Florian Schulz schrieb:
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> Woher kommt die stete Annahme, dass ein so
> komplexes System wie Berlin an jedem Umsteigepunkt
> perfekte Anschlüsse besitzen muss? Bei dem
> dynamischen Stadtgefüge funktioniert es einfach
> nicht!
Mit Verlaub, aber das ist ein Totschlagargument, dass bestenfalls dazu geeignet ist, jede Diskussion im Keim zu ersticken. Doch das wäre mit Sicherheit bei diesem Thema nicht hilfreich. Nur weil es ein insgesamt perfektes System nicht geben kann, bedeutet das noch lange nicht, dass auf die Abstimmung von Anschlüssen (fast) komplett verzichtet werden muss.
Und gerade wenn man sich die tatsächliche Situation in Berlin anschaut und mit der in ähnlich komplexen Netzen vergleicht, fallen doch einige Punkte auf, die mit Sicherheit bei der Gestaltung von Anschlüssen verbessert werden können.:
(1) Aufstellung entsprechender Prioritäten in der Anschlussauswahl. Und zwar nicht nur linien- sondern auch korridorbezogen. Es gibt so manche Relation in dieser Stadt, wo man auf allen sinnvoll möglichen Relationen zu bestimmten Zeiten stets den gesamten Takt abwarten muss, um einen Anschluss zu erreichen. Als Beispiel nenne ich hier das Umsteigen in die U2 im Wochenendnachtverkehr in Richtung Pankow. Sowohl von der U6, U8 und der Stadtbahn hat man aus Richtung Süden und Westen immer einen Übergang von 15 Minuten (also Maximalfall). Die Fahrzeiten sind hier oft länger als im Nachtbusnetz mit seinen Anschlüssen innerhalb der Woche.
(2) Ausweisung von Anschlussknoten und deren Kommunikation gegenüber dem Fahrgast - und das nicht nur im eigentlichen Nachtverkehr, sondern auch zu Schwachlastzeiten in den Bereichen, wo 20-Minuten-Takte überwiegen. Warum soll es nicht an den betroffenen Haltestellen (und im Internet, BVG-Atlas etc.) einen ortsbezogenen Plan bzw. Liste geben, wo dargestellt wird, welche Linien wann Anschluss haben? Dann gibt es auch für den Fahrgast eine hohe Verlässlichkeit und Übersichtlichkeit, wo er denn einen Anschluss bekommt und wo eben nicht.
(3) Sicherstellung der Anschlüsse durch technische Maßnahmen. Was im Nachtverkehr funktioniert, lässt sich auch auf bestimmte Knoten zu Tageszeiten (s.o) realisieren. Das funktioniert anderswo seit Jahrzehnten selbstverständlich - ist aber in Berlin weiterhin offensichtlich nicht gewollt.
Und es ist immer noch peinlich, dass es bei Anschlüssen U-Bahn/S-Bahn - Bus/Straßenbahn (also ohne möglichen Sichtkontakt) keinen Neuanlauf zu deren Sicherstellung gibt, seit in den 1970er(?) Jahren der Ansatz der "Anschlusslampe" an U-Bahnhöfen am Widerstand der Busfahrer gescheitert ist.
Und so gibt es weiterhin „offizielle“ Anschlüsse, die nur sehr selten funktionieren. Mein hier immer wieder genanntes Lieblingsbeispiel ist der Übergang 245-M10 am Nordbahnhof im Spät- und Sonntagsverkehr. Das Problem ist seit Jahren bekannt, wird aber konsequent ignoriert (fahrplanmäßige Übergangszeit 2 Minuten, Standard ist der berüchtigte „Sichtanschluss“).
(4) Was einerseits bezüglich der Technik verbessert werden kann, bezieht sich ebenso auf das Fahrpersonal. Gerade im Vergleich mit anderen Städten (auch in der Größenordnung von Berlins) fällt auf, dass hier planmäßige und erst recht Zufallsanschlüsse nur selten abgewartet werden. Ganz im Gegenteil, überdurchschnittlich häufig erlebt man, dass gerade beim Eintreffen des Anschlussverkehrsmittels die Türen besonders schnell geschlossen werden - um dann 20 Meter weiter an der nächsten Ampel einen ganzen Umlauf abzuwarten. Und ebenso lässt sich gar beobachten, wie der eine oder andere Busfahrer noch einmal kurz zur Haltestelle zurückblickt und schaut, wie viele Fahrgäste denn seinen Bus verpassen.
Um jetzt wieder Korpsgeistdiskussionen bei der BVG zu vermeiden: Es gibt auch viele nette Fahrer - aber eben leider eben auch viel zu viele, die den Fahrgast immer noch als Feind betrachten, dem man zeigen muss, wer Herr im Bus ist.
(5) Bauliche Maßnahmen. Dieses Thema hatten wir hier schon öfter. In Berlin wir immer noch darauf geachtet, dass die Haltestellen immer möglichst weit weg von den jeweiligen Kreuzungen sind - entsprechend den Vorstellungen, die in den 1950er Jahren formuliert wurden, dass die Kreuzungen von allem, was den reibungslosen Fluss des Autoverkehrs stören könnte, freizuräumen sind.
Es gibt etliche Städte, die ein ganze Programme zur Verkürzung von Umsteigewegen realisieren. In Berlin dagegen streitet man sich gar immer noch, ob eine baulich eingerichtete gemeinsame Haltestelle von Bus und Straßenbahn (S-Bahnhof Hohenschönhausen) denn auch wirklich funktionieren kann und richtet neue Bushaltestellen gern an den Orten ein, wo bestimmt niemand vorbeikommt und die Wege zu allen Zielen maximiert werden (neue Haltestelle des Busses 248 am Alexa Richtung Ostbahnhof).
Und für die Menschen, die für das Haltestellendesaster am Hauptbahnhof verantwortlich sind, sollte vorgeschlagen werden, dass sie täglich dort umsteigen müssen und an der 2x-90-Sekunden-Warten-Müssen-Ampel wartend jeweils ihren Anschlussbus jedes Mal wegfahren sehen müssen. ;-)
Ingolf