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...Der Blumenstrauss an Maßnahmen
geschrieben von T6Jagdpilot 
Zitat
Dalant

Nehmen wir mal folgendes (vereinfachtes) Beispiel an, welches aber ungefähr die Berliner Größenverhältnisse wiedergeben sollte:

Diese Vereinfachung führt zu völlig weltfremden Schlüssen. Du legst als Maßstab irgendwelche theoretischen Schnellschüsse an, statt Fakten und Erfahrungswerte.

Zitat


In einer Großstadt mit 3,5 Mio. EW beträgt der durchschnittliche Preis pro Fahrt 2,30 EUR. Bei täglich 900.000 Fahrgästen ergibt das Einnahmen von knapp 2,1 Mio. EUR pro Tag.

Völlig falsche Datenbasis! 80% der Fahrgäste nutzen Zeitkarten...

Zitat


Nun entscheidet sich der Verkehrsbetrieb zu einer massiven Fahrpreissenkung auf 1,15 EUR.

Würdest du ernsthaft diskutieren wollen, würdest du nicht so extreme Werte setzen.

Zitat


Wieviele Fahrgäste muss man nun dazu gewinnen, um zumindest dieselben Einnahmen zu erzielen wie vor der Preiserhöhung? Richtig, nochmal 900.000.

Lässt sich so pauschal überhaupt nicht sagen - es kommt sehr auf die Wahl der Tickets an, wieviele Neufahrgäste für 1,05 Mio. täglich notwendig sind.

Zitat


Damit sind wir insgesamt bei 1,8 Mio. Fahrgästen täglich (mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Stadt),

Ja und? Das ist nichtmal die Hälfte der Fahrgäste, die 2009 trotz allem im Berliner ÖPNV befördert wurden: 1,351 Mrd!
(Quelle: Berliner Verkehr in Zahlen 2010, wurde auch hier im Forum verlinkt)

Zitat


die man bräuchte, um durch die Fahrpreissenkung keine Verluste einzufahren. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass dieser enorme Nachfrageschub nicht mit den zur Verfügung stehenden Fahrzeugen bewältigt werden könnte und somit Neuanschaffungen getätigt und finanziert werden müssten ...

Die Auslastung des Berliner ÖPNV liegt bei 18% - eventueller zusätzlicher Aufwand ist demzufolge extrem abhängig davon, zu welchen Tageszeiten man Fahrgäste gewinnt. Die S-Bahnkrise hat v.a. in Lastzeiten die Beförderungskapazität des Berliner ÖPNV drastisch gesenkt - dennoch stiegen die Fahrgastzahlen, obwohl weniger Fahrzeuge zur Verfügung standen.

In den letzten Jahren stagnierten die Ticketpreise, gemessen an der Inflation sind sie sogar gefallen - diese de-facto-Preissenkungspolitik führte zu steigenden Fahrgastzahlen, ohne das irgendwo das Angebot dafür verstärkt werden musste.
Es ist vielmehr drastisch reduziert worden - die Entschädigungsleistungen dafür haben sich als weitere Preissenkung wiederum positiv auf die Ticketverkäufe ausgewirkt.

[Zynismus]
Wenn Bahn und BVG irgendwann mal wieder die Leistungen erbringen, die sie vertraglich zugesichert haben, haben wir drastische Überkapazitäten, derzeit gehts doch auch!
[/Zynismus]

Berlins Straßen sind zu eng, um sie nur dem MIV zu opfern!
Dubito, jetzt machst du uns aber den Matschke. ;-) Dieses globale Prozentzahlspiel ist hochgefährlich und verfälscht die tatsächliche Auslastung völlig. Mag die durchschnittliche Auslastung über den gesamten Tag bei 18% liegen, so gibt es dennoch sehr viele Fahrten, bei denen die Auslastung um 60% liegt und damit einen Zustand angenommen, der bereits als (sehr) voll wahrgenommen wird. Bei etwa 80% der zugelassenen Auslastung ist das Fahrzeug dann bereits so voll, dass Fahrgäste zurückbleiben müssen, weil sie schlichtweg nicht mehr rein kommen.
Genau das ist doch der springende Punkt beim ÖPNV - die "Verluste" werden sozialisiert, um ein flächendeckendes Angebot zu gewähren. Da gibts dann eben auch den 399 mit durchschnittlich etwa 5% Auslastung bei Schwankungen zwischen 0% und 40%, der Fahrten der Linien M1, M2, M4, M6, M10, ... mit Auslastungen im Bereich der 60 bis 80+% gegeünber. Und letztere treten zwar auch im Berufsverkehr, vor allem aber im Abend- und Wochenendverkehr bei ausgedünnten Takten auf.

Natürlich "geht es" auch jetzt. Die Fahrgastgewinne sind ja auch weniger in der Lastspitze der HVZ aufgetreten, vielmehr hat sich die Lastspitze in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet, sodass es keinen "klaren Berufsverkehr" mehr in dem Sinn gibt. Auch um 9:30 sind die Bahnen und Busse gut gefüllt - Gleitzeit ist hier eines der Stichworte. Ebenso hat sich der nächmittägliche Berufsverkehr noch viel deutlicher auseinanderdividiert. Die Verkehrsbetriebe haben also deutlich von den Veränderungen der Gesellschaft profitiert, denn der Abbau der Lastspitze bedeutet auch weniger kostenintensive Verstärkerfahrten. Neben den Personalen (Stichworte BT, TV-N) haben also auch die Fahrgäste ihren Teil zum bisherigen Sanierungsversuch der BVG beigetragen - und die bisherigen Fahrpreiserhöhungen kommen da noch oben drauf.

Wie oben geschrieben - ÖPNV zählt gesetzlich geregelt zur Daseinsvorsorge. Es ist also Aufgabe der Politik für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, aber auch die Verwendung der finanziellen Mittel zu prüfen. Wir brauchen keine "goldenen Schwellennägel", wie sie so gern durch aufgestellte Standards von DB und BVG verbaut werden.

Beispiel: Nicht jede Haltestelle braucht das beleuchtete Modell "Kubus" und nicht jede Straßenbahnhaltestelle braucht pro Bahnsteig zwei Haltestellenschilder. Bei der Nutzlänge sind sie ja schon selbst auf die Idee gekommen, dass nicht überall 60-Meter-Bahnsteige aufgestellt werden müssen.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
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Philipp Borchert
Das Problem ist doch, dass man in der HVZ und auf den attraktiven Linien gar keinen kapazitiven Spielraum nach oben hin hat. Die Frage ist also berechtigt: Wohin mit mehr Fahrgästen?

Die Kapazitäten waren noch vor 10 Jahren in der HVZ wesentlich größer, man denke nur an zwei Linien (U1 und U15) auf der Kreuzberger Hochbahn oder den 3/3/4-min Takt auf der U9 und teilweise U7. Durch die demografische Entwicklung, die Veränderung der Arbeitswelt und des Freizeitverhaltens haben sich die Bedarfsunterschiede zwischen der HVZ und den dazwischen liegenden Stunden sowie abends und am Wochenende, sogar teilweise im Nachtverkehr immer weiter verringert. Dieser Prozess hält an und ist für die Rentablität der Verkehrsangebote sehr hilfreich. Werden doch Reserven an Fahrzeugen und Personal für die Spitzenstunden kaum noch benötigt, so dass der Fahrzeugpark quanitativ verringert werden konnte bei etwa gleichbleibenden (bei der U-Bahn merklich steigenden) Gesamtfahrgastzahlen.

Zitat

Wochenends hingegen wird noch sehr viel heiße Luft durch die Gegend gefahren. Damit die sinnvoll genutzt wird, müssten die Preise an Samstagen und Sonntagen irgendwie attraktiver sein.
Auch das war früher viel stärker ausgeprägt, seit der Freizeitverkehr stark auf das Auto fixiert ist. Dennoch sind gerade hier die stärksten Steigerungen zu verzeichnen, so dass auf vielen Bahnlinien der Sonntagstakt nachmittags verdichtet werden muss. Ab 1. Mai macht sich somit beim Fahrpersonal der U-Bahn eine größere Turnusumstellung nötig, da ca. 40 Fahrdienste sonntags/Feiertags mehr zu besetzen sind. Da die Kosten der Verkehrsunternehmen steigen, wird der VBB den Preis nicht senken.

so long

Mario
Ruhig Blut Dubito ... alles was ich mit meinem zugegebenermaßen sehr stark vereinfachten Rechenbeispiel ausdrücken wollte ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, durch Fahrpreissenkungen so viele neue Fahrgäste zu gewinnen, dass die Einnahmeverluste dadurch ausgeglichen werden können.

Verschiedene empirische Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass die Nachfrage nach ÖPNV-Dienstleistungen in der Regel preisunelastisch reagiert.

Guckst Du zum Beispiel hier:

Uni Mainz

Beste Grüße

Dalant
Zitat
Dalant
Ruhig Blut Dubito ... alles was ich mit meinem zugegebenermaßen sehr stark vereinfachten Rechenbeispiel ausdrücken wollte ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, durch Fahrpreissenkungen so viele neue Fahrgäste zu gewinnen, dass die Einnahmeverluste dadurch ausgeglichen werden können.

Wie war das doch damals gleich mit der Umweltkarte, die die Preissenkung mehr als kompensiert hat(übrigens kurz nach der von dir angeführten Diss.)?

Pauschal alle Fahrpreise zu senken und ohne irgendwelche flankierenden Maßnahmen den Kostendeckungsgrad zu halten, ist sicher eine Herausforderung.

Wenn es aber beispielsweise einen politischen Willen gäbe, einem MIV, der nicht einmal 1/3 zum modal split beiträgt, nicht weiterhin 2/3 der Verkehrsfläche und Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmern einzuräumen, ließe sich mit wenig finanziellem Mehraufwand viel erreichen - Kompensation halte ich da durchaus nicht für ausgeschlossen.

Zitat

Verschiedene empirische Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass die Nachfrage nach ÖPNV-Dienstleistungen in der Regel preisunelastisch reagiert.

Kommen diese Untersuchungen bei drastischen Preissenkungen(bspw. deine 50%) oder Nulltarifen zu dem Ergebnis der Preisunelastizität?

Zitat

Guckst Du zum Beispiel hier:

Uni Mainz

Ist so veraltet, dass sich die Grundannahmen ins Gegenteil verkehrt haben:

"Die zugrundeliegende Dissertation (Mainz 1987)
wurde 1988 mit dem Dr.-Friedrich-Lehner-Preis ausgezeichnet."

Da stand die Mauer noch, weder Aspekte Ostdeutschlands noch der Wiedervereinigung dürften eingeflossen sein.

"Die Situation im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist seit Jahren durch steigende
Defizite gekennzeichnet."

Hat sich völlig ins Gegenteil verkehrt. Die S-Bahn beispielsweise führte (führt?) die ihr zustehenden Subventionen vollständig in Form von Gewinnen und überteuerten Gebühren an die DB ab.

"Die überall
gestiegene Pkw-Dichte hat nicht nur zu abnehmenden Nachfragepotentialen im ÖPNV
geführt..."

Die steigt in Berlin überhaupt nicht mehr, vielmehr hat sich der Modal-split-Anteil des MIV von 38 auf 32% verringert.

Wenn also die damaligen Ausgangspunkte sich heute diametral entgegengesetzt darstellen - zu welchen Schlüssen führt uns das heute?

Berlins Straßen sind zu eng, um sie nur dem MIV zu opfern!
Hi Dubito,

leider bin ich zur Zeit auf einer längeren Dienstreise in Hong Kong, sonst könnte ich in meinen Vorlesungsunterlagen (habe Verkehrswirtschaft an der TU Dresden studiert) aktuellere Studien zum Nachfrageverhalten im ÖPNV hervorkramen, die den von mir erwähnten Zusammenhang belegen. Hole das schnellstmöglich nach.

Vielleicht sollte ich nochmal betonen, dass sich die von mir zitierte Preisunelastizität nur auf den direkten Zusammenhang zwischen Fahrpeisen und Nachfrage nach ÖPNV-Dienstleistungen bezieht. Auch wenn wir heute ÖPNV-freundlichere Rahmenbedingungen haben, behaupte ich nach wie vor, dass eine alleinige Senkung von Fahrpreisen (sei es pauschal oder nur für einen bestimmten Teil des Sortimentents der Fahrausweise, wie z.B. Zeitkarten) um x %, zwar eine Nachfragesteigerung auslöst, diese allerdings x - y % beträgt und somit die Einnahmeverluste nicht vollständig kompensieren wird. Ist doch auch logisch, senkt man die Fahrpreise nur marginal, wird keiner deswegen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen; senkt man sie so drastisch wie in meinem überspitzten Beispiel wird man nicht so viel neues Fahrgastpotenzial generieren können, weil es gar nicht so viele ÖPNV-affine Einwohner gibt.

Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn man diese (durchaus wünschenswerte) Anreizsetzung zur Nutzung des ÖPNVs mit weiteren Maßnahmen (wie z.B. Erhöhung von Parktticketpreisen in der Innenstadt) kombiniert. Dann kann die Fahrpreissenkung (+ Zusatzmaßnahme) ganz schnell zu einem vollen Erfolg werden. Ist halt alles eine Frage des politischen Willens ...

Beste Grüße

Dalant
Dann möchte ich mal wissen, wie die das in den Niederlanden machen - da muss man in den meisten Fällen höchstens 15 Minuten Fahrrad fahren, um an eine Buslinie zu kommen, die in der Woche mindestens im Stundentakt, am Wochenende mindestens alle 2 Stunden fährt. Und beileibe nicht nur Zubringerverkehr zu den größeren Städten, z.b. heute bin ich mit der Lijn 133 von Oude Tonge nach Middelburg unterwegs. Tagesnetzkarte für alle Connexxion-Busse kostet für 2 Mann übrigens nur 13 Euro...
Inwiefern steht jetzt Dein Beispiel im Gegensatz zu meiner Behauptung?

Beste Grüße

Dalant



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.04.2011 22:07 von Dalant.
Du hältst es doch für unmöglich, mit günstigen Preisen ausreichend Fahrgäste anzulocken? Die Niederländer schaffen es aber mit vernünftigen Preisen (2 Erwachsene plus 3 Kinder fahren für 13 Euro ab 9 Uhr im gesamten Connexxion-Netz inkl. Schnellbuslinien plus Partnerbetriebe den ganzen Tag) und Angeboten (tagsüber Stundentakt auf fast allen Linien) eine gute Auslastung ihrer Busse hinzukriegen. Und Arriva, Veolia & Co (die Betreiber) verteilen bestimmt keine Almosen...
Preise und Takt werden aber sicher auch in den Niederlanden von Besteller bestimmt.

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Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
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