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Straßenbahn-Planungen in den 1950er Jahren
geschrieben von NVB 
Durch den Weichen-Artikel zur Hamburger Straßenbahn bin ich auf folgende Webseite gestoßen, übrigens hochinteressant und äußerst lesenswert:

[www.horstbu.de]

Auf zwei Schwerpunkte möchte ich einmal eingehen:
1. Die geplante Netzerweiterung der Straßenbahn um 100 Kilometer
2. Die Bus- versus Straßenbahn-Diskussion

Zu 1.:
Anfang der 50er Jahre muss es erdrutschartige, politische Veränderungen im Hamburger Senat gegeben haben. Ich schließe das aus einem Detail: Wir sind im Frühsommer 1956 an die Außenalster gegenüber der Schwanenbucht gezogen, weil mein Vater dort knapp zwei Jahre vorher eine Eigentumswohnung gekauft hatte. Die Wohnung war mit 30.000 Mark für rund 100 Quadratmeter spottbillig, weil die so genannte Schwanenbucht für neue Ansiedelungen zugeschüttet werden sollte, was allen Wohnungen den freien Blick über die gesamte Außenalster genommen hätte.

Kurz nach dem Kauf der Wohnung änderte aber der Senat die Pläne, die Schwanenbucht wurde aufwändig saniert und in den heutigen Zustand versetzt, zusätzlich gab es für einen niveaufreien Zugang zur Außenalster zwei Tunnel für Fußgänger und Radfahrer unter den Straßen hindurch. Parallel dazu wurde die Straßenbahnstrecke von St. Georg bis Barmbek neu trassiert, mit großzügigen Gleisbogen und sehr viel "Grün".

Das gute "Straßenbahnwetter" hielt aber nicht lange an und bereits Anfang der 60er Jahre, also nicht einmal zehn Jahre später, begann für die mit teurem Geld gebauten quasi-Neubaustrecken der Niedergang.

Frage: Was könnte der Grund für dieses beispiellose Hin- und Her hamburgischer ÖPNV-Politik gewesen sein?


zu 2.
Diesen Bus- versus Straßenbahnvergleich gab es mehrfach unter verschiedenen Vorzeichen. Die drei Busse ergaben sich durch die drei Fahrer, da die Straßenbahn auch drei Leute benötigte, einen Fahrer und in Trieb- und Beiwagen jeweils einen Schaffner.

Die Diskussionen über die Verkehrsflächen begann etwa 1954, zunächst in der Ära Dr. Lademann mit den Argumenten pro Straßenbahn. Als die Busindustrie leistungsfähigere Busse liefern konnte, kehrte sich dieses Spiel allmählich um: In einen Straßenbahn-Zug passten insgesamt 231 Fahrgäste und in die neuen Busse von 1956 genau ein Drittel davon, nämlich 77 Personen. Der Kampf darüber wurde auch innerhalb der Hochbahn geführt, wie die Sache ausging, wissen wir alle zur Genüge. Nach den mir zahlreich vorliegenden Informationen war der gelernte "Tunnelbauer" Dr. Tappert die treibende Kraft zur Straßenbahn-Einstellung.

Frage: Wer weiß mehr zu diesen fatalen Hintergründen mit hochgradig falschen Annahmen zur Hamburger Verkehrsentwicklung? Wenn wir uns heute über "das Versenken von Steuergeldern" für einigermaßen sinnlose Verkehrsprojekte "im Osten" aufregen, müssen wir doch ehrlicherweise zugestehen, dass anscheinend dieses "Geldversenken" in Hamburg erfunden wurde und - wie die U4 zeigt - dort noch immer Tradition hat.

Gruß
Dieter Doege
Hallo,
in diesem Zusammenhang relevant ist sicher auch der sog. "Engelbrecht"-Plan (Leiter der Abt "svt" der HHA) aus dem Jahre 1954 - dargestellt in den Hamburger Nahverkehrsnachrichten (HN) des VVM Heft 3/2001 von H. Hoyer und H. Elsner.

Danach sollte das gesamte Hamburger Liniensystem der Straßenbahn neu und rational überdacht werden. Vorgesehen waren diese Linien:
° 1 = Gr. Borstel - Eppendorf - Dammtor - Mö - Berliner Tor - Billstedt
° 2 = Schnelsen - Hoheluft - Dammtor - Mö - Berliner Tor - Horner Rennbahn (existent)
° 3 = Hagenbeck - Osterstr - Dammtor - Mö - Steindamm - Jenfeld (wie später 16)
° 4 = Eidelstedt - Osterstr - Dammtor - Mö - Steindamm - Tonndorf (existent als 3)
° 5 = Langenfelde - Schulterblatt - Sievek'platz - Mö - Steindamm - Hellbrook (so dann 1955)
° 6 = Lurup - Altona - Mö - Barmbek - Farmsen, Trabrennbahn
° 7 = Osdorf - Friedensallee - - Altona - Reeperb - Mö - Barmbek - Bramfeld
° 8 = Hochrad - Altona - Mö - Barmbek - Ohlsdorf
° 9 = Goldbekplatz - Hofweg - Mö - Dammtor - Mittelweg - Flughafen
° 10 = Altona - Hallerstr - Mittelweg - Dammtor - Mö - Hofweg - Lattenkamp
° 11 - Bahrenfeld - Strese - Lombardsbrücke - Süderstr
° 12 - Bahrenfeld - Strese - Lombardsbrücke - Rothenburgsort (wie ab 1955)
° 13 - St. Pauli - Lombardsbrücke - Veddel - Harburg (wie ab 1955)
° 14 - Landungsbrücken - Sternschanze - Eppendorf - Mühlenkamp - Veddel - Freihafen (so vorhanden)
° 15 - Hohenzollernring - Altona - Eppendorf - Mühlenkamp - Burgstr - (wie 1955) und Ausschläger Weg - Billbrook

Wegfallen sollte nur die Linie 30 (später 17) auf der Kieler Str. und die Verbindung über die Palmaille. Dafür sollten die bisher noch nicht wieder hergestellten kriegszerstörten Strecken über Süderstr und Ausschläger Weg wieder in Betrieb kommen und auch nach Osdorf neu gebaut werden. Eine U-Bahn nach Wandsbek oder nach Billstedt ist hier überhaupt nicht berücksichtigt.

Teile dieses Planes wurden um 1955 auch noch realisiert (Strecken nach Lurup und Jenfeld, geplante Linie 5, Liniengruppe 11 bis 13 ohne Süderstr.). Doch kurz danach kippte die Stimmung.

Mit freundlichem Gruß
Horst Bu. - histor

Hallo NVB,

die Internetseite ist sehr interessant und informativ. Es ist in der Tat interessant, warum die Stimmung so schnell umgekippt ist, und das ohne Regierungswechsel.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass stark ausgelastete Straßenbahnlinien zur U-Bahn umgebaut worden sind, wie zum Beispiel die Linie nach Wandsbek, doch der Verzicht auf die Gesamte Straßenbahn zu Gunsten des Autobusses scheint auch aus heutiger Sicht nicht ganz vernünftig.

Es wird allerdings wohl ein ungelöster Fall wie in einem Krimi bleiben, der wohl aufgrund mangelnder Informationen ungelöst bleibt. Man kann natürlich spekulieren: Steckte dort vielleicht die Automobillobby dahinter, wie es in den USA in ähnlichen Fällen gewesen scheint?
War vielleicht tatsächlich doch die Bevölkerung gegen die Straßenbahn, als man ihnen hingegen die U-Bahn angeboten hat? Machte man sich damals vielleicht beliebt, wenn man eine U-Bahn versprach und Omnibusse "vorübergehend" einsetzte?

Eines steht jedenfalls fest, so wie ich es verstanden habe, war keine Unterpflasterstraßenbahn wie zum Beispiel in anderen Städten vorgesehen.

Was mich allerdings fasziniert ist, wie rational man bis 1955 gedacht hat. Täuscht vielleicht der Eindruck? Mir gefällt die Art und Weise, wie man kalkulierte und von nachvollziehbaren Annahmen ausgegangen ist. Heute wird erst eine Idee entworfen und dann werden die passenden Argumente dazu gesucht. Dort scheint es eher umgekehrt zu sein, das hat meiner Meinung nach mehr Eleganz. Eine Begründung für eine U4 kommt mir meistens eher schwammig daher wie:"Die Hanfencity braucht eine moderne und Leistungsfähige Anbindung.", womit es schon damit gewesen ist.

Damals scheint es eher so zu sein, dass man in einem solchen Fall ganz genaue Zahlen über die Hafencity publizieren würde, den vermutlichen Verkehrsstrom, die Kosten eines jeden Verkehrsmittels, die machbarkeit einer U-Bahn gegenüber einer Tram und die damit verbundenen Belastungen für die Straßen, sowie die Fahrzeiten eines jeden Verkehrsmittels.
Eine genaue Gegenüberstellung fehlt mir über die U4 bis heute. Es ist eher so gewesen, dass man gesagt hat:"Wir bauen jetzt eine U-Bahn". Ich durfte nichtmal erst nachvollziehen warum gerade eine U-Bahn? Verfalle ich jetzt vielleicht in Vergangenheitsverherlichung? Vielleicht einwenig.

Gruß

BC
Ich denke, es werden mehrere Dinge zum "Umkippen" geführt haben. Ein nicht unwichtiger Aspekt ist sicherlich auch, daß nach den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren ab Mitte der 1955 iger Jahre eine Aufbruchsstimmung einsetze, in der nichts mehr unmöglich schien. Man neigte damals aufgrund der jüngsten Vergangenheit alles anders machen zu wollen und in der Tat war man ja auch dazu gezwungen, denn die Städte lagen zu Großteilen in Schutt und Asche. Alles sollte modern und fortschrittlich sein. 1955 ist dann auch die Zeit, wo die gröbsten Kriegschäden beseitigt und viele Städte zum Teil oder nahezu komplett neu aufgebaut waren (von den Lücken mal abgesehen). Zudem waren durch Vertreibung der Bewohner Pommerns, West- und Ostpreussens, der Neumark und Schlesien in die alte Bundesrepublik gekommen, die sicherlich dazu beitrugen, daß am Rande der Städte die ersten Neubauviertel entstanden sind, die ja - im Falle Hamburgs mit Mümmelmannsberg in den 1960iger Jahren - recht weit außerhalb lagen. Es ist daher verständlich, daß man nach einem fassungsstarken und schnelleren Verkehrsmittel als die Straßenbahn Ausschau hielt, zumal Hamburg ja schon das Glück hatte über ein U-Bahngrundnetz zu verfügen.

Der "Amerikan - Way - of Life", eine große Mode der 1950iger, beiinhaltete schließlich auch das Auto und die Städte sollten autogerecht werden. Eine Straßenbahn störte da nur - das Argument kriegt man heute auch noch zu hören - und eine U-Bahn, für die Leute, die kein Auto haben wollten oder konnten, störte ja oben nicht. Auch wenn Hamburg glücklicherweise seine Innenstadt nicht mit Stadtautobahnen zerstört hat, so liegt doch die Vermutung nahe, Hamburg habe sich ziemlich schnell dem Automobilwahn ergeben.

Ein weiteres Problem wird sicherlich sein, daß man in Hamburg - bewußt oder unbewußt - die Entwicklung von Gelenkwagen schlicht verschlafen hat. Die Doppelgelenkwagen, die in Hamburg liefen, sollen meines Wissens nach weder beim Personal noch bei den Fahrgästen aufgrund ihrer Laufeigenschaften beliebt gewesen sein. Wenn man einmal auf den "Hausbetrieb" der Düsseldorfer Waggonfabriken, DÜWAG, schaut - Düsseldorf - so fällt auf, das dort bis Mitte der 60iger Jahre wesentlich fassungsstärkere Gelenkwagen im Einsatz waren. Die Bremer Straßenbahn verfügte sogar ab Anfang der 1960iger Jahre mit ihren Hansa - Gelenkzügen bereits über Straßenbahnzüge, die bis zu 300 Plätze pro Zug anboten! Der Sambawagen der Hamburger Stra´ßenbahn war im Grunde genommen schon Anfang der 1960iger Jahre ein Auslaufmodell.

Hätte man - und das gilt ja auch heute noch - den Hamburgern gezeigt, wie eine moderne leistungsstarke Straßenbahn aussieht, es wäre meines Erachtens niemals zur Gesamtstillegung gekommen! somit aber konnte man ab den 1960iger Jahren das Image der alten Straßenbahn bewußt pflegen und gegen die Straßenbahn verwenden.

Was ich für richtig halte, sind die Einstellungen der Straeßnbahnlinien nach Billstedt und Wandsbek und deren Ersatz durch eine U-Bahn. Hier sind die Züge im 5- Minutentakt auch heute noch so gut gefüllt, daß man selbst beim einsatz eines Dreiwagenzuges Typ Hannover 2000 eine 2-3 Minutentakt bräuchte, um die nötigen Kapazitäten zu haben. Auch wäre eine U-Bahn auf der Niendorfer Strecke ueber Grindelallee erforderlich gewesen und würde, wenn sie denn gekommen wäre, heute sicherlich ähnliche Fahrgastzahlen aufweisen wie die Wandsbeker Strecke.

Wären zu der Grindelstrecke noch die U-Bahn Innenstadt - Altona - Lurup gekommen (oder Lurup wäre alternativ an die S-Bahn angeschlossen worden), so wären meines Erachtens zusammen mit der Wandsbeker und der Billstedter Linie a l l e u-bahnwürdigen Korridore der Stadt Hamburg abgedeckt gewesen. Die ZAhlreichen Querverbindungen (z.B Altona - hoheluft) hätten auf jeden Fall kostengünstiger weiter mit Straßenbahnen bedient werden können, allerdings hätte man dafür leistungsstärke Straßenbahnzüge und leistungsfähige eigene Gleistrassen gebraucht, die man in anderen Städten auch geshaffen hat, auch wenn die Straßen nicht oder nur unwesentlich breiter sind als in Hamburg. Alleine der politische Wille dazu hatte gefehlt. Anstatt sich einzugestehen, daß man die U-Bahnpläne nie wuerde verwirklichen können, hat man die Straßenbahn dem vermeintlich flexibleren und "modernen" Omnibus geopfert, mit dem resultat, daß die Straßenbahn ihre Stärke (großes Fassungsvermögen, Schnelligkeit auf eigener Trasse) nicht mehr ausspielen konnte und der Bus die Aufgaben der Straßenbahn, nicht jedoch ihr Fassungsvermögen übernehmen konnte.

Das alles zusammgerechnet wird dazu geführt haben, daß wir die Situation so haben, wie sie heute ist. Schade ist nur, daß man seit 1989 erhebliche Geldmittel für Gutachten aufgewandt hat, die sich alle für die Sinnhaftigkeit un dWirtzschaftlichkeit einermodenen Straßenbahn in Hamburg ausgesprochen haben und dann doch alles beim ALten gelassen hat. Ich denke, dann hätte man wenigstens zugeben sollen, daß man die Straßenbahn nicht will. Und nun baut man sich eine Spielzeug-U-Bahn, deren Verkehrswert zweifelhaft ist, weil sie nur einen ganz begrenzten Kreis von Fahrgästen Vorteile bringt - und die Hochbahn ist auch noch stolz darauf.

Schade, schade, der hanseatische Sachverstand jahruhunderter alter Kaufmanns- und Handelstradition scheint einmal mehr die Alster oder die Elbe hinutergeflossen zu sein.
Der Glaube nach unbegrenztem Wachstum war in der Tat der Faktor, welcher die damalige Stadtentwicklung bestimmte. Buslinien, welche alternativ zu Straßenbahnen eingesetzt wurden waren meines Wissens nach nie als vollständiger Ersatz geplant. Bei den meisten war ja ein Ersatz durch eine U-Bahn vorgesehen. Dass es auch mal so etwas geben könnte wie Wirtschaftskrisen, ökologische Probleme oder gar Verlagerungen von Produktion in sogenannte Billiglohnländer- daran dachte früher niemand. Und man kann es ihnen auch nicht übelnehmen- oder wissen wir, was in 50 Jahren der Stand der Dinge ist?

Dass es mal soviele Autos geben würde, wie heute auf den Straßen fahren, auch das wusste man noch gar nicht. Wie ist sonst der naive Gedanke zu erklären, dass Busse besser sind als Straßenbahnen, weil sie ja schließlich im Verkehr mitschwimmen und die Straßenbahn alles blockiert!! Man hatte durch autogerechte Städte tatsächlich die Illusion, dass diese dazu beitragen werden, dass der Verkehr gleichmäßig fließt, hie und da mal ein Bus als Zubringer und unten donnert die U-Bahn- so kommen alle dahin, wo sie hinwollen! Toll was?!? :-)

Ich kann über den "Umschwung" auch nur spekulieren, aber soweit ich weiß waren die Nachkriegsjahre ja eher von dem Bestreben bestimmt, erstmal alles wieder aufzubauen. Nicht perfekt sondern so, dass es wieder alles lief. Und später? Tja, da gab's ein Wirtschaftswunder und es setzte eine Phase ein, die mitunter auf "Zweite Zerstörung der Städte" genannt wird. In einem Glauben an Fortschritt und ewigem Wachstum hatte man wohl eine Abneigung gegen alles, was alt war- somit auch gegen Altbauten, alte Straßenstrukturen- und eben die Straßenbahn.

Was ich damit nur sagen möchte: Ich finde es auch jammerschade, dass man sich letztendlich zu der Abschaffung der Strab entschied- aber es ist nicht auf Dummheit der damaligen Stadtväter zurückzuführen. Andere Städte, die heute in der Hinsicht besser dastehen, hatten entweder agressivere Bürger oder ganz einfach kein Geld, die utopischen Moden von damals umzusetzen!
histor schrieb:
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> Hallo,
> in diesem Zusammenhang relevant ist sicher auch
> der sog. "Engelbrecht"-Plan (Leiter der Abt "svt"
> der HHA) aus dem Jahre 1954 - dargestellt in den
> Hamburger Nahverkehrsnachrichten (HN) des VVM Heft
> 3/2001 von H. Hoyer und H. Elsner.
>
> Danach sollte das gesamte Hamburger Liniensystem
> der Straßenbahn neu und rational überdacht werden.
>
[...]
>
> Wegfallen sollte nur die Linie 30 (später 17) auf
> der Kieler Str. und die Verbindung über die
> Palmaille. Dafür sollten die bisher noch nicht
> wieder hergestellten kriegszerstörten Strecken
> über Süderstr und Ausschläger Weg wieder in
> Betrieb kommen und auch nach Osdorf neu gebaut
> werden. Eine U-Bahn nach Wandsbek oder nach
> Billstedt ist hier überhaupt nicht
> berücksichtigt.
>
> Teile dieses Planes wurden um 1955 auch noch
> realisiert (Strecken nach Lurup und Jenfeld,
> geplante Linie 5, Liniengruppe 11 bis 13 ohne
> Süderstr.). Doch kurz danach kippte die Stimmung.

Da gibt es dann aber noch diesen Zeitungsartikel auf Deiner Seite, auf dem offensichtlich sogar noch größere Erweiterungen des Straßenbahnnetzes angedacht waren, zB Richtung Wellingsbüttel. Hierzu gibt es aber vermutlich leider keine weiteren Details mehr?
Zum Thema Straßenbahn in Hamburg passend auch der Medienabend des VVM am 4.Oktober, Thema: Straßenbahnen und O-Busse in europäischen Großstädten
Anonymer Benutzer
Re: Straßenbahn-Planungen in den 1950er Jahren
16.09.2007 10:43
Interessant ist auch, dass die bereits im Sommer 1953 eingeführten Busliniennummern teilweise schon an das Linienkonzept der Straßenbahn insoweit angepasst waren, dass die letzte Ziffer der Busliniennummer jeweils der Straßenbahnliniennummer entsprach.

So gab es z.B. in Billstedt den Übergang 1 - 61, in Jenfeld sollte man dann von der 3 in die 63 und in Tonndorf von der 4 in die 64 umsteigen können.
In Bramfeld wäre der Übergang von der 7 in die 77 zustande gekommen und im Bereich Veddel/Wilhelmsburg hätten die Linien 13 und 14 Anschlüsse zu den Bussen 53 und 54 gehabt.
Anonymer Benutzer
Re: Straßenbahn-Planungen in den 1950er Jahren
16.09.2007 10:49
Als Beispiel der urpsrünglichen Einstellung der Hamburger Politik (und folglich auch der städtischen HHA) kann auch das Vorwort zum HHA-Winterfahrplanbuch 1953/54 gesehen werden.

Dieses Vorwort, das sich über mehrere Seiten erstreckte, beschäftigte sich u.a. eben auch mit der Frage, wie der Hamburger ÖPNV (ohne dass man damals schon diese Abkürzung benutzt hätte) mit den vorhandenen Mitteln optimal gestaltet werden kann und kam zu den Ergebnissen, dass ein umfangreiches, flächendeckendes U-Bahnnetz sicherlich die beste Lösung darstellt, aber eben nicht finanzierbar sei und dass ein moderner Großraumzug der Straßenbahn dem Omnibus überlegen sei.

Ich denke, dass sicherlich auch ein Komplettscan des Vorworts, das es meines Wissens in dieser Form und in diesem Umfang in keinem früheren oder späteren Fahrplanbuch der HHA oder des HVV gab, für dieses Forum interessant wäre, weiss aber nicht, ob es urheberrechtlich zulässig wäre, dies hier zu veröffentlichen.
NVB
Vorwort
16.09.2007 23:34
Ich wüsste nicht, was bei einer Veröffentlichung im Forum unzulässig wäre. Die Quelle ist klar, es gab bereits eine Veröffentlichung und die ist schon 54 Jahre alt.

Nur zu, wir freuen uns auf den Text ...

Gruß
Dieter Doege
Re: Vorwort
16.09.2007 23:50
Hallo,
das ist schließlich ein historisch äußerst interessantes Dokument. Es wird ja ganz klar mit Quelle genannt - als wissenschaftliches Zitat. Ich hätte keine Bedenken, einen scan hier einzustellen. Schließlich verkauft die HHA diesen Fahrplan ja nicht mehr, als dass sie entgangenen Gewinn reklamieren könnte. Wirft vielleicht Licht auf Vorgänge, wo man heute mit Erklärungen rumeiert.

Freundliche Grüße
Horst Bu. - histor
Anonymer Benutzer
Re: Vorwort
17.09.2007 19:57
Hier ist nun das Vorwort - ich hoffe, die Scanqualität reicht aus, um den Text vernünftig lesen zu können :












Quelle sind - wie bereits geschrieben - die Seiten 4, 6, 8 und 10 des HHA-Winterfahrplanbuchs 1953/54.

Man sieht hier m.E. recht deutlich, dass bei der Argumentation pro Straßenbahn häufig auf das finanziell machbare (und dies insbesondere vor dem Hintergrund des gerade erst stattgefundenen und bereits kostenträchtigen Wiederaufbaus der Stadt und ihres Nahverkehrsnetzes) abgestellt wird. Man ist zum Zeitpunkt der Herausgabe des Fahrplanbuches im Herbst 1953 (der Fahrplan galt ab 27.10.1953) also noch froh darüber, ein großes und gut funktionierendes Straßenbahnnetz zu haben und denkt noch nicht daran, es für eine wiederum kostenträchtig neu zu installierende Kombination aus Bus und U-Bahn im "gebrochenen Verkehr" späterer Jahrzehnte aufzugeben. Der Wunschtraum nach einem großen, flächendeckenden U-Bahnnetz klingt zwar am Ende des Vorwortes an, wird aber auch gleich wieder als nicht finanzierbar verworfen und ich vermute, dass auch in den späteren Jahren der ganz großen U-Bahn-Euphorie niemand davon ausgegangen ist, wirklich alle Straßenbahnlinien durch U-Bahnen ersetzen zu können (für die schwächer belasteten Außenstrecken wäre immer nur der Bus geblieben).

Ein Grund für die zu diesem Zeitpunkt noch klar pro Straßenbahn gehende Stimmung dürfte aber auch sein, dass seinerzeit weder die Entwicklung stadtverkehrsgeeigneter Omnibusse noch die Massenmotorisierung einen Stand erreicht hatten, in dem man die Existenz des Verkehrsmittels Straßenbahn ernsthaft in Zweifel ziehen konnte.

Sollte es seitens der HHA doch Bedenken gegen eine Veröffentlichung geben, bitte ich darum, mir eine kurze Nachricht zukommen zu lassen, ich werde diesen Beitrag dann selbstverständlich wieder löschen. Ich gehe auch einfach mal davon aus, dass eine Nachricht an die Webmaster dieses Forums den gleichen Effekt hätte und erkläre mich daher auch mit einer Löschung durch diese ausdrücklich einverstanden.
Hallo,
da ist es nun, das erwartete Vorwort von 1953. Man ist noch stolz auf den V7 und Omnibusse sind teurer im Betrieb als Straßenbahnen, weshalb ja auch damals eine Fahrt mit dem Bus 5 Pfennig teurer war als mit Straßenbahn oder U-Bahn (quasi ein Dieselzuschlag). Das m.W. noch bis 1960, als die "5" eingestellt wurde und der "65"-er Bus, der sie ersetzte, den teureren Tarif erfoderte, was damals zu einigem Unmut führte. Soooo lange war das damals ja noch nicht her, als dass man vergessen hatte, dass die HHA 1939 bei Einstellung der "32" den sie ersetzenden Bus zum Straßenbahntarif betrieben hatten.

Aber dann war Ende der 1950-er Jahre der forcierte U-Bahn-Bau und die Umstellung auf Bus im Gange und der Sonderzuschlag für Busse entfiel mit einem Mal.

Gepusht sollte in diesem Vorwort vornehmlich der Fahrgastfluss in den neuen Vierachsern. Dafür hatte man einiges Geld ausgegeben und das sollte auch die Kosten sparen. Also wurden die Fahrgäste mit freundlicher Überredung aufgeklärt, wie das in den neuen Vierachsern funktionieren sollte. So weit, so gut.

Leider schreibt man hier nichts von konkreten Linienplanungen, wenn auch der Tenor da ist, noch lange eine Straßenbahn betreiben zu wollen. Man muss ja berücksichtigen, dass der Krieg gerade 8 Jahre vorbei war und bis 1955 noch hin und wieder Ruinen sichtbar waren. Da galt es eben, das Vorhandene zu nutzen, weil man Neues nicht bezahlen konnte. Die Reperaturen waren teuer genug - manche Strecken wurden ja erst 8 Jahre nach der Zerstärung um 1951 und zum Teil später wieder in Betrieb genommen.

Freundliche Grüße - und Danke für das Einscannnen
Horst Bu. - histor
... das Vorwort ist ein hochinteressantes, zeitgeschichtliches Dokument, gibt es doch die damaligen Vorstellungen und die gesetzten Schwerpunkte wieder. Die dort noch nicht geführte Diskussion über die Verkehrsflächen und die Kosten dafür setzte erst Mitte der 50er Jahre ein.

Andererseits hat sich die reine U-Bahn für Hamburg als nicht mehr zeitgemäße Sackgasse herausgestellt. Der Rückbau der U5 in Frankfurt als Straßenbahn ist in meinen Augen ein unumkehrbarer Schritt in die richtige und vor allem bezahlbare Richtung. Der erste Straßenbahn-Hersteller, dem eine Teil-Niederflurstraßenbahn gelingt, die auch an Hochbahnsteigen halten kann, wird das Geschäft seines Lebens machen und die ÖPNV-Zukunft Hamburgs maßgeblich mitbestimmen.

Gruß
Dieter Doege
Interessant auch die Passage über den PCC-Wagen, der ja bis heute große Bekanntheit genießt und auch noch im Museum Skjoldenæsholm in Dänemark seine Runden dreht - Niemals würde heutzutage ein Chef eines Verkehrs- oder irgend eines anderen Unternehmens eine Fehlinvestition so öffentlich zugeben, ohne sie schön zu reden. Alle Achtung vor der ehrlichen Zeit damals!
Eine politisch wohl entscheidende Bedeutung für die Entscheidung gegen die Straßenbahn hatten die Ausbaupläne für Straßen, wie sie 1953 vom späteren Oberbaudirektor Otto Sill entwickelt wurden. Danach sollte hamburg von Stadtautobahnen durchzogen werden und eine Fülle von Straßen verbreitert werden. Da störten die Straßenbahnen schlicht. Trassen für diese Stadtautobahnen (z.B. quer u nter der Alster, sowie entlang der U-Bahn bei der Kellinghusenstraße und parallel zur S-Bahn bei Wandsbek) sind z.T. noch in den 1990er Jahren freigehalten worden von dauerhaften Gebäuden.
Das Programm ist in der Staatsbibliothek einzusehen: Otto Sill, 1953: Programm für den Ausbau der wichtigsten Verkehrsstraßen Hamburgs.
Hallo!

Vielen Dank für den Scan! Sehr interessant! Ich kannte das Vorwort bislang auch nur in Auszügen.

Zu den geplanten Straßenbahnlinien von 1954 bliebe noch anzumerken, daß es in Harburg außer der durchgehenden Linie 13 keine Strecken mehr gegeben hätte (Linien 42 und 44).

Viele Grüße
Karsten Leiding

Viele Grüße
Karsten Leiding

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