Die alte elektrische Stellmethode für Strabweichen (ist heute nicht mehr zulässig, daher nur noch induktive Steuerung in Betrieb) lief folgendermaßen:
- Kurz vor der Weiche war ein spannungsführender Doppelbügel, der den Stromabnehmer vom Fahrdraht abhob und den direkten Kontakt mit dem Fahrstrom unterbrach.
- Am Ende dieses Bügels war eine isolierte Kontaktschleife ("Nervenbündel")
- Wenn der Stromabnehmer diesen Kontakt erreichte, wurde über ein Relais die Weiche gestellt, abhängig davon, ob der Doppelbügel stromlos oder stromziehend durchfahren wurde. Stromlos hieß meist den linken Fahrweg, stromziehend den rechten.
Diese Schaltung ließ sich auch gut mit den alten Fahrsteuerungen bedienen:
- Stromlos (nach links) hieß einfach mit Schwung ohne Fahrstrom die Kontaktstelle zu durchfahren (Heizung war meist kein Problem, da i.d.R. von den Brems- und Vorwiderständen auf dem Dach auf die Heizungswiderstände umgeschaltet wurden, die Heizung also kaum zusätzlichen Strom zog).
- Stromführend (nach rechts) hieß mindestens Fahrstufe 3 mit angezogener Handkurbelbremse (6 km/h max für Spitzfahrt) über die Kontaktstelle fahren. Neuere Wagen hatten eine Weichentaste, die unabhängig von den Fahrmotoren den notwendigen Strom über ein Schütz zog - keine Handbremse mehr nötig.
Das hat alles in der Regel zuverlässig funktioniert, hatte aber ein paar böse Tücken:
- Nicht ganz einfach war das stromlose Durchfahren bergauf direkt nach einer Haltestelle. Im Herbst oder Winter (Laubfall) war es durchaus eine Kunst, den nötigen Schwung für das stromlos zu durchfahrende Stück bergauf herzukriegen. Hat öfters nicht geklappt, und dann hieß es schnell anhalten, raus, mit der Weichenstange umstellen, und im Weichenbereich mit viel Sand bergauf wieder anfahren (an den Herzstücken laufen die Spurkränze hoch und die Reibung ist sehr mies). War meist Anlaß für einige Flüche. Das gleiche, wenn direkt vor der Kontaktstelle wegen einem Auto angehalten werden musste.
- Die Kontaktstelle musste sehr kurz vor der Weiche sein, damit ein nachfolgender Zug die Weiche nicht unter den letzten Achsen umstellen konnte. Dementsprechend spannend war es manchmal, bis die Weiche endlich umsprang (vor allem, wenn es pressierte, in die Kreuzung schon bei dunkelgelb eingefahren wurde etc.).
Die Bedienung hat also eine gewisse Kunst erfordert, dazu auch etwas Risikobereitschaft (immerhin kam ja vielleicht im Fahrweg ein Zug entgegen, der statt den erlaubten 12km stumpf mit 30 über die Weichen ratterte, und wenn dann die Weiche doch oder doch nicht umspringt, muss man sehr schnell reagieren). Dass diese Uraltlösung inzwischen verboten ist und mancherorts die letzten Jahre nur noch mit Sondergenehmigung im Einsatz sein durfte, ist daher verständlich. Allerdings sind nun alle Oldtimerfahrten in dem für das Fahrgefühl wichtigen Punkt nicht mehr original, und die Wagen haben ein häßliches modernes Schaltkästchen für die neuen Hochsicherheitsweichen ;-).
Interessant waren dann noch einzelne Weichen für Abzweige um sehr enge Ecken herum, bei denen die Weichenzungen erst in die Gegenseite ablenkten, um auszuholen, bevor dann über zwei Herzstücke der Abzweig in die richtige Richtung erfolgte (Beispiel: alte Mögeldorfer Schleife in Nürnberg). Preisfrage: wenn man nach rechts zum Tiergarten wollte, stromlos oder stromziehend?