden, brauchen schlicht keinen Antrieb. Das ist im Prinzip sogar bei der Eisenbahn so. Nur gibt es da kaum Weichen, die ausschließich stumpf befahren werden. Für den Fall der Fälle, dass diese Weiche doch mal spitz befahren werden muss, dann gibt es mit dem Fahrer und dem Weichenstelleisene eine ausreichende und erprobte Rückfallebene. Wenn eine Weiche in nur einem von 10.000 Fällen spitz befahren wird, dann sollte man gar nicht erst über eine elektrische Stellvorrichtung nachdenken, weil das Zeit kostet, und Zeit kostet Geld.
Weichenheizungen sind bei stumpf befahrenen Weichen dagegen wiederum üblich und auch notwendig.
Frohes Neues noch,
Tschau,
Stefan