Lausitzer Rundschau
Cottbus 02.04.2009
Cottbuser Tram-Happy-End mit Spazierfahrt
Cottbus Das ist ein Happy-End wie aus einem Hollywood-Streifen: Mit einer symbolischen Fahrt mit der Straßenbahn hat Oberbürgermeister Frank Szymanski (52, SPD) gestern das Votum der Cottbuser für eine zukunftsfähige Tram unterstrichen. Günter Weigel übergab dem Stadtoberhaupt die 10416 Unterschriften, die er bei Bürgern für den Bahn-Erhalt gesammelt hatte.
Günter Weigelhat die von ihm gesammelten Unterschriften für den Erhalt der Straßenbahn gestern Oberbürgermeister Frank Szymanski überreicht. "Ob der mir nun böse ist?" Rentner Günter Weigel (74) steht etwas verunsichert im Beratungszimmer des Rathauses Nummer 127 und wartet auf den Rathaus-Chef. Von diesem Eckzimmer schaut man direkt in Richtung Stadthalle. Straßenbahnen rattern über die Kreuzung. Weigel ist immer noch verwundert über die Resonanz auf seine Aktion: "So habe ich noch nie in der Öffentlichkeit gestanden." Und der Oberbürgermeister ist auch gar nicht böse. Im Gegenteil.
Die "gelebte Demokratie" seiner Cottbuser lobt Szymanski und betont immer wieder: "Wir arbeiten schließlich für die Bürger." Die hätten klar gesagt, was sie von einer Abschaffung der Bahn halten. In nicht einmal vier Wochen hatte Weigel seinen Unterschriftenstapel zusammen. Szymanski: "Danke für das Engagement."
Dann die Überraschung: Der Rathaus-Chef lädt den früheren Berufs-Straßenbahnfahrer Weigel zu einer kleinen Spritztour in der Tram ein. "Ich will nach Sandow fahren", sagt Szymanski. Da ist der OB aufgewachsen. Damals sei er noch viel mit der Bahn gefahren, erzählt er. Heute mache er das nicht mehr oft. Der OB ist leidenschaftlicher Radfahrer. Weigel würde sich dagegen gern selbst noch mal hinters Straßenbahnsteuer setzen, verrät er. Aber nicht in den neuen Bahnen. Die alte Traditionsbahn habe es ihm angetan.
"Es wird so viel an Häusern weggerissen", beschwert sich Weigel. Sandow hat sich verändert. Aber es wird auch neu gebaut. Szymanski deutet auf die neue Sporthalle nicht weit von der Sandower Wendeschleife. So funktioniere Stadtumbau. Der OB sagt: "Mit einer kleiner werdenden Stadt ist eben schwer umzugehen." Wenn die Stadtteile schrumpften, müse sich deshalb auch die Straßenbahn verändern. Diese Veränderung bedeute immer: Es muss Geld ausgegeben werden. Und wenn das passiert, muss es an der richtigen Stelle landen. Szymanski schränkt deshalb ein: "Die Entscheidung für die Bahn heißt nicht, dass alles bleibt wie es ist."
Von einer zukünftig attraktiveren Bahn mit drei starken Hauptstrecken spricht der OB und von den enormen Summen, die in eine gut funktionierende, wirtschaftliche Straßenbahn gesteckt werden müssten. Szymanski betont, wie wichtig der öffentliche Personennahverkehr für eine Stadt sei und erklärt: "Cottbusverkehr wird nicht verkauft."
Am meisten Grund zur Freude hat jedoch Marion Mitulski. Sie fährt die Fuhre mit OB und Günter Weigel samt Medientross durch Sandow und sagt selbstsicher: "Ich habe nie daran gezweifelt, dass die Entscheidung so fallen wird. Zur Straßenbahn gibt es keine Alternative." Zudem verspricht sie: "Wir werden jetzt immer besonders pünktlich sein." Szymanski lächelt und wünscht der Frau im Führerhaus noch einen schönen Tag.
Ausstieg im Sonnenschein vor der Stadthalle. Die Sonne strahlt. Zwei Mädchen kichern: "Guck mal unser Bürgermeister fährt Bahn." Noch einmal Blitzlicht und Fragen an den "Retter der Cottbuser Straßenbahn", wie jemand in die Runde wirft. Günter Weigel ist das ein bisschen peinlich. "Da bin ich wohl jetzt eine Cottbuser Persönlichkeit", sagt er und versucht entspannt in die Kamera zu lächeln.
Von Jan Selmons
© Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH 2007 - Alle Rechte vorbehalten. Abdruck hier im Forum mit Genehmigung der Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH
[
www.lr-online.de]
Lausitzer Rundschau
Cottbus 02.04.2009
Cottbuser suchen das ideale Verkehrskonzept
Cottbus Der Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) spricht von einer "ambitionierten Aufgabe", der CDU-Kreisgeschäftsführer Michael Schierack kündigt die Bildung einer Arbeitsgruppe an, AUB- und Linke wollen sich mit dem Thema beschäftigen und setzten auf die Mitarbeit der Einwohnerschaft: Die Suche nach dem idealen Verkehrskonzept für die Stadt Cottbus hat nach dem Bekenntnis zur Straßenbahn begonnen.
Die Ausgangslage ist schnell beschrieben: "Wir haben jedes Jahr ein kleines Stück vom Angebot reduziert, ohne eine wirkliche Strategie zu haben", sagt der Cottbuser Verwaltungschef.
"So geht es nicht weiter." Die Herausforderung bestehe nun darin, mit gleichbleibenden oder gar geringeren Zuschüssen aus dem Stadthaushalt Angebot und Service zu verbessern, um mehr Fahrgäste zu gewinnen.
Einen integrierten Taktfahrplan will die von der CDU ins Leben gerufene Arbeitsgruppe entwickeln, jeder Fahrgast soll danach zu jeder Zeit wissen, mit welchem Verkehrsmittel er am schnellsten an sein Ziel gelangen kann. "Unser Konzept soll Hand und Fuß haben, wir wollen nichts Abgehobenes, jeder ist aufgerufen, sich mit einzubringen", sagt Michael Schierack. Als Partner sei der Fahrgastverband ProBahn gewonnen, die Zeitschiene auf drei Monate festgesetzt worden.
"Wir haben derzeit mehrere Verkehrsknotensysteme in der Stadt – sinnvoll wäre es, einen Umsteigepunkt zu haben, das würde mehr Qualität bringen", sagt Karin Kühl (Linke). Gefragt sei eine Optimierung. "Es geht nicht so weiter wie bisher." Es müsse gelingen, noch mehr Cottbuser zu überzeugen, vom Auto in Bus und Bahn umzusteigen.
"Unter der Bedingung, dass die Bahn erhalten bleibt, sind wir für alle anderen Dinge offen", sagt AUB-Fraktionschef Torsten Kaps. Seit Jahren verfolgten die Aktiven Unabhängigen Bürger eine klare Strategie in Verkehrsfragen. Dazu gehöre zum Beispiel die Ablehnung von flächendeckenden Tempo-30-Abschnitten in der Stadt. Für die Weiterentwicklung des Personennahverkehrs werde jetzt in die Detaildiskussion gegangen.
Bis zum Sommer müsse das Konzept stehen – dann seien Entscheidungen über weitere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zu treffen, sagt SPD-Fraktionschef Werner Schaaf. "Der Bürger hat entschieden, die Straßenbahn ist sein geliebtes Kind, sie gehört zu Cottbus, künftig werden wir auch noch andere geliebte Kinder auf den Prüfstand stellen müssen", sagt Schaaf. Als weitreichendste Haushaltsentscheidung, die bisher getroffen worden ist, bezeichnet sein SPD-Kollege Reinhard Drogla das Pro-Bahn-Votum. Die Stadt übernehme mit dem Verzicht auf eine Privatisierung im Nahverkehr nicht nur die Verantwortung, sondern auch die Probleme. Entscheidungen, die jetzt getroffen würden, bestimmten die Richtung für die nächsten 40 Jahre.
Sven Hering
© Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH 2007 - Alle Rechte vorbehalten. Abdruck hier im Forum mit Genehmigung der Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH
[
www.lr-online.de]
Lausitzer Rundschau
Cottbus 02.04.2009
Neue Debatte über Strom-Busse für die Stadt Cottbus
Cottbus Fixe Idee oder ernsthafte Alternative. Experten sind sich uneins, ob in der Stadt Cottbus künftig Oberleitungsbusse fahren sollten.
Der vom CDU-Stadtverordneten Hagen Strese eingebrachte Vorschlag findet sowohl Befürworter als auch Widersacher.
Unterstützung für die Pläne signalisiert Dieter Doege, der Landesvorsitzende des Vereins Pro Bahn. Oberleitungsbusse könnten seiner Meinung nach die konventionelle Dieseltechnologie in der Stadt ablösen. "Wir reden nicht über ein drittes Verkehrssystem, sondern über einen Ersatz für den normalen Bus", so Doege. In ausgewählten Stadtteilen sollten nur noch elektrobetriebene Verkehrsmittel unterwegs sein, erklärt er und verweist auf die Feinstaubbelastung. Doege wünscht sich, dass die Industrie mit einsteigt und die technischen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden.
"Die Überlegungen einer Ergänzung der Cottbuser Straßenbahn durch Oberleitungsbusse seien sicher gut gemeint, soweit sie die Umweltverträglichkeit berücksichtigen", schreibt Ulrich Constantin. "Sie entbehren jedoch einer realen ökonomischen Grundlage", so Constantin. Der Cottbuser Ingenieur hat an der Dresdener Hochschule für Verkehrswesen studiert und jahrelang bei der Bahn gearbeitet. Nur drei Städte in Deutschland würden derzeit noch O-Busse betreiben: Solingen, Eberswalde und Esslingen. "In vielen anderen, wie Essen, Weimar, Suhl, Potsdam, Hoyerswerda wurden sie wegen zu hoher Kosten eingestellt." Wissenschaftliche Untersuchungen würden belegen, dass allein die Anschaffungskosten um 50 Prozent höher liegen als für Standard-Dieselbusse, sowohl bedingt durch die Kleinserien der Hersteller, als auch durch die sehr aufwendige Installation und Unterhaltung der erforderlichen Oberleitungen, die wesentlich komplizierter seien als bei Straßenbahnen. "Und das Bild unserer schönen Cottbuser Altstadt würde durch O-Bus-Oberleitungen ganz erheblich beeinträchtigt, zumal hier auch zum Teil sehr komplizierte Kreuzungen mit den bestehenden Straßenbahn-Oberleitungen erforderlich wären", schreibt Ulrich Constantin.
Laut Ulrich Constantin gibt es noch eine Erkenntnis, die durch die Praxis überall bestätigt wurde, wo sie bisher realisiert werden konnte: "Erhöht man die Taktfolge im ÖPNV, also häufigere Fahrten pro Stunde, und verringert man die Haltestellenabstände, so steigen die Fahrgastzahlen erheblich. Und das wollen doch sicher alle, der Cottbusverkehr und wir Cottbuser."
sh
© Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH 2007 - Alle Rechte vorbehalten. Abdruck hier im Forum mit Genehmigung der Lausitzer Rundschau Medienverlag GmbH
[
www.lr-online.de]