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Corona könnte längerfristig den ÖPNV schwächen
geschrieben von nicolaas 
Zitat
Heidekraut
Habe ich was übersehen? Bis her geht keiner darauf ein, was die Medizin sagt. Es müssen die Takte verdichtet werden, damit der Füllgrad der Fahrzeuge verringert wird um größere Abstände zu ermöglichen. Denn der ÖPNV scheint weiterhin eine der größten Ansteckungsquelle zu sein. Was sagt ihr dazu? Geht das überhaupt? Finanzierbar müsste es sein, denn in der Carona-Krise scheint alles irgendwie finanzierbar. Dass der Verkehr zurückgeht, scheint nicht auszureichen, zumal man das sofort mit dem Reflex beantwortet, den Takt auszudünnen, oder die Frequenz.

Tja, ich weiß nicht.
Die S-Bahn fährt ja nun fast noch im Normalbetrieb, und wenn ich die letzte Woche von und zur Spätschicht mit M/11+S1+S2 einmal quer durch die Stadt gefahren bin, waren pro Bus bzw. Viertelzug vielleicht 7-10 Leute anwesend. Abends brauchen wir über das Thema Abstand gar nicht reden, selbst meine einmalige U8 Fahrt abends war überhaupt kein Vergleich zu früher. Ausser die, die Zusammensitzen wollten, brauchte keiner Angst zu haben, in die Nähe von anderen zu kommen. Ausser beim ein-und aussteigen. Das kann man aber wohl nicht mit mehr Zügen beseitigen.

Wie das in der "richtigen" Hauptverkehrszeit aussieht, kann ich dadurch natürlich nicht sagen, aber tagsüber (9-13h) braucht man sicher keine weiteren Fahrten..
Peter Neumann hat viele der hier genannten Argumente aufgegriffen und daraus einen sehr schönen Artikel gestrickt. Leider ohne Lösungsstrategien aufzuzeigen:

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/warum-bvg-und-s-bahn-opfer-der-coronakrise-sind-li.80609
Ja, das kann alles so kommen, muss aber nicht. Denn mehr Platz ist auf den Straßen auch nach der Krise nicht. Abgase sind weiterhin ungesund (und töten übrigens auch). Und sobald man Kinos, Theater, Supermärkte für Wochenendeinkäufe oder Klubs besucht, macht es nun auch nichts mehr aus, ob man zwischendurch auch noch U-Bahn fährt.

Allerdings muss sich eben einiges ändern, und ich weiß, dass ich mich wiederhole: die Auslastung muss anders bestimmt werden und weniger wichtig sein. An entscheidenden Stellen in Verkehrsunternehmen müssen Menschen arbeiten, die es als ihre Aufgabe sehen, den ÖPNV zu fördern - die z.B. um höhere Kapazitäten lämpfen, um größere Abstände zwischen Fahrgästen zu ermöglichen.

Das Verhalten der BVG war jedenfalls in den letzten Wochen einfach kontraproduktiv. Erstmal das Angebot zusammenstreichen und dann schauen, wo man es doch wieder hochfahren müsste, war in einer Pandemiesituation grundfalsch. Und die hochgelobte Öffentlichkeitsarbeit der BVG hat auch völlig versagt, indem sie in eben dieser Pandemiesituation keine anderen Sorgen hatte als die chronische Angst, leere Luft zu transportieren.
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def
Ja, das kann alles so kommen, muss aber nicht. Denn mehr Platz ist auf den Straßen auch nach der Krise nicht.

Sicher ist auf den Straßen nachher auch nicht mehr Platz, aber vielerorts werden das auch die Busse zu spüren bekommen. Und wenn ich längere fahrzeuit wegen Stau mit einem mulmigen Gefühl wegen einer Ansteckung vergleiche, ahne ich, wofür sich viele Menschen wohl entscheiden werden.

Zitat
def
Abgase sind weiterhin ungesund (und töten übrigens auch).

Und das hat bisher wen interessiert?

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def
Und sobald man Kinos, Theater, Supermärkte für Wochenendeinkäufe oder Klubs besucht, macht es nun auch nichts mehr aus, ob man zwischendurch auch noch U-Bahn fährt.

So viel Vernunft und Logik zu erwarten, halte ich an dieser Stelle für töricht. Und das meine ich wirklich in keinster Weise scherzhaft. Mobilitätsentscheidungen sind nachweislich selten von logischen Entscheidungen geprägt. Es dominieren ganz andere Dinge. Sonst hätten 50% der Autobesitzuer ihr Gefährt wahrscheinlich schon verkaufen müssen.

Der ÖV wird über jahre hinweg in eine Krise stürzen, fürchte ich. Klar, wird er genutzt werden. Von denen, die nicht anders können. Es macht aber einen großen Unterschied, ob am Ende 27% der Wege oder doch nur 22% der Wege mit dem ÖV zurückgelegt werden. Das wäre ein Rückgang von einem Fünftel der Kunden, was ich angesichts der Lage für nicht unrealitisch halte. Das sind 300-400 Mio Fahrgäste weniger jedes Jahr (BVG und S-Bahn), die auf anderen Wegen mobil sein wollen.
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deejay
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def
Ja, das kann alles so kommen, muss aber nicht. Denn mehr Platz ist auf den Straßen auch nach der Krise nicht.

Sicher ist auf den Straßen nachher auch nicht mehr Platz, aber vielerorts werden das auch die Busse zu spüren bekommen. Und wenn ich längere fahrzeuit wegen Stau mit einem mulmigen Gefühl wegen einer Ansteckung vergleiche, ahne ich, wofür sich viele Menschen wohl entscheiden werden.

Irgendwann hat das ganze aber auch ein Ende, einfach, weil irgendwann die Kapazitäten des Straßennetzes erschöpft sind - und m.E. gerade dort, wo viel los ist, Ausbauten auch kaum durchsetzbar sind.

Zugleich denke ich, dass dann der Eindruck von Corona auch langsam verblasst. Auch Weihnachtsmärkte wurden nach 2016 noch besucht. Nach dem 11. September 2001 wurde noch geflogen. Und auch Terroranschläge auf den ÖPNV gab es ja in den letzten 20 Jahren durchaus einige, wenn auch nicht in Deutschland, aber in Europa. Weder in London noch in Madrid sind die Bahnen deshalb nicht mehr überfüllt.

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deejay
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def
Abgase sind weiterhin ungesund (und töten übrigens auch).

Und das hat bisher wen interessiert?

Die EU zum Beispiel.

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deejay
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def
Und sobald man Kinos, Theater, Supermärkte für Wochenendeinkäufe oder Klubs besucht, macht es nun auch nichts mehr aus, ob man zwischendurch auch noch U-Bahn fährt.

So viel Vernunft und Logik zu erwarten, halte ich an dieser Stelle für töricht. Und das meine ich wirklich in keinster Weise scherzhaft. Mobilitätsentscheidungen sind nachweislich selten von logischen Entscheidungen geprägt. Es dominieren ganz andere Dinge. Sonst hätten 50% der Autobesitzuer ihr Gefährt wahrscheinlich schon verkaufen müssen.

Klar. Aber es sollte jedem, dem ein guter ÖPNV am Herzen liegt, daran liegen, die Ängstlichen daran zu erinnern (ja, auch im Einzelgespräch, wenn es im Umfeld auftaucht). Nebenbei gab es ja auch bisher viele, die den ÖPNV aus Angst nicht benutzt haben (Stichwort: subjektives Sicherheitsgefühl). Viele von denen, die unter Bezug auf Corona Auto fahren, werden schlicht die Ausrede gewechselt haben.

Noch törichter fände ich es, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und die nächsten 20 Jahre rumzumaulen, wie böse alle sind. Wie gesagt: auch für den ÖPNV ist die Krise eine Chance. Wenn er geschickt argumentiert ("Wir brauchen mehr Kapazitäten, um unseren Fahrgästen mehr Platz zu bieten!"), wenn die Wirtschaft wieder für Investitionen in Schwung gebracht werden soll. Ich bin mir allerdings wirklich nicht sicher, ob die opportunistischen Gestalten, die bei vielen Verkehrsunternehmen in leitenden Positionen sind, dazu fähig sind oder überhaupt Interesse haben...

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def
Der ÖV wird über jahre hinweg in eine Krise stürzen, fürchte ich. Klar, wird er genutzt werden. Von denen, die nicht anders können. Es macht aber einen großen Unterschied, ob am Ende 27% der Wege oder doch nur 22% der Wege mit dem ÖV zurückgelegt werden. Das wäre ein Rückgang von einem Fünftel der Kunden, was ich angesichts der Lage für nicht unrealitisch halte.

Angesichts des Zustandes von BVG und S-Bahn wäre das für ein paar Jahre vielleicht auch nicht das schlechteste. Einen Fahrzeugmangel haben ja beide. So drastisch wird es aber m.E. nicht kommen, wie gesagt: der Mensch vergisst schnell.

Die Verkehrspolitik sollte außerdem alles dafür tun, dass diejenigen, die dann eine Zeit lang nicht öffentlich fahren, dann wenigstens innerhalb des Umweltverbundes bleiben, sprich: Fuß- und Radwege ausbauen. Die sind m.E. auch leichter zurückzugewinnen.

Viel wird außerdem davon abhängen, wie sich der Tourismus erholt. Denn da ist in einer flächenmäßig großen Stadt wie Berlin der Modal-Split-Anteil des ÖPNV m.E. höher als bei der hier lebenden Bevölkerung.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.04.2020 20:25 von def.
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def
Ja, das kann alles so kommen, muss aber nicht. Denn mehr Platz ist auf den Straßen auch nach der Krise nicht. Abgase sind weiterhin ungesund (und töten übrigens auch). Und sobald man Kinos, Theater, Supermärkte für Wochenendeinkäufe oder Klubs besucht, macht es nun auch nichts mehr aus, ob man zwischendurch auch noch U-Bahn fährt.

Allerdings muss sich eben einiges ändern, und ich weiß, dass ich mich wiederhole: die Auslastung muss anders bestimmt werden und weniger wichtig sein. An entscheidenden Stellen in Verkehrsunternehmen müssen Menschen arbeiten, die es als ihre Aufgabe sehen, den ÖPNV zu fördern - die z.B. um höhere Kapazitäten lämpfen, um größere Abstände zwischen Fahrgästen zu ermöglichen.

Das Verhalten der BVG war jedenfalls in den letzten Wochen einfach kontraproduktiv. Erstmal das Angebot zusammenstreichen und dann schauen, wo man es doch wieder hochfahren müsste, war in einer Pandemiesituation grundfalsch. Und die hochgelobte Öffentlichkeitsarbeit der BVG hat auch völlig versagt, indem sie in eben dieser Pandemiesituation keine anderen Sorgen hatte als die chronische Angst, leere Luft zu transportieren.

Ist schon seltsam... Herr Neumann geht davon aus, dass wir wieder fliegen werden, "Wenn Fernreisen aber wieder möglich sind, werden die, die es sich leisten können, wieder fliegen – allein schon aus Freude an wiedergewonnener Normalitzät." Aber ich soll mich dann statt mich an eben dieser wiedergewonnenen Normalität zu erfreuen mich mit meinem Auto in den dann folgenden Stau stellen und irgendwohin fahren, wo es keine Parkplätze gibt und dann? Stellen die Autofahrer aus Virenschutzgründen die Stadt endgültig zu? Alle Gehwege? Alle Radwege? Aber natürlich auf keinen Fall die linke Fahrspur? Und dann wundern sich die Leute über Kratzer im Lack? Über den Superstau? Die Feuerwehr wird begeistert sein!

Gruß Nemo
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Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
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Nemo
Ist schon seltsam... Herr Neumann geht davon aus, dass wir wieder fliegen werden, "Wenn Fernreisen aber wieder möglich sind, werden die, die es sich leisten können, wieder fliegen – allein schon aus Freude an wiedergewonnener Normalitzät." Aber ich soll mich dann statt mich an eben dieser wiedergewonnenen Normalität zu erfreuen mich mit meinem Auto in den dann folgenden Stau stellen und irgendwohin fahren, wo es keine Parkplätze gibt und dann?

Du deutest noch ein weiteres Thema an - nämlich die Schwierigkeit, Gewohnheiten zu ändern, auch im Mobilitätsverhalten. Ist das normalerweise eher nachteilig für den ÖPNV (bzw. für den Umweltverbund als Ganzes), könnte sich im konkreten Fall aber als Vorteil herausstellen.

Zitat
Nemo
Stellen die Autofahrer aus Virenschutzgründen die Stadt endgültig zu? Alle Gehwege? Alle Radwege?

Das bringt mich auf einen weiteren Gedanken: nämlich, dass Corona sogar für den Autoverkehr Nachteile haben könnte. Auf den wenigsten Bürgersteigen dieser Stadt kann man nämlich einen entsprechenden Sicherheitsabstand zu entgegenkommenden Passanten einhalten (geschweige denn, in Ruhe mit jemandem sich unterhaltend spazieren gehen und dann noch jemandem mit gebotenem Abstand ausweichen). Und warum? Weil ein Großteil des Straßenraums kostenlos oder allenfalls zu einem Spottpreis dem Autoverkehr hinterhergeschmissen wird! Selbst in gründerzeitlichen Wohngebieten ist es akzeptiert, dass Fußgänger/innen einander ausweichen müssen, während nebenan Autofahrende statistisch gesehen in vier von fünf Fällen einen freien Platz neben sich herfahren, sich dabei mehr oder weniger problemlos begegnen können, und dann auch noch Autos am Straßenrand abgestellt sind.

Es ist ein äußerst günstiger Moment dafür, diesen Verscherbeln des kostbaren Straßenraums an die ineffizienteste Mobilitätsform in Frage zu stellen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.04.2020 21:48 von def.
Zitat
def
Es ist ein äußerst günstiger Moment dafür, diesen Verscherbeln des kostbaren Straßenraums an die ineffizienteste Mobilitätsform in Frage zu stellen.

Hinzu kommt die finanzielle Situation der öffentlichen Hand, die die Finanzler für die eine oder andere zusätzliche Einnahmequelle offener machen dürfte. Wenn man den zuschussbedürftigen Stadtverkehr durch interne Querfinanzierungen kostensparender machen kann, wird man dies vielleicht eher tun. Dies könnte z.B. die angedachte Citymaut zur Finanzierung der innerstädtischen Verkehrswende sein.
Zitat
def
Allerdings muss sich eben einiges ändern, und ich weiß, dass ich mich wiederhole: die Auslastung muss anders bestimmt werden und weniger wichtig sein.

Die durchschnittliche Auslastung der BVG-Verkehrsmittel beträgt seit Jahrzehnten unter 20%, siehe unten die Zahlen aus dem letzten verfügbaren BVG-Geschäftsbericht 2018. Das Problem ist nur, diese gleichmäßig über die Betriebsbereiche, den Tag und die Woche und das Jahr zu verteilen. In der Hauptverkehrszeit ist die Auslastung zwangsläufig höher, weil das Fahrtenangebot aufgrund begrenzter Möglichkeiten beim Personal- und Fahrzeugbestand, sowie Kapazitäten der Verkehrswege den Bedarf nicht um das Fünffache übersteigen kann. ÖPNV ist nun mal Sammelbeförderung. Der Trendumkehr zum eigenen Auto können die Verkehrsunternehmen in solchen hysterischen Krisenzeiten nichts entgegensetzen.
Da die Einnahmen zu 90% weggebrochen sind und sich die Fahrgastzahlen zu 75% verringert haben, fehlt die finanzielle Basis für Gegenmaßnahmen, etwa niveauvolle Werbung, zusätzliche Angebote und bessere Bezahlung der Mitarbeiter. Sobald es der Wirtschaft wieder gut geht, sind auch die Arbeitskräfte weg.

so long

Mario


Mit solchen Zahlen zu arbeiten ist genau so dämlich wie anzunehmen, man könne derzeit alle U-Bahnlinien auf EIN Niveau herunterfahren.

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Philipp Borchert
Mit solchen Zahlen zu arbeiten ist genau so dämlich wie anzunehmen, man könne derzeit alle U-Bahnlinien auf EIN Niveau herunterfahren.

Richtig. Es war mir ja in den letzten Tagen fast schon peinlich, darauf immer wieder hinweisen - aber die Auslastung, wie sie heute gemessen wird, ist eine Zumutung. Das war sie auch schon vor der Corona-Krise. Es ist doch absolut krank, dass ein Bus oder ein Bahn erst dann als voll gilt, wenn die Sitzplätze belegt sind und ganze vier Menschen auf einem Quadratmeter stehen. Das muss endlich geändert werden, und wenn dann für die Statistik eben viele Fahrzeuge mit einem Füllungsgrad von 200 oder 300 % unterwegs sind. Es gibt kaum etwas Schädlicheres als falsche und/oder falsch priorisierte Kennzahlen. Denn sie sind Grundlage für falsche Entscheidungen.

Übrigens, selbst wenn man von der durchschnittlichen Auslastung mit der heutigen Berechnungsmethode ausgeht:

Ein durchschnittlich ausgelasteter 12-m-Bus (also mit 14 von 70 theoretisch möglichen Fahrgästen) ersetzt zehn durchschnittlich ausgelastete Pkws. Selbst wenn man naiverweise davon ausgeht, dass das alles Kleinwagen sind, sind wir hier bei einer Länge von 40 m (Abstand zwischen ihnen noch gar nicht mitgerechnet).

Ein durchschnittlich ausgelasteter Flexity F8Z (also mit 49 Fahrgästen) mit 40 m Länge ersetzt durchschnittlich besetzte 36 Autos (ausgehend von Kleinwagen über 140 m Länge).



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 07.04.2020 07:18 von def.
Zitat
def

(...) Es war mir ja in den letzten Tagen fast schon peinlich, darauf immer wieder hinweisen - aber die Auslastung, wie sie heute gemessen wird, ist eine Zumutung. Das war sie auch schon vor der Corona-Krise. Es ist doch absolut krank, dass ein Bus oder ein Bahn erst dann als voll gilt, wenn die Sitzplätze belegt sind und ganze vier Menschen auf einem Quadratmeter stehen. Das muss endlich geändert werden, und wenn dann für die Statistik eben viele Fahrzeuge mit einem Füllungsgrad von 200 oder 300 % unterwegs sind. Es gibt kaum etwas Schädlicheres als falsche und/oder falsch priorisierte Kennzahlen. Denn sie sind Grundlage für falsche Entscheidungen.

(...)

Ein durchschnittlich ausgelasteter 12-m-Bus (also mit 14 von 70 theoretisch möglichen Fahrgästen) ersetzt zehn durchschnittlich ausgelastete Pkws. Selbst wenn man naiverweise davon ausgeht, dass das alles Kleinwagen sind, sind wir hier bei einer Länge von 40 m (Abstand zwischen ihnen noch gar nicht mitgerechnet).

Ein durchschnittlich ausgelasteter Flexity F8Z (also mit 49 Fahrgästen) mit 40 m Länge ersetzt durchschnittlich besetzte 36 Autos (ausgehend von Kleinwagen über 140 m Länge).

Ich denke, man sollte mindestens die zusätzliche Veröffentlichung der auf die Sitzplätze bezogenen Auslastungszahlen verlangen. Wählt man ein besonders ungünstiges Beispiel, nämlich die Baureihe IK der Berliner U-Bahn (72 Sitz- und 258 Stehplätze, insgesamt also 330 Plätze je Vierwagenzug), ist ein nach den "offiziellen" Zahlen zu 20% ausgelasteter Achtwagenzug immerhin mit 132 von 660 Plätzen besetzt - bezogen auf die lausige Sitzplatzzahl von 144 ergibt sich also eine Auslastung von satten 91,66..%.

Natürlich würde der Bus wegen des relativ höheren Sitzplatzanteils besser abschneiden als die Bahnen, nicht nur bei den Doppeldeckern. Dennoch: In der öffentlichen Wahrnehmung wäre die Aussage, die Verkehrsmittel der BVG seien zu 70% ausgelastet, und nicht nur zu 20%, eine ganz andere - der öffentliche Verkehr würde sich nicht mehr mit Propagandaaussagen gegen sich selbst öffentlich die Beine weghauen.
Zitat
Marienfelde
Natürlich würde der Bus wegen des relativ höheren Sitzplatzanteils besser abschneiden als die Bahnen, nicht nur bei den Doppeldeckern. Dennoch: In der öffentlichen Wahrnehmung wäre die Aussage, die Verkehrsmittel der BVG seien zu 70% ausgelastet, und nicht nur zu 20%, eine ganz andere - der öffentliche Verkehr würde sich nicht mehr mit Propagandaaussagen gegen sich selbst öffentlich die Beine weghauen.

Genau das ist das Problem, das ich damit habe. Der derzeitige Wert "Auslastung" ist einfach zu abstrakt und für die Öffentlichkeitsarbeit praktisch unbrauchbar, gar schädlich. Wenn man jemanden fragt, wie viele Fahrgäste er in einem zu 20 % ausgelasteten Standardlinienbus vermutet, werden die wenigsten 14 antworten, sondern deutlich weniger. Ein paar wenige werden vielleicht noch auf zehn kommen, die Mehrheit sicher eher auf einen mittleren einstelligen Wert.
Zitat
def
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Marienfelde
Natürlich würde der Bus wegen des relativ höheren Sitzplatzanteils besser abschneiden als die Bahnen, nicht nur bei den Doppeldeckern. Dennoch: In der öffentlichen Wahrnehmung wäre die Aussage, die Verkehrsmittel der BVG seien zu 70% ausgelastet, und nicht nur zu 20%, eine ganz andere - der öffentliche Verkehr würde sich nicht mehr mit Propagandaaussagen gegen sich selbst öffentlich die Beine weghauen.

Genau das ist das Problem, das ich damit habe. Der derzeitige Wert "Auslastung" ist einfach zu abstrakt und für die Öffentlichkeitsarbeit praktisch unbrauchbar, gar schädlich. Wenn man jemanden fragt, wie viele Fahrgäste er in einem zu 20 % ausgelasteten Standardlinienbus vermutet, werden die wenigsten 14 antworten, sondern deutlich weniger.

Zumal es ja parallel und gleichzeitig verschiedene Definitionen gibt; bei der Eisenbahn bezieht sich die Auslastung ja eher auf Sitzplätze.
Bitte auch beachten wie die Unternehmen die Stehplätze definieren! Da gibt es sicher Unterschiede.

Nicht alle Fahrgäste sind gertenschlank oder ohne Gepäck etc.pp unterwegs.

Ist wie aktuell im Einzelhandel.
Manches Unternehmen rechnet mit einem Kunden pro 10 qm, ein anderer mit 20 qm, was nicht überall auch so kommuniziert wird.
"Streeck: Unsere vorläufigen Daten geben ja zumindest Hinweise darauf, dass das Virus eher nicht über Oberflächen, sondern bei engem Kontakt übertragen wird. Und der Fall bei München, also der deutschlandweit erste, deutet in eine ähnliche Richtung. Die Mitarbeiterin des Autozulieferers aus China hat bei ihrem Besuch nur Kollegen angesteckt, mit denen sie recht eng zusammengearbeitet hat. Es gab keine Übertragung im Restaurant, der Taxifahrer hat sich nicht infiziert und niemand in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das, obwohl diese Frau hochinfektiös gewesen zu sein scheint."

So äußert sich Hendrik Streeck, ein Virologe der Universität Bonn, der sich mit seinem Team in Gangelt im Kreis Heinsberg zur Zeit mit der Ausbreitung des "Corona-Virus" beschäftigt. Hier ein Link für Interessierte: [www.zeit.de]
Zitat
micha774
Manches Unternehmen rechnet mit einem Kunden pro 10 qm, ein anderer mit 20 qm, was nicht überall auch so kommuniziert wird.

Die 10 qm sind in manchen Bundesländern in den entsprechenden Verordnungen festgeschrieben, die 20 qm sind wohl eher eine freiwillige Selbstbeschränkung, die auch dazu dienen kann, Ungenauigkeiten bei einer Zählung auszugleichen, so dass die 10 qm wenigstens sicher eingehalten werden.

Lekkerland als Dienstleister für den kleineren Einzelhandel hat die Länderregelungen zusammengefasst gegenübergestellt: [www.lekkerland.de]

Eine exakt herleitbare Zahl dafür ist ohnehin schwierig zu ermitteln. Was noch geht, ist auszurechnen, wie viele Menschen mit und ohne entsprechendem Sicherheitsabstand in einen Raum passen können:
Diese Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Körpermaße [iba.online] . Ein eher voluminöser Mensch (95% aller Männer und ein höherer Anteil aller Frauen haben kleinere Maße) hat eine Tiefe von 38 cm und eine Breite von 55,5 cm. Ein wenig voluminöser Mensch (95% aller Frauen und ein höherer Anteil aller Männer haben größere Maße) hat eine Tiefe von 24,5 cm und eine Breite von 39,5 cm.

Rechnet man näherungsweise mit einer Ellipsenform an Platzbedarf ergibt sich für den kleineren Körper ein Platzbedarf von 0,08 qm und für den größeren einer von 0,17 qm. Man bekommt also 6 bis 13 dieser Körper auf einen qm.

Schlägt man in jede Richtung 75 cm drauf (wenn jeder seine eigenen 75 cm Abstand um sich hat, sind es bei Begegnungen 1,5 m) ergibt dies eine Fläche von 0,89 qm für den kleinen Körper und 1,16 qm für den großen Körper. Der Flächenbedarf steigt somit um den Faktor 7 bis 12, bis zum gesetzlichen Mindestmaß von 10 qm pro Person ist aber noch ein reichlicher Puffer.

Den benötigt man aber auch, da ja ein nicht unerheblicher Bereich im Einzelhandel für Regale, abgestellte Ware usw. draufgeht und vor allem die Abmessungen einen Abstand teils nicht zulassen, auch wenn es rechnerisch passen würde. So kann man in einem Bus z.B. den Abstand von 1,5 Metern zu sitzenden anderen Fahrgästen kurzzeitig nicht einhalten, wenn man im Gang an ihnen vorbei geht, selbst wenn diese auf den Fensterplätzen sitzen. Ebenso gibt es in Supermärkten Begegnungen zwischen zwei Regalen, die auch die 1,5 Meter Abstand einhalten können. Dazu bräuchte man theoretisch bei Gangbreiten unter 2 Metern ein Einbahnsystem innerhalb des Marktes.
Zitat
Lopi2000
Rechnet man näherungsweise mit einer Ellipsenform an Platzbedarf ergibt sich für den kleineren Körper ein Platzbedarf von 0,08 qm und für den größeren einer von 0,17 qm. Man bekommt also 6 bis 13 dieser Körper auf einen qm.

Dieses Rechenbeispiel muß wohl der Verfasser des Schildes im Aufzug "meines" Wohnhauses herangezogen haben. Es wird darum gebeten, den Aufzug maximal zu zweit zu betreten und darin 2 m Abstand zueinander zu halten. Ich bezweifle allerdings, daß der Aufzug überhaupt 2 m mißt.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Ist denn bei der Berechnung von Kapazitäten bei Bus und Bahn die gesamte Fläche verrechnet worden oder berücksichtigt man, dass Gänge sowie Aus-und Eingänge frei bleiben, um einen kurzfristigen Fahrgastwechsel zu ermöglichen?

Das ist jetzt eher eine rhetorische Frage, die zeigen sollte, dass hier gewisse Mindest-Standards festgelegt werden sollten.

Genauso weltfremd finde ich Regelungen, wonach Verkehrsmittel einige Minuten verzögert ankommen dürfen und erst ab einem großzügigen Wert als verspätet gelten. Oft kann hierbei trotz pünktlich gewerteter Ankunft das Umsteigen nicht gelingen, da für das Anschlussverkehrsmittel die Zeit bis zur gewerteten Verspätung nicht wartet. Sprich: Darf ein Verkehrsmittel bis zu x Minuten verzögert ankommen, bis es als verspätet gilt, dann sollte diese Zeit für‘s Umsteigen mit eingerechnet werden. Oder es gilt eben alles als unpünktlich, sobald der Anschluss nicht erreicht werden kann.
Zitat
DaniOnline
Genauso weltfremd finde ich Regelungen, wonach Verkehrsmittel einige Minuten verzögert ankommen dürfen und erst ab einem großzügigen Wert als verspätet gelten. Oft kann hierbei trotz pünktlich gewerteter Ankunft das Umsteigen nicht gelingen, da für das Anschlussverkehrsmittel die Zeit bis zur gewerteten Verspätung nicht wartet. Sprich: Darf ein Verkehrsmittel bis zu x Minuten verzögert ankommen, bis es als verspätet gilt, dann sollte diese Zeit für‘s Umsteigen mit eingerechnet werden. Oder es gilt eben alles als unpünktlich, sobald der Anschluss nicht erreicht werden kann.

Der einzig wirklich sinnvolle Indikator zur Erfassung der Pünktlichkeit ist die Fahrgastpünktlichkeit am Ziel (allerdings auch schwerer zu erfassen). Es hilft niemanden etwas, wenn ein stündlich verkehrender Regionalbus (der auch keine anderen Anschlüsse bekommen muss) pünktlich am Bahnhof abfährt, wenn der Zug 10 min Verspätung hat und Umsteigende nur die Rücklichter sehen.
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