Ich denke, es werden mehrere Dinge zum "Umkippen" geführt haben. Ein nicht unwichtiger Aspekt ist sicherlich auch, daß nach den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren ab Mitte der 1955 iger Jahre eine Aufbruchsstimmung einsetze, in der nichts mehr unmöglich schien. Man neigte damals aufgrund der jüngsten Vergangenheit alles anders machen zu wollen und in der Tat war man ja auch dazu gezwungen, denn die Städte lagen zu Großteilen in Schutt und Asche. Alles sollte modern und fortschrittlich sein. 1955 ist dann auch die Zeit, wo die gröbsten Kriegschäden beseitigt und viele Städte zum Teil oder nahezu komplett neu aufgebaut waren (von den Lücken mal abgesehen). Zudem waren durch Vertreibung der Bewohner Pommerns, West- und Ostpreussens, der Neumark und Schlesien in die alte Bundesrepublik gekommen, die sicherlich dazu beitrugen, daß am Rande der Städte die ersten Neubauviertel entstanden sind, die ja - im Falle Hamburgs mit Mümmelmannsberg in den 1960iger Jahren - recht weit außerhalb lagen. Es ist daher verständlich, daß man nach einem fassungsstarken und schnelleren Verkehrsmittel als die Straßenbahn Ausschau hielt, zumal Hamburg ja schon das Glück hatte über ein U-Bahngrundnetz zu verfügen.
Der "Amerikan - Way - of Life", eine große Mode der 1950iger, beiinhaltete schließlich auch das Auto und die Städte sollten autogerecht werden. Eine Straßenbahn störte da nur - das Argument kriegt man heute auch noch zu hören - und eine U-Bahn, für die Leute, die kein Auto haben wollten oder konnten, störte ja oben nicht. Auch wenn Hamburg glücklicherweise seine Innenstadt nicht mit Stadtautobahnen zerstört hat, so liegt doch die Vermutung nahe, Hamburg habe sich ziemlich schnell dem Automobilwahn ergeben.
Ein weiteres Problem wird sicherlich sein, daß man in Hamburg - bewußt oder unbewußt - die Entwicklung von Gelenkwagen schlicht verschlafen hat. Die Doppelgelenkwagen, die in Hamburg liefen, sollen meines Wissens nach weder beim Personal noch bei den Fahrgästen aufgrund ihrer Laufeigenschaften beliebt gewesen sein. Wenn man einmal auf den "Hausbetrieb" der Düsseldorfer Waggonfabriken, DÜWAG, schaut - Düsseldorf - so fällt auf, das dort bis Mitte der 60iger Jahre wesentlich fassungsstärkere Gelenkwagen im Einsatz waren. Die Bremer Straßenbahn verfügte sogar ab Anfang der 1960iger Jahre mit ihren Hansa - Gelenkzügen bereits über Straßenbahnzüge, die bis zu 300 Plätze pro Zug anboten! Der Sambawagen der Hamburger Stra´ßenbahn war im Grunde genommen schon Anfang der 1960iger Jahre ein Auslaufmodell.
Hätte man - und das gilt ja auch heute noch - den Hamburgern gezeigt, wie eine moderne leistungsstarke Straßenbahn aussieht, es wäre meines Erachtens niemals zur Gesamtstillegung gekommen! somit aber konnte man ab den 1960iger Jahren das Image der alten Straßenbahn bewußt pflegen und gegen die Straßenbahn verwenden.
Was ich für richtig halte, sind die Einstellungen der Straeßnbahnlinien nach Billstedt und Wandsbek und deren Ersatz durch eine U-Bahn. Hier sind die Züge im 5- Minutentakt auch heute noch so gut gefüllt, daß man selbst beim einsatz eines Dreiwagenzuges Typ Hannover 2000 eine 2-3 Minutentakt bräuchte, um die nötigen Kapazitäten zu haben. Auch wäre eine U-Bahn auf der Niendorfer Strecke ueber Grindelallee erforderlich gewesen und würde, wenn sie denn gekommen wäre, heute sicherlich ähnliche Fahrgastzahlen aufweisen wie die Wandsbeker Strecke.
Wären zu der Grindelstrecke noch die U-Bahn Innenstadt - Altona - Lurup gekommen (oder Lurup wäre alternativ an die S-Bahn angeschlossen worden), so wären meines Erachtens zusammen mit der Wandsbeker und der Billstedter Linie a l l e u-bahnwürdigen Korridore der Stadt Hamburg abgedeckt gewesen. Die ZAhlreichen Querverbindungen (z.B Altona - hoheluft) hätten auf jeden Fall kostengünstiger weiter mit Straßenbahnen bedient werden können, allerdings hätte man dafür leistungsstärke Straßenbahnzüge und leistungsfähige eigene Gleistrassen gebraucht, die man in anderen Städten auch geshaffen hat, auch wenn die Straßen nicht oder nur unwesentlich breiter sind als in Hamburg. Alleine der politische Wille dazu hatte gefehlt. Anstatt sich einzugestehen, daß man die U-Bahnpläne nie wuerde verwirklichen können, hat man die Straßenbahn dem vermeintlich flexibleren und "modernen" Omnibus geopfert, mit dem resultat, daß die Straßenbahn ihre Stärke (großes Fassungsvermögen, Schnelligkeit auf eigener Trasse) nicht mehr ausspielen konnte und der Bus die Aufgaben der Straßenbahn, nicht jedoch ihr Fassungsvermögen übernehmen konnte.
Das alles zusammgerechnet wird dazu geführt haben, daß wir die Situation so haben, wie sie heute ist. Schade ist nur, daß man seit 1989 erhebliche Geldmittel für Gutachten aufgewandt hat, die sich alle für die Sinnhaftigkeit un dWirtzschaftlichkeit einermodenen Straßenbahn in Hamburg ausgesprochen haben und dann doch alles beim ALten gelassen hat. Ich denke, dann hätte man wenigstens zugeben sollen, daß man die Straßenbahn nicht will. Und nun baut man sich eine Spielzeug-U-Bahn, deren Verkehrswert zweifelhaft ist, weil sie nur einen ganz begrenzten Kreis von Fahrgästen Vorteile bringt - und die Hochbahn ist auch noch stolz darauf.
Schade, schade, der hanseatische Sachverstand jahruhunderter alter Kaufmanns- und Handelstradition scheint einmal mehr die Alster oder die Elbe hinutergeflossen zu sein.