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Jay
Ist es für Leute mit einem Tunnelfetisch eigentlich so schwer zu kapieren, dass wir in Berlin bereits ein hohes Maß an Schnellbahnkorridoren haben und dort das derzeit größte Problem die Instandhaltung und -setzung der vorhandenen Bauwerke, sowie der zu gering dimensionierte Fahrzeugpark ist?
Die Prioritäten ind durchaus klar und werden durch den Betreiber konsequent angegangen. Der Fahrzeugpark krankt nicht so sehr am zahlenmäßigen Mangel, sondern an seiner ungünstigen Altersstruktur. Wird jedoch dichterer Takt bzw. ein höherer Fahrzeugeinsatz in der Hauptverkehrszeit bestellt, müssen zusätzliche Fahrzeuge beschafft werden.
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Jay
Hier mal ein aktueller Link aus Essen: [
www.derwesten.de]
In Mülheim und Duisburg sieht es nicht besser aus. Ludwigshafen hat bereits einen Tunnel außer Betrieb genommen. Ein weiteres Tunnelstück soll bald folgen. In Berlin wird der Tunnel unter der Dresdener Straße wegen mangelnder Tragfähigkeit zugeschüttet.
Ja, Straßenbahnen in Tunnel zu verlegen, ist in Berlin schon viel früher gescheitert. Bereits 8 Jahre nach seiner Inbetriebnahme 1915 (noch im Jahr der Betriebsaufnahme der Nordsüdbahn - heutige U6, 1923) wurde der Lindentunnel der Großen Berliner Straßenbahn zur Hälfte außer Betrieb genommen, nach nicht mal 40jährigem Betrieb der Rest auch noch stllgelegt. Hauptgrund war die Fahrgastabwanderung von der Straßenbahn zur U-Bahn. Also eher ein Argument pro U-Bahn.
Das nie zweckentsprechend genutzte Tunnelstück in der Dresdner Straße hat das Land Berlin bisher nichts gekostet, im Gegenteil. Vom AEG-Schnellbahnbau errichtet, mit der Vertragsklausel eines festen Inbetriebnahmetermins, fiel der Abschnitt kostenfrei nach Insolvenz der Baugesellschaft an die Stadt Berlin. Diese übergab den Tunnelstummel als Lagerplatz an die BVG und den Bahnhofsrohbau als Umspannwerk an die BEWAG. Nach Einbau von Luftschutzräumen entfiel die Nutzung durch die BVG. Nachdem beide Nutzungen endeten, wären Kosten zur Erhaltung angefallen. Die Verfüllung löst das Problem nun dauerhaft, bei einmaligem Aufwand.
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Jay
Und wie war das noch gleich mit der Betriebswerkstatt in Friedrichsfelde? Die Grundinstandsetzung des Berliner U-Bahnnetzes kostet uns einen dreistelligen Millionenbetrag, der teils mit Bundesmitteln gedeckt wird.
Die landeseigenen Verkehrswege instandzuhalten ist Landessache, egal ob es sich um Straßen und Wege, Schienenstrecken, Tunnel, Brücken oder Wasserwege handelt. Kosten dafür auf die Nutzer eines oder aller öffentliche Verkehrsmittel umzulegen, ist ohnehin nicht zielführend. Werkstatteinrichtungen instandzuhalten ist dagegen Sache der Betreiber. Die Werkstatthalle in Friedrichsfelde nach über 80jähriger Nutzung grundlegend instandzusetzen ober wie in Grunewald Halle 4 durch einen Neubau zu ersetzen, sind unternehmerische Entscheidungen unabhängig von der Verkehrsmittelwahl, haben mit dem Thema Zukunftsraum Tegel nichts zu tun. Dass U-Bahnanlagen wartungsfrei wären, hat niemand behauptet. Auch die Straßenbahnwerkstätten werden bei jedem neuen Fahrzeugtyp umfangreich umgerüstet.
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Jay
Also wo bitte soll das Geld für neue Tunnel herkommen, wenn wir die vorhandenen schon nur geradeso in Schuss halten können? Wie groß muss der Hass auf die Straßenbahn sein, wenn es nicht zur Erkenntnis reicht, dass es ausgerechnet dieses Verkehrsmittel zwischen Bus und U-Bahn ist, das - wissenschaftlich nachgewiesen - erhebliche Fahrgastpotenziale wirtschaftlich erschließt.
Bei der Erschließung neuer Stadtquartiere sollte kein Verkehrsmittel von den Überlegungen ausgeschlossen werden, zumal wenn es jahrzehntelange Planungen und zielführende Vorleistungen gibt. Ich sehe keinen Hass auf die Straßenbahn, von ein paar Entscheidungsträgern in den 1950/1960er Jahren mal abgesehen. Außer der schon in den 1990ern beschlossenen Erweiterung der U5 zum Hauptbahnhof wurden in Berlin seit der Jahrtausendwende alle Neubaustrecken als Straßenbahnen gebaut.
Investitionskosten in Verkehrsbauten von Bahnen rechnen sich nur über eine Legilaturperiode, nicht über ein Jahrzehnt, sondern über ein Jahrhundert. Bei gegebenen starken Verkehrsströmen wirken sich die geringen Betriebskosten pro Fahrgast ganz besonders stark aus, und rechtfertigen den Kapitaleinsatz über den Lauf der Jahrzehnte. Bei mittlerer Verkehrsnachfrage rechnet sich der Bau der Straßenbahninfrastruktur, bei hoher Nachfrage nur die Fortsetzung des Schnellbahnbaues. Bei rechtzeitiger Integration der Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur in die Bauplanung eines neuen Stadtquartiers ergeben sich gegenüber nachträglichem Einbau große Kostenvorteile, egal ob Tunnel oder oberirdische Eigentrasse.
Sogar im finanziell nicht ganz so gut dastehenden Griechenland, beendete Athen nur den Wiederaufbau der Straßenbahn, während der weitere Ausbau der Metro fortgesetzt wird.
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Jay
Klar gibt es ein paar interessante Korridore, wo noch keine U-Bahn fährt. ...
Allen genannten Linien haben gemeinsam, dass ihnen die notwendige Nachfrage für eine U-Bahn derzeit fehlt. Die M1 ist trotz der paralleln U-Bahn voll. Die M4 ist eine Linie, die irgendwann in den nächsten Dekaden eine u-bahnwürdig werden könnte, wenn eine entsprechende Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung stattfindet.
Von wenigen Ausnahmen (U4, U3 ab Breitenbachplatz, U5 ab Friedrichsfelde) abgesehen gingen allen heutigen U-Bahnstrecken Straßenbahnlinien voraus, die anfangs nach Inbetriebnahme der U-Bahn weiter betrieben wurden. Die heutigen U-Bahnlinien haben ein Vielfaches der Fahrgastzahlen der früher dort verkehrenden Straßenbahnen und Busse. Durch die höhere Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit sowie zunehmend die Netzwirkung erschließen Schnellbahnen weit höhere Nachfrage als Bus- und Straßenbahnlinien. Diese haben eine wichtige ergänzende Funktion als Zubringer und in ergänzenden (vor allem peripheren) Relationen.
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Jay
Zu guter Letzt würde mich dann noch interessieren, wie die U-Bahn von der Jungfernheide ohne neue Gewässerquerung nach Tegel kommen soll.
Alle neuen Verkehrswege haben hier das gleiche Hindernis zu überwinden, auch innerhalb Moabits sind noch einige Wasserwege beim weiteren Ausbau von Straßenbahn und U-Bahn zu kreuzen.
so long
Mario