Moin !
Aus heute aktuellem Anlass möchte ich die Beantwortung von Boris seiner Frage vertagen. Die Messe in Sachen Linientausch ist ja ohnehin gelaufen. Statt dessen nehme ich Bezug auf die Beiträge der vorherigen Seite bezüglich des sonntäglichen 5-Minuten-Taktes auf der Linie U3 im sogenannten Sommerhalbjahr.
Dieser Takt verdeutlicht mal wieder die Kuriosität, dass es erheblich einfacher zu sein scheint, eine planmäßige Taktverdichtung oder den planmäßigen Einsatz längerer Züge zu bestellen, als diese Takt- oder Zuglängen-Verstärkung gezielt nur für die Zeiten zu bestellen, wo sie am dringendsten nötig sind.
Ich vermute, dass eine feste planmäßige Bestellung derartiger Verstärkung organisatorisch und abrechnungstechnisch einfacher ist, aus Sicht einer Bürokratenseele allemal.
Es ist ja auch ein erheblicher, lang ersehnter Fortschritt, wenn auf Überfüllungs-Situationen reagiert wird. Lieber eine Verstärkung, die immer statt findet, auch wenn sie oftmals nicht nötig ist, als eine Verstärkung, die unterbleibt, wenn sie dringendst vonnöten ist.
Nur wird dies ärgerlich, wenn es weiterhin regelmäßig vorhersehbare Überfüllungssituationen gibt, bis hin, dass Fahrgäste über mehrere Takt-Intervalle hinweg auf den Bahnsteigen fest sitzen. Für eine gezielte Verstärkung zu den Zeiten der größten Überfüllungen wären erheblich weniger Leistungen notwendig, als sie für die jüngsten Taktverdichtungen und Zuglängenverlängerungen erfolgen.
Und was hat das nun ausgerechnet mit dem sonntäglichen 5-Minuten-Takt auf der U3 zu tun? Dieser wird doch nur im Sommerhalbjahr gefahren, also offensichtlich, wie von mir gewünscht, nur dann, wenn er nötig ist. Und die unterschiedliche Dauer dieses 5-Minuten-Taktes auf den beiden Fahrtrichtungen sieht ja wirklich nach einer ganz gezielt bedarfsgerechten Verstärkung aus. Insofern ist bezüglich dieser Taktverdichtung meine Kritik ja nun wirklich nicht zutreffend ... sieht zumindest danach aus.
Weit gefehlt!
An den Sonntagen des Winterdoms (ohne 5-Minuten-Takt) sind deutlich mehr Fahrgäste auf der U3 unterwegs als an etlichen Sonntagen des Sommerhalbjahres (mit 5-Minuten-Takt).
Es mag sein, dass die sonntägliche Belastung dieser Linie durch Touristen und Ausflügler im Sommerhalbjahr ähnliche Größenordnungen annimmt wie die Belastung durch Winterdom-Besucher. Nur sind an den Sonntagen zu Zeiten des Winterdomes ja auch noch etliche Touristen und Ausflügler auf dieser Linie unterwegs. Und diese Fahrgastzahlen werden im Verlauf der Winterdom-Sonntage (mit Fortschreiten des Winters) auch nicht weniger, da ja an den letzten zwei Sonntagen des Winterdoms gleichzeitig auch die Weihnachtsmärkte stattfinden. Diese "belasten" die U3 mit zusätzlichen Fahrgästen, ebenso wie die an zwei dieser Sonntagen stattfindende Messe "Du und Deine Welt". Und die Veranstaltungen Dom, Weihnachtsmarkt und Messe ziehen ja auch ihrerseits wieder Touristen an, welche diese Veranstaltungsorte sowie andere Sehenswürdigkeiten mithilfe der U3 abklappern.
Aber die U3-Fülle an den Sonntagen des Winterdoms ist Pippifax gegenüber den Überfüllungen bei einer anderen Veranstaltungsart, die bekanntlich ebenfalls keine fünfmonatige Winterpause kennt. Die Rede ist natürlich von voller Hütte bei Pauli (übersetzt: das in der Regel ausverkaufte Fußballspiel des FC St. Pauli). Die Nicht-Verstärkung des 10-Minuten-Taktes bei der Hinfahrt zum Spiel birgt das Risiko für die Fahrgäste, sich nicht in die Züge reinquetschen zu können. Kommen Faktoren für eine erhöhte Anzahl von Fahrgästen auf der U3 hinzu, besteht für einen Teil der Fahrgäste sogar die Gewissheit, während der Zeit der Pauli-Hinfahrt über einen längeren Zeitraum nicht in die Züge hinein zu passen. Bei der Rückfahrt wird zwar verstärkt, aber oftmals zu wenig. Das wird man heute höchstwahrscheinlich auch wieder sehen können, obwohl es eine leichte Linderung durch die momentan reduzierte Zuschauerzahl geben wird. (Es wär schon mal gut, wenn heute nicht wieder Standardbusse anstatt von Gelenkbussen auf dem SEV Berliner Tor - Rathaus eingesetzt werden, und dann auch noch ohne Bereitschaftswagen vor Ort. Dies war beim Pauli-Spiel im Februar 2008 tatsächlich der Fall. An den SEV-Sonntagen ohne Pauli-Spiel fuhren hingegen Gelenkbusse plus bereit stehende Bereitschaftswagen. Auch nicht gerade unkurios.)
Hierzu muss ich einschränkend sagen, dass ich auf dem Kenntnis-Stand von Ende Mai letzten Jahres bin. Sollte mittlerweile eine Ausweitung der Pauli-Verstärkungsfahrten eingetreten sein (bzw. bei der Hinfahrt ein überhaupt-erst-Erfolgen von Verstärkungsfahrten), so bitte ich, dies hier mitzuteilen. Das wäre dann natürlich begrüßenswert, aber zugleich wiederum kurios, weil zu spät erfolgend. Denn in besonderem Maße nötig wäre eine Verstärkung bei der Hinfahrt zum Pauli-Spiel ja bis Mai letzten Jahres gewesen, und nicht danach. Stichworte: Mehrbelastung durch die U2-Sperrung, und in den Zeiten vor der U2-Sperrung das immer wieder stattfindende Rumgurken von Solo-DT4 auf den Planfahrten des 10-Minuten-Taktes zu den unangebrachtesten Uhrzeiten. Zuzüglich gab es November/Dezember 2008 drei Pauli-Spiel-Sonntage mit vorhersehbar deutlich erhöhtem Fahrgastandrang bei der Anreise von Norden. Zuerst gab es eine Sperrung Berliner Tor - Rathaus, dann zwei Termine mit baubedingten Umleitungen der meisten S-Bahnen über Sternschanze. Somit bestand von Anfang November 2008 bis Ende Mai 2009 zwingend ein Verstärkungsbedarf bei der Hinfahrt zum Pauli-Spiel, da vorhersehbar war, dass ohne Verstärkung nicht alle Fahrgäste mitkommen würden, was sich denn auch bewahrheitet hat. Zuletzt gesehen: Ende Mai 2009 (wie ich es hier im Februar 2009 bereits prognostiziert hatte).
Soweit zu den Verkehrstagen des 5-Minuten-Taktes. Und wie sieht es mit der tageszeitlichen Verkehrszeit dieses 5-Minuten-Taktes aus, an den Tagen des Sommerhalbjahres, an denen er verkehrt? Verkehrt er dann wenigstens zu den Zeiten, zu denen er am dringendsten nötig ist?
Leider auch nein. Zu Pauli-Spielen wird auch im Sommerhalbjahr unvermindert per U-Bahn angereist. Bei der Anfahrt von Süden (aus Richtung Hauptbahnhof) ist die erste der fünf vollsten Fahrten die letzte Fahrt vor Beginn des 5-Minuten-Taktes. Und auch mehrere davor verkehrende Fahrten sind natürlich stark mit Pauli-Fans besetzt. Hinzu kommen dann noch Touristen und Ausflügler, die ja auch nicht alle bis zu Beginn des 5-Minuten-Taktes mit ihrem Fahrtantritt warten. Ich schätze mal, dass auf dieser Relation (Hauptbahnhof bis St. Pauli) an Pauli-Spiel-Sonntagen mindestens die letzten drei 10-Minuten-Intervalle vor Beginn des 5-Minuten-Taktes einen höheren Fahrgastandrang haben, als den ganzen Mittag/Nachmittag danach (sofern kein Dom ist). Allerdings ist ein länger andauerndes Nicht-Reinpassen unwahrscheinlich. Hinter der überfülltesten Fahrt folgt ja 5 Minuten später der erste planmäßige Zwischenzug. Trotzdem wahrlich nicht optimal.
Erheblich krasser sieht es jedoch bei der Anfahrt von Norden aus. Die letzte der fünf überfülltesten Fahrten verkehrt bereits 15 Minuten vor dem ersten planmäßigem Zwischenzug. Bis dieser erste Zwischenzug fährt, haben bereits die beiden letzten, nicht mehr so überfüllten Züge des 10-Minuten-Taktes den Fahrgastüberhang aus der Zeit davor abgeräumt. Daher müssen die Fahrgäste auch während des Sommerhalbjahres unvermindert damit rechnen, an Pauli- Spiel- Sonntagen bei der Anfahrt von Norden über einen längeren Zeitraum auf den Bahnsteigen verharren zu müssen. Sie müssen dies sogar noch häufiger als im Winterhalbjahr, weil auch auf dieser Relation im Sommerhalbjahr vermehrt Ausflügler und Touristen unterwegs sind, von denen viele nicht den Beginn des 5-Minuten-Taktes abwarten, weil es vermehrt weitere "Events" gibt, und weil es vermehrt Streckensperrungen/Umleitungen von Bahn- und Buslinien gibt, die der U3-Nordwest zusätzliche Fahrgäste zuschanzen. "Zum Augleich" wird dann mit Beginn des Pauli-Spiels auf der selben Relation viel Luft im 5-Minuten-Takt befördert (sofern kein Dom ist). Das erinnert fast schon an die 90er Jahre, als jahrelang bei der Anfahrt von Norden Sonntags nur die planmäßigen 4 Wagen DT2 fuhren, selbst bei voller Hütte auf Pauli und gleichzeitig stattfindender Dom-Anreise (eine Konstellation, bei der die Fahrgäste nicht einmal in 6 Wagen reingepasst wären). Ganz am Ende kam damals dann ein einziger Verstärker bis St. Pauli, 55 Minuten (!) nach dem ersten Nicht-Reinpassen. Während des Spiels fuhren dann planmäßig 6-Wagen-Züge. Übringens war und ist das nicht die einzige derartige Konstellation.
Sollte man übrigens bei der Planung dieses sonntäglichen 5-Minuten-Taktes auf der U3 die Vorverlegung der Anstoßzeit von 14.00 Uhr auf 13.30 Uhr nicht auf dem Schirm gehabt haben, so wäre dies auch kurios, weil dies erstens frühzeitig bekannt war, und zweitens würde bei einer Anstoßzeit um 14.00 Uhr der erste Zwischenzug des 5-Minuten-Taktes auch erst 25 Minuten nach der ersten der fünf vollsten Fahrten verkehren.
Und es gibt noch einen weiteren kuriosen Aspekt des sonntäglichen 5-Minuten-Taktes auf der U3, der auch für den 5-Minuten-Takt am späten Sonnabend-Abend gilt: Nämlich der Zeitpunkt seiner Einführung. Er wurde nämlich genau dann eingeführt, als er weniger nötig als zuvor geworden war. Während der Monate der U2-Sperrung war der U3-Halbring spürbar voller. Und während der drei Jahre davor gurkten Abends und Sonntags leider oft einige Solo-DT4 auf U2/U3 herum, teils zu den unangebrachtesten Zeiten. Das wäre in diesem Ausmaß nicht nötig gewesen. Aber wenn schon, dann hätte ein 5-Minuten-Takt natürlich eine Linderung der Solo-DT4-Überfüllungen gebracht. Diese zu späte Taktverdichtung erinnert an die zu spät erfolgten Zugverlängerungen und Taktverdichtungen auf den Linien U1, 162 und 262. Diese wären während der R10-Elektrifizierung nötig gewesen und nicht erst danach. Weitere ähnliche Beispiele fallen mir ein. Kurios sind sie allemal.