So langsam wird es Zeit, dass wir uns in Hamburg einmal Gedanken über die Art der Stadtbahn-Fahrzeuge machen. Wir in Hamburg haben die einmalige Chance im Rahmen der BOStrab bei absolut null anfangen zu können. Wir müssen nicht hinsichtlich der Drehzapfenabstände der Wagen auf eine zu kurze Schiebebühne im Betriebshof 'Lehmweg' Rücksicht nehmen (Die V5, V6 und V7 hatten hierdurch einen um 1,00m kürzeren Drehzapfenabstand als die Wagen in den anderen deutschen Städten und neigten zum schlingern.). In Berlin spielt der Flexity wohl auch deswegen eine so große Rolle, weil er bei gegebenem Gleisnetz etwas breiter gebaut werden kann, als ein Zug mit langen Wagenkästen. Außer der BOStrab ist bei uns von den Politikern nur vorgegeben, dass ein Zug (zumindest überwiegend) niederflurig sein muss. Quasi unausgesprochen steht im Raum, dass es die Weiterentwicklung der klassischen Straßenbahn sein muss und keine vereinfachte ("abgespeckte") Stadtschnellbahn, also U-Bahn.
Wir müssen noch eines beachten, was für die alten Rheinschiffer die gefährliche Loreley war, sind für uns die Marketing-Abteilungen namhafter Hersteller! Wenn ich so bei unseren Berliner Freunden ins Forum sehe, dann habe ich bald den Eindruck, dass Berlin überhaupt nur zwei Sehenswürdigkeiten hat, zum einen das Brandenburger Tor und zum andern den Flexity Berlin. Ganz offen: So etwas darf bei uns nicht passieren! Wir müssen aus einer sorgfältigen Analyse heraus wissen, was wir wollen! Vor allem müssen wir nicht etwas Noch-Nie-Dagewesenes wollen! Wo sind denn heute die Alwegbahn oder die Berliner M-Bahn?!
Wir können nur dann etwas Vorbildliches schaffen, wenn wir die positive, über einhundertjährige europäische Straßenbahn-Tradition fortschreiben und wenn wir uns darüber im Klaren sind, was sich nicht bewährt hat. Es darf nicht so kommen wie in einer deutschen Stadt, deren Verkehrsbetrieb über die Jahrzehnte Vorreiter in der Verwendung bester Straßenbahnzüge war und der dann von der örtlichen Politik etwas "Hypermodernes", Noch-Nie-Dagewesenes aufoktroyiert bekommen hatte - trotz der Äußerungen von Bedenken der Fachleute! Nicht nur, dass die Fahrzeuge recht bald grundsätzlich Gewährleistungsfälle waren - nein, sie fügten dem Gleisnetz des Betriebes sehr schwere vorzeitige Gleisschäden zu, und das zumeist nicht an Vignoles- sondern an Phönix-Rillenschienen, deren Auswechselung sehr teuer ist!!!
Wir sollten für Hamburg daraus lernen; wir sollten uns nicht "des Kaisers neue Kleider" andrehen lassen! Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns beratungsresistente Politiker mit noch nicht einmal verkehrstechnischem Halbwissen, sondern allenfalls Viertelwissen - von irgendeiner Hersteller-Marketingabteilung manipuliert - ein technisches, auch reparaturteures Fiasko bescheren!
Wenn wir das Wort "Losräder" hören, müssen wir sofort hellwach sein - wie von der Tarantel gestochen! Schon im nunmehr über ein halbes Jahrhundert alten Kompendium "Risch/Lademann" ('Der öffentliche Personennahverkehr') wird vor dieser Bastelei gewarnt! Und die Naturgesetze der Physik haben sich seit damals nicht geändert! Nach jahrzehntelanger Fahrt mit einem Fronttriebler-Pkw habe ich mir einen sehr gut erhaltenen Mercedes zugelegt, der miserable No-Name-Reifen hatte. Wenn die Automatic beim Anfahren etwas ruckelte, konnten leicht die Räder durchdrehen. Wenn das in der Kurve geschah, wurde man von seinem eigenen Wagenheck überholt - verdammt noch 'mal, ja! Ich begriff: Es gibt nur e i n e Haftreibung zwischen Rad und Fahrbahn und nicht etwa jeweils eine getrennte in Längs- und eine zweite, davon unabhängige in Querrichtung!!! Was für das Auto sehr misslich ist, kommt bei klassischer Bauweise dem Rad-Schiene-System zugute!
Die klassische Bauweise ist der Radsatz, bei dem zwei Räder drehfest auf eine Radsatzwelle mit großer Kraft hydraulisch aufgespresst wurden. Das scheint den Nachteil zu haben, dass sich besonders in scharfen Kurven etwa das äußere Rad nicht schneller drehen kann als das innere, obwohl es das wegen seines längeren Weges über die kurvenäußere Schiene eigentlich müsste. Was passiert? Es verdreht zunächst die Achswelle ein wenig (Torsion). Sehr schnell wird deren Rückstellkraft größer als die (rollende) Haftreibung zwischen Rad und Schienenkopf-Oberfläche. Die Folge ist, dass das Rad zurückspringt und sich dann wieder mit den mikroskopisch feinen Rauheiten des Schienen-Fahrspiegels verzahnt. Nun beginnt das Spiel von neuem. Wenn man wie ich mit Kollegen, einmal einen zudem beladenen Güterwagen mit kaum Schrittgeschwindigkeit durch eine leichte Kurve schiebt, dann hört man ein ständiges Knacken - mehrfach in einer Sekunde. Wird der Wagen mit großer Geschwindigkeit durch diese Kurve gezogen, so wird daraus das berüchtige Kreischen. Dabei können die Oberwellen zu dem beschriebenen Knacken - besonders wenn Resonanzen im Spiel - lauter sein als der direkt aus den hochfrequenten Sprüngen entstehende Schall. Schließlich ist bei den Blechblasinstrumenten (Trompeten, Posaunen usw.) vergleichsweise der erste Oberton (doppelte Frequenz) erheblich lauter als der Grundton.
Warum lege ich das alles so in epischer Breite dar? Na, ja, um etwas Grundsätzliches aufzuzeigen! Es gibt nämlich noch einen zweiten Grund für das Herausspringen der Radrollfläche aus der Haftreibung. Das ist eben in der Kurve der ständige Druck der Flanke der äußeren Schiene gegen den Spurkranz, mit der beide Räder des Radsatzes quer verschoben werden (Das zu langsame innere Rad hat natürlich auch einen Schlupf in Längsrichtung - hier nacheilend). Ja, und jetzt kommt die Erkenntnis: Dieser Querschub wird der Schienenflanke ungemein dadurch erleichtert, dass die Haftreibung schon wegen des Längsschlupfes intermittierend aufgehoben ist. Das bedeutet, dass die Schienenflanke allenfalls mit der Hälfte der Kraft das Rad quer, also in die Kurve drücken muss!!! Das heißt aber auch, dass Schienenflanke und Spurkranz weniger als der Hälfte der Abnutzung unterliegen als beim Einsatz von Losrädern! Bedenkt, liebe Freunde, anders als die Eisenbahn und die Stadtschnellbahnen darf die Tram keine Schienenflanken- oder Spurkranzschmierung einsetzen! Es besteht nämlich die Gefahr, dass das Fett unter ungünstigen Umständen auf die Schienenoberfläche gerät (Es braucht dabei noch nicht einmal den Fahrspiegel zu erreichen.) und von dort auf die Reifen der Autos! Und die haben keine Sandstreuer!
Den (ganz oder teilweise) Losräder-Zügen werden auch noch andere negative Eigenschaften wie unausgewogener Lauf in der Geraden nachgesagt, so dass es wirklich unklug ist, in dieser Hinsicht irgendwelche Beschaffungsrisiken einzugehen.
Es soll Leute geben, die können einen Hering auf der Schwanzspitze balancieren, andere versuchen Ähnliches mit einem großen Aufwand an hydraulischen Dämpfern bei Losräder-Kurzglieder-Multigelenk-Zügen. Die dann auch wieder einen erhöhten Justier- und vor allem auch Reparaturaufwand nach sich ziehen (Was gar nicht da ist, kann auch nicht verschleißen!). Es gab einmal früher im Baurecht den Begriff der "gesunden Baugesinnung". Im Waggonbau vermisse ich diese, wenn mir dort Wagen präsentiert werden, bei denen sich zum Teil der Boden unter den Füssen des Fahrgastes wegdreht (Siemens-Combino, Bombardier-Flexity Berlin)!
Wir sollten uns der jahrzehntelangen positiven Erfahrungen mit den Düwag-Achtachsern entsinnen, die von den Freiburgern zur Ermöglichung einer größeren Zuglänge zum Gelenkzug mit vierachsigem Mittelteil, der die ihm zugewandten Seiten der Endwagen-Kästen über Gelenke mitträgt, modifiziert wurden! Die Stockholmer Tunnelbana (U-Bahn) hat dieses System für seine Baureihe 'C' übernommen. Auch die HHA hat festgestellt, dass bei ihrer U-Bahn "das Bessere des Guten Feind ist". Sie kommt beim DT5 vom DT2- bis DT4-Zwischengestell ab und übernimmt das Freiburger System! Die offenbar hervorragenden Ingenieure der polnischen Firma FPS H. Cegielski in Posen haben dieses Prinzip als erste auf einen Teilniederflurzug (65%) übertragen und zwar einen ohne Losräder! Diesen Zug könnte man nach längerer Erprobung auch zum Voll-Niederflur-Zug weiterentwickeln (Nur die Fußräume zwischen den Sitzen über den Triebdrehgestellen wären mittelflurig - Stufe zum Längsgang nach unten). Voraussetzung wären seitliche längsliegende Motoren.
Ich habe den polnischen "Straßenbahn-Puma 118N" mit 2.40m Breite und 30,40m Länge über Stirnwände (Ein-Richtungs-, und Ein-Seiten-Fahrzeug) umgezeichnet zum "Stadtbahn-Puma" mit 2,65m Breite und 36,50m Länge (über Kupplung 37.50m lang) als Zwei-Richtungs- und Zwei-Seiten-Fahrzeuge ("Ausstieg links!"). Zwei Einheiten wären dann 75m lang und nach der BOStrab gerade noch für den allgemeinen Straßenverkehr zugelassen! Als Anhang findet Ihr die Skizze! Alle anderen Straßenbahnzüge auf der Innotrans haben mich in keiner Weise zufrieden gestellt! Es sind Basteleien aus Bubis Bastel-Bude! Übrigens Bremen fährt Züge mit ähnlichen Abmessungen!
Ehrliche Diskussion erbeten! (Übrigens, ich bin nach wie vor Voll-Amateur!) So jetzt muss ich schließen, weil meine Ausrufungszeichen-Dose leer geworden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Willy Laaser