Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 01:23 |
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Die drinnen und die draußen
Von Holger Becker, VDGN-Pressesprecher
Es ist in allen deutschen Großstädten dasselbe. Die Mieten und die Preise für das Wohneigentum steigen in den Innenstädten hinauf zu schwindelerregenden Höhen. Menschen mit einem Einkommen, das im Durchschnitt oder darunter liegt, können sich deshalb das Wohnen in den sog. City-Lagen nicht mehr leisten. Sie werden an den Rand dieser Städte oder ins Umland gedrängt, wo die Preise ebenfalls steigen. In den Innenstädten findet eine soziale Homogenisierung statt. Dort wohnen bald nur noch wohlhabende Leute, darunter viele, die keinerlei Lebensleistung aufzuweisen haben. Die von drinnen allerdings brauchen die von draußen an jedem einzelnen Tag: als Busfahrer, Kellner, Friseure, Verkäufer usw. Weshalb die von draußen an jedem einzelnen Tag nach drinnen gelangen müssen.
Die von drinnen fahren mit dem Fahrrad zu ihren Vergnügungen oder auch zur Arbeit. Sie haben es ja nicht weit. Die von draußen müssen weite Strecken zurücklegen – mit öffentlichen Verkehrsmitteln, deren Benutzung immer teurer wird, oder mit dem eigenen Auto. Denn ein Auto braucht man draußen ohnehin. Am billigsten ist für sie derzeit das Fahren mit Dieselantrieb.
In ihrer City-Welt möchten die von drinnen aber eine Luft wie an der Nordsee oder im Schwarzwald haben. Sie sind ja so gesundheits- und umweltbewußt, rauchen nie, essen Bio-Gemüse und wählen gern die Grünen, die Partei der Besserverdienenden mit Gewissensberuhigungsdrang. Die von drinnen verstehen es, Druck zu machen, und haben die Möglichkeiten dafür. Weg mit dem Diesel, ja weg mit dem Auto!, heißt eine ihrer Parolen. Her mit dem Fahrrad! Die Probleme derer von draußen sind ihnen piepegal.
Die Administrationen deutscher Großstädte folgen immer mehr den Wünschen derer von drinnen. Oft sind Politiker und Verwaltungsbeamte ja Fleisch von deren Fleische. In Berlin zum Beispiel führt das zu einer kaum noch kaschierten Klientelpolitik. Allen Ernstes wartet die von Grünen geführte Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit Plänen auf, den Autoverkehr auf großen Ausfallstraßen wie der Karl-Marx-Allee auf eine Spur einzuengen. „Wer in Berlin Auto fährt, hat zu viel Zeit“, höhnte der zuständige Staatssekretär über einen Großteil jener Menschen, die das Leben in der Innenstadt am Laufen halten.
Selbstverständlich ist es ein gutes Ziel, die Zahl der Fahrzeuge mit schädlichen Abgasen zu verringern. Aber dazu müßten die Tickets für den öffentlichen Nahverkehr billiger und nicht immer teurer werden. ...
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 02:43 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 09:02 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 09:37 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 09:42 |
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def
Der Sprecher des VDGN irrt auf Berlin bezogen in mehrfacher Hinsicht: Zum einen wäre mir neu, dass Moabit tendenziell wohlhabender ist als Zehlendorf. Zum anderen ignoriert er schlicht Mischkonzepte - wer sagt denn, dass jeder Weg mit nur einem Verkehrsträger zurückgelegt werden muss?
[...]
Zurück nach Berlin: Wer sich ein Haus baut (also die Klientel des VDGN), gehört sicher nicht zu den Ärmsten der Armen. Insofern ist die Tränendrüse aus dem Kommentar mehr billiger Stimmenfang als Fakt. Und wer das dann noch weitab jeglicher Bahn- oder einigermaßen regelmäßig verkehrender ÖPNV-Anbindung und jeglicher Infrastruktur (eben Einzelhandel, Schulen etc.) tut, ist selbst dafür verantwortlich. Man könnte umgedreht fragen, wieso die Innenstadtbewohner unter den Folgen dieser individuellen Entscheidung leiden sollen.
[...]
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 10:06 |
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der weiße bim
Richtig entlarvend und etwas polemisch analysiert der Leitartikel im aktuellen VDGN-Journal die Berliner Verkehrspolitik: [www.vdgn.de]
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 10:13 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 10:37 |
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def
@ Jay: Das einfachste wäre sicher, einfach den Tarifbereich B auszudehnen. Das fände ich aber wieder ziemlich ungerecht. Und damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, den Becker ignoriert: die Subventionierung von Pendlern mittels Pendlerpauschale - während Leute, die bewusst in Arbeitsplatznähe wohnen, daraus erwachsende höhere Wohnkosten allein tragen müssen. Und dann sollen die auch noch genauso viel für die Fahrkarte bezahlen wie die Umlandbewohner, die staatlich subventioniert längere Strecken zurücklegen?
Vielleicht würden Jahreskarten, die für AB und eine Strecke in C gelten und sich preislich zwischen AB und ABC bewegen, das von Dir beschriebene Problem entschärfen. Zumal es dem Mobilitätsverhalten vieler näher kommen dürfte als das derzeitige ABC-Ticket, weil sie in Brandenburg nur die Strecke zur Stadtgrenze zurücklegen, innerhalb Berlins aber viele verschiedene Wege.
Und ergänzend bitte Anschluss-Tageskarten.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 11:18 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 11:26 |
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Jay
(...) Ein etwas radikaler Vorschlag wäre aus meiner Sicht auch die Nutzung der Regionalzüge in Berlin zu verteuern. Hier braucht es nicht nur mehr Angebot, sondern auch eine bessere Auslastungssteuerung. Schon heute gelten keine Kurzstreckenfahrausweise in den Regios, da dies quasi ein "Haustarif" von BVG und S-Bahn ist. Würde man die Regios nun für AB-Fahrscheine sperren und ABC (bzw. AB + Anschluss) verlangen, hielte ich das für eine durchaus gerechtfertigte Anpassung, die als Ausgleich für das Anstoßen dienen könnte. Einziges Problem sehe ich hierbei in Spandau, wo die S-Bahn nach Albrechtshof fehlt. Bei Staaken müsste man dann gucken, ob man eine Sonderregelung findet oder den Härtefall akzeptiert, dass es kein paralleles S-Bahn-Angebot gibt.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 11:55 |
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Marienfelde
Mir selbst gefällt das Schweizer Angebot besser:
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 12:09 |
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def
@ Jay: Das überzeugt mich nicht so ganz. Zum einen ist es schwierig zu kommunizieren (der Bf. Zoo wäre je nach Verkehrsmittel in Zone A und C) zum anderen inkonsequent (denn wenn man die Idee zu Ende denkt, müsste die Fahrt von Hellersdorf zum Alex mit der U5 mehr kosten als mit der M6), und es ist auch nicht gesagt, dass die Leute dann plötzlich in die S-Bahn umsteigen - oder nicht doch ins Auto, allein aus Protest.
Und solange der Hbf ohne Nord-Süd-Schnellbahn ist, verbietet sich der Zuschlag m.E. sowieso.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 12:16 |
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Jay
Anfangs kosteten die RE einen Zuschlag, ebenso der Expressbus.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 12:27 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 12:33 |
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Marienfelde
Mir selbst gefällt das Schweizer Angebot besser: [www.sbb.ch]
Man bezahlt einmal "richtig" (wobei das Schweizervolk im Durchschnitt die zu den Tarifen passenden Einkommen hat), und hat anschließend wenig Probleme: [...]
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 12:41 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 13:14 |
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def
@Jay: Nun ist es allerdings grundfalsch, Kunden für das eigene Unvermögen zur Kasse zu bitten. Und wieso sollte es eigentlich Problem der Berliner sein, dass mehrere 100 km lange Zugverbindungen (Lausitz - Ostsee zum Beispiel) heute als Regionalverkehr gelten?
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 13:38 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 14:09 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 12.08.2017 14:20 |