fanodast schrieb:
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> Meine Fragen sind nun:
> - Ist meine Rechnung auch nur im Entferntesten
> realistisch?
Im Jahr 2000 gab es mal ein Experiment mit Nachtbussen in Lübeck. Die Zahl der Linien war ähnlich, vielleicht etwas niedriger. Es wurde nur an Wochenende und Feiertagen gefahren, somit etwa an den von dir genannten 121 Tagen und das überwiegend im Stundentakt. Nach Scheitern des Experiments (was zum einen am politischen Willen, zum anderen an einem ineffizienten Liniennetz lag) wurden die Kosten mit rund 750.000 DM angegeben (inkl. Fahrgeldeinnahmen).
Insofern sind Deine Zahlen, die für etwa doppelt soviele Nächte etwa denselben Betrag in Euro ergeben, zumindest nicht völlig unplausibel, auch wenn es seit dem sicher noch einige Kostensteigerungen gegeben hat. Etwas teurer könnte es durch aus auch werden, da man ja eben auch die Fahrzeugnutzung sowie die Nebenkosten für Sozialabgaben etc. noch einberechnen muss. Letztlich sollte das aber dann wohl für eine knappe Million Euro machbar sein.
> - Ich persönlich finde, dass eine moderne
> Großstadt wie es Nürnberg ist, 24 Stunden
> Mobilität ermöglichen sollte, aber vielleicht ist
> das ganze finanziell ja einfach nicht möglich.
Es ist immer eine Frage, welche Funktion dem ÖPNV zugesprochen wird.
Manche, vor allem ländliche, Kreise sehen ihn immer noch eher als Notlösung für diejenigen, die sich kein eigenes Auto leisten können oder maximal noch als geeignetes Transportmittel für Schüler. Als nächste Stufe könnte man Städte (zu denen ich z.B. auch Lübeck zählen würde) nennen, die dem ÖPNV zwar eine wichtigere Funktion einräumen, um z.B. zum Einkaufen oder Arbeiten in die Innenstadt zu kommen, aber in denen er dennoch keine vollwertige Alternative zum Auto darstellt. Nur wenige Städte bundesweit haben ein Angebot, das eine wirkliche Alternative zum privaten PKW darstellt - und dazu gehören m.E. vor allem halbwegs attraktive Spätverkehrs- und Nachtangebote.
Nicht umsonst hat Berlin, mit einem im Vergleich zu den meisten anderen Städten paradisischen ÖPNV-Angebot (flächendeckender ÖPNV mind. im 30-Minuten-Takt in allen Nächten) eine so niedrige Rate an PKW pro 1.000 Einwohner: 362. Hamburg liegt hier bei 482, München bei 530, das sind fast 50% mehr.
Auch wenn sicherlich auch andere Aspekte, wie eine schlechtere Wirtschafts- und Einkommenssituation mit hineinspielen, zeigt sich, daß wo der ÖPNV eine vollwertige Alternative zum privaten PKW ist, dies auch angenommen wird. Nur braucht man dafür natürlich auch einen langen Atem, ein ein- oder zweijähriger Probebetrieb reicht kaum aus, um die Potentiale derer, die langfristig umsteigen würden, auszuschöpfen.
Langfristig zeigen sich dann auch deutliche Spareffekte: man muss ggf. weniger Straßen ausbauen, Parkplätze schaffen etc. Von den nicht monetär messbaren positiven Umwelteffekten mal ganz zu schweigen.
> Andererseits bin ich mir immer noch nicht ganz
> sicher, was jetzt der Auftrag der VAG ist:
> einerseits ist sie eine AG, andererseits wird sie
> von der Stadt bezuschusst. Sollte sie also auch
> finanziell unrentable Projekte aufrechterhalten
> oder nicht? Und wie unrentabel darf's denn sein?
Ich denke, das ist nur ein scheinbarer Konflikt. Als Aufgabenträger im ÖPNV finanziert die Stadt diesen. Letztlich ist es dabei egal, um sie ihn bei privaten, öffentlichen oder halböffentlichen Betrieben bestellt. Transparenter ist es hier, wenn die Verkehrsleistungen konkret benannt und bezahlt werden, aber auch die nachträgliche Übernahme von Verluste öffentlicher Verkehrsbetriebe ist eine praktikable Möglichkeit.
Nicht zuletzt angesichts der hiesigen Lohnkosten ist ein unsubventionierter und gleichzeitig attraktiver ÖPNV kaum möglich. Ein gewinnorientiertes Unternehmen würde sich hier auf die hochrentablen Strecken konzentrieren und die Bedienung weniger stark ausgelasteter Strecken einschränken. Der Notfall-Streik-Fahrplan der DB in Berlin-Brandenburg zeigt halbwegs, wie es dann aussehen könnte: ein Minimum von Flächenerschließung, damit mit überhaupt in diese Orte kommt und dazu eine starke Konzentration der verfügbaren Ressourcen auf gut nachgefragte Linien.
Da es, wenn man auch eine attraktive Flächenerschließung wünscht, immer rentable und unrentable Linien geben wird, gibt es im Prinzip 2 Optionen:
- In Deutschland ist es eher üblich, zumindest Linienpakete auszuschreiben und dann unternehmensintern eine Quersubventionierung vorzunehmen.
- In Großbritannien wird es teilweise so gelöst, daß es auf stark nachgefragten Linien sogar einen Wettbewerb mehrerer Busunternehmen gibt, der sich auch in direkten Preiskämpfen für Einzelfahrten oder Zeitkarten auswirkt, die schwach ausgelasteten Linien dagegen ausgeschrieben und stark subventioniert werden.
Im ersten Modell ist es also durchaus auch möglich, einem Unternehmen auch Nachtlinien "unterzuschieben", die zwar für sich nicht wirtschaftlich betrieben werden können, aber sich über den Zuschlag für das Gesamtpaket dann doch rechnen.
Was die U-Bahn angeht: das ist wohl eher problematisch. Zum einen wird die Betriebspause oft benötigt, um Bau- und Wartungsarbeiten durchzuführen, zum anderen braucht man schon eine erheblich größere Nachfrage, um eine U-Bahn nur annähernd wirtschaftlich 24 Stunden zu betreiben. In New York wird das z.B. gemacht, allerdings sind hier viele Strecken auch viergleisig, so daß man ggf. auf die anderen Gleise ausweichen kann. In Berlin gibt es den U- und S-Bahn-Nachtverkehr nur an Wochenenden, in den übrigen Nächten fahren entsprechende Nachtbuslinien, mit ähnlichen Liniennummern und -wegen.
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 29.10.2007 19:19 von Lopi2000.