Hallo Chris - The Tiger,
warum halte ich so "krampfhaft" am Puma fest? Ich (71 Jahre alt) darf doch auf Gegenseitigkeit Du sagen? Weißt Du, was ein 'argumentum ad personam' ist? Es ist ein Argument gegen die Person, um diese zumindest irgendwie mit einem Fragezeichen zu versehen, da man selbst in der Sache doch unsicher ist. Dein Wort "krampfhaft" tendiert deutlich in diese Richtung! Denke doch einmal darüber nach.
Ich bin vom Konzept des Puma sehr angetan. Es baut auf über hundert Jahren europäischer klassischer Straßenbahntechnik auf, so wie sie Schritt für Schritt vorsichtig aber nachhaltig weiterentwickelt wurde. Die Ingenieure von FPS H. Cegielski in Posen haben nichts weiter getan, als diese Technik mit allen durch Selektion entstandenen Stärken ins Niederflur-Prinzip zu übertragen - bisher(!) bis zu einem Teil-Niederflur-Zug, dem Puma. Im Hochflurbereich hat sich das Achtachser-Prinzip mit drei Langgliedern und den Lauf-Drehgestellen unter dem Mittelwagen in Freiburg in vielen Jahrzehnten sehr bewährt! Es hat sich so sehr bewährt, dass die Stockholmer U-Bahn jetzt ihre Serie 'C' so aufgebaut hat. Auch die Hamburger U-Bahn hat nach drei Baureihen mit dem von mir so getauften "Zwischengestell" mit außen liegenden Drehzapfen Einsicht gezeigt und baut die kommende Serie DT5 mit jener Fahrwerks-Anordung.
Die Stärke des Puma ist es, dass er nirgendwo im Zug Losräder hat; es sind alles klassische Radsätze, also eine Achswelle mit (fest) aufgespressten Radscheiben! Weißt Du Chris, der TÜV hat mich gerade von meinem VW-Santana wegen durchrosteter Türen geschieden. Ich fahre jetzt einen gebrauchten Mercedes mit bisher Reifen aus einer asiatischen Hinterhoffabrik (Vietnam? Sri Lanka? ) Sie haben eine Griffigkeit wie die Oberfläche eines Horns. Zweimal wurde ich schon überholt - von meinem eigenen Wagenheck! Mit früherer Fronttriebler scharrte allenfalls untersteuernd einmal unwirsch mit den Vorderrädern. Nahm ich den Fuß vom Gashebel war er wieder brav. Beim Mercedesheck hieß es, wenn ich in der Kurve ein wenig zu stark beschleunigte, "ab geht die Post" - querab versteht sich! Warum erzähle ich Dir das alles in epischer Breite? Ganz einfach, um Dir die Verhältnisse der Haftreibung zwischen Radoberfläche und Fahrbahn einmal zu verklickern. Wenn durch Überforderung der Haftreibung in Fahrtrichtung die unendlich vielen mikrokleinen unregelmäßigen Zähne der Radoberfläche nicht mehr in die der Fahrbahn greifen, sondern deren Zahnköpfe aneinander abprallen, dann geht die Haftreibung nicht nur in Fahrtrichtung sondern insgesamt verloren! Es gibt keine besondere Längshaftreibung und keine besondere, also von ihr völlig unabhängige, Querhaftreibung! Deswegen bricht das Heck meines Daimler seitlich in dem Moment weg, in dem ich durch nur wenig zu starkes Gasgeben die Antriebsräder außer Eingriff zur Straßenoberfläche geraten lasse!
So und nun gehen wir einmal zu einem klassischen Straßenbahn-Radsatz in einer mehr oder weniger scharfen Kurve. Sinuslauf kennt der sowieso nicht, da er zylindrische Radlaufflächen hat. Die konischen der Eisenbahn würden in den scharfen Kurven eh nichts bringen. Eigentlich müsste nun ja das kurvenäußere Rad sich etwas schneller drehen als das kurveninnere, da sein Weg ja etwas länger ist! Das geht aber nicht, da beide Achsen durch die Achswelle starr miteinander verbunden sind. Daher gibt es hier in Längsrichtung einen Schlupf zwischen Rad und Schiene. Zunächst aber wird die Achswelle erst einmal tordiert, bis ihre Rückstellkraft größer ist als die Haftreibung zwischen Rad und Schiene und das Rad bis in die nächste Mikro-Einrastung schlüpft. Das erfolgt bei normaler Fahrgeschwindigtkeit des Tramzuges einige hundert Mal in der Sekunde.
Es ist also im Grunde genommen ein ständiges Schlüpfen des Rades auf der Schiene. So, was passiert denn, wenn der Radsatz in eine mehr oder weniger scharfe Kurve hineinläuft? Spätestens jetzt läuft das kurvenäußere Rad mit seinem Spurkranz gegen die Flanke des Schienenkopfes an und wird von ihm zur Seite in Richtung auf den Kurvenmittelpunkt zu gedrückt bzw. gezwungen! Und das geschieht immer wieder kontinuierlich bis die Kurve vorbei ist.
So und jetzt kommt es: Bei einem klassischen Radsatz hat die Schienenflanke es wesentlich leichter mit dem In-die-Kurve-Drücken des Rades, denn dieses befindet sich ja schon im Zustand des Schlupfes wegen der unterschiedlichen Abrollwege beider Räder eines Radsatzes! Es ist also eine Wechselwirkung von Längs- und Querschlupf! Beim Losrad aber hat die Schienenflanke das Rad ohne vorgegebenen Schlupf (durch das Längsgleiten der Räder) ganz alleine quer zu verschieben! Der Druck auf die Flanke wird ganz erheblich größer als beim klassischen Radsatz, mit der Folge, dass die Entgleisungsgefahr zunimmt und durch die erheblich vergrößerte Reibung zwischen Spurkranz und Schienenflanke, die ja bei der Straßenbahn ohne Spurkranz- oder Schienenflankenschmierung auskommen müssen, eine starke Mehrabnutzung vor allem auch der Schienen eintreten! Das wird noch verstärkt, wenn das Rad nicht in einem vielleicht noch mit gut abgestimmter Drehgestellwiege sanft nachgebenden Drehgestell eingebaut ist sondern einen ganzen Wagenkasten voller Fahrgäste querbeschleunigen muss (siehe Combino).
Ich habe mich neulich mit dem für die Gleisunterhaltung verantwortlich zuständigen Mitarbeiter eines südwestdeutschen Straßenbahnunternehmens unterhalten. Als wir uns über die Folgen des Combino für sein Schienennetz unterhielten, kamen ihm fast die Tränen! Er meinte, die vorzeitige Auswechselung der Vignoles-Schienen auf eigenem Gleiskörper ginge ja noch an, aber wenn erst Phönix-Rillenschienen im Straßenbelag ausgewechselst werden müssen, dann werde es sehr, sehr teuer!
Wenn wir uns einmal den Bombardier Classic-Flexity-Bremen ansehen: Er hat einen zwischen den Stufen vom und zum Hochflur durchlaufenden Niederflurboden und keine schrägen Flächen in Längsrichtung. Das aber bedeutet, dass zumindest die Räder in den Lauf-Drehgestellen Losräder sind. Anders als beim Puma wird hier keine Achswelle vom Fußboden übersprungen.
Ich habe durch Umzeichnen aus dem 30,40m langen Puma-Zug mit 2,40m Breite ("Straßenbahn-Puma") einen 36,50m langen und 2,65m breiten "Stadtbahn-Puma" gewonnen (für Hamburg erwünscht), dessen Zeichnung ich Cegielski zugemailt habe! In ihm hat die Schräge vom Türraum des Mittelwagens zum Bereich über der ersten Achse nur eine Steigung von 3%! Diese wird von den Anfahrbeschleunigungen und Bremsverzögerungen so übelagert, dass die Fahrgäste sie gar nicht bemerken! Die Reihe 'F-Drehsstrom' der Berliner U-Bahn hat eine maximale Anfahrbeschleunigung von 1,50m/sec². In Ansehung der Erdbeschleunigung von rund 10m/sec² enspricht das einer Gradiente von 1,5%! Und noch etwas, so ab der dritten Lieferung nach Hamburg werden wohl beim Stadtbahn-Puma die Motoren außen am Drehgestell hängen (wie beim Kroaten auf der Innotrans) und werden über jeweils ein Winkelgetriebe die klassischen Radsätze direkt antreiben, so dass der Boden auch hier direkt über die Achsen hinweg gezogen werden kann. Der Überhang des Stadtbahn-Pumas zur Seite reicht dafür aus.
Deine Meinung zählt; lass einmal von Dir hören!
Mit freundschaftlichem Gruß
Willy Laaser
Großhansdorf
bei HH in S-H