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U-Bahn ohne Fahrer
geschrieben von FIMS-Aktuell Journalist 
Grisu schrieb:

> Da die U-Bahn in Hamburg auch "oben" fährt noch dazu in einem recht einfach zugänglichen Bereich (siehe Sprayer und sonstiges Gesochse) wird es so etwas in HH (erst mal) nicht geben.

CS: Automatikbetrieb hat schon ein par Vorteile, es ermöglicht einen besseren Takt (z.B. 2x Kurzzüge anstelle eines Langzuges) und grössere Felxibilität bei Betriebsstörungen (siehe mein DLR-Beispiel weiter oben).

Off topic, aber das Arbeitsplatzargument ist übrigens einfach nur falsch. Wenn Automatikbetrieb effizienter ist bedeuten Fahrer eine staatliche Subvention von Ineffizienz. Wenn es nur um Arbeitsplätze ginge, warum stellt man dann nicht auf Automatikbetrieb um, und bezahlt eine Hälfte der ex-Fahrer Löcher zu buddeln und die andere sie wieder zuzuschütten?

Praktisch würde doch wie in Nürnberg keiner entlassen, die Fahrer würden zu Servicepersonal umgeschult, und dann hätten alle was davon, das Unternehmen durch einen effezienteren Betrieb, und die Fahrgäste würden sich über mehr Servicepersonal freuen. Klar, kurzfristig gesehen hätte die Firma dann wohl mehr Servicekräfte als optimal ware, aber das kann man ja mittelfristig, durch nicht ersetzen von Abgängen wieder ausgleichen.

Christian
christian schmidt schrieb:
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> Off topic, aber das Arbeitsplatzargument ist
> übrigens einfach nur falsch. Wenn Automatikbetrieb
> effizienter ist bedeuten Fahrer eine staatliche
> Subvention von Ineffizienz. Wenn es nur um
> Arbeitsplätze ginge, warum stellt man dann nicht
> auf Automatikbetrieb um, und bezahlt eine Hälfte
> der ex-Fahrer Löcher zu buddeln und die andere sie
> wieder zuzuschütten?

Hallo, das Argument ist ja Klasse! Wenn etwas automatisch geht, sind Arbeiter immer ineffizent. Das hat man seit 100 Jahren in der Landwirtschaft gesehen, seit 50 Jahren in den Fabriken und seit 20 Jahren in den Büros. Träum weiter von Vollautomatisierung.

Nur etwas "mit Gewalt" durchzuziehen, weil es technisch möglich ist ? Man muss zumindest dafür sorgen, dass richtige Arbeit für Menschen übrig bleibt. Alle im Service-Bereich, das wird nicht langen. Deshalb sollte man keine Wege beschreiten, wo die Sicherheit fraglich ist. Das sind richtige Eisenbahnen, keine Modellanlagen - und auch bei denen sitzt immer noch einer am Trafo.

Mit freundlichem Gruß
horst Bu. - histor
Re: U-Bahn ohne Fahrer
08.08.2007 14:26
Hallo christian,

> CS: Automatikbetrieb hat schon ein par Vorteile,
> es ermöglicht einen besseren Takt (z.B. 2x
> Kurzzüge anstelle eines Langzuges)

Na, das kommt aber auf die Sichtweise an. Auf vielen Strecken dürfte das nicht funktionieren.


> und grössere
> Felxibilität bei Betriebsstörungen (siehe mein
> DLR-Beispiel weiter oben).

Wage ich auch stark zu bezweifeln.


> Off topic, aber das Arbeitsplatzargument ist
> übrigens einfach nur falsch.

Durchdenke Dir doch mal die Auswirkungen solcher Lohnsenkungen. Maschinen tragen nichts zum Inlandsprodukt und nichts zur Rentenversicherung bei.

Es ist auch illusorisch zu denken, die Fahrer würden dann als Servicekräfte aufgefangen (heute machen sowas die geliebten Rotjacken und wie deren Finanzierung und das dann kommende Lohnniveau aussieht weiß man ja).

Ich bezweifle auch stark, daß so unpersönliches "durch-die-Gegend-gefahren-werden" noch die ja immer gern angesprochene emotionale Bindung entstehen läßt. Man schaue sich mal die ganzen Straßenbahn-Diskussionen oder Aktionen wie "100 Jahre Hochbahn" an.



Grüße, Boris
@christian schmidt:
Ich kenne dieses Argument. Aber was ist mit den Servicekräften in zehn, zwanzig Jahren? Sicherlich wird das Personal nicht verjüngt - das kostet schließlich Geld! Und durch Rente, Tod etc. wird sich das Servicepersonal "natürlich" verringern - und dann ist irgendwann niemand mehr dabei. "Kein Problem", sagt das Verkehrsunternehmen, in Berlin, Hamburg, München gibt es da ja schließlich auch nicht!

Mir würde das als Fahrgast überhaupt nicht gefallen, immer auf die Technik hoffen zu müssen. Dann könnten doch mal ein paar "Lustige" 'nen paar Kabel durchschneiden und mal gucken, was passiert. Ich hab auch keine Lust, alleine mit irgendwelchen Sprayern oder anderen Verrückten in einem Zug zu sitzen, die dank automatischer U-Bahn gefahrlos und genüsslich ihrem "Hobby" nachgehen können. Wer sollte ihnen etwas sagen? Super! So hat das Unternehmen keine Probleme mehr mit solchen Typen - sollen sich die doch die doofen Fahrgäste drum kümmern!
Und wenn mal doch was nicht klappt, in der Leistelle bei außerplanmäßigem Betrieb ein Zug "vergessen" wird, dann kann kein Fahrer nachfragen, was denn nun mit seinem Zug ist - denn es ist ja keiner da! Dann macht es RUMMS!

Tja - und wer ist nun Schuld? Hat jemand etwas falsch gemacht? "Das System hätte den auf den gesperrten Abschnitt zufahrenden Zug eigentlich stoppen müssen". Wegen eines Softwarefehlers tot. Also so möchte ich nicht enden.

Oder warum noch Selbstmordanschläge von Terroristen? Man kann ja auch mal in die Leitstelle eindringen und ein paar Züge frontal aufeinander zufahren lassen.

Praktiken wie in München finde ich ja noch okay, wo der Fahrer die Züge nicht mehr manuell fährt, sondern nur noch die Türen öffnet, Ansagen macht, Türen schließt, dem Fahrzeug den Befehl zum Anfahren gibt. Beschleunigen nd Bremsen tut es dank LZB selber. Der Fahrer hat jdeoch noch die Möglichkeit, eine Schnellbremsung auszulösen und bei Bedarf auch manuell zu fahren. Außerdem beobachtet er das bei der Fahrt genau.
Ich meine, so etwas ist noch zu vertreten. Die Überwachungsfunktion ist wichtig und sollte noch erweitert werden. Vielleicht könnte neben ihm zusätzlich ein Monitor installiert werden, der Bilder aus dem Fahrzeug zeigt, sodass er sich versichern kann, das auch im Fahrzeug alles in Ordnung ist. Sollte es Probleme geben, könnte er die Personen im Zug direkt ansprechen und bei Bedarf für den nächsten Bahnhof Notarzt oder Polizei bestellen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 08.08.2007 14:55 von Lehrter Bahnhof.
Re: U-Bahn ohne Fahrer
08.08.2007 15:39
Hallo,

eine Sache sollte man aber schon klarstellen. Die Züge würden ja nicht gänzlich "dumm" herumfahren. Gewisse Kontrollmechanismen, die heute einen ausser Kontrolle geratenen Zug stoppen würden, würden da natürlich in erweiterter Form zur Anwendung kommen.

Wenn ich mir allerdings die Leistung der letzten Zeit der da sicher zum Zuge kommenden bekannten Konzerne so anschaue, wird mir doch etwas mulmig.


Grüße, Boris
Fährt auch schon im Betrieb!

Düsseldorf fährt vollautomatisch, lediglich sitzt dort noch ein Fahrer drin weil:

- die Strecke aller U-Bahn-Linien oberirdisch durch den Straßenraum führt.

- der automatisierte Streckenabschnitt (oberirdisch!!!) Lörick - Krefeld immer noch nicht in Betrieb genommen wurde und der Abschnitt Lörick - Luegplatz durch den Straßenraum führt.

Es ist dort nur noch ein kleiner Schritt zur Atuomatisierung im oberirdischen Streckenabschnitt!
Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 06:06
Also wie ich bereits schon mehrfach erwähnt habe in Kopenhagen fährt die Metro schon seit ein paar Jahren ohne Probleme führerlos und das System wird von der Bevölkerung angenommen.

Der Sicherheitsstandard in Skandinavien ist bekanntlich sehr hoch und man hat dort div. Sicherheitsmaßnahmen unternommen um für alle Etwaitäten gerüstet zu sein.

Mit Sicherheit wird es da auch Vorkehrungen gegen Terrorismismus usw. geben, davon abgesehen sind Einzelheiten darüber mit Sicherheit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und der Betreiber hat logischerweise ein großes Interesse dafür das so etwas nicht in irgentwelchen Eisenbahnforen veröffentlicht wird.

Bevor das System mit Fahrgästen in Betrieb genommen wurde wurde mindestens ein halbes Jahr ohne Fahrgäste getestet.

Technisch ist so etwas durchaus ausgereift. Davon abgesehen fährt der Transrapid im Prinzip auch führerlos.

Gruß
Grisu
Grisu schrieb:

> Also wie ich bereits schon mehrfach erwähnt habe in Kopenhagen fährt die Metro schon seit ein paar Jahren ohne Probleme führerlos und das System wird von der Bevölkerung angenommen.

CS: Eben, was in Kopenhagen, London, Paris und sonstwo gut funktioniert kann auch in Hamburg funktionieren.

Histor schrieb:

> Nur etwas "mit Gewalt" durchzuziehen, weil es technisch möglich ist ?

Es geht nicht um durchziehen, oder nur um Technik. Technische möglich ist eine notwendige Vorraussetzung, aber nicht hinreichend. Automatisierung (und so ziemlich jede andere neue Technik) wird nur eingesetzt wenn es sozio-ökonomisch sinnvoll ist(*). Wenn dem aber so ist, dann sollte man es auch machen, ansonsten ist es öffentliche Geldverschwendung, und das halte ich für keine gute Idee. (Ich arbeite selbst im öffentlichen Dienst und bin mir sehr bewusst dass ich anderer Leute Geld ausgebe, und dass ich das nicht so einfach verschenden darf.)

Christian

(*) = Bei einer solchen Kosten-Nutzen-Analyse dürfen nebenkosten wie Sicherheitsgefühl der Fahrgäste oder die Kosten eventueller zusätzlicher Back-up-Sicherheitssysteme natürlich nicht vergessen werden.

'Richtige' Arbeitsplätze (wie auch immer definiert) fliessen da aber nicht ein. Boris liegt falsch, Effizienzsteigerungen tragen (indirekt) sehr wohl zur Steigerung des Inlandsprodukt und damit zur Rente zukünftiger Generationen bei. Histor hat selbst ein gutes Beispiel genannt – es ist wohl etwas überspitzt formuliert, aber ohne die Arbeitsplatzverluste in der Landwirtschaft wären Lebensmittel viel teurer.

Wenn es nur um Arbeitsplätze geht kann man doch sofort fordern in jedem Bus und jedem (Bahn-)Wagen wieder einen Schaffner einzusetzten. Das kostet zwar eine Menge Knete, schafft aber massenhaft Arbeitsplätze. Aber wer soll das bezahlen? Oder machen Schaffner keine 'richtige’ Arbeit für Menschen?
Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 14:59
Hallo christian,

> Boris liegt
> falsch, Effizienzsteigerungen tragen (indirekt)
> sehr wohl zur Steigerung des Inlandsprodukt und
> damit zur Rente zukünftiger Generationen bei.

Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. ;-)

Wenn dem tatsächlich so wäre, liessen sich einige Entwicklungen nicht erklären.

Allerdings wird's jetzt schon sehr "Off Topic".



Grüße, Boris
Boris schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hallo christian,
>
> > Boris liegt
> > falsch, Effizienzsteigerungen tragen
> (indirekt)
> > sehr wohl zur Steigerung des Inlandsprodukt
> und
> > damit zur Rente zukünftiger Generationen
> bei.
>
> Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. ;-)
>
> Wenn dem tatsächlich so wäre, liessen sich einige
> Entwicklungen nicht erklären.
>
> Allerdings wird's jetzt schon sehr "Off Topic".
>
Hä? Wenn ein Handwerker an einem Tag 2 Werkstücke für je 100 EUR produziert, erzeugt er damit ein Inlandsprodukt von 200 EUR (ja, ich weiß, abzüglich Vorleistungen usw usf, aber um es einfach zu machen). Kauft er sich eine Maschine, mit deren Hilfe er 5 Stücke pro Tag produzieren kann, steigt das Inlandsprodukt von 200 auf 500. Das ist das Wesen von Effizienzsteigerung. Und die schlägt sich direkt im Inlandsprodukt wieder. Normalerweise nicht so einfach wie in meinem Beispiel, denn das höhere Angebot drückt normalerweise den Preis (und macht damit die Ware für mehr Leute erschwinglich), aber dennoch kommen die Steigerungen immer dem Inlandsprodukt zugute.
Beim Nahverkehr sinkt halt der Preis pro Personenkilometer. Beim DT1 kostete ein Personenkilometer 10 Cent (völlig fiktive, an den Haaren herbeigezogene Zahl), beim DT4 nur noch 2 Cent (s.o.). Durch die Kostensenkung steht der Allgemeinheit mehr Geld zur Verfügung, und außerdem können sich mehr Leute diese Dienstleistung erlauben. Was ist daran schlecht?

Die Entwicklung ist so oder so nicht aufzuhalten, mag man es gut finden oder nicht. Auch in England war es irgendwann soweit, daß kein Heizer mehr auf der E-Lok mitfuhr, wie es zu Anfang noch von den Gewerkschaften erzwungen wurde. Heutzutage würde sich doch auch keiner mehr finden, der diesen Knochjob auf einer Dampflok wirklich machen möchte! Und auf einer E-Lok zwei Leute fahren zu lassen, damit sich nicht einer alleine langweilt, hört sich doch wirklich nicht besonders sinnvoll an, oder?
Man darf sich da nichts vormachen, die fortschreitende technische Entwicklung macht immer mehr Jobs überflüssig, weil unrentabel. Als Ungelernter eine Arbeit zu finden, ist doch schon fast ein Ding der Unmöglichkeit, weil diese Stellen alle schlicht nicht mehr vorhanden sind. Deswegen muß es doch das Ziel sein, die Menschen höher zu qualifizieren, damit sie arbeiten übernehmen können, die eine Maschine einfach nicht kann.
Die Alternative ist doch eine Vollbeschäftigung so wie sie in den Sozialistischen Staaten üblich war, bis die Volkswirtschaft Pleite ist. Und nicht alle Leute finden eine sinnlose Arbeit besser als gar keine...


Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 16:08
Hallo Mathias,

> Was ist daran schlecht?

Ich wüßte nicht, daß ich jemals vom Inlandsprodukt sprach. Es ist auch nicht sinnvoll mir eine Vollbeschäftigungsmetalität zu unterstellen, nur weil ich Automatisierung und (vermeintliche) Effizienz, die auf Teufel komm raus geschieht, ablehne.

Es bleibt hier aber der falsche Ort um das lang und breit zu besprechen.



Grüße, Boris
Hallo,
wenn man in diesem Forum den volkswirtschaftlichen Aspekt der Vollautomatisierung diskutieren will, kann es wirklich sehr schnell sehr "off topic" werden. Mal abgesehen davon, dass man sich dem Trend - auch international gesehen - sowieso nur schwer entziehen kann, sollte man es aber nicht auch noch beschleunigen, denn nur "Service-Arbeiten" hält eine Volkswirtschaft nicht am Laufen. Natürlich auch nicht der berühmte Heizer auf der Lok. Daher ist das Thema schwierig bis unlösbar (?)

Dennoch habe ich zu einem Menschen im Führerstand mehr Vertrauen als zu irgendwelcher Elektronik, auch wenn sie ausgeklügelt ist, getestet wurde und fernüberwacht wird. Trotzdem kann sie sabotiert werden. Es ist außerdem einfach eine Frechheit von Verkehrsunternehmen, seine Fahrgäste in selbstfahrende Wagen zu setzen mit dem Versprechen, dass alles auch ohne Fahrer oder Fahrerin klar geht. Das akzeptiere ich höchstens auf dem Dom in der Achterbahn.

Irgendwo ist nicht nur eine psychologische Grenze, sondern das Verkehrsunternehmen hat eine Verantwortung. Klar kann man dem Fahrer die Arbeit erleichtern durch vorgegebene Abläufe, wenn alles routinemäßig läuft. Aber er muss eingreifen können.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
histor schrieb:

> "Service-Arbeiten" hält eine Volkswirtschaft nicht
> am Laufen. Natürlich auch nicht der berühmte
> Heizer auf der Lok. Daher ist das Thema schwierig
> bis unlösbar (?)

Service kann man nur vorhalten, für etwas was an Wert erschaffen wurde. Die Werte können dann in diesen "Service" investiert werden.

Ich rate jedem Mal bei gutem Wetter mit dem Flugzeug über Deutschaldn etc. zu fliegen und ein wenig über die Struktur nachzudenken, die man dort sieht.

Das Schlagwort "Produktion in Polen etc." kann man sich nur leisten, weil es uns noch gut geht. Ewig geht es nicht. Denn ein Land kann nie nur ausgeben, ohne Werte zu schaffen.

Und was den Fahrer angeht, so schafft er natürlich nichts, genau wie der "Servicemensch" im Zug ohne Fahrer. Er kann leben, weil die Leute, die schaffen den sich den Service des Transports leisten können. Kann sich der Fahrgast den Service nicht mehr leisten, geht er zu Fuß.

Der Servicemensch wird arbeitslos und kann beim Fahrgast nix mehr kaufen. Der Fahrgast wird nun auch überflüssig und bleibt zuhaus.

Kleiner Exkurs in die Problematik. Aber nun wieder zur fahrerlosen U-Bahn in Hamburg, die ich vermutlich in meinem Berufsleben nicht mehr erleben werde.

Gruß

Jan

--
Das Fototagebuch der Bahnfotokiste: [fototagebuch.bahnfotokiste.de]
histor schrieb:

> Dennoch habe ich zu einem Menschen im Führerstand mehr Vertrauen als zu irgendwelcher Elektronik, auch wenn sie ausgeklügelt ist, getestet wurde und fernüberwacht wird. Trotzdem kann sie sabotiert werden. Es ist außerdem einfach eine Frechheit von Verkehrsunternehmen, seine Fahrgäste in selbstfahrende Wagen zu setzen mit dem Versprechen, dass alles auch ohne Fahrer oder Fahrerin klar geht. Das akzeptiere ich höchstens auf dem Dom in der Achterbahn.

CS: OK, aber Tatsache ist das dort wo Automatikbetrieb eingefuehrt wurde, dies von den allermeisten Fahrgaesten akzeptiert wird.

> Irgendwo ist nicht nur eine psychologische Grenze, sondern das Verkehrsunternehmen hat eine Verantwortung.

CS: Jawohl. Einschlieslich einer Verantwortung oeffentliche Gelder nicht zu verschwenden.

Christian
Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 22:07
Es scheint ja einige Unklarheiten zum Thema fahrerlose U-Bahnen zu geben, deshalb hier ein paar Fakten.


Automatische U-Bahnen haben viele Vorteile, einige wurden schon genannt:

- Züge können kürzer sein und dafür öfter fahren.
- Auf unerwartete Fahrgastanstürme kann sofort reagiert werden, indem mehr Züge eingesetzt werden.
- Trotz üblicher psychologischer Bedenken sind automatische U-Bahnen sicherer als herkömmliche, denn die meisten Fehler werden durch menschliches Versagen verursacht.
- Technik reagiert verzögerungsfrei auf Fehler (z.B. Person im Gleis), während jeder menschliche Fahrer eine Reaktionszeit von ein paar Sekunden hat.
- Züge können optimal schonend gefahren werden, so dass Energie- und Wartungskosten gespart werden.
- Wendezeit von Zügen ist sehr gering (Zug fährt aufs Kehrgleis und kommt sofort zurück), so dass weniger Züge benötigt werden.
- Netter Zusatzeffekt: Durch die fehlende Fahrerkabine kann man als Fahrgast in der ersten Reihe sitzen und hat einen absolut spektakulären Blick nach vorne raus.


Blick vorne aus der Kopenhagener U-Bahn:




Gegen automatische U-Bahnen werden leider immer wieder dieselben haltlosen Argumente vorgebracht:

- Sie seien unsicher. In Wirklichkeit sind sie aus obigen Gründen sicherer als manuell bediente U-Bahnen. Außerdem sollte man sich klarmachen, dass auch Aufzüge früher Fahrer hatten und heute fast ausnahmslos fahrerlos fahren. Eine moderne U-Bahn ist technisch gesehen nicht viel komplizierter als ein Aufzug.
- Es sei keine Autoritätsperson an Bord. Automatische U-Bahnen haben aber in der Regel entsprechend viel Service- und Sicherheitspersonal. Das hat den Vorteil, dass Fahrgäste sogar besser betreut werden können und Fragen beantwortet bekommen. Außerdem gibt es eine Kameraüberwachung und die Möglichkeit der Fernsteuerung von der Zentrale aus.
- Sie produzieren angeblich Arbeitslose. Fahrer können aber zu Service- oder Sicherheitspersonal umgeschult werden.


Wenn automatische U-Bahnen sich nicht bewährt hätten, würden sie nicht weltweit in so vielen Städten eingesetzt werden. Deutschland hinkt beim Einsatz von automatischen U-Bahnen etwas hinterher. Abgesehen von unzähligen automatischen People-Movern in Flughäfen etc. gibt es zurzeit 21 richtige U-Bahnen, die fahrerlos fahren. In Deutschland gibt es bisher keine, von Testbetrieben abgesehen (wir haben aber drei automatische People-Mover, wenn ich nichts vergessen habe: Flughafen Frankfurt, Flughafen Düsseldorf, H-Bahn Uni Dortmund). In vielen französischen Städten gibt es VAL-Systeme. Deren Züge sind etwas kürzer und schmäler als Standard-U-Bahnen und haben Gummireifen. Automatische Systeme sind zuverlässiger, wenn sie Gummireifen oder Linearmotoren (LIM) haben, da ein Durchdrehen der Räder dann systembedingt verhindert wird bzw. nichts ausmacht. Die meisten automatischen Bahnen haben Bahnsteigtüren, zumindest in unterirdischen Stationen, aber es gibt Ausnahmen: Lyon und demnächst Nürnberg.


21 fahrerlose U-Bahnen sind weltweit in Betrieb:

1. Ankara (inaugurated 1997)
2. Copenhagen (2002)
3. Detroit (1987, downtown people mover, LIM technology)
4. Jacksonville (1989, downtown people mover, monorail)
5. Kobe (1981, Port Liner and Rokko Liner, rubber-tyred)
6. Kuala Lumpur (1996, LRT)
7. Las Vegas (1995, monorail)
8. Lille (1983, VAL)
9. London (1987, Docklands Light Rail)
10. Lyon (1991, line D/Maggaly, rubber-tyred, no PSDs)
11. Miami (1986, downtown people mover, rubber-tyred)
12. Osaka (1981, Nanko Port Town Line, rubber-tyred)
13. Paris (1998, line 14, rubber-tyred)
14. Rennes (2002, VAL)
15. Singapore (2003, North-East line and 3 rubber-tyred LRT lines)
16. Taipei (1996, Muzha line, VAL)
17. Tokyo (1995, Yurikamome Waterfront line, rubber-tyred)
18. Toulouse (1993, VAL)
19. Turin (2006, VAL)
20. Vancouver (1986, Skytrain, LIM technology, currently the world's longest automated system)
21. Yokohama (1989, Kanazawa Seaside LRT line, rubber-tyred)


Vier weitere sind in Bau:

1. Lausanne (2007, M2 extension, rubber-tyred),
2. London (Jubilee line),
3. Nuremberg (from 2008, line U3, no PSDs),
4. Seoul (Yong-In line, LIM technology).


Weitere vollautomatische U-Bahnen, bei denen der Fahrer sozusagen nur noch als Deko in der Kabine sitzt:

1. Barcelona (line 2 and line 11),
2. London (Victoria line),
3. New York (line L/Canarsie),
4. San Francisco (BART since its start in 1972),
5. Toronto (Scarborough RT),
6. Washington DC.

Webseiten zum Thema:
- Driverless Metros
- UITP


______

metrobits.org
Müssten die Züge mit Gummirädern nicht stinken...ich denke da mal vor allem beim abbremsen.

----------------------------------
Citaro-Bus of the Year 2007

MFG
Andre
Mike schrieb:
-------------------------------------------------------
> Automatische U-Bahnen haben viele Vorteile, einige
> wurden schon genannt:
>
> - Züge können kürzer sein und dafür öfter fahren.
> - Auf unerwartete Fahrgastanstürme kann sofort
> reagiert werden, indem mehr Züge eingesetzt
> werden.
Das können nicht-automatische Bahnen genauso. Auch bei automatischen Bahnen müssen einzusetzende Züge irgendwo bereitstehen. Das ist nur eine Frage der Organisation. Zugfolgen z.B. im 90 Sek Abstand sind seit Jahrzehnten machbar.

> - Trotz üblicher psychologischer Bedenken sind
> automatische U-Bahnen sicherer als herkömmliche,
> denn die meisten Fehler werden durch menschliches
> Versagen verursacht.
Der Fahrer soll ja durchaus durch Technik unterstützt werden, damit er nicht gegen den Prellbock knallt wie in Moorgate. Er soll aber eingereifen können.

> - Technik reagiert verzögerungsfrei auf Fehler
> (z.B. Person im Gleis), während jeder menschliche
> Fahrer eine Reaktionszeit von ein paar Sekunden
> hat.
Wenn sie funktioniert, ist das ja auch o.k.

> - Züge können optimal schonend gefahren werden, so
> dass Energie- und Wartungskosten gespart werden.
Das kann auch mit Fahrer wohl schon jetzt im modernen Wagen Standard sein (oder ist es auch).

> - Wendezeit von Zügen ist sehr gering (Zug fährt
> aufs Kehrgleis und kommt sofort zurück), so dass
> weniger Züge benötigt werden.
Zugegeben, hier ist die Automatik im Einzelfall von Vorteil, wenn der Fahrer kein guter Sprinter ist.

> - Netter Zusatzeffekt: Durch die fehlende
> Fahrerkabine kann man als Fahrgast in der ersten
> Reihe sitzen und hat einen absolut spektakulären
> Blick nach vorne raus.
Sehr schön. Das konnte man bei den alten T-Wagen der Hamburger U-Bahn schon seit 1912 und das habe ich als Kind gern gemacht. Ist aber eher ein Nebeneffekt.

> Automatische U-Bahnen haben aber in der Regel
> entsprechend viel Service- und
> Sicherheitspersonal. Das hat den Vorteil, dass
> Fahrgäste sogar besser betreut werden können und
> Fragen beantwortet bekommen. Außerdem gibt es eine
> Kameraüberwachung und die Möglichkeit der
> Fernsteuerung von der Zentrale aus.
Also - genau so viel Personal wie mit Fahrer. Wird aber als erstes eingespart oder herunter gefahren werden. Welche Fragen will ich in einer U-Bahn beantwortet bekommen ? Das machen die Verkehrsunternehmen nur zuerst. Später verweisen sie einfach auf den Netzplan, der an Wand oder Decke klebt.

> - Sie produzieren angeblich Arbeitslose. Fahrer
> können aber zu Service- oder Sicherheitspersonal
> umgeschult werden.
siehe voriger Abschnitt. Sicherheitspersonal kommt nur auf öffentlichen Druck. "Überflüssiges" Personal wird abgebaut. Wahrscheinlich wird keiner entlassen, weil das Image darunter leidet, aber ausscheidende und pensionierte Mitarbeiter nicht ersetzt. Das wäre hier nicht der erste Bereich, wo dies so ist. Kleiner Trost = Vielleicht braucht man bei Automatik-Betrieb keine Fahrer, aber mehr Technikkräfte, die die ganze Elektronik warten. Wenn Fahrer volkswirtschaftlich "überflüssige" Kosten sind, sind es Sicherheits- und Servicekräfte ebenso. Wenn sich alle an die Regeln halten, kommt man ohne sie aus. Das tun die Menschen aber erfahrungsgemäß nicht immer. Und ebenso funktioniert Technik nicht immer, so dass der Fahrer als Sicherheitsebene bleiben sollte.

Dass Automatik-Bahnen funktionieren, ist ja unbestritten. Mit einigen bin ich auch schon gefahren. Das ändert aber nichts am Grundsätzlichen.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor

Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 23:16
Andre91 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Müssten die Züge mit Gummirädern nicht
> stinken...ich denke da mal vor allem beim
> abbremsen.

Nein. Busse riechen ja auch nicht nach Gummi.

______

metrobits.org
Re: U-Bahn ohne Fahrer
10.08.2007 23:30
histor schrieb:
-------------------------------------------------------
> Mike schrieb:
> --------------------------------------------------
> > - Züge können kürzer sein und dafür öfter
> fahren.
> > - Auf unerwartete Fahrgastanstürme kann
> sofort
> > reagiert werden, indem mehr Züge eingesetzt
> > werden.
>
> Das können nicht-automatische Bahnen genauso.

Nein.
- Wenn ein Zug mit Fahrer halb so lang ist und doppelt so oft fährt, sind die Personalkosten doppelt so hoch.
- Wenn eine unerwartete Veranstaltung zu Ende ist und dreimal soviele Züge benötigt werden, werden auch dreimal soviele Fahrer benötigt. Wo sollen die so schnell herkommen? Selbst wenn man sie aus dem Bett klingelt, können sie nicht sofort zur Stelle sein.


> Der Fahrer soll ja durchaus durch Technik
> unterstützt werden, damit er nicht gegen den
> Prellbock knallt wie in Moorgate. Er soll aber
> eingereifen können.

Per Fernsteuerung und Kameraüberwachung kann jederzeit von der Zentrale eingegriffen werden.


> > - Technik reagiert verzögerungsfrei auf
> Fehler
> Wenn sie funktioniert, ist das ja auch o.k.

In wievielen Städten sie bereits funktioniert, habe ich ja aufgelistet.


> Wenn Fahrer volkswirtschaftlich "überflüssige"
> Kosten sind, sind es Sicherheits- und
> Servicekräfte ebenso.

Gerade wegen der Bedenken, die du äußerst (Vandalismusgefahr, kein Personal zugegen etc.) ist Personal erforderlich. Umso besser, wenn es nicht mit Fahren beschäftigt ist, denn dann kann es Fragen nach dem Weg etc. beantworten. Und das wird es auch gerne tun, denn sonst wäre der Job wahrscheinlich zu langweilig, weil sich nichts ereignet. In Lille z.B. ist mir in fast jeder zweiten Station und jedem zweiten Zug Sicherheitspersonal begegnet, obwohl das automatische U-Bahnsystem schon 24 Jahre alt ist.

______

metrobits.org



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.08.2007 23:34 von Mike.
Mike schrieb:
-------------------------------------------------------
> - Wenn ein Zug mit Fahrer halb so lang ist und
> doppelt so oft fährt, sind die Personalkosten
> doppelt so hoch.
> - Wenn eine unerwartete Veranstaltung zu Ende ist
> und dreimal soviele Züge benötigt werden, werden
> auch dreimal soviele Fahrer benötigt. Wo sollen
> die so schnell herkommen? Selbst wenn man sie aus
> dem Bett klingelt, können sie nicht sofort zur
> Stelle sein.
Das alles trifft auf die den Fahrer ersetzenden / begleitenden Servicekräfte genauso zu. Oder fahren diese Züge dann ohne Service- und Sicherheitskräfte (jeder 2. Zug mit, der andere ohne ?) Auch für die "ad hoc Züge" müssen die Leute aus dem Bett geklingelt werden oder wo sie sonst gerade sind (Schwimmbad - bei dem unerwarteten Event selbst ?) Wieso kann eine "Veranstaltung" unerwartet sein, wenn da so viel Leute sind, dass man zusätzliche Schnellbahnzüge benötigt ?
>
> Per Fernsteuerung und Kameraüberwachung kann
> jederzeit von der Zentrale eingegriffen werden.
>
Viel Glück! Ich gehe zwar davon aus, dass der Mitarbeiter in der Zentrale absolut verantwortungsbewußt ist - doch hoffentlich ist er nicht so überlastet, dass er mehr überwachen soll als ein Mensch überwachen kann (sprich Personaleinsparung. Beim Fahrer fällt das auf - in der Zentrale nicht)

> Gerade wegen der Bedenken, die du äußerst
> (Vandalismusgefahr, kein Personal zugegen etc.)
> ist Personal erforderlich. Umso besser, wenn es
> nicht mit Fahren beschäftigt ist, denn dann kann
> es Fragen nach dem Weg etc. beantworten. Und das
> wird es auch gerne tun, denn sonst wäre der Job
> wahrscheinlich zu langweilig, weil sich nichts
> ereignet. In Lille z.B. ist mir in fast jeder
> zweiten Station und jedem zweiten Zug
> Sicherheitspersonal begegnet, obwohl das
> automatische U-Bahnsystem schon 24 Jahre alt ist.

Tja, wer fragt denn nach dem Weg? Sprechen diese Mitarbeiter denn auch englisch, dänisch, chinesisch? Mit so einer kleinen Flagge am Revers, damit man weiss, wen man ansprechen kann? Wäre zwar eine nette Geste vom Verkehrsunternehmen - aber volkswirtschaftlich sicher weniger wichtig als der Fahrer. Wichtiger ist Wachpersonal, das sich hoffentlich nicht langweilt, weil es aufpaßt. Wichtig ist der Fahrer, der notfalls die Notbremsung macht und auf ungewöhnliche Ereignisse reagieren kann.

Diese Service-Alibi-Kräfte werden doch als erste wegrationalisiert. Mal in die Zukunft gedacht = Vielleicht, wenn sie Zeitungen, belegte Brötchen, Cola und Kaffee verkaufen (meinetwegen auch Zigaretten), könnte sich das rechnen. Hartgesottene Manager könnten sie als Einmann/Einefrau-Subunternehmer anheuern auf Provisionsbasis. Sag nicht, sowas ist nicht möglich. Einen Sitzplatz opfern und es geht. Oder das Verkehrsunternehmen vergibt die Service-Lizenz und der "Unternehmer" heuert Billiglohnkräfte an. Denn wenn man beim automatischen Betrieb den Fahrer für betriebswirtschaftlich überflüssig hält, sind es andere auch.

Ich gebe ja zu, dass hier schwer eine Grenze zu ziehen ist.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor

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