Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 13.01.2020 14:29 |
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Bd2001
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Christian Linow
Die optisch freilich ansprechende Gestaltung hat allerdings ihren Preis und ist laut einer Studie des Centre d'études et d'expertise sur les risques, l'environnement, la mobilité et l'aménagement (Cerema) eine der Hauptursachen für Fußgängerunfälle mit Straßenbahnen. Demnach sei es sogar elementar wichtig, einen stärkeren Kontrast zwischen Bahnkörper und Fußgängerbereichen herzustellen. Ingleichen bemängelt das Cerema, wenn Zäune oder andere Begrenzungen zur Straßenbahnstrecke schlecht wahrnehmbar sind, woraus sich die Forderung nach einer deutlich sichtbaren Trennung ableiten lässt.
Warum passieren dann in Berlins Fußgängerzonen so wenig Fußgängerunfälle? Was macht Berlin anders?
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 13.01.2020 21:28 |
Admin |
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Ingolf
Ich habe das Gefühl, Dir geht es insgesamt darum, das System Straßenbahn abzulehnen und Schienen möglichst nur im Untergrund der Stadt zu sehen. Mit welcher Motivation auch immer. Das kannst Du natürlich gerne machen - aber ebenso gerne werde ich Dir da widersprechen.
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def
Aber ist es nicht bei all diesen Voraussetzungen ziemlich dämlich, die Erreichbarkeit der Offenbacher Innenstadt aus dem Frankfurter Süden auch noch stark einzuschränken? Warum sollte man aus dem Frankfurter Stadtteil Oberrad kommend denn nun eigentlich nach Offenbach fahren, wenn man kurz vorm Ziel auch nochmal umsteigen muss?
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Ingolf
Die ganzen genannten Studien gibt es auch für den Autoverkehr - kommt da jemand auf die Idee, diesen komplett unter die Erde zu legen oder alle Straßen durch Zäune zu separieren?
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Landeshauptstadt Düsseldorf, Stadtarchiv
Das Rheinufer als belebte Achse für den Automobilverkehr im Jahr 1980, © Landeshauptstadt Düsseldorf/Stadtarchiv
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Ingolf
Wie viele Unfälle gäbe es, wenn die genannte Anzahl Fahrgäste in Montpellier in Autos und Bussen unterwegs gewesen wäre (wie vor der Straßenbahn)? Und komme bitte jetzt nicht mit, dass diese Strecken auch als U-Bahn hätten gebaut werden können - das wäre auch in Montpellier nicht bau- bzw. finanzierbar gewesen. Dafür ist man jetzt dabei, eine fünfte Straßenbahnlinie in Montpellier zu planen.
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Ingolf
Und genau die von Dir hier geführte Diskussion gibt es schon seit Jahrzehnten. Natürlich birgt eine stärker gemischte Nutzung des öffentlichen Raums mehr Risiken - auch Unfälle. Und sie erfordert mehr Kompromisse für alle Nutzer.
[...]
Die seit nun gut drei Jahrzehnten währende Renaissance der Straßenbahn - auch als in den öffentlichen Raum integriertes städtisches Verkehrsmittel - steht da absolut symptomatisch für den Trend der Abkehr der maximalen Trennung der Räume. Und natürlich gehört dazu weit mehr, als eine Straßenbahn.
Und ich sehe - bei aller Diskussion um Konflitkpunkte im Detail - diesen Ansatz als absolut richtig. Den es kommt darauf an, was am Schluss für die Menschen und die Umwelt in der Summe rauskommt - und nicht auf einzelne technische Parameter, wie z.B. Beförderungsgeschwindigkeit durch die Innenstadt.
Ingolf
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Ingolf
Ansonsten teile ich auch grundsätzlich nicht den Ansatz, dass wenn der Neu- / Ausbau einer Straßenbahn ersteinmal scheitert, dann eben das 10x so teure Verkehrssystem U-Bahn forciert umgesetzt werden sollte.
Dafür sind mir die öffentlichen Mittel zu schade, denn in den allerwenigsten Fällen wird eine U-Bahn den zehnfachen Nutzen einer Straßenbahn entfalten (Anders sieht es aus, wenn wir z.B. aus Kapazitätsgründen zwingend eine U-Bahn brauchen, aber das ist im Moment hier nicht das Thema).
Ich halte es da eher mit dem in der Schweiz üblichen Ansatz: Scheitert ein Tramprojekt (und nicht nur ein solches) in einem Plebiszit, wird dieses oft nicht sofort zu den Akten gelegt oder gar eine U-Bahn aus dem Hut gezaubert, sondern das Projekt wird überarbeitet, die wichtigsten Kritikpunkte eingearbeitet und dann erneut zur Abstimmung vorgelegt. So mehrmals geschehen z.B. in Bern oder Zürich - mit Erfolg. Auch in Frankreich gab es einige Fälle, wo die ersten Projektentwürfe auf keine breite Zustimmung getroffen sind (wenn auch ohne Plebiszite a la Schweiz). Doch auch da wurde überarbeitet, neu diskutiert und dann i.A. realisiert.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 13.01.2020 22:30 |
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Christian Linow
Äquivalent zu Strasbourg, wo mit der VAL-Métro und der Straßenbahn zwei Vorschläge auf dem Tisch lagen und am Ende die Bürger mithilfe der Wahl von Catherine Trautmann für die Tram votierten, werden indirekt auch in der Hansestadt auf der einen Seite mit dem strikten Schnellbahnausbau (SPD, FDP, AfD) und auf der anderen Seite mit der (ergänzenden) Stadtbahn (CDU, Grüne, Linke) zwei Angebote gemacht, über die der Wähler in sechs Wochen befindet. Das aber unterscheidet die Elbmetropole von den französischen bzw. Schweizer Beispielen, wo es erstens kein bestehendes U-Bahnnetz gibt und damit zweitens dieser Gegenvorschlag erst gar nicht zur Debatte und zur Verfügung stand. Und wenn am Ende dieser Kette eine gesellschaftliche Mehrheit eine parlamentarische Mehrheit legitimiert, deren Programmatik und Ideal der U-Bahnbau ist, dann respektiere ich zum einen diese Entscheidung und sage zum anderen, dass für mich eine U-Bahn besser als keine Straßenbahn ist.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 13.01.2020 22:52 |
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Christian Linow
Der Unterschied zwischen uns beiden dürfte aber zweifellos sein, dass ich bei Tunneln kein Denkverbot habe. Sollte der Platz lokal nicht da sein oder übersteigen in anderen Fällen die Fahrgastzahlen Mengen jenseits der üblichen Kapazitäten, ...
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 13.01.2020 23:16 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 06:42 |
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Christian Linow
Ich könnte jetzt die Unfallforschung der Versicherer (UDV) zitieren, die in ihrer 2016 durchgeführten Studie bilanziert: „Bezogen auf die Fahrleistung sind Unfälle mit Straßenbahnen achtmal so schwer wie Unfälle mit Pkw, bezogen auf die Beförderungsleistung allerdings nur ein Fünftel so schwer. Wird jedoch nur die Anzahl der Getöteten betrachtet, dann ist die Straßenbahn auch hinsichtlich Beförderungsleistung nicht besser als der Pkw und hinsichtlich Fahrleistung sogar 35-mal unsicherer.“
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Christian Linow
Wir sind in diesem Punkt gar nicht so weit auseinander. Worauf ich mit all meiner Kritik hinaus will, ist, dass die - nicht von Dir, aber allgemein durchaus gern vernehmbare - Folklore rund um die (für unsere Schweizer das) Tram mir manches Mal zu weit geht. Nämlich dann, wenn der Eindruck erzeugt wird, die Straßenbahn wäre das Verkehrsmittel schlechterdings, mit dem sich alle Verkehrs- und Stadtraumprobleme lösen ließen. Oder wie es ein Freund von mir ironisierte: „Eine echte Allzweckbahn!“
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Christian Linow
Der Unterschied zwischen uns beiden dürfte aber zweifellos sein, dass ich bei Tunneln kein Denkverbot habe. Sollte der Platz lokal nicht da sein oder übersteigen in anderen Fällen die Fahrgastzahlen Mengen jenseits der üblichen Kapazitäten, sind in meinen Augen U-Bahnsysteme sehr wohl ein probates und attraktives Mittel.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 08:31 |
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Bovist66
(…)
Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 09:53 |
Admin |
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Bovist66
Die Vergleiche passen für meine Begriffe nicht richtig. Ich habe 1996 meine Diplomarbeit zum Thema der Verkehrspolitik in Straßburg geschrieben, mich also mit der dortigen (Verkehrs-)Politik näher befasst. Es ließe sich nur schwer nachweisen, in welchem Umfang genau die Alternativen VAL-Metro und Tramway den Wahlerfolg von Catherine Trautmann tatsächlich herbeigeführt haben. Bedenke bitte, dass der damalige Gegenkandidat der Konservativen, Marcel Rudloff, in Straßburg als wenig charismatisch galt. Zudem scheint nach langjähriger Regierungszeit der bürgerlich-konservativen Parteien in Straßburg der Wunsch nach einem politischen Wechsel eine Rolle gespielt zu haben. Frau Trautmann stand damals als gegenüber Herrn Rudloff deutlich jüngere und dynamischer wirkende Politikerin auch schlichtweg für einen als geboten scheinenden Generations-Wechsel. Ob Herr Rudloff, der 1996 meines Wissens nach langer Krankheit starb, schon 1989 gesundheitlich angeschlagen war, müsste ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit war auch ein größerer Teil der Wähler/innen aus unterschiedlichen Gründen tendenziell gegen die VAL-Metro. Damit war aber im Umkehrschluss nicht automatisch ein Plädoyer pro Straßenbahn verbunden.
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Bovist66
Die aktuelle politische Situation in Hamburg scheint mir indessen auch nur entfernt mit der Konstellation in Straßburg 1989 vergleichbar zu sein. Gewiss: Die Hamburger SPD wirkt abgewirtschaftet, die GAL steht eher für die Zukunft - zumindest kommt es bei mir so an. Doch in einer Großstadt mit > 1 Mio Einwohner überlagern sich eher mehr politisch relevante Themen als in einer Stadt von 300 000 - 400 000 Einwohnern. Anders gesagt: Das Thema Verkehr konkurriert in Hamburg im Zweifel auch stark mit anderen für wichtig befundenen Fragen, z.B. nach der Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Wohnraum, Hafen- und Elbausbau, Schulpolitik, Sicherheit etc.. Egal wer gewinnt oder verliert: Es wäre sehr schwer, von den Wahl-Ergebnissen auf die Befürwortung oder Ablehnung eines Straßenbahn-Systems für Hamburg zu schließen.
Mobilität/Verkehr/Infrastruktur 39% Wohnen/Mieten 33% Bildung/Schule/Ausbildung 19% Umweltschutz/Klimawandel 18% Flüchtlinge/Einwanderung/Ausländer 12% Soziale Ungerechtigkeit/Armut/Hartz IV 10% Innere Sicherheit/Kriminalität/Terror 6% Gesundheitswesen/Pflege 5% Wirtschaft 4% Arbeitslosigkeit/Arbeitsmarkt 4% Familienpolitik/Kinderbetreuung
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Bovist66
Hinzu kommt, dass es in Hamburg derzeit auch nur mehr oder minder vage Denkmodelle für ein Straßenbahn-System gibt. Wer also nicht zu den "Verkehrsfreaks" gehört, hat im Zweifel überhaupt keine klare Vorstellung, wie ein Straßen- oder Stadtbahnsystem in Hamburg überhaupt aussehen könnte. Und selbst die "Freaks" wissen es ja letztendlich nicht. Daher haben irgendwelche Umfragen über die Akzeptanz eines Straßenbahnsystems derzeit nur eine mit Verlaub sehr begrenzte Aussagekraft.
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Bovist66
Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 10:33 |
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Christian Linow
Die Ursachen für den Triumph von Olaf Scholz sind unbenommen vielschichtig. Aber auch damals trieb die Straßenbahn die Menschen um. Das Hamburger Abendblatt schrieb am 22.11.2010: „Eine deutliche Mehrheit der Hamburger lehnt den Bau der Stadtbahn ab. Das ergab eine repräsentative Psephos-Umfrage im Auftrag von ‚Bild‘, ‚Welt‘ und Sat.1. Danach sind 61 Prozent gegen das wichtigste Verkehrsprojekt des schwarz-grünen Senats, 31 Prozent sprachen sich dafür aus. In allen politischen Lagern ist die Ablehnung größer als die Zustimmung: 69 Prozent der CDU-Wähler sind gegen die Stadtbahn, 62 Prozent der SPD-Wähler und sogar 53 Prozent der GAL-Wähler. Psephos-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hoffmann sagte der ‚Welt‘: ‚Das Projekt könnte ein ähnliches Schicksal ereilen wie die Primarschulreform.‘“
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Christian Linow
Mit Blick auf die gegenwärtigen Umfrageergebnisse lässt sich hieraus sehr wohl ein konstantes Meinungsbild ableiten, das sich eben nach meinem Dafürhalten andere Lösungen ausbedingt, als auf den Tag zu warten, wo man Mehrheiten für eine Straßenbahn herstellen kann.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 11:10 |
Admin |
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def
Zehn Jahre später steht es also nur noch bei 51:45 für die Gegner, die Zustimmung hat deutlich zugenommen, die Gegnerschaft deutlich nachgelassen. Das soll sich nicht durch eine geschickte Kampagne drehen lassen, zumal ja offensichtlich 4 % unentschieden sind?
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def
Die Umfragewerte klingen eher wie einer Aufforderung an die Befürworter:
- die Vorteile der Stadtbahn deutlicher herauszuarbeiten und zu kommunizieren und
- bestimmte Befürchtungen aufzunehmen und (durch Überarbeitung der Planung, aber auch durch das Widerlegen von Falschbehauptungen) zu entkräften.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 11:19 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 11:35 |
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Christian Linow
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def
Zehn Jahre später steht es also nur noch bei 51:45 für die Gegner, die Zustimmung hat deutlich zugenommen, die Gegnerschaft deutlich nachgelassen. Das soll sich nicht durch eine geschickte Kampagne drehen lassen, zumal ja offensichtlich 4 % unentschieden sind?
Diese Ambivalenzen sind ja nun nicht gerade selten und dürften nicht zuletzt auch auf die Neuausrichtung der CDU zurückzuführen sein, die mit ihrem Vorstoß einer Stadtbahn ebenfalls auf deren Wählerschaft einwirkt. Ungeachtet dessen hält sich die Ablehnung kontinuierlich auf einem mehr oder weniger gleichbleibend hohen Niveau.
Am Ende wird man in sechs Wochen sehen, wer die Nase vorne hat, wenn der Wähler entschieden hat. Gibt es danach eine vom Volk und dessen Mehrheit legitimierte politische Mehrheit für eine Stadtbahn, ist es gut. Gibt es die für die U-Bahn, ist es auch gut; in dem Sinne, als ich darauf hoffe, dass man den Ankündigungen Taten folgen lässt und ich die Umsetzung respektiere. Genauso wie man andersrum den Bau einer Straßenbahn zu respektieren hat.
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def
Die Umfragewerte klingen eher wie einer Aufforderung an die Befürworter:
- die Vorteile der Stadtbahn deutlicher herauszuarbeiten und zu kommunizieren und
- bestimmte Befürchtungen aufzunehmen und (durch Überarbeitung der Planung, aber auch durch das Widerlegen von Falschbehauptungen) zu entkräften.
(...)
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 14:47 |
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Marienfelde
Die meisten Menschen in Deutschland leben nicht in Großstädten und Städten ab 50.000 Einwohnern, sondern in kleineren Städten und Gemeinden. Eine Konzentration von Verkehrsinvestitionen auf wenige teure Tunnelprojekte in großen Städten erscheint mir daher nicht nur falsch, sondern sogar unvertretbar.
Eine "Verkehrswende" ist auf so einer Basis nicht zu erreichen, weil der PKW-Anteil an den Personenkilometerleistungen dann "in der Fläche" weiterhin eher bei 90 als bei 80% liegen wird.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 14.01.2020 21:36 |
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Christian Linow
Ich hatte in diesem Zusammenhang ja bereits ein Video vom Wahlabend des 19. März 1989 verlinkt, wo Catherine Trautmann und Marcel Rudloff die Ergebnisse analysieren. Und ihre Äußerungen sind sehr eindeutig, was das dominierende Thema VAL versus Tramway betrifft: [www.ina.fr]
Dass die Straßenbahn beherrschendes Sujet war, zeigt auch ein Artikel der taz vom 18. März 1989 vor dem zweiten Wahlgang, letzteren Catherine Trautmann fulminant für sich entscheiden konnte. Hinsichtlich einer avisierten Kooperation zwischen der linken PS und den Grünen schreibt die taz: „Am späten Montagabend segelten bereits die ersten Abzüge des gemeinsamen Programms aus den Druckmaschinen und kündeten von dem ‚Neuen Straßburg‘: mit Trambahn statt Luxus-Metro, begrünten Plätzen und entrußter Luft.“
Ingleichen schreibt die führende elsässische Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace zum 10. Februar 1989: „A Strasbourg, Catherine Trautmann présente son ‚contrat‘ proposé aux Strasbourgeois. Il comprend notamment ‚l’extension du secteur piétonnier.‘ La liste menée par Mme Trautmann réaffirme son ‚opposition‘ au projet de VAL (une sorte de métro) voulu par Marcel Rudloff. ‚Pour le prix d’une seule ligne de VAL, on peut construire tout un réseau de tramway‘, note Mme Trautmann.“
Dass ihr Sieg ergo in erster Linie auf das Streitthema Métro contra Straßenbahn zurückzuführen ist, kann daher kaum bestritten werden.
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Christian Linow
Laut der Sonntagsfrage des NDR vom 9. Januar dieses Jahres führt das Thema Verkehr den Wahlkampf an:
Mobilität/Verkehr/Infrastruktur 39% Wohnen/Mieten 33% Bildung/Schule/Ausbildung 19% Umweltschutz/Klimawandel 18% Flüchtlinge/Einwanderung/Ausländer 12% Soziale Ungerechtigkeit/Armut/Hartz IV 10% Innere Sicherheit/Kriminalität/Terror 6% Gesundheitswesen/Pflege 5% Wirtschaft 4% Arbeitslosigkeit/Arbeitsmarkt 4% Familienpolitik/Kinderbetreuung
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Christian Linow
Mit Blick auf die gegenwärtigen Umfrageergebnisse lässt sich hieraus sehr wohl ein konstantes Meinungsbild ableiten, das sich eben nach meinem Dafürhalten andere Lösungen ausbedingt, als auf den Tag zu warten, wo man Mehrheiten für eine Straßenbahn herstellen kann.
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Bovist66
Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.
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Christian Linow
Das aber wäre nicht zuletzt wegen der Fördermittelpraxis ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Zielführender wäre in meinen Augen hier eher ein Plebiszit mit einem Vergleich zwischen U-Bahn und Straßenbahn auf Augenhöhe, wo man die Vorteile und den Geldeinsatz bei beiden Verkehrsmitteln einander gegenüberstellt.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 09:12 |
Admin |
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Bovist66
Das ist ja alles schön und gut, nur beweist das eben nicht, dass Catherine Trautmann wegen ihrer Straßenbahn-Politik die Wahl gewinnen konnte. Ich stimme Dir natürlich zu, dass das Thema Straßenbahn in dem Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte. Um aber den genauen Einfluss des Themas Straßenbahn auf das Wahlergebnis der Kommunalwahl 1989 in Straßburg belegen zu können, müsste man Studien auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung mit entsprechender Methodik durchführen. Alles andere bleibt für meine Begriffe Spekulation. Um es vielleicht so zu erläutern: Stell Dir vor, Frau Trautmann hätte damals mit großem rhetorischen Geschick für die VAL-Metro gekämpft, und Herr Rudloff wäre der rhetorisch weniger überzeugende Befürworter der Straßenbahn gewesen. Vermutlich hätte Frau Trautmann dann genauso sehr die Wahlen gewonnen, und hinterher hätte es geheißen, die Bürgerinnen und Bürger in Straßburg seien für die U-Bahn und gegen die Straßenbahn gewesen. Alles klar :-) ?!
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Bovist66
Was nichts anderes heißt als dass Wohnen und Bildung zusammen mehr Gewicht haben als das Thema Verkehr. Wenn z.B. eine Partei auf dem Gebiet der Verkehrspolitik "grottenschlecht" ist, aber bei den Themen Wohnen und Bildung glänzen kann, fallen ihr womöglich trotzdem auch die Stimmen derer zu, die eigentlich eine andere Verkehrspolitik wollen. Es gilt auch hier: Man kann Korrelationen zwar leicht behaupten, aber sie zu beweisen, ist ungleich schwerer.
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Bovist66
Was heißt denn "ausbedingen"? Und auch das eindeutigste Meinungsbild steht und fällt mit den Realitäten. Aus unterschiedlichen Gründen ist es eben nicht mehr möglich, mit Millarden-Geldbeträgen Tunnelbahnen zu konstruieren, die einen eher nur begrenzten Nutzen für die Fahrgäste haben und den MIV im wesentlichen unangetastet lassen oder ihn gar fördern. Das mag schon in den 1970er-Jahren zwar falsch, aber immerhin noch realisierbar gewesen sein. Heute können wir es uns im Vorfeld einer globalen Umweltkatastrophe schlichtweg nicht mehr leisten, eine solche Verkehrspolitik zu betreiben - egal, was irgendwelche Meinungsbilder, zumal von vor neun Jahren, besagen.
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Bovist66
Sicher ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen! Aber hier geht es um die Funktionsweisen von Umfragen. Und in deren Ergebnisse fließen eben leicht auch die besagten Äpfel und Birnen ein. Seriöse Aussagen lassen sich hier m.E. nur machen, wenn man dieselben Menschen in zeitlichen Abständen zu einem Thema befragt. Dann könnte man auch Korrelationen zu Einflussgrößen herstellen. Bsp: Auf einem U-Bahnhof kam es zu einem schweren Verbrechen, und anschließend wird nach weiterem U-Bahnbau gefragt. Das Ergebnis wird sicher ein anderes sein, als wenn es das Verbrechen nicht gegeben hätte. Zu berücksichtigen ist dabei nicht zuletzt der Einfluss der Medien - wird eher reißerisch oder eher sachlich über ein Thema berichtet?
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Bovist66
Das von Dir angesprochene Plebiszit wäre für meine Begriffe nur dann sinnvoll, wenn sich die Menschen mit den beiden Verkehrssystemen gründlich beschäftigen würden. In der Praxis dürfte das kaum zu leisten sein - besonders dann nicht, wenn ein Verkehrsmittel wie eben die Straßenbahn in vielen Beiträgen einer regelrechten Desinformation ausgesetzt ist, um nicht zu sagen: Hetze. Jedes Plebiszit muss nach meiner Auffassung ohnehin die realistischen Alternativen einbeziehen. Es ist eben nicht allzu sinnvoll, nach entsprechendem Volksentscheid die Rettungsboote als Brennholz zu verkaufen, um sich danach zu überlegen, wie man das sinkende Schiff nun verlassen kann. Auf diesem Niveau war z.B. die Abstimmung 2013 über die Campusbahn in Aachen. Übrigens wird dort inzwischen wieder die Einführung eines Straßenbahn-Systems diskutiert. Das Schweizer Modell, wonach Bürgerentscheide (teilweise) eher die Funktion eines Auftrags zum Nachbessern des betreffenden Projekts haben, scheint mir durchaus sinnvoll zu sein.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 09:27 |
Admin |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 09:51 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 11:00 |
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 11:07 |
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TomB
Siehe
[de.statista.com]
Leider ist die Quelle nur mit einem bezahlten Account sichtbar, aber ich denke, dass die Daten valide sind.
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin 15.01.2020 11:23 |
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hvhasel
Stimmt es eigentlich, dass die erwähnte Erholungsanlage Blankenburg, aus der die Protestierenden wohl hauptsächlich kommen, einer geduldeten Dauernutzung einer erweiterten KGA entspricht? Dann würde ich als Anwohner aber mal deutlich kleinere Brötchen backen!