Lausitzer Rundschau
Cottbus 25.03.2009
"Gleichheit der Infrastruktur entscheidend"
"Die Cottbuser Straßenbahn ist ein Zukunftsmodell. Sie muss für die Bürger attraktiv gemacht werden", sagt Dieter Doege, der Landesvorsitzende des Vereins Pro Bahn.
Die Stadtverwaltung gibt vor, mit dem Bus Kosten sparen zu können. Kann es dem Fahrgast nicht gleichgültig sein, ob er in einer Tram oder in einem Bus befördert wird?
Der Bus erscheint nur günstiger als die Straßenbahn, weil erhebliche Kosten und Belastungen von der Allgemeinheit getragen werden. Die Kosten der Straßenbahn verbleiben dagegen beim Verkehrsunternehmen allein. Gerade der Bus mit seinen Abgasen und dem selbst bei jedem Stopp an der Haltestelle weiterlaufenden Motor stellt eine erhebliche Belastung der Umwelt dar. Dagegen ist die Straßenbahn sehr umweltfreundlich und im Gegensatz zum Bus zukunftsfähig, weil sie auch ohne fossile Brennstoffe mit einem unvergleichlich günstigen Wirkungsgrad betrieben werden kann. Die Straßenbahn ist mit ihren Elektromotoren für das ständige Anfahren und Anhalten im öffentlichen Verkehr wesentlich besser gerüstet. Sie kann kürzere Fahrzeiten als der Bus erreichen und ihre Bremsenergie zurückgewinnen. Diese wird beim Bus in Form von Wärme und Bremsabrieb vergeudet. Nicht umsonst wird bei der Straßenbahn auch vom Schienenbonus gesprochen. Und der verleitet gerade Autofahrer eher dazu, ihren fahrbaren Untersatz stehen zu lassen und den Zeitvorteil der vielfach auf eigenen Trassen verkehrenden Straßenbahn zu nutzen.
Wie müsste das Cottbuser Straßenbahnnetz weiterentwickelt werden, um es attraktiver zu machen?
In Cottbus gibt es die wenig erfreuliche Situation, dass wichtige Stadtbereiche wie Hauptbahnhof, Universität und die beiden großen Einkaufszentren schlecht oder gar nicht mit der Straßenbahn zu erreichen sind. Kurzfristig müssen beim Rückbau und beim Umbau der Stadt die Lage der Straßenbahn berücksichtigt und mittelfristig das Netz den aktuellen Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechend erweitert werden. Ein moderner, das heißt vom Fahrgast angenommener und damit ein bezahlbarer Nahverkehr, muss ein Bündelverkehr sein. Das erfordert, alle in und um Cottbus verkehrenden Verkehrsmittel räumlich und zeitlich wirkungsvoll zu vernetzen. Dies kostet nicht viel und gibt fast jedem Fahrgast die Möglichkeit, für sein individuelles Fahrbedürfnis ein akzeptables Beförderungsangebot vorzufinden.
In welchem Takt muss die Straßenbahn fahren, um für den Fahrgast attraktiv und für die Stadt finanzierbar zu sein?
Attraktivität ist keine Frage der Taktdichte, sondern eine der Netzwirksamkeit. Unterschiedliche Takte sind ein großes Problem, weil sie das unerlässliche Miteinander der Verkehrsmittel unmöglich machen. Die für einen preiswerten öffentlichen Nahverkehr erforderliche Arbeitsteilung der Verkehrsmittel wird dadurch verhindert. Cottbus hat eine vergleichsweise schlechte Akzeptanz der öffentlichen Verkehrsmittel bei den Einwohnern zu verzeichnen. Der Anteil der Nutzer muss im Verhältnis zu den Autofahrern gesteigert werden. Doch die individuellen Fahrtenwünsche der Autofahrer können kaum über einzelne Linien, sondern nur über ein möglichst vielseitiges und gut funktionierendes Gesamtnetz abgedeckt werden.
Drei Fahrten pro Stunde einer Straßenbahnlinie mit jedoch leicht merkbaren und bequemen Umsteigebeziehungen zu vielen Zielen abseits der Linie können wesentlich attraktiver sein als ein 10-Minuten-Takt ohne vernünftige Anschlüsse. Selbst wenn beispielsweise für bestimmte Verbindungen ins Umland nur eine Abfahrt pro Stunde möglich ist, wird eine Wartezeit zu Hause oder am Arbeitsplatz sehr viel eher akzeptiert, als die heutige Ungewissheit an einer zugigen Umsteigehaltestelle. Im reinen Busverkehr sieht der Autofahrer übrigens deshalb keinen Vorteil, weil dieser auf den gleichen staugefährdeten Straßen wie er selbst verkehren muss.
Mit welchen Angeboten könnte die Tram attraktiver gemacht werden, gibt es erfolgreiche Beispiele anderer Städte?
Dazu muss man wissen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten in der Regel kostendeckend arbeiten. Das große Problem sind weite Teile des Tages, in denen es zu wenig Fahrgäste gibt. Das sind Gelegenheitsfahrer, die sich zwangsläufig weniger gut im Netz auskennen und dann bei kleinsten Problemen die Bahn meiden. Deshalb zielen die erfolgreichen Modelle anderer Städte immer darauf ab, über besonders einfache Tarife und leicht begreifbare Netzzusammenhänge den Zugang zu Bus und Bahn zu verbessern. Noch wirkungsvoller als allgemein günstige Tageskarten sind besondere Monats- oder Jahresangebote, weil sich die mitunter zögerliche Entscheidung für öffentliche Verkehrsmittel dann nicht dauernd neu stellen muss. So gibt es in anderen Städten Schülerkarten, die erst ab 14 oder 15 Uhr gelten und die gelebte Mobilität der Jugendlichen auf die Straßenbahn fixieren. Das bringt zusätzliche Einahmen und die überzeugten Kunden von morgen.
Es gibt in Cottbus einen Entwurf für einen Lärmaktionsplan, der vorsieht, fast alle großen Hauptstraßen rund um die Uhr oder nachts als Tempo-30-Zonen auszuweisen. Wie könnte sich die Tram optimal in ein solches Konzept einfügen?
Ein Verkehrsmittel, das auf Grund seiner Effizienz und seiner anerkannten Umweltfreundlichkeit Riesenvorteile gegenüber dem Individualverkehr hat, darf, ja muss bevorzugt werden. Eine Straßenbahn braucht an Ampeln sofort „Grün“, aber sie braucht dies nur sehr kurz. Sie nimmt also den Autofahrern nichts weg. Im Gegenteil, sie hilft den Autofahrern, weil die Straßenbahn in Cottbus - übrigens auch im Gegensatz zum Bus - den Autos kaum im Weg steht und die Straßen auf Grund ihres geringen Verkehrsflächenverbrauchs entlastet.
Im Lärmaktionsplan geht es ja nicht primär um die Reduzierung der Geschwindigkeit, sondern um die damit erhoffte Lärmreduzierung. Da sich der Cottbuser Verkehrsbetrieb in geradezu hervorragender Weise um den Einbau von Flüstergleisen verdient gemacht hat, kann die Straßenbahn von den geplanten Geschwindigkeitsreduzierungen ohne Schaden für die Umwelt ausgenommen werden. Cottbus hat mit der Schadstoffbelastung der Luft ein noch viel größeres Problem - und dafür gibt es kein besseres Gegenmittel als die schadstofffreie Straßenbahn.
Welche Möglichkeiten eines wirtschaftlichen Verbundes sehen Sie mit welchen Effekten im Zusammenhang mit anderen Straßenbahn-Städten in Berlin/Brandenburg?
Ein großer finanzieller Posten für die Verkehrsbetriebe ist die Vorsorge gegen Ausfälle von Fahrzeugen. Technik und Personal in Reserve zu halten, kostet viel Geld. Je kleiner das Unternehmen, umso stärker machen sich diese Kosten bemerkbar. Umso schwieriger ist es auch, in jedem Bereich des Betriebes das jeweils Optimale zu erreichen. Das fängt bei der Gleispflege an und hört bei der Fahrzeugbeschaffung noch lange nicht auf. Im Land Brandenburg gibt es mit Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg drei städtische Betriebe, deren Spurweite mit der so genannten Meterspur gleich ist und identische Fahrzeuge zulässt. Nicht nur damit wären erhebliche Synergieeffekte zu erzielen. Man könnte auch für jedes Unternehmen thematische Schwerpunkte setzen und sich in einem wirkungsvollen Verbund bei Beschaffung, Erhalt, Wartung und Organisation kostengünstig unterstützen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, dass die drei Verkehrsunternehmen räumlich voneinander getrennt liegen. Die Gleichheit der Infrastruktur ist entscheidend.
Mit Dieter Doege sprach Kathleen Weser.
Umstritten - Zukunft der Cottbuser Straßenbahn Klartext im rbb 25. März, 22.20 Uhr
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