Die Morgenpost berichtet :
Mit der U 2 durch die Geschichte
Drei U-Bahnhöfe zwischen Alex und Potsdamer Platz werden nach historischem Vorbild erneuert
Von Thomas Fülling
Nach den Plänen der BVG soll die Fahrt mit der U 2 zu einer spannenden Tour durch die Berliner Stadtgeschichte werden. Das Verkehrsunternehmen plant, die U-Bahnhöfe auf dem 3,7 Kilometer langen Teilabschnitt der U 2 zwischen Alex und Potsdamer Platz Schritt für Schritt nach historischem Vorbild zu renovieren. Die zwischen 1908 und 1913 angelegte Strecke bietet dafür beste Voraussetzungen, ist sie doch die zweitälteste U-Bahn-Linie in Berlin und die erste, die auch weitgehend unterirdisch gebaut wurde. Anders als bei vielen später errichteten Stationen bestimmte zudem nicht allein technische Zweckmäßigkeit die Architektur der Bahnhöfe. "Jeder hat seine eigene, ganz besondere Gestaltung - diese wieder sichtbar zu machen, ist eine spannende Sache", sagt Uwe Kutscher, zuständiger BVG-Abteilungsleiter für U-Bahn-Bauwerke und Ideengeber für das Konzept.
Bereits seit Monaten im Gang sind die Arbeiten am Spittelmarkt. Bis Mai 2006 wird der U-Bahnhof für drei Millionen Euro rekonstruiert. Der Haltepunkt liegt faktisch direkt im Zentrum des alten Berlin, einst geprägt von dichter Wohnbebauung und pulsierendem Handelsleben. Die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg und die DDR-Baupolitik haben davon jedoch kaum etwas übriggelassen. Das Gestaltungskonzept der BVG für den Bahnhof sieht nun vor, in die Werberahmen zu beiden Seiten des Bahnsteigs statt neuzeitlicher Reklame Emaille-Schilder mit historischen Schwarz-Weiß-Ansichten anbringen zu lassen. Ausgewählt wurden dafür Fotografien von F. Albert Schwartz (1836-1906). Schwartz zählte zu den ersten und emsigsten Stadtfotografen, der die rasante Entwicklung Berlins Ende des 19. Jahrhunderts im Bild festhielt. Thema der Fotogalerie am Spittelmarkt soll "Berlin am Wasser" sein. "Vor 150 Jahren sah Berlin an vielen Stellen wie ein Fischerdorf aus, daran wollen wir erinnern", so Kutscher.
Der gesamte Bahnhof erhält zu großen Teilen auch sein ursprüngliches Aussehen von 1908 wieder. Dazu sind bereits die während des Krieges zugemauerten Fensteröffnungen zum Spreekanal hin freigelegt worden. Zudem werden die hellblauen Billigfliesen aus DDR-Zeit entfernt und nach einer Betonsanierung die historisch verbrieften Fliesen wieder angebracht. Diese hatten beim Bau der einstigen Linie A (Nord-West-Bahn) ein einheitliches Aussehen in Form und Farbe: schmal und rechteckig, dunkelgrau im Sockelbereich und hellgrau darüber. Um die Bahnhöfe zu unterscheiden, erhielten die Stationsschilder in fester Reihenfolge eine Umrandung aus farbigen Fliesen: zum Beispiel blaue für Spittelmarkt und Senefelderplatz, rote für Alexanderplatz und Friedrichstraße (heute Stadtmitte) und grüne für Potsdamer Platz und Inselbrücke (heute Märkisches Museum).
Nach dem Vorbild Spittelmarkt sollen auch noch die U-2-Bahnhöfe Stadtmitte und Hausvogteiplatz erneuert werden. Themenvorgabe für Stadtmitte (Baubeginn 2006, Kosten etwa 800 000 Euro) ist "Leben an der Friedrichstraße", wobei den historischen Ansichten dann Fotos vom heutigen Bauzustand gegenübergestellt werden sollen. Im Bahnhof Hausvogteiplatz (Baubeginn steht noch nicht fest) soll die Bedeutung des Viertels als Zentrum der Berliner Mode- und Konfektionsindustrie erinnert werden. Erhalten bleibt dagegen die in den 80er Jahren zur 750-Jahr-Feier Berlins erfolgte Gestaltung der Bahnhöfe Klosterstraße (Geschichte der öffentlichen Verkehrsmittel), Märkisches Museum (mit Berlin-Reliefs) und Mohrenstraße, deren Wände mit dunkelrotem Marmor aus der gesprengten Reichskanzlei verkleidet wurden.
Finanziert werden die mit dem Denkmalschutz abgestimmten Projekte aus den vom Bund bereitgestellten Mitteln zur Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur im einstigen Ostteil Berlins. Eine Belastung des BVG-Etats gebe es dadurch nicht, betont Kutscher.
Das Bahnhofs-Konzept der BVG stößt auf viel Beifall und Interesse. "Ein Großteil der Berlin-Besucher erleben die Stadt in Bussen und Bahnen", so Hanns Peter Nerger, Geschäftsführer der Berlin-Tourismus-Marketing Gesellschaft. Zudem gebe es bei den Touristen ein großes Interesse an Geschichte und Architektur, historisch gestaltete Bahnhöfe seien da sicher "echte Hingucker". Lob auch aus dem Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. "Behutsam restaurierte U-Bahnhöfe bereichern in jedem Fall das Stadtbild", so Sprecherin Manuela Damianakis.
Quelle : [
morgenpost.berlin1.de]
Dazu ein Kommentor von Thomas Fülling:
Werbung für Berlin
Von Thomas Fülling
Ein Millionen-Defizit plagt die BVG. Das kommunale Verkehrsunternehmen ist da auf jeden Euro angewiesen. Dennoch will es in einigen Innenstadt-Bahnhöfen der U-Bahn, die wie derzeit der Bahnhof Spittelmarkt nach historischem Vorbild aufgefrischt werden, auf Einnahmen verzichten. Statt Reklame für neue Autos und Telefontarife sollen zeitgenössische Fotografien aus dem 19. Jahrhundert in den Werberahmen angebracht werden. In dieser Zeit befand sich die Stadt im Aufbruch, erfuhr sie eine Metamorphose vom Fischerort an der Spree zur Welt-Metropole. Der Zweite Weltkrieg, aber auch die Baupolitik der Nachkriegszeit in Ost wie in West zerstörte vieles aus dieser Zeit. Eine Fahrt durch so ausgestaltete und restaurierte U-Bahn-Stationen dürfte nicht nur für Touristen, sondern auch für viele Berliner zu einer spannenden Zeitreise werden. Das ist gelungene Werbung für Berlin und sein viel gerühmtes öffentliches Verkehrsnetz, die sich am Ende auch für die BVG auszahlt.
(http://morgenpost.berlin1.de/ausgabe/2005/03/14/berlin/741076.html)
Gruß
Martin