Hallo,
ich habe gestern die DB Netz-Zentrale des Regionalbereichs Ost besucht. Diese Zentrale ist zuständig für den Betrieb der DB-eigenen Infrastruktur in Berlin, Brandenburg und Meg-Pom. Des weiteren sitzen dort auch die Transportabteilungen von DB Regio und DB Fernverkehr.
In diesem Juli endet die Ausschreibung des VBBs der beiden RegionalExpress-Linien 3 und 5, die zusammen mit dem RE4 zur Zeit noch von der DB Regio betrieben werden. Aufgrund der Größe von DB Regio und seiner Geschichte (Rollmaterial von zwei ehemaligen Staatsbahnen) hat DB Regio Nordost zurzeit eine Fahrzeugreserve von 23% (Betriebsreserve + Instandhaltungsreserve). Von dieser Reserve sind 8 Züge explizit den Nordsüd-RE-Linien zugeordnet. Zusätzlich gibt es eine andere Einheit von Reservezügen, die 7 Züge umfasst. Kommen an einigen Sommertagen besonders viele Fahrgäste zusammen wie z.B. an Pfingsten, und dann noch Fahrräder oder andere sperrige Gepäckstücke, so kann es vorkommen, dass in Gesundbrunnen die Bundespolizei Leute aus überfüllten Zügen holen muss. Unter diesen Umständen setzen DB Regio und DB Netz zusätzliche Entlastungszüge ein. Im Beispiel oben zu Pfingsten waren es alle 15 Züge.
Vor diesem Hintergrund muss man die Ausschreibung einmal betrachten. Vom Konzept her bleibt den EVU kein großer Spielraum für eigene Ideen. In der Ausschreibung werden nämlich sehr viele Vorgaben vom Aufgabenträger gemacht, die sich an die heutige Situation anlehnen: Es wird auch in Zukunft ein Zug pro Stunde mit Doppelstockwagen fahren. Diese sind im Sommer zu voll und im Winter zu leer. Laut Aussage von DB Netz hat der Aufgabenträger kein Interesse an zusätzlichen Zügen hinsichtlich der Bezahlung. DB Regio fährt die Züge also eigenwirtschaftlich. Allerdings fahren sie nicht aus dem Grund, dass sie besonders wirtschaftlich wären. Im Gegenteil, DB Regio zahlt drauf. DB Regio hat auch kein Interesse an einer Imagepflege in solchen Fällen. Wenn die Bundespolizei Züge räumt ist das Image eh im Keller. Nein, es geht einzig und allein darum, die Menschenmassen abzutransportieren.
Gewinnt ein privater Anbieter das Netz Nord-Süd, so steht diesem keine Reserve von 15 Zügen nur für den Sommer zur Verfügung. Diese würde sich einfach nicht rechnen. Gewinnt DB Regio nicht, so hat das aber auch Auswirkungen auf DB Regio: Es schrumpft. Vielleicht nicht unbedingt durch genau diese Ausschreibung, aber es ist ja politisch durchaus gewollt, deutschlandweit mehr Wettbewerber auf die Schiene zu bekommen. Eine übermäßige Reserve wird man sich dann nicht mehr leisten können. Im Falle von DB Regio Nordost betrifft das z.B. die y-Wagen, Bimz und 628er, die bald nicht mehr im Einsatz sind. Da diese Fahrzeuge z.B. keine seitenselektive Türsteuerung haben, wäre ein Weiterbetrieb aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Es kommt also zu einer Loose-Loose-Situation zwischen beiden EVU, und die Menschenmassen auf dem Bahnsteig können nicht mehr befördert werden.
Ich leite daraus folgende Aussagen ab:
- Wenn der VBB sich weiter nicht darum kümmert, dass das in den Ausschreibungen geforderte Angebot nicht der Nachfrage entspricht, dann wird es in Zukunft weiter Sache des EVUs sein, nach Bedarf zusätzliche Züge einzusetzen. Erstens werden dazu nicht alle EVU in der Lage sein, da die Reserven einfach nicht da sind. Zweitens sind nur bei Bedarf fahrende Züge für den Fahrgast schlecht, da man sich nicht darauf verlassen kann, dass sie wirklich fahren. Drittens bringen Sonderzüge immer Unheil über die Strecken, die auch ohne zusätzliche Züge schon gut belegt sind, so aber Verspätungen auf nachfolgende oder kreuzende Regional-, Fern- oder Güterzüge übertragen.
- Der VBB hat nur eingeschränkt Möglichkeit zur Bildung einer Reserve für den Sommer. Wie sollte eine solche Reserve aussehen und wer soll sie Bezahlen? Soll der Staat, vertreten von DB Regio, in der Pflicht sein, diese Züge vorzuhalten oder doch lieber der Betreiber der Strecke? Wenn letzteres, wer soll bezahlen? Etwa der Aufgabenträger, also das Land, also der Steuerzahler, also Du und Ich? Oder der Betreiber selbst? Dann kämen als Bewerber für Ausschreibungen aber nur noch EVU in Frage, die eine so große Reserve wie die von DB Regio haben, und davon gibt es in Deutschland nur einen und das ist DB Regio selbst. Dann schießt man dem politisch gewollten Wettbewerb ins Bein, und genau deshalb wird das so nicht passieren.
Zusammenfassung:
Wir haben also ein Problem, dass DB Regio und DB Netz zurzeit dankenswerterweise für uns lösen so gut es geht, aber der Wettbewerb steht diesem entgegen. Es besteht also Handlungsbedarf.
Ich eröffne hiermit die Diskussion über Sinn und Unsinn von Ausschreibungen im SPNV und welche Blüten sie in diesem konkreten Fall treiben.
Ich möchte euch bitten, fair und sachlich zu bleiben und persönliche Meinungen, so zum Thema passend, als solche explizit zu kennzeichnen. Meine eigene Meinung ist in die obigen Ausführungen nicht mit eingeflossen.
Viele Grüße,
MTB
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