Hallo Subwaycommander,
ich habe die Befürchtung, dass wir zumindest bezüglich virtueller Stadtbahn keine großen Freunde werden. Du schreibst am Schluss Deiner Mail, dass Du (haupt?-)beruflich mit Verkehrsplanung zu tun hast. Da nervt es vielleicht, wenn jemand "von Außen" kommt und behauptet, dass eh alles Quatsch ist, was man macht.
Was ich aber so nicht meine: Schließlich haben weder Du oder ich oder ein anderer Mitleser an der Meinungsbildung 1965 mitgewirkt. Ich bin 100%-ig der Meinung, dass die für Nürnberg falsch war. Ob man das damals (als "einfacher Stadtrat" oder Bürger) aber glauben konnte, die U-Bahn wäre besser, ist eine andere Frage.
Und wer seit den 1970er Jahren beruflich mit Nürnberger Verkehrsmitteln zu tun hatte kam nicht mehr an der U-Bahn vorbei. Oft wurde dort auch gute Arbeit geleistet, mir gefallen einige Löungen bei der Nürnberger U-Bahn ausgesprochen gut. Es ist also nicht so, dass ich immer verzweifelt wäre, wenn ich U-Bahn fahre. Viele dieser guten Lösungen stelle ich mir natürlich auch für die virtuelle Stadtbahn vor. Vielleicht sollte ich diesen Aspekt auch auf meiner Webseite anbringen und dafür die von Dir kritisierte Nörgelei kürzen?
Was mich freut: Deine Kritik ist sehr detailliert und regt mich gleich wieder an, die Planungen zu überdenken.
> Weiter vergleichst Du u.a. die Stuttgarter Stadtbahn mit der Nürnberger U-Bahn
> und kommst zu dem Ergebnis, dass eine Stadtbahn in Nürnberg noch mehr Fahrgäste
> angezogen hätte. Schon komisch, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)
> trotz viel größerem Schienennetzes nur unwesentlich mehr Beförderungsfälle im
> letzten Jahr vorweisen kann als die Nürnberger VAG, wobei sie ca. 1.000
> Mitarbeiter mehr zu bezahlen hat als die VAG.
Planen macht mir mehr Spaß als Texte schreiben, die Formulierungen sind daher noch nicht mehrfach geprüft. Ich meine Verkehrsleistung (Personenkilometer) und nicht Anzahl der Personen.
Die Verkehrsleistung lässt sich in Nürnberg m.E.noch spürbar steigern, da die U-Bahn und Straßenbahn oft schon am mittleren Ring enden und viele Bürger abseits davon das Auto nutzen. Bei der Anzahl der Personen ist hingegen in der Stadtmitte schon ein sehr hoher Bahnanteil erreicht: An Lorenzkirche und Weißem Turm würden auch mit der Stadtbahn nicht viel mehr Leute ein-und aussteigen als mit der U-Bahn.
Allerdings gäbe es heute wohl ganz andere Strukturen in der City, wenn es schon seit 20 Jahren Stadtbahnstationen Rathaus und Innere Laufer Gasse gäbe. Immer wieder beschwert sich der dortige Einzelhandel über die schlechte Infrastruktur...
> Bei Deinem Vergleich der Fahrzeuge (...) unterstellst Du z.B.
> eine Zuglänge von über 86m für Deine Nürnberger Stadtbahn.
> Nachdem Du aber bei Deiner Netzplanung immer wieder auch auf
> Streckenabschnitte zurückgreifst, bei denen die Fahrzeuge am
> Straßenverkehr teilnehmen müssen und nicht auf besonderen oder
> unabhängigen Bahnkörpern verkehren können, ist (...) die max.
> Zuglänge auf 75m beschränkt.
Die Dreifachtraktion ist meiner Meinung nach nur auf den Hauptachsen erforderlich, auf denen in der Realität die U-Bahn fährt. Vor allem Richtung Fürth und Herrnhütte. Und da soll auch die virtuelle Stadtbahn unterirdisch oder auf eigenem Gleiskörper fahren und könnte damit über 75 m lang sein.
Außerdem ist es möglich, für definierte Straßenabschnitte bei der Bezirksregierung Ausnahmegenehmigungen zu erhalten, damit auch Dreifachtraktion "im Straßenverkehr" möglich ist. Beispiele gibt es in Dortmund und Bielefeld und wären sicher auch in Nürnberg möglich, wo es nötig wäre. Auf den engsten Stadtbahnabschnitten (Tiergarten, Dutzendteich) wäre es ohnehin nicht erforderlich.
> Bei Deinen Berechnungen für den Fahrzeugbedarf unterstellst
> Du ja eh nur max. 2-fach-Traktion.
Ist noch in Bearbeitung. Für abschnittsweise 3-fach-Traktion und Reserve schlage ich derzeit pauschal 10% zu. Ich habe vor, noch ein paar weitere Aspekte einzuarbeiten, aber das kostet halt Zeit. Und es ist nicht mein einziger Lebenszweck, die virtuelle Stadtbahn zu perfektionieren. Daher kann ich noch nicht sagen, wann das veröffentlichungswürdig ist. Und erst danach will ich was zu möglichen Stadtbahn-Depots schreiben, die ich in meiner letzten Mail ansprach.
> Somit kommst Du pro Stunde und Richtung aber nicht annähernd an
> die max. Leistung der U-Bahn heran, die jedoch z.B. im Abschnitt
> Lorenzkirche - Hbf zwingend erforderlich ist, auch bei Stadtbahnbetrieb.
Natürlich wusste ich, dass Lorenzkirche - Hauptbahnhof der am stärksten belastete Abschnitt in Nürnberg ist. Die virtuelle Stadtbahn böte in der Spitzenstunde (bei 3,3-Minuten-Takt) 10 bis 20% weniger Kapazität auf diesem Abschnitt. Aber zusätzliche 30 bis 40% aus Richtung Rathaus! Und da würden viele Fahrgäste drin sitzen, die in der Realität einen Umweg über den Hauptbahnhof fahren müssen. Die Spitzenbelastung Lorenzkirche - Hauptbahnhof wäre daher tendenziell geringer.
> Daneben wirkt sich die geringere Anzahl der Türen je Fahrzeug
> auf die Fahrzeit Deiner Stadtbahn schlecht aus.
Endlich mal jemand, der Wert auf diesen Aspekt legt: Wo immer ich mit Zügen, U- oder Straßenbahnen fahre rechne ich im Kopf durch, wie viele Plätze pro Tür anfallen. Und ob die Türen schön gleichmäßig verteilt sind. Selten gefällt mir ein Fahrzeug ganz und gar. Der 6-achsige Stadtbahnwagen B hat halt nun mal 4 Türen pro Seite, der Stuttgarter 8-Achser auch bloß 4 Türen, also noch weniger pro Platz. Mein Herz hängt an keinem von beiden...
> Ein 100 Sek.-Takt auf dem 2-gleisigen Abschnitt Hbf- Lorenzkirche,
> der wohl auch noch mit höhengleichen Verzweigungen versehen sein wird...
In meinem Netzplan sind 4 Stadtbahnlinien im 6,7-Minuten-Takt eingezeichnet, das sind 36 Stadtbahnen pro Stunde oder durchschnittlich alle 100 Sekunden eine. Das habe ich als Obergrenze für zweigleisige *Strecken* definiert. Beide Bahnhöfe (Hauptbahnhof und Lorenzkirche) sind aber viergleisig und die Abweige höhenfrei. So hätte man das in den 70er Jahren nach einschlägiger Bahnliteratur gebaut und es hätte m.E. auch geklappt: Entscheidend sind die zwei Bahnsteiggleise pro Richtung, damit eine haltende Stadtbahn die folgende nicht auf der Strecke zurückstaut.
> Dein Netz inkl. Betriebskonzept weist leider noch einige weitere
> Schwächen auf, wie z.B. längere Fahrzeit zum Flughafen trotz geradliniger
> Streckenführung, Übergewichtung der Beförderungsströme in die Sebalder Altstadt etc.
Wieso "längere Fahrzeit zum Flughafen"? Die Stadtbahn wäre 1 Minute schneller als die U2 am Hauptbahnhof. Das ist angesichts der kürzeren Strecke nicht doll, aber sie hält halt öfter und fährt teilweise im öffentlichen Straßenraum. Ich glaube aber kaum, dass ein Fluggast mehr oder weniger mit U-Bahn oder Stadtbahn fährt, weil sie 1 oder 2 Minuten schneller oder langsamer ist. Wichtiger wäre da schon die direkte Verbindung Flughafen-Messe.
Ich gebe Dir recht, dass man nicht unbedingt 4 Linien in der Sebalder Altstadt braucht. Aber aus meiner Netzlogik ergibt sich das zwingend, wenn man nicht Linien am Weißen Turm oder Lorenzkirche enden lassen will.
Jenseits des Rathenauplatzes braucht man 4 Linien, da bietet es sich an, die Hälfte nicht mehr über den Hauptbahnhof, sondern das Rathaus zum Plärrer fahren zu lassen. Damit erhalten viele Fahrgäste neu eine Direktverbindung zum Weißen Turm,und nur wenige haben keine Alternative zum Hauptbahnhof: ab Herrnütte kann man auf die 2 ausweichen,und von Erlenstegen und dem Ostbahnhof fährt die S-Bahn zum Hauptbahnhof.
Nach Norden und Nordosten drängte sich für mich zunächst nur eine Stadtbahnlinie Lorenzkirche - F.Ebert-Platz - Thon auf. Da habe ich später auch die aktuelle U-Bahn-Planung berücksichtigt und 2 Stadtbahn-Linien draus gemacht, die sozusagen die Niederflur-Straßenbahn nach Erlangen in ihre Mitte nehmen.
Übrigens: In der Realität ist ja geplant, den Umsteigerverkehr vom 30er zum Nürnberger Hauptbahnhof über den Flughafen umzuleiten, wenn die U3 verlängert wird: Die 9 soll dann entfallen, und die Fahrgäste müssten in Thon und am F.Ebert-Platz doppelt umsteigen. Wenn aber die 4 bis Buch verlängert wird, muss der 30er nicht mehr nach Thon und kann zum Flughafen fahren. Diese gute Lösung ist eine wesentliche Ursache für den guten Kosten-Nutzen-Faktor der Straßenbahn nach Buch.
Ähnlich wäre es bei der Stadtbahn, wenn man Busse von Thon nach Großreuth verlängert: Die 9 fährt ja nicht zum Hauptbahnhof, aber über Großreuth müsste man auch nur 1x Umsteigen. Wie schon eingangs erwähnt: Vieles, was in Nürnberg geschieht ist gut durchdacht und stadtbahn-kopierwürdig :-)
Herzliche Grüße
Jörg Schäfer