Im Zuge des zweigleisigen AKN-Ausbaus im Abschnitt Hamburg-Schnelsen / Bönningstedt verlegt der Energieversorger
Vattenfall an den Bahnübergängen Schleswiger Damm und Holsteiner Chaussee die unter den Schienen verlaufenden
Stromkabel neu. Dazu werden Leerrohre in Erdreich gelegt, die in diesen Tagen oder in ferner Zukunft mit Leitungen bestückt werden können. Sowohl am Schleswiger Damm als auch an der Holsteiner Chaussee war geplant, ein stählernes Schutzrohr in die Erde zu pressen und dann anschließend mit den Leerrohren zu füllen. Während am Schleswiger Damm das Vorhaben wie geplant realisiert wurde, indem ein 24 m langes Stahlrohr in 4 Teilstücken in die Erde gepresst wurde, war an der Holsteiner Chaussee nach Probegrabungen schnell klar, dass auf Grund der Vielzahl bestehender Leitungen und Rohre der erforderliche Platz für die Presse nicht vorhanden sein wird.
Als Alternative wurde das
Horizontalbohrverfahren eingesetzt, das es erlaubt die Hindernisse großräumig zu umgehen. Allerdings muss hierbei eine größere Entfernung überwunden werden. In diesem Fall hatte die Bohrstrecke eine Länge von 93 m und eine maximale Tiefe von 5 m unter den Gleisen. Der Platzbedarf für diese Baumaßnahme besteht nur um die beiden Baugruben am Anfand und Ende herum. Der Straßenverkehr und der Betrieb der AKN waren nicht berührt.
Beteiligte Firmen waren die
Hoppe Tief- und Leitungsbau GmbH, Bleckede und die auf Horizontalbohren spezialisierten Kooperationspartner
Beermann Bohrtechnik GmbH, Hörstel-Riesenbeck und
Gebrüder Hamann GbR, Bad Segeberg.
Dass die Entscheidung für die neue Vorgehensweise, die gegenüber der ursprünglichen Lösung eine Kostensteigerung von 70 % verursacht, in wenigen Tagen gefällt werden konnte, wurde möglich, da es zwischen Vattenfall und Beermann seit längerem eine Zusammenarbeit, die durch einen Rahmenvertrag geregelt ist, existiert. Die Fa. Beermann kooperiert zudem mit Firmen, die gleichermaßen das Horizontalbohrverfahren beherrschen und vor Ort vertreten sind. Ziel dieser Kooperationen ist ein effektiverer Einsatz der über ganz Deutschland verteilten Horizontalbohrgeräte, die möglichst in ihrer Bohrkapazität den jeweiligen Anforderungen der Baustellen angepasst sein sollten.
Die
Grundlagen der Vorgehensweise beim
Horizontalbohren sind in einem
kompakten Artikel mit den Unterkapiteln - Geschichte des Horizontal Directional Drilling (HDD), - Technik des Horizontal Directional Drilling, - Pilotbohrung, - Aufweitbohrung, - Einziehvorgang und - Anwendungsgebiete beschrieben. Die dazu gehörende
Animation sei zur Veranschaulichung hier empfohlen. Der Arbeitsablauf an der Baustelle Holsteiner Chaussee entspricht den Inhalten dieser Beschreibung.
Die
Pilotbohrung startete auf dem westlichen Gehweg vor dem Grundstück des Autohändlers ca. 45 m nördlich der Gleise und endete ca. 45 m südlich des Gleises vor der Wiese. Das Bild 4 zeigt den Einsatz der Handsonde, die Signale eines batteriebetriebenen Senders, der sich im Bohrkopf befindet, empfängt. Das Ziel dabei ist die Lokalisierung des Bohrkopfes im Erdboden und eine Anweisung an den Fahrer des Bohrgeräts für die Steuerung. Das Bild zeigt außerdem die Verantwortlichen spannungsvoll vor dem ersten Austritt des Bohrers. Die Auswertung des Sendesignals wurde von den in der Baugrube sichtbaren Stromleitungen gestört - insbesondere die rote 10 kV Leitung (s. Bild rechts unten) führte trotz der üblichen Kalibrierung des Sender-Empfänger Systems vor der Messung zu einer geringen Abweichung vom mittigen Treffer in der südlichen Baugrube. Deshalb wurde der Bohrkopf noch einmal einige Meter zurückgezogen und in seiner Vorwärtsrichtung korrigiert. Das bei der Pilotbohrung entstehende Bohrloch wird bei den Räumungsbohrungen möglicherweise etwas glatter in den Bogenkrümmungen - der Verlauf ist jedoch für die Aufweitungsbohrungen nach der Pilotbohrung festgelegt. Die in ihren Durchmessern anwachsenden Bohrköpfe für die Aufweitungsbohrungen, die keine Ortungssender haben, wurden in der südlichen Baugrube auf das im Bohrloch liegende Bohrgestänge montiert und in Richtung der nördlichen Baugrube durchs Erdreich gezogen.
Das Ziel bei den
Aufweitungsbohrungen ist es, das Erdreich möglichst vollständig aus dem Bohrkanal zu transportieren und einen stabilen Hohlraum zu hinterlassen. Dazu wird Wasser durch das hohle Bohrgestänge zu Düsen im Bohrkopf gepumpt. Sowohl die Zähne des Bohrers, als auch das mit hohem Druck entweichende Wasser lösen das Erdreich, das in die Baugruben gespült wird. Vorteilhaft ist dabei eine Beimischung von wenigen Prozent pulverförmigen Bentonits zum Wasser.
Das Gestein
Bentonit ist eine Mischung aus verschiedenen Tonmineralien. Es verfügt über eine starke Wasser- und Quellfähigkeit. Begleitmineralien sind Quarz, Glimmer, Feldspat, Pyrit oder auch Calcit. Es entsteht durch Verwitterung aus vulkanischer Asche. Wasser, in das Bentonit eingerührt wurde, verhält sich wie eine Flüssigkeit, wenn man es schüttelt oder rührt, bildet aber in Ruhe ein festes Gebilde, weswegen es sich u. a. auch gut als Stützflüssigkeit eignet (thixotropes Verhalten). Somit hat es bei Bohrungen sowohl eine
stabilisierende Wirkung auf den Bohrkanal, als auch eine
Gleitmittelfunktion.
Die Wasseraufnahmefähigkeit dieser Substanz macht die Ausspülungen der Bohrungen bei den lokalen Landwirten beliebt, die ihre sandigen Äcker aufwerten wollen. Jedoch nicht jeder dieser Interessenten verfügt über Tankwagen, dessen Pumpen die dickflüssige Ausspülung fördern kann. Deshalb wurden die voll gelaufenen Baugruben von einem Landwirt aus Tornesch entleert.
Die
Beobachtung der austretenden Ausspülungen erlaubt die Steuerung der Bohrgeschwindigkeit und die der Fördermenge des Wassers. Bei einem zu dickflüssigen Austritt muss die Bohrgeschwindigkeit gemindert oder der Wasserdurchfluss erhöht werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Bohrkanal ausreichend frei gespült wird. Deshalb steht bei einem Bohrvorgang ständig ein Beobachter an der Baugrube, der dem Bohrgerätefahrer per Sprechfunk den derzeitigen Zustand mitteilt. Verfärbungen erlauben eine Interpretation der Erdschichten, die durchkreuzt werden. Torflinsen im Sandboden führen z.B. zu dunklen Ausspülungen in einer ansonsten hellen Flüssigkeit.
Werden die Aufweitungsbohrungen über Nacht unterbrochen, so wird das Bohrgestänge an seinem vorderen Ende mit einer schlanken Spitze bestückt und durch den Bohrkanal geschoben. Sollte es in den Arbeitspausen Einbrüche oder Setzungen im Erdreich geben, was durch Erschütterungen des Straßenverkehrs oder des Betriebs der AKN möglich ist, liegt also immer das Bohrgestänge im Bohrkanal. Bei der Fortsetzung der Arbeit kann dann ein Räumungsbohrkopf montiert werden und durch den Bohrkanal gezogen werden. Einen Räumungsbohrkopf durch das Erdreich zu drücken statt zu ziehen würde spätestens an einer blockierenden Stelle auf ein unüberwindbares Hindernis treffen. Den bestehenden Bohrkanal hinter der Blockade exakt wieder zu treffen, wäre aussichtslos.
Die Entscheidung, wann ein Ergebnis in ausreichender Weise erzielt ist oder nicht, wird bei dieser Arbeit oft aus dem Bauch heraus entschieden, was nur mit jahrelanger Erfahrung möglich ist. Es ist halt eine Tatsache, dass der Bohrkopf nur beim Eintritt und beim Austritt des Bohrkanals in den Baugruben zu sehen ist. Der Zustand des Bohrkanals wird indirekt durch den Ablauf der letzten Bohrung und den dabei verwendeten Bohrparametern beurteilt. Dies kann im Wesentlichen nur durch den Fahrer des Bohrgeräts und durch den Beobachter der Ausspülungen erfolgen. Bei den Entscheidungen muss versucht werden, die Risiken zu minimieren. Denn ein Bohrkopf, der mitten in einem Bohrvorgang stecken bleibt oder ein instabiler Bohrkanal beim Einzug der Rohre können von den Vorteilen dieser Technologie dann nicht mehr aufgewogen werden.
Die in den Bohrkanal einzuziehenden Rohre bestanden aus einem
100 m langen Bündel von sieben PE-Rohren mit einem Durchmesser von jeweils 125 mm. Der Durchmesser des Bündels betrug also ca. 380 mm. Es wurde direkt hinter einem Räumungsbohrkopf mit 500 mm Durchmesser befestigt. Damit sich das Bündel nicht mit dem Bohrkopf dreht, wurde ein Drehwirbel dazwischen befestigt. Um die Reibung beim Einziehen gering zu halten, wurden die PE-Rohre, die als Rollen geliefert wurden, 2 Tage zuvor der Länge nach gestreckt ausgerollt. Beim Einzug des Bündels wurde darauf geachtet, dass die anfängliche Anordnung hinter dem Bohrkopf während des gesamten Vorgangs erhalten bleibt. Eine Abweichung des parallelen Verlaufs würde zwangsläufig den Querschnitt und damit die Reibung beim Einzug erhöhen.
Der Einzug des Bündels war nach der tagelangen Vorarbeit nicht ohne Anspannung zu bewältigen. Die ausführlichen Vorbereitungen hatten allein das Ziel, dass der
letzte Schritt ohne Risiko abläuft. Darauf, dass die Wassertanks stets aufgefüllt waren, wurde diesmal besonders geachtet, da unnötig lange Pausen beim Einzug unbedingt vermieden werden sollten. Diese beinhalten die Gefahren, dass das erneute Anziehen möglicherweise einen erhöhten Widerstand zu überwinden hätte oder das der pausierende Wasserdurchfluss zu verstopften Düsen führt. Solche Probleme, von denen man nicht weiß, welche quantitative Rolle sie tatsächlich spielen, sollten unbedingt vermieden werden.
Es lief alles glatt ! Zwar trat noch überraschend viel Erdreich an den Baugruben zu Tage, das mit großen Mengen des Bentonit-Wasser-Gemischs (200 l/ min) verdünnt werden musste. Dass bei zunehmender Rohrlänge in der Erde die Reibung immer zunahm und der Kraftaufwand für das Bohrgerät entsprechend immer größer wurde, war dem Motorengeräusch nicht anzumerken. Die Einzug - nur vom regelmäßigen Bohrstangenwechsel unterbrochen - verlief dabei zügig und mit stetiger Geschwindigkeit. Nach dem Versinken der Rohre in den Schlamm der südlichen Baugrube vormittags um 10 Uhr tauchten sie knapp 2 Stunden später in der 93 m entfernten nördlichen Baugrube wieder auf. Das Rohrbündel – mit seinen Enden an beiden Baugruben herausragend – war am dritten Tag das
sichtbare Erfolgserlebnis für die Horizontalbohrer.
Die Mitarbeiter der beteiligten Firmen waren trotz permanenter Arbeitsbelastung außergewöhnlich auskunftsbereit
und haben mich damit animiert, diese Informationen hier weiterzugeben und diesen Beitrag damit etwas ausführlicher
zu gestalten. Insbesondere bedanke ich mich beim Mitarbeiter der Beermann Bohrtechnik GmbH Dipl.-Ing. S. Eggerstedt,
der mich vor der Bohrung mit Tipps für die Internetrecherche und vor Ort mit zahl- und detailreichen Informationen
versorgt hat.
Bildbeschreibungen
Bild 3: nördliche Baugrube ist vom Horizontalbohrgerät auf dem Gehweg verdeckt. Das Bohrgestänge ist schräg nach unten ins Erdreich gerichtet ( siehe Bild 8 und Bild 10). Im Lastwagen sind die Tanks, in denen das Bentonit-Wassergemisch aufbereitet wird. Anschließend läuft es durch Schläuche zum Bohrgerät.
Bild 4: Die Verantwortlichen der 3 beteiligten Firmen warten auf den ersten Durchbruch der Pilotbohrung in der südlichen Baugrube. Zu erkennen sind die Stromkabel. Bei der roten Leitung handelt es sich um eine 10 kV Leitung. Unter anderem waren es diese in Betreib befindlichen Leitungen, die den Einsatz einer voluminösen Presse verhinderten. Die neuen in die Erde gezogenen Leerrohre verlaufen nun unter diesen Leitungen.
Hinweis : für die folgende Bildkollektion bitte den Link „
Bild anzeigen“
ganz unten anklicken.
Sodann unter Windows auf den Dateidownload - Dialog mit „
öffnen“ reagieren.
Die Bilder 5 -13 erscheinen sodann.
Bild 5: Fabrik-neuer Bohrkopf mit 40 cm Durchmesser nach der Montage auf dem Gestänge in der südlichen Baugrube unmittelbar vor Beginn einer Aufweitungsbohrung.
Bild 6: Fahrerstand im Ditch Witch JT 3020 Mach 1 mit Anzeigen für die von der Maschine ausgeübte Kraft, das Drehmoment und für den Spülwasserdruck.
Bild 7: Beginn einer Aufweitungsbohrung. Der Bohrkopf taucht in den Bohrschlamm ein, der noch von der vorigen Räumungsbohrung in der südlichen Baugrube verblieben ist. Die sichtbaren Stromkabel werden später durch gleichartige ersetzt, wenn die in der Erde befindlichen Leerrohre dafür vorbereitet sind.
Bild 8: nördliche Baugrube – das Eintrittsloch der Bohrung am Grund und das Bohrgestänge sind zu erkennen.
Bild 9: An den Verfärbungen des Bentonit-Wassergemischs kann der Assistent des Bohrmaschinenfahrers die durchquerten Schichten erkennen. Die Viskosität der Ausspülungen bestimmt die Geschwindigkeit der Bohrung und die Menge des Spülwasserdurchflusses. Per Sprechfunk wird kommuniziert.
Bild 10: nördliche Baugrube – das Eintrittsloch für das Bohrgestänge liegt in einer Sandschicht. Ablagerungen des Bentonit-Wassergemischs sind zu sehen.
Bild 11: Bergung des Räumungsbohrkopfes nach dem Ende einer Aufweitungsbohrung. Der Baggerausleger unterstützt das Anheben des schweren Geräts. Der Kopf wird demontiert und das Gestänge mit einer schlanken Spitze versehen, um es wieder in Richtung südliche Baugrube zu schieben. Dort beginnt dann eine erneute Aufweitungsbohrung mit einem Räumungsbohrkopf mit 10 cm größeren Durchmesser.
Bild 12: Ein Landwirt aus Tornesch bringt das Spülgut auf seinen sandigen Acker. Der Bentonitanteil erhöht die Eigenschaft Wasser zu speichern. Dies hat für viele Anbauflächen Vorteile bei den Erträgen.
Bild 13: Der Erfolgsmoment beim ganzen Projekt : das Rohrbündel ist in der nördlichen Baugrube nach dem erfolgreichen Einzug angekommen. Die restlichen 90 m der PE-Rohre liegen in der Erde und unterqueren das AKN-Gleis. Der Bohrkopf und der Drehwirbel werden von den Rohren gelöst. Diese werden für das Einziehen der Stromkabel vorbereitet.
3 mal bearbeitet. Zuletzt am 30.06.2012 19:26 von steam.