rocco83 schrieb:
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> Ehrlich gesagt, kann ich den ganzen Widerstand
> gegen die Stadtbahn absolut nachvollziehen.
Ich gehöre zu denen, die das nicht können...
>
> Bei der Stadtbahn liegt der Fall jetzt ganz
> anders.
In der Tat, bei der Stadtbahn geht es nicht bloß um einen Stadtteil und zwei Haltestellen, hier geht es um ein Projekt mit Auswirkungen für die gesamte Stadt. Das geplante Zielnetz entlastet die Straßen und Bahnlinien im kompletten Bereich innerhalb des Straßenrings 3, ist also ein Projekt nicht für einen Stadtteil, sondern für die Stadt.
> Hier sollen 2 Stadtteile (Steilshoop und Bramfeld)
> an denen ja leider die U-Bahn-Planung
> vorbeigegangen ist, besser (an das Stadtzentrum)
> angebunden werden.
Unter anderem. Das ist ja nur der Einstieg, denn man kann beim besten Willen nicht das komplette Netz auf einen Schlag bauen, auch wenn das wünschenswert wäre. Aber das ist weder logistisch noch finanziell zu stemmen, also ist es aufgeteilt in Bauabschnitte. Der erste ist die Anbindung von Steilshoop und Bramfeld, aber das ist nicht der Grund, weshalb eine Stadtbahn gebaut wird.
> Aber wie!??
> Hier werden Millionen ausgegeben. Wofür??
> Für ein Alibi-Projekt, das ein bisschen als kleine
> Entschuldigung rüberkommt, für die gescheiterte,
> ursprünglich geplante U4-Anbindung.
Und das ist Unsinn. Wie ich schrieb, es ist der Einstieg, nicht der alleinige Zweck.
Das skurrile ist ja, wenn man für doppelt bis dreimal soviel Geld die U4 nach Steilshoop gebaut hätte, hätte sich kein Schwein darüber aufgeregt, obwohl es viel teurer ist.
> Eine Strecke, die mit Bussen gut abgedeckt ist und
> funtioniert wird künftig durch eine Stadtbahn
> angebunden. Aber welchen genauen Vorteil bietet
> sie den Steilshoopern und Bramfeldern, den ein Bus
> nicht bietet??
Es ist eine Bahn. Hört sich jetzt erstmal platt an, trifft aber genau den Kern. Nur zum Vergleich die Situation in Würzburg: Dort gibt es Bus und Straßenbahn. Wo die Straßenbahn fährt, hat der ÖPNV einen Anteil von 45% am Verkehr - dort wo der Bus fährt, liegt der Anteil unter 20%! Und das, wo der Bus ein engmaschigeres Netz als die Bahn bietet!
Der Bus ist bei Fahrgästen viel unbeliebter, der Anteil der sogenannten "freiwilligen Fahrer" liegt beim Bus bei 5%. Bei Bahnen liegt der Anteil bei 50%! Man könnte also sagen, eine Bahn ist zehnmal so attraktiv wie ein Bus...
Ein Ersatz einer Busstrecke durch die Bahn bietet also nicht nur eine quantitative Steigerung durch die höhere Platzkapazität, sondern auch eine deutliche qualitative Steigerung.
> Das fragen sich viele Leute hier in Hamburg und
> ich gehöre auch zu den jenigen.
> Natürlich ist es schon irgendwo eine Verbesserung,
> aber mal Hand aufs Herz: Ist diese wirklich für
> diesen Preis notwendig.
Ja. Eindeutig. Und zwar aus finanziellen Gründen. Wieder kommen die Zahlen ins Spiel: Der Kostendeckungsgrad des Busverkehrs der Hochbahn ist irgendwo < 50%. Kann man auch noch genauer rausfinden, aber dafür fehlt mir momentan die Zeit, später vielleicht.
Zum Vergleich: Der Kostendeckungsgrad der neu gebauten Stadtbahn in Straßburg liegt bei 122% ! Durch den Ersatz von Bussen durch Stadtbahn bietet sich also ein erheblicher Einsparungsfaktor, der angesichts der zukünftigen Entwicklung der Dieselpreise gegenüber den Strompreisen eher noch zunehmen wird. Momentan kostet der Strom für die Stadtbahn ein viertel der Dieselkosten eines Gelenkbusses, dafür bietet die Bahn aber doppelt soviel Platz! D.h. bei gleicher Kapazität zahlen wir nur ein Achtel der Energiekosten - stand heute, rechne das doch mal auf 2030 hoch, wenn der Diesel für Busse nicht mehr 1 Euro sondern vielleicht 2,50 kostet!
Selbst die bisher nur im Testbetrieb befindlichen Hybrid-Busse sparen nur 30% ein, sind also immer noch deutlich teurer als die Bahn.
> Wenn die Stadt nicht wüsste, wohin mit dem Geld,
> würde ich sagen, von mir aus sogar eine Linie
> durch die Alte Landstraße. Aber das Geld ist
> nunmal nicht da.
> Es in so ein Projekt zu investieren halte ich auch
> für komplett unnötig.
Sparen wir uns die Investition, stehen wir ziemlich bald vor der Frage, ob wir im Nahverkehr kürzen, und damit Fahrgäste stehenlassen und ins Auto zwingen - was die Stau- und Unterhaltskosten der Straßen weiter in die Höhe treibt, oder die Zuschüsse immer weiter in die Höhe schrauben - und dabei weinen ob der verpassten Chance.
>
> Aber hier sind ja viele unter euch, die das ganze
> befürworten und es überhaupt nicht verstehen, wie
> man dagegen vorgehen kann...
> Listet mir doch mal eure Pro-Argumente für die
> Stadtbahn auf.
Das habe ich probiert. Es gibt übrigens noch mehr - sowohl finanziell als auch verkehrlich. Verkehrlich sind in erster Linie die Probleme auf der M5 und der M20/25 zu nennen. Hier sind die Busse an der Kapazitätsgrenze, in Spitzenzeiten kommt es schon vor, daß Fahrgäste an den Haltestellen stehenbleiben müssen. Hier muß dringend was getan werden, und die Antwort lautet nicht "mehr Busse". Die Linien fahren im 5-Minuten-Takt, und das ist der kleinste Takt, der noch stabil gefahren werden kann. Geht man darunter, kommt es unweigerlich zur "Päckchenbildung". Dies ist sehr unangenehm für die Fahrgäste, weil die Fahrt nicht mehr planbar ist. Statt alle 5 Minuten ein Bus kommen dann irgendwann drei auf einmal...
Finanziell, weil jeder Bus einen Fahrer braucht - die Stadtbahn auch, aber die befördert doppelt soviel Leute wie ein Gelenkbus, d.h. für die gleiche Leistung brauche ich halb soviele Fahrer - und Fahrer sind der zweite große Kostenblock im ÖPNV neben den Treibstoffkosten.
>
> Egal wieviele Initiativen es gegen die Stadtbahn
> gibt, Stuttgart 21 macht ja ganz gut vor, dass
> Proteste gegen sinnlose Geldverschwendung eh
> nichts bringen...
Ob die Proteste gegen S21 nichts bringen, bleibt mal abzuwarten, aber S21 und die Stadtbahn haben echt nichts gemeinsam - außer, daß sie irgendwas mit Schienen zu tun haben. Aber ansonsten ist das wie der Vergleich zwischen der Fehmarnbeltquerung und dem Bau einer Spielstraße - hat beides auch irgendwie mit Straße zu tun.
>
> Deswegen... raus mit der Kohle, hallo Stadtbahn.
> Insgeheim aber trotzdem mit der Hoffnung, dass der
> ganze Schmarrn noch kippt!!
Wenn der "Schmarrn" kippt, wird das richtig teuer - und das nicht wegen irgendwelcher schon geschlossener Verträge wie bei S21, sondern wegen der negativen Entwicklung des Stadtverkehrs in Hamburg. Die Handelskammer macht sich starke Sorgen um den Wirtschaftsverkehr, wenn die Stadtbahn nicht gebaut wird - Güter und Arbeiter im Stau kosten Geld, bringen aber nichts. Ein leistungsfähiger ÖPNV ist eine Grundbedingung für eine Stadt, und der Hamburger ÖPNV droht gerade den Anschluß zu verlieren. Wenn wir jetzt nicht investieren, zahlen wir später richtig drauf. Und zwar so, daß es wehtut. Allen.