Zitat
Logital
Da verstehe ich nicht. So oft hört man hier das "früher" ja alles auch ging. Ich bin sowieso kein Unterstützer dieser Logik. Doch wenn ich nach weniger Straßen und MIV ausrufe, dann bleibt die "Früher-gings-ja-auch"-Schallplatte auf einmal still. Berlin war mal ein echte ÖPNV-Stadt. Doch auf einmal besteht der ganze Straßenverkehr plötzlich hauptsächlich aus unvermeidlichen gewerblichen Verkehren, die man selbstverständlich nicht beeinträchtigen darf.
Es bleibt ein Äpfel-Birnen-Vergleich, auch wenn er immer wieder bemüht wird, jetzt von Dir! Was ist denn eine echte ÖPNV-Stadt? Und Straßen können ja heutzutage auch nur dort angelegt werden (normale Stadtstraßen wohlgemerkt), wo noch Platz vorhanden ist und wo sie benötigt werden (in Neubaugebieten z.B.). Sie wären aber auch noch viel voller, wenn es die Stadtautobahn in Berlin nicht gäbe. Schau Dich doch mal um in anderen wirklich großen und auch nicht mal so großen Städten in Deutschland. Hamburg, aber auch vor allem München sind Städte, auf denen man auf manchen städtischen Straßenzügen vor allem zur Hauptverkehrszeit stop and go zum Alltag gehört. In Berlin fängt die Stadtautobahn immerhin eine große Menge auf, auch wenn gerade auf dem Stadtring West immer wieder Engpässe den fließenden Verkehr verlangsamen.
Als Berlin noch eine "echte ÖPNV-Stadt" war, hatten aber auch sehr viele Leute kein Auto, wobei die Bevölkerungs- und vor allem Einkommensstruktur Berlins auch dazu beiträgt, daß es auch heute im Verhältnis zu anderen Städten noch gar nicht so viele Kraftfahrzeuge gibt. Ich stimme Dir aber gern zu, daß es jetzt schon zu viele sind. Schuld daran ist aber nicht der Bau von (neuen) Straßen, sondern unser heutiger Lebensrhythmus. In Haushalten, wo beide Partner arbeiten gehen und in denen es vielleicht sogar noch ein oder gar zwei Kinder gibt, findet man häufig auch zwei Autos. Viele Wege, zu denen man früher kein Auto brauchte, sind heutzutage aber für viele unverzichtbar... wobei auch ich der Meinung bin, daß man auf so manches verzichten kann, was einem von der "Gesellschaft" und natürlich auch der Werbung als notwendig suggeriert wird. Aber da nun mal die Tage vorbei sind, in denen die wackere Hausfrau täglich frisch die Lebensmittel einkaufen geht und auch sonst der kaufende Mensch in zentrale Einkaufstempel und Shoppingmeilen gelenkt wird, wobei er natürlich in bester Geiz-ist-geil-Mentalität natürlich alles so preiswert wie möglich haben will, sind natürlich dementsprechend auch viele Zubringer- und vor allem Lieferantenfahrten notwendig geworden. Die Straßen sind vom Verkehrsweg zum Aufenthaltsort für das Lager auf vier Rädern geworden.
Aber da das nun einmal der Lauf der globalen Welt ist und Wirtschaft doch auch zu unser aller Wohl laufen soll und muß, kann man nicht einfach mal den Individual- und Wirtschaftsverkehr behindern, nur weil man selbst lieber den ÖPNV nutzt. Weder leben wir auf einer Insel noch sind wir zum Glück so weit, daß eine Bevölkerungsgruppe der anderen vorzuschreiben hat, wie sie sich von A nach B bewegt oder gar wie sie ihr Leben zu gestalten hat... auch wenn ich selbst manchmal den Eindruck habe, daß gerade letzteres bei manchen Leuten gar nicht so verkehrt wäre... ;-)
Ein guter Anfang wäre aber schon gemacht, wenn (und damit gehen wir hier ja sicher alle konform) der ÖPNV attraktiver wäre als jetzt. Dazu muß aber nicht den Individualverkehr gängeln oder teure technische Spielereien, die doch nie so richtig funktionieren, einsetzen. Angefangen werden muß beim Menschen... Dazu zählt für mich vor allem wieder mehr Personal im Fahrdienst(natürlich incl. technischer Wartung, damit auch alles rollt) und eine intensive Schulung, die den Mitarbeitern mit Kundenkontakt vermittelt, daß sie sich selbst als Aushängeschild von BVG und S-Bahn betrachten müssen und dementsprechend aufzutreten haben. Ein Busfahrer muß keine Fremdsprachenkapazität sein und kein Ausbund an Unterwürfigkeit dem Fahrgast gegenüber. Schnauze darf durchaus schon sein, aber mit viel Herz... Dann kommt er gut an und kann auch stolz auf seine Arbeit sein.