Ende Februar erschien das Computerspiel "Cities in Motion" des unabhängigen Entwicklerteams 'Colossal Order'. Mehr als 10 Jahre nach dem Erscheinen des Spiels "Verkehrsgigant" widmet sich damit ein Computerspiel wieder dem Bau eines städtischen Nahverkehrssystems. BahnInfo hat das Spiel getestet.
In Cities in Motion schlüpft der Spieler in die Rolle eines städtischen Verkehrsbetriebes und ist dafür zuständig, Fahrgäste durch die Stadt zu chauffieren. Dabei stehen ihm neben klassischen Verkehrsmitteln wie U-Bahn, Straßenbahn und Bus auch Fähren und sogar Hubschrauber zur Verfügung.
Der Spieler kann zwischen zwei verschiedenen Spielmodi wählen: Sandkasten und Kampagne. Im Sandkastenmodus steht der Verkehrsunternehmer vor einer unerschlossenen Stadt und beginnt mit dem Bau der ersten Linie. Im Kampagnenmodus sind meist schon einige Linien in Betrieb und es gibt klar definierte Ausgaben, die es abzuarbeiten gilt.
Vom Hersteller werden vier europäische Stadte mitgeliefert: Amsterdam, Berlin, Helsinki und Wien. Die Karten stellen dabei nur einen kleinen Ausschnitt der realen Stadt dar, sind mit realen Straßennamen versehen und haben durchaus Wiedererkennungswert. Ebenso entwickeln sich die Städte mit der Zeit. In der spielbaren Zeit von 1920 bis 2020 wachsen die Städte teils bis auf das doppelte ihrer Ursprungsgröße.
Beim Erschließen der Städte muss der Spieler sich überlegen, welche Stadtteile durch eine Linie und mit welchen Verkehrmitteln verbunden werden. Die U-Bahn (die auch als Hochbahn und ebenerdig fahren kann) ist natürlich gut für große Fahrgastmenge geeignet. Ihr Bau ist jedoch sehr kostenintensiv. Die Straßenbahn hat den Vorteil, dass sie häufig abseits des Staus über die Grüne Wiese oder zwischen den Richtungsfahrbahnen fahren kann und nicht so teuer ist. Der Bus eignet sich eher für kleinere Siedlungen. Die Fähre spielt ihren großen Vorteil als straßenunabhängiges Verkehrsmittel in wasserreichen engen Städten wie Amsterdam aus. Der Hubschrauber ist eher ein Luxusverkehrsmittel mit geringer Kapazität, mit dem der Verkehrsunternehmer versuchen kann, die Geschäftsleute mit hohen Ticketpreisen vom Golfplatz abzuholen.
Dem Spieler stehen neben dem Bau und Betrieb der Infrastruktur noch zahlreiche administrative Mittel zur Seite: Neben des Festlegens der Fahrpreise zählen dazu die Aufwendungen für Wartung von Fahrzeugen und Haltestellen. Das Gehalt des Fahr- und Werkstattpersonals muss beachtet werden und spiegelt sich auf die Freundlichkeit des Umgangs mit den Kunden wider. Sogar Ticketkontrolleure und Verwaltungspersonal bekommen eigene Gehaltsgruppen, die der Spieler festlegen kann.
Im Hintergrund wird ein komplexes Stadtleben simuliert, das jeden Einwohner Tätigkeiten und Orte zuweist. So wird die Stadt mit Studenten, die zur Uni fahren, Angestellten, die ins Büro fahren, oder auch Obdachlosen, die im Park rumlungern, zum Leben erweckt. Daneben gibt es noch Geschäftsleute, die besonders hohe Ansprüche an ihr Unternehmen stellen und Pensionäre. Diese fallen am meisten dadurch auf, dass sie zum Einsteigen in das Fahrzeug immer sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Das Spiel wartet mit weiteren Spielelementen auf, wie dem Kreditwesen und umfangreiche Wirtschafts- und Unternehmensstatistiken, deren Beschreibung hier den Rahmen sprengen würde.
Wer die mitgelieferten Städte erschlossen hat, kann mit dem komplexen Editor eigene Städte basteln oder aus dem Internet Städte anderer Spieler nachladen. Das Programmstruktur erlaubt leichte Anpassungen des Spiels, so dass die bereits sehr aktive Fangemeinde schon einige "Mods" geschaffen hat, die das Spiel verbessern.
Das hat uns gefallen:
- komplexes Verkehrsmodell mit realistischen, teils aber sehr staureichen Individualverkehr
- große Auswahl an Verkehrsmittelarten und Baumöglichkeiten
- erweiterbar bezüglich Fahrzeugpark, Städteauswahl und weiteren Modifikationen
- schöne Stadtatmosphäre mit hohen Zuschaufaktor
Das hat uns nicht gefallen:
- Streckenbau (insbesondere U-Bahn) teils etwas fummelig
- Verkehrsmittel blockieren sich gelegentlich gegenseitig (Eingreifen des Spielers erforderlich)
- (derzeit noch) geringe Fahrzeugauswahl
Fazit:
Mit Cities in Motion, das für das Entwicklerteam das erste Spiel war, ist den Programmierern ein gutes Spiel gelungen, das dem Hobbyverkehrsplaner lange Zeit Freude bereitet. Das Stadtleben mit den eigenen Verkehrsmitteln anzureichern ist schön anzusehen, die Rückkopplungen auf Fahrgeldeinnamen und Betriebsausgaben erscheinen logisch. Das ständige Anpassen der Linien und das Erschließen neuer Gebiete sowie das Ausbalancieren des möglichst optimalen Fahrzeugeinsatz bringen Herausforderungen. Das Streben nach neuen Fahrgatzahlrekorden und einem guten Unternehmensimage bieten ebenso Motivation und Suchtgefahr.
Artikel geschrieben von
Patrick Schardien