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Weichen bei der Straßenbahn
geschrieben von Boris 
Hallo,

was ich mich schon seit längerem frage, wie wurden die Weichen der Straßenbahn eigentlich gestellt? Waren das einfache Rückfallweichen oder wurde da tatsächlich von irgendwo etwas im weitesten Sinne ferngesteuert?


Grüße, Boris
Hallo,
bevor es elektrische Weichen gab
a) mit der Weichenstellerstange. Zuerst hatte der Fahrer zwei lange Stangen vor dem Fenster, rechts und links über der Schiene. Je nachdem welche Zunge stellbar war, hielt er an, öffnete ein Fenster, holte die Stange aus der Halterung, fädelte die wie ein kleiner Spaten geformte Spitze in eine entsprechende Lücke ein und drehte die Weichenstellstange. Die Zunge klickte um, er hängte die Stange wieder ein, machte das Fenster wieder zu, wenn Winter war und fuhr weiter. Später gab es glaube ich nur Weichen mit rechter Stellzunge, denn dann brauchten die Wagen nur eine Stellstange.

Wenn die Weiche stumpf befahren wurde, machte er meines Wissens nichts, denn die Räder der Bahn stellten die Weiche dann einfach um oder es waren z.T. zungenlose Weichen, wenn nur stumpf gefahren wurde. Das oben geschilderte Manöver machte der Fahrer meiner Erinnerung nach nur, wenn er die Weiche spitz befuhr.

b) die sogenannte "Hamburger Weiche" (in einem Fachbuch ca. 1910 beschrieben) wurde in abbiegenden Strang nur von der stumpfen Seite befahren und spitz nur, wenn man geradeaus wollte. Diese Weichenart hatte also keinen Stellmechanismus. Angeblich sollen die Ausweichen auf der eingleisigen Hochrad-Strecke noch nach 1945 so gewesen sein, habe ich aber damals nicht bewußt wahrgenommen - also ohne Gewähr

c) dann kamen (um 1950 ?) die elektrischen Weichen auf, die der Fahrer mit einem Impuls stellte und wo es einige Jahre dauerte, bis das Hamburger Netz damit versehen war. Hier können die "Betriebler" im Forum sicher mehr zu sagen.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.07.2007 00:57 von histor.
Hier nochmal ein Bild von ca. 1950, damit man sich das mit der Weichenstellstange vorstellen kann. Es ist das Ding mit dem ovalen Griff, damit der Fahrer ein Drehmoment ausüben kann. Generell sieht sie aus wie ein langer Feuerhaken.

Wie ich gerade auf einem anderen Photo sah, fuhren auch ca. 1965 noch die V6/V7-Wagen mit dieser Weichenstellstange umher. Er müssen sich also auch dann noch nicht elektrische Weichen im Netz befunden haben - wahrscheinlich in den Betriebshöfen.



Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.07.2007 01:40 von histor.
Hallo, ich meine mich zu erinnern, dass auch in den letzten Betriebsjahren zumindest im Bereich des Rathausmarktes die Weichen per Hand gestellt wurden. Es hingen aber im Bereich des Fahrdrahtes Signale welche die Weichenstellung angezeigt haben. Bei einigen V7-Triebwagen konnte das Weichenstelleisen aber elektromechanisch betätigt werden.

Gruß Mario



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.07.2007 11:35 von Mario.
Mario schrieb:
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> Bei einigen V7-Triebwagen konnte das
> Weichenstelleisen aber elektromechanisch betätigt
> werden.

Hallo - wie meinst Du das mit dem "elektromechanischen Weichenstelleisen"?

Bei den Elektroweichen brauchte man den Weichenstellhebel nicht. Ein Signal mit Pfeil nach links oder rechts oben am Fahrdraht zeigte dem Fahrer die aktuelle Weichenstellung und dann konnte er bei Bedarf die Weiche mittels eines Impulses umsteuern. Auf seinen Bedienungstableau hatte er dazu einen Knopf oder Taster oder sowas. Der Antrieb der Weiche war dann elektrisch. Dazu brauchte er dann auch nicht mehr anzuhalten, sondern nur die Geschwindigkeit auf ein bestimmtes Maß vermindern. Sicher gibt es Mitglieder hier im Forum, die das mit den Elektroweichen technisch noch genauer erklären können.

Aus der HN des VVM interessehalber die Information, dass 1954 die 100. Elektroweiche in das Hamburger Straßenbahnnetz eingebaut worden war. Doch gab es nach längere Zeit (bis zum Schluss ??) auch noch Weichen ohne Elektroantrieb.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
Hallo Horst,

kann es sein das mit den elektrischen Weichen die Heizwiderstände gemeint sind? Ich habe mal gehört, dass nach dem Krieg beim Austausch der defekten Gleise, die Weichen gleich mit einer elektrischen Heizung versehen wurden. Ein anderer Forumsteilnehmer hatte hier auch mal einen Gleisplan von 1954 reingestellt, wo die beheizten Weichen beschriftet waren. Auch wenn ich mich jetzt selber nicht mehr daran erinnern kann, es soll ja in Hamburg sogenannte Luftweichen in der Oberleitung gegeben haben, die beim mechanischen Umschalten der Weiche durch einen Kontakt mitgeschaltet wurden. Die Luftweichen sollten dafür sorgen, dass der Rollenstromabnehmer bei den Weichen besser in der Führung bleiben konnten.


Gruß Mario
Hallo,
einige wichtige elektrische Weichen (z.B. Steckenverzweigungen) sind als beheizbar auf dem Streckenplan 1954 besonders markiert. Ob es später weitere beheizte Weichen gab als die auf dem Plan 1954, ist eher wahrscheinlich.

Wenn die Weiche für die Räder elektrisch gestellt wurde, bot sich das gleiche für den Rollenstromabnehmer an. Also hatte der Fahrdraht eine parallele "Weiche" in der Luft. Wie ohnehin der Wagen um eine handbetätigte Weiche fuhr, ohne dass jedesmal der Rollenstromabnehmer "entgleiste", das ist mir bis heute ein Rätsel oder ein Wunder der Technik.

Weitere Infos könnte man vielleicht bekommen beim VVM (Schönberger Strand bei Kiel), wo ja noch Hamburger Wagen unter Fahrtdraht unterwegs sind. Einfach mal per e-mail bei den Betrieblern dort anfragen.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
Auch wenn ich nicht wirklich zur Diskussion beitragen kann, vielen Dank für die spannenden Beiträge. Als Kind der 80er liegt das alles ja weit vor meiner Zeit und finde ich gerade die historischen Beiträge immer sehr interessant! Gern mehr davon ;-)
Setra@Work schrieb:
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Als Kind der 80er liegt das alles ja
> weit vor meiner Zeit und finde ich gerade die
> historischen Beiträge immer sehr interessant! Gern
> mehr davon ;-)

Hallo,
freut mich zu hören. Wen denn sowas interessiert, der findet auf meiner Web-Seite "www.horstbu.de" diverse Details zu Strecken und Linien der ehemaligen Hamburger Straßenbahn (allerdings nicht zu den Straßenbahnwagen.) und auch ein paar Links zu anderen Hamburger Straßenbahnfreunden.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
Moin!

Die elektrisch betriebenen Weichen müssten nach dem gleichen Prinzip funktioniert haben, wie es heute noch in vielen Städten der Welt läuft: Einige Meter vor der Weiche gibt es Kontakte in der Fahrleitung, wo eine bestimmte elektrische Kette durch den Stromabnehmer geschloßen werden muss. Falls der Wagen beim Durchfahren dieser Kontakte unter Strom läuft (das heißt, die Fahrmotoren sind eingeschaltet, aber manchmal reicht auch der für die Heizung benötigte Strom, daher machen die Strabfahrer in solchen Systemen die Heizung vor der Weiche kurz aus und dann wieder an - damit die Elektrik nicht falsch reagiert), dann wird die Weiche magnetisch "nach rechts" gestellt; fährt die Bahn langsam und nur mit Inertion, stellt sich die Weiche "nach links". Manche Systeme haben das anders rum - unter Strom links, ohne Strom rechts. Dasselbe Prinzip haben die Luftweichen, also Weichen in der Oberleitung (der Stangenstromabnehmer muss ja auch auf dem richtigen Gleis folgen, was bei einer Rolle noch wichtiger ist als beim Gleitschuh), so wie sie die Obusse haben. Ich bin zwar gar kein gebürtiger Hamburger, dafür aber ein Straßenbahner, und hatte mit den Dingern zu tun. Ich kann also nicht versichern, dass es bei der Hamburger Straßenbahn genau so gelaufen ist, aber das wäre schon plausibel. Sonst kann man bei Rigaer Kollegen nachfragen - die haben ja Strab mit Stangenstromabnehmern (aber Gleitschuh statt Rolle, wie beim Obus) und müssten m.W. die von mir beschriebene Automatik an den Weichen haben.
Hallo,
so wie Koschmart es sehr plausibel schilderte, funktionierte es im Prinzip auch in Hamburg. Daher auch die teilweise verminderte Fahrgeschwindigkeit vor der Weiche. Aber wie gesagt - in Schönberg beim VVM kann man sich das noch ansehen und eine sog. "Luftweiche" ist dort auch.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
Luftweichen
01.08.2007 21:49
@ all:

Luftweichen werden nicht gestellt, weder elektrisch noch mechanisch!!!
Die Rolle liegt erst knapp hinter dem Wagen am Fahrdraht und findet (in der Regel) ihren Weg durch die Luftweichen.
Beim Rückwärtsfahren wird die Rolle von Hand geführt.



Gruß
Blubber

Edit: Bild hinzugefügt
Edit: Dieses ist eine Konstruktion, die auch mit Scherenstromabnehmern befahren werden kann!



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 01.08.2007 22:11 von blubber.
Hallo Blubber,
Danke für das Photo. Aber auf dem Photo sieht man aber leider des Entscheidende nicht. WIE lief die Rolle? Du meinst also, nur durch den "Zug" des Wagens wird die ja logischerweise hinter seinem Mittelpunkt laufende Rolle in die richtige Richtung gelenkt? Dann wäre es auch ziemlich egal, ob unter den Rädern eine elektrisch oder manuell zu stellende Weiche ist.

Also muss doch die Kontruktion so sein, dass der normale Fahrdrahtdurchmesser dort unterbrochen ist, wo z.B. die Rolle (wie in einer Rille) auf den abbiegenden Strang rollen soll. Und weiter nichts ? Dann verstehe ich eigentlich das Getue um die "Luftweichen" nicht. Aber man lernt ja nie aus ....

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor
histor schrieb:
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> Hallo Blubber,
> Danke für das Photo. Aber auf dem Photo sieht man
> aber leider des Entscheidende nicht. WIE lief die
> Rolle? Du meinst also, nur durch den "Zug" des
> Wagens wird die ja logischerweise hinter seinem
> Mittelpunkt laufende Rolle in die richtige
> Richtung gelenkt? Dann wäre es auch ziemlich egal,
> ob unter den Rädern eine elektrisch oder manuell
> zu stellende Weiche ist.
>
> Also muss doch die Kontruktion so sein, dass der
> normale Fahrdrahtdurchmesser dort unterbrochen
> ist, wo z.B. die Rolle (wie in einer Rille) auf
> den abbiegenden Strang rollen soll. Und weiter
> nichts ? Dann verstehe ich eigentlich das Getue um
> die "Luftweichen" nicht. Aber man lernt ja nie aus
> ....
>
Die Rolle wird offenbar aus der Rille gehoben, laeuft auf ihren Raendern ueber die breite abgeflachte Stelle um dann durch die Richtungsaenderung des Wagens wieder auf den der Richtung entsprechenden Fahrdraht zurueckzufallen.

Interessante Konstruktion, keine aktiven Bauteile erforderlich.

Thomas



Wenn es auch manchmal den Anschein hat, so war Hamburgs Straßenbahn keineswegs rückständig. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten hatte man Weichen, die eben nicht mit dem Fahrstrom sondern induktiv gestellt wurden. Dazu war auf dem Schienenbremsgriff - den der Fahrer stets mit seiner rechten Hand anzufassen hatte, wenn er nicht gerade das Handbremsrad betätigen musste - im Daumenzugriffsbereich ein runder Klingeltaster mit silbernem Gehäuse und schwarzem Druckknopf angebracht, den der Fahrer beim Überfahren der Induktionsschleife betätigen musste, natürlich nur, so er die Weiche betätigen wollte.

Für den Fall des gelegentlichen Nichtfunktionierens war dann der Stellhebel außen an der Fahrerkabine angebracht. Den Gebrauch habe ich ebenso selten in Erinnerung wie das Wiedereindrahten eines manchmal herausgesprungenen Rollenstromabnehmers.

Es waren herrliche Zeiten, die ich sehr vermisse ...

Man muss dazu auch wissen, dass die U-Bahnwagen völlig veraltet waren. Im Gegensatz zur Straßen- und S-Bahn, die ja schon mit ihren Motoren generatorisch bremsten, musste die U-Bahn mit Luft gebremst werden und ihre Beschleunigung (0,45 m/s2) war weniger als die Hälfte von der Straßenbahn (1,3 m/s2 ohne Beiwagen, 1,05 m/s2 mit Beiwagen V7, V6-Beiwagen war etwas schlechter weil viel schwerer).

Gruß
Dieter Doege
@NVB:

Es ist zu korrigieren, daß die Weichen in HH nicht induktiv gestellt wurden, sondern mit Fahrstrom über einen isolierten Abschnitt in der Fahrleitung. Bei eingeschalteter Fahrstufe wurde die Weiche gestellt. Leider habe ich kein passendes Foto parat.
Sollte der Abschnitt stromlos befahren werden, so konnte über den beschriebenen Knopf Fahrstrom über einen Widerstand entnommen werden und die Weiche wurde trotzdem geschaltet.
Ob das nun modern oder unmodern ist, mag der Leser selbst entscheiden.
Nix für ungut.
Gruß
Blubber
Hallo,

als Initiator dieses Threads kann mich auch nur bedanken. Wieder gut was gelernt!


Grüße, Boris
> Die Rolle wird offenbar aus der Rille gehoben, laeuft auf ihren Raendern ueber die breite abgeflachte Stelle um dann durch die Richtungsaenderung des Wagens wieder auf den der Richtung entsprechenden Fahrdraht zurueckzufallen.

> Interessante Konstruktion, keine aktiven Bauteile erforderlich.

Ja, genau so ungefähr war das.
Ich kann mich noch gut an die Straßenbahn in Hamburg erinnern und fand es faszinierend, wie die Rolle immer den richtigen Weg fand, ohne dass da elektromechnisch eingegriffen wurde.
Es gab da nichts, was sich irgendwie bewegt hat und auch keine separate Stromzuführung, die etwas bewegen könnte.

Was die Elektroweichen betrifft, erinner ich mich, dass die bis um 1977 noch funktionierten, danach nicht mehr. In den letzten Monaten mussten die Weichen grundsätzlich per Hand gestellt werden, etwa am Nedderfeld oder auch am Rathausmarkt, wo stets die Verstärker der 2 endeten. In Niendorf müsste das dann auch so gewesen sein, da war ich zu selten.

Übrigens sprang die Rolle immer gern an der Gärtnerstraßen-Kreuzung raus. Vor allem dann, wenn Edmund Spiess gefahren ist (der, der immer die "schwarze 2" schilderte). Und er fluchte immer wieder:-) Ohh - was waren das herrliche Zeiten....

Viele Grüße
Marcus



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.08.2007 22:42 von Netzspinne.
@ Marcus

Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die Weichen zumindest in den letzten Jahren (nach Ausmusterung des V7) mit dem Weichenstelleisen gestellt wurden. Zumindest kann ich mich im Bereich des Rathausmarktes gut daran erinnern, dass der Fahrer die Seitenscheibe zurückgeschoben hat und mit seiner rechten Hand das Weichenstelleisen betätigt hat. Lange lange ist es her und man (zumindest ich) trauert den Sambawagen immer noch wahnsinnig hinterher.

Gruß Mario
Hallo,
nochmal ein kurzer Nachtrag über die Luftweichen im Fahrdraht = Bei Gleisdreiecken konnte man sich das Umdrehen der Stange beim Rückwärtsfahren sparen. Wenn die erste Weiche der Rückwärtsfahrt "geradeaus" befahren wurde, war das auch relativ problemlos mit der Rolle. Wurde aber die erste Weiche standardmäßig rückwärts abbiegend befahren (z.B. Billbrook), so war das Führungsstück besonders konstruiert, so dass die Rolle durch seitliche Begrenzungen sanft in die abbiegende Richtung gelenkt wurde.

Luftweichen mit besonderem Stellmachanismus für die Rolle soll es in anderen Städten gegeben haben, aber nicht in Hamburg.

Freundliche Grüße
Horst Bu. - histor
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