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Weichen bei der Straßenbahn
geschrieben von Boris 
willy.laaser schrieb:
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> Hallo histor,
> Stellbare Fahrdraht-Luftweichen mussten O-Busse
> haben, da ihre Graphit-Gleitstücke auf einem
> kleine Drehzapfen jeweils am Ende ihrer Stangen
> gelagert waren, damit sie auch noch auf der
> Nachbar-Straßenspur zu ihren Fahrdrähten verkehren
> konnten. Die Luftweichen wurden genauso gestellt
> wie die Schienen-Strab-Weichen - u. a. in Hamburg
> - z. B. nach dem System "mit Strom" oder "ohne
> Strom". Zu Straßenbahnen mit Graphit-Gleitschuhen ....

Hast Du Informationen darüber, wie es Bhf. Harburg aussah und gehandhabt wurde, als dort Straßenbahn und Obus gemeinsam kehrten?
Hallo histor,

zu dem mechanischen Teil der Hamburger Straßenbahnweichen möchte ich noch Folgendes beitragen: Damit bei der Stellzunge das flache Endstück der Stellstange richtig hinter die Zunge fassen konnte, hatte der Kopf der Schiene, an der sie anlag, einen kleinen rechtwinkligen Anschliff an seiner Innenflanke, in der das Endstück der Stange genau hineinpasste. Hatten die Weichen der Streckengleise alle zwei Zungen (wie die Eisenbahn), so hatte ich im Zulaufgleis zu den Einzelgleisen des im Krieg zerstörten Betriebshofes Mesterkamp in Barmbek Weichen mit nur einer Zunge rechts festgestellt. Der Wagen wurde hier ausschließlich über beide Spurkranzflanken des rechten Rades geführt.
Hallo histor,

leider kenne ich die Oberleitungsverhältnisse im alten Harburg nicht. Ich hatte mir zwar das Oberleitungsgewirr am Berührungspunkt des Wiesbadener O-Bus-Netzes mit dem der Mainzer Straßenbahn angesehen. Die Fahrleitungskreuzungen waren dort sehr einfach, solange sie spitz- und nicht rechtwinklig ausgeführt waren. Man führte den O-Bus-Fahrdraht ohne Unterbrechung durch. Da die Straßenbahn von Mainz Scherenstromabnehmer hat, bog man die Strab-Oberleitung seitlich so ab, dass sie ein Stückchen parallel zum O-Bus-Draht verlief, während auf der anderen Seite des O-Bus-Drahtes ein neues Stück Strab-Leitung parallel zu der des O-Busses verlief um schließlich in Fahrtrichtung der Straßenbahn abzuknicken. Die Querschleifleiste des Straßenbahn-Pantographen überbrückte dabei die Lücke zwischen den parallelen Strab-Leitungsstückchen. Dabei musste natürlich die Strab-Leitung deutlich tiefer hängen als die des O-Busses, um eine Berührung gerade auch mit dem Gegenpol der O-Bus-Leitung zu vermeiden.

Im Buch "Der öffentliche Personennahverkehr", Herausgeber: Risch und Lademann, 1957, sind auf den Seiten 203 und 204 Zeichnungen wiedergegeben, allerdings wenig nachvollziehbar. Auf der erstgenannten Seite ist ein Kreuzungsstück O-Bus / Rollenstrab abgebildet. Je länger man sich diese Zeichnung ansieht, desto unverständlicher wirkt sie. Na ja, vielleicht habe ich sie inzwischen begriffen.
Hallo,
noch einmal einige Worte zur Leine an der Rollenstange der Hamburger Straßenbahntriebwagen: Zunächst hatte die Stromabnehmerstange mit Rolle nach dem System Sprague (USA) nur einen lösbaren Catcher an der Rückfront des Wagens. Bei einer Entgleisung der Rolle wurde die Leinenaufwickel-Trommel im Inneren des Catchers durch die herausschießende Leine in eine schnelle Rotation versetzt, die sich - durch die Fliehkraft ausgelöst - sofort festbremste. Dabei schlug der Rollenkopf der Stange aber noch gegen die Querdrähte der Oberleitung. Also entwickelte man den Retriever (Rückzieher). Bei diesem wurde durch die Fliehkraft ein durch vorheriges Herausziehen der Leine aufgezogenes Uhrwerk, besser Federwerk, freigesetzt, das sofort die Leine soweit einzog, dass die Stange fast auf dem Dach lag. Mit Grausen erinnere ich mich noch an eine Fahrt mit einem VG-Zug der Linie 14 von den Elbrücken her durch den Veddeler Tunnel. Kaum hatte die Schafferin die Rolle eingegleist und der Zug einige Meter zurückgelegt, zog der Retriever schon wieder Stange und Rolle ein. Die arme Schaffnerin, es geschah unzählige Mal. Na ja, ich hatte nur vor, bis zur Haltestelle 'Hovestraße' zu fahren und weiß nicht wie der Zug wenigstens zur Veddeler Wendeschleife gekommen war.
Die alte elektrische Stellmethode für Strabweichen (ist heute nicht mehr zulässig, daher nur noch induktive Steuerung in Betrieb) lief folgendermaßen:
- Kurz vor der Weiche war ein spannungsführender Doppelbügel, der den Stromabnehmer vom Fahrdraht abhob und den direkten Kontakt mit dem Fahrstrom unterbrach.
- Am Ende dieses Bügels war eine isolierte Kontaktschleife ("Nervenbündel")
- Wenn der Stromabnehmer diesen Kontakt erreichte, wurde über ein Relais die Weiche gestellt, abhängig davon, ob der Doppelbügel stromlos oder stromziehend durchfahren wurde. Stromlos hieß meist den linken Fahrweg, stromziehend den rechten.
Diese Schaltung ließ sich auch gut mit den alten Fahrsteuerungen bedienen:
- Stromlos (nach links) hieß einfach mit Schwung ohne Fahrstrom die Kontaktstelle zu durchfahren (Heizung war meist kein Problem, da i.d.R. von den Brems- und Vorwiderständen auf dem Dach auf die Heizungswiderstände umgeschaltet wurden, die Heizung also kaum zusätzlichen Strom zog).
- Stromführend (nach rechts) hieß mindestens Fahrstufe 3 mit angezogener Handkurbelbremse (6 km/h max für Spitzfahrt) über die Kontaktstelle fahren. Neuere Wagen hatten eine Weichentaste, die unabhängig von den Fahrmotoren den notwendigen Strom über ein Schütz zog - keine Handbremse mehr nötig.
Das hat alles in der Regel zuverlässig funktioniert, hatte aber ein paar böse Tücken:
- Nicht ganz einfach war das stromlose Durchfahren bergauf direkt nach einer Haltestelle. Im Herbst oder Winter (Laubfall) war es durchaus eine Kunst, den nötigen Schwung für das stromlos zu durchfahrende Stück bergauf herzukriegen. Hat öfters nicht geklappt, und dann hieß es schnell anhalten, raus, mit der Weichenstange umstellen, und im Weichenbereich mit viel Sand bergauf wieder anfahren (an den Herzstücken laufen die Spurkränze hoch und die Reibung ist sehr mies). War meist Anlaß für einige Flüche. Das gleiche, wenn direkt vor der Kontaktstelle wegen einem Auto angehalten werden musste.
- Die Kontaktstelle musste sehr kurz vor der Weiche sein, damit ein nachfolgender Zug die Weiche nicht unter den letzten Achsen umstellen konnte. Dementsprechend spannend war es manchmal, bis die Weiche endlich umsprang (vor allem, wenn es pressierte, in die Kreuzung schon bei dunkelgelb eingefahren wurde etc.).

Die Bedienung hat also eine gewisse Kunst erfordert, dazu auch etwas Risikobereitschaft (immerhin kam ja vielleicht im Fahrweg ein Zug entgegen, der statt den erlaubten 12km stumpf mit 30 über die Weichen ratterte, und wenn dann die Weiche doch oder doch nicht umspringt, muss man sehr schnell reagieren). Dass diese Uraltlösung inzwischen verboten ist und mancherorts die letzten Jahre nur noch mit Sondergenehmigung im Einsatz sein durfte, ist daher verständlich. Allerdings sind nun alle Oldtimerfahrten in dem für das Fahrgefühl wichtigen Punkt nicht mehr original, und die Wagen haben ein häßliches modernes Schaltkästchen für die neuen Hochsicherheitsweichen ;-).

Interessant waren dann noch einzelne Weichen für Abzweige um sehr enge Ecken herum, bei denen die Weichenzungen erst in die Gegenseite ablenkten, um auszuholen, bevor dann über zwei Herzstücke der Abzweig in die richtige Richtung erfolgte (Beispiel: alte Mögeldorfer Schleife in Nürnberg). Preisfrage: wenn man nach rechts zum Tiergarten wollte, stromlos oder stromziehend?
Hallo LaurenzBo,

Sie beschrieben die am weitesten verbreitete elektrische Staßenbahn-Weichenstellvorichtung. Hamburg hatte die einfachere: Mit Schwung zu rollen ohne Strom zu ziehen, bedeutete die Weiche bleibt so liegen, wie sie ist und fahren mit Strom hatte zur Folge, dass sich die Weiche umstellte - wie immer sie vorher auch lag. Aus Gründen der Sicherheit musste die Weichenstellung durch Signale, die an die Querverspannungsdrähte gehängt waren, angezeigt werden. Der Fahrer konnte in späteren Jahren die Weiche auch über einen Knopf am Sandstreuhebel bedienen (Ich vermute, dass anstatt der Motoren dabei über den Stromabnehmer kurz die Widerstände zwischen das in Längsrichtung herausisolierte Fahrdrahtstück und die Schienen geschaltet wurden.)
Zitat

histor schrieb:
> (------------------------------)
> c) dann kamen (um 1950 ?) die elektrischen Weichen
> auf, die der Fahrer mit einem Impuls stellte und
> wo es einige Jahre dauerte, bis das Hamburger Netz
> damit versehen war. Hier können die "Betriebler"
> im Forum sicher mehr zu sagen.
>
> Mit freundlichem Gruß
> Horst Bu. - histor

Die ersten elektrischen Weichen gab es in Hamburg schon deutlich früher. In einer Broschüre der HHA von 1926 wird mitgeteilt, dass "schon eine Anzahl elektrischer Weichen" eingebaut seien. Strom "geben" bewirkt Umstellung, beim stromlos fahren bleibt die Weichenstellung wie sie ist.

Freundliche Grüße
Horst Buchholz - histor



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2008 00:20 von histor.
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