Willkommen! Einloggen Ein neues Profil erzeugen

erweitert
Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von krickstadt 
Zitat
Logital
Ich finde es unerträglich einzelnen demokratisch gewählten Politikern indirekt oder direkt eine Mitschuld zu geben.

Die EU wollte verpflichtende Fahrtauglichkeitsprüfungen für Ü70-jährige einführen. Volker Wissing hat das als "Zwangsprüfungen" bezeichnet und für Deutschland blockiert. Jetzt kommen zumindest hier diese Prüfungen nicht und ein paar Wochen später demonstriert ein 83-jähriger warum diese Prüfungen sinnvoll wären. Da kann man schon auch mal eine persönliche Verantwortlichkeit bei den Politiker*innen bennen finde ich. Verkehrssicherheit entsteht ja nicht im luftleeren Raum und ist eine mysteriöse Unbekannte. Aus wissenschaftlicher Sicht ist alles bekannt: niedrigere Geschwindigkeiten, schmale Straßenquerschnitte die nicht zum überholen motivieren, usw.

Genau das wäre mit dem Umbau der Leipziger Straße wie er geplant war umgesetzt worden. So ein Vorfall würde dadurch deutlich unwahrscheinlicher. Und jetzt sabotiert Frau Schreiner genau an dieser Stelle den kompletten Umweltverbund, indem potentiell die Tram ausgebremst wird (falls sie überhaupt kommt), der Radverkehr ungeschützt bleibt und die Straße weiterhin eine breite Barriere für den Fußverkehr darstellt.

Und als Reaktion auf diesen Vorfall kommt dann von Fr. Schreiner ein "müsste man mal prüfen, ob man da was machen könnte", wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass nichts passieren wird. Da muss man dann die Verantwortlichkeit auch mal bennen dürfen.
Zu diesen Fahrtauglichkeitsprüfungen: Ich habe gerade den Fall in meiner Familie, dass zwei Ü85-jährige sich weigern mit dem Autofahren aufzuhören. Bei Menschen, die seit ihrer Kindheit auf irgendeinem Dorf im Thüringer Wald leben, kann man das ja noch irgendwo nachvollziehen, aber es geht in dem Fall um 2 Personen die in (für sie) fußläufiger Entfernung Zugang zu Ringbahn, U-Bahn, Tram und sogar Taxistand haben.

Trotzdem wird sich da strikt geweigert und behauptet ohne Auto wäre man abhängig und nicht mehr mobil. Teilweise werden sie dann von Angehörigen z.B. nach Leipzig hin und zurück gefahren, weil sie sich weigern den ICE zu nehmen. Und dann ist es auch leider nicht so, als würde dann wenigstens eine defensive Fahrweise angewandt. Ich habe es persönlich erlebt, dass da mit Tempo 50 durch die 30-er Zone gefahren wird, mutwillig (nach 3 Strafzetteln) durch die Fahrradstraße Stargarder Str. gefahren wird, usw.

Und es gibt gegen dieses Verhalten als Familienmitglied einfach keine Handhabe. Man kann appellieren und reden, reden, reden. Aber es gibt keine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ein Ende 80-jähriger nach mehreren Schwächeanfällen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr Auto fährt, außer ihm den Schlüssel zu "klauen".
Zitat
marc-j
Und es gibt gegen dieses Verhalten als Familienmitglied einfach keine Handhabe. Man kann appellieren und reden, reden, reden. Aber es gibt keine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ein Ende 80-jähriger nach mehreren Schwächeanfällen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr Auto fährt, außer ihm den Schlüssel zu "klauen".

Eventuell kann man der Führerscheinbehörde einen Tipp geben, mal die Anwendung von § 46 Fahrerlaubnis-Verordnung zu prüfen.
Zitat
marc-j
[...]


war bei meinem Stiefopa das Selbe. Auch nach dem er mit Mitte Achtzig das zweite mal mit seinem Auto in ein fremdes Wohnzimmer gefahren, wollte er noch weiterfahren.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.03.2024 08:55 von PassusDuriusculus.
Ich hatte zweimal den Spass, als mir einer mit Wackeldackel hinten reingedonnert ist. Einmal mit meinem damaligen Firmenauto, hat trotzdem unheimlich viel Ärger gemacht, das zweite mal Totalschaden privat. So ein Alterstest ist überfällig.
Zitat
marc-j
Zitat
Logital
Ich finde es unerträglich einzelnen demokratisch gewählten Politikern indirekt oder direkt eine Mitschuld zu geben.

Die EU wollte verpflichtende Fahrtauglichkeitsprüfungen für Ü70-jährige einführen. Volker Wissing hat das als "Zwangsprüfungen" bezeichnet und für Deutschland blockiert. Jetzt kommen zumindest hier diese Prüfungen nicht und ein paar Wochen später demonstriert ein 83-jähriger warum diese Prüfungen sinnvoll wären. Da kann man schon auch mal eine persönliche Verantwortlichkeit bei den Politiker*innen bennen finde ich.

Wobei im konkreten Fall ja nicht klar ist, ob das Alter im ursächlichen Zusammenhang stand oder ob er einfach nur ein A****loch war. Genug Gründe für regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen gibt es natürlich trotzdem, und zwar nicht nur im Alter. (Gibt es in Hamburg nicht eine Straße, in der regelmäßig irgendwelche Senior:innen in Bäckereien krachen, weil sie mal wieder Gas und Bremse verwechselt haben?)

Zitat
marc-j
Verkehrssicherheit entsteht ja nicht im luftleeren Raum und ist eine mysteriöse Unbekannte. Aus wissenschaftlicher Sicht ist alles bekannt: niedrigere Geschwindigkeiten, schmale Straßenquerschnitte die nicht zum überholen motivieren, usw.

Das ist das Tragische an Verkehrspolitik: es gibt wohl keinen anderen Politikbereich, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse und jahrzehntelange Evidenz so konsequent zugunsten eines ominösen Bauchgefühls ignoriert werden, es sogar von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik gar nicht gewünscht ist, dazuzulernen.

Zitat
marc-j
Genau das wäre mit dem Umbau der Leipziger Straße wie er geplant war umgesetzt worden. So ein Vorfall würde dadurch deutlich unwahrscheinlicher. Und jetzt sabotiert Frau Schreiner genau an dieser Stelle den kompletten Umweltverbund, indem potentiell die Tram ausgebremst wird (falls sie überhaupt kommt), der Radverkehr ungeschützt bleibt und die Straße weiterhin eine breite Barriere für den Fußverkehr darstellt.

Und als Reaktion auf diesen Vorfall kommt dann von Fr. Schreiner ein "müsste man mal prüfen, ob man da was machen könnte", wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass nichts passieren wird. Da muss man dann die Verantwortlichkeit auch mal be[ne]nnen dürfen.

Das ist auch ein weiteres großes Thema: nach dem Unglück von Burgrain hat die DB 2022 innerhalb weniger Monate zehntausende Schwellen ausgetauscht. Die ÖBB haben um 2017 nach zwei schweren (tödlichen) Unfällen mit Kinderwagen alle Bahnhöfe mit Kinderwagenschlaufen ausgerüstet und die Durchsagen vor Durchfahrten um "Bitte Kinderwägen und andere Gegenstände festhalten" ergänzt. Heißt: Im Eisenbahnverkehr haben Unfälle (zumal tödliche) Folgen, um eine Wiederholung des exakt gleichen Unfalls zumindest unwahrscheinlich zu machen.

Und im Straßenverkehr? Nichts. Der Unfall in der Invalidenstraße, in dem der SUV-Terrorist aus rein egoistischen Gründen vier Menschen tötete? Hatte der irgendwelche Folgen, zum Beispiel rechtliche? Gewagte These, ohne jede StVO-Änderung im Detail zu verfolgen: nein.

Wie Du sagst: man könnte genau wissen, was zu tun ist. Man möchte es nicht wissen.

Es ist ja noch zynischer: viele Maßnahmen der Verkehrssicherheit sind ja überhaupt erst nach Blutvergießen möglich, und nicht präventiv. Da reicht es dann noch nicht mal zu sagen "Bei ähnlichen Situationen gab es schon schwere Unfälle", sondern es muss diese schweren Unfälle genau an diesem Ort gegeben haben.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.03.2024 09:15 von def.
Zitat
Jumbo
Zitat
marc-j
Und es gibt gegen dieses Verhalten als Familienmitglied einfach keine Handhabe. Man kann appellieren und reden, reden, reden. Aber es gibt keine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ein Ende 80-jähriger nach mehreren Schwächeanfällen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr Auto fährt, außer ihm den Schlüssel zu "klauen".

Eventuell kann man der Führerscheinbehörde einen Tipp geben, mal die Anwendung von § 46 Fahrerlaubnis-Verordnung zu prüfen.

Danke für den Hinweis
Zitat
def
Wobei im konkreten Fall ja nicht klar ist, ob das Alter im ursächlichen Zusammenhang stand oder ob er einfach nur ein A****loch war. Genug Gründe für regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen gibt es natürlich trotzdem, und zwar nicht nur im Alter. (Gibt es in Hamburg nicht eine Straße, in der regelmäßig irgendwelche Senior:innen in Bäckereien krachen, weil sie mal wieder Gas und Bremse verwechselt haben?)

Das stimmt, aber man kann ja grundsätzlich davon ausgehen, dass die Reaktionsgeschwindigkeit mit 83 einfach schlechter ist. Und selbst wenn er ohne Probleme am Stau vorbeimanövriert wäre, hätte er ja an der roten Ampel ein paar Meter weiter anhalten müssen wofür er dann ja auch schon viel zu schnell unterwegs war. Wenn man hier jetzt also kein Straßenrennen oder eine Amok-Fahrt vermutet, bleibt für mich eigentlich nur der Schluss, dass das zumindest zum Teil durch eine verlorene Kontrolle ausgelöst wurde.

In Italien läuft es übrigens so: "Menschen unter 50 müssen alle zehn Jahre ihren Führerschein erneuern. Fahrer zwischen 50 und 70 Jahren alle fünf, zwischen 70 und 80 Jahren alle drei Jahre. Und jeder, der über 80 ist, muss alle zwei Jahre kommen und eben zusätzlich ein ärztliches Attest vorlegen."
[www.deutschlandfunkkultur.de]

Zitat
def
Das ist das Tragische an Verkehrspolitik: es gibt wohl keinen anderen Politikbereich, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse und jahrzehntelange Evidenz so konsequent zugunsten eines ominösen Bauchgefühls ignoriert werden, es sogar von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik gar nicht gewünscht ist, dazuzulernen.

Ja, ich finde in der Klimapolitik ist es leider ähnlich. Und teilweise auch in den Raumordnungsverfahren, aber das hängt ja irgendwie auch alles miteinander zusammen.
Zitat
marc-j
Und dann ist es auch leider nicht so, als würde dann wenigstens eine defensive Fahrweise angewandt. Ich habe es persönlich erlebt, dass da mit Tempo 50 durch die 30-er Zone gefahren wird, mutwillig (nach 3 Strafzetteln) durch die Fahrradstraße Stargarder Str. gefahren wird, usw.

Das scheint allerdings auch weniger eine Frage des Alters als des Charakters zu sein (selbst wenn man davon ausgeht, dass Charaktereigenschaften im Alter stärker heraustreten) - und der Durchsetzung der StVO. Offensichtlich sind Kontrolldruck und erwartete Strafen so gering, dass sie mit eingepreist werden, aber nicht zu Verhaltensänderungen führen. Womit wir wieder bei dem Thema "Der Politik geht Verkehrssicherheit am allerwertesten vorbei" wären.

Ganz ehrlich: wer zweimal an der gleichen Stelle mit 50 statt 30 unterwegs ist (meinetwegen innerhalb eines Jahres), kann mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass er/sie irgendwas "übersehen" hat. Diese Person sch**ßt auf die Regeln - was sie m.E. für das Führen eines Kraftfahrzeugs disqualifiziert.

Zitat
marc-j
Und es gibt gegen dieses Verhalten als Familienmitglied einfach keine Handhabe. Man kann appellieren und reden, reden, reden. Aber es gibt keine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ein Ende 80-jähriger nach mehreren Schwächeanfällen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr Auto fährt, außer ihm den Schlüssel zu "klauen".

Wie sind eigentlich Ärzt:innen und Polizei/Führerscheinbehörde vernetzt? Eigentlich wäre es doch sinnvoll, wenn eine festgestellte Fahruntauglichkeit direkt weitergemeldet würde?
Eine neuerliche Eignungsuntersuchung ist also eine "Zwangsprüfung". Warum schaffen wir dann diesen Zwang einer teuren Ausbildung samt Prüfung zum Führerscheinerwerb nicht auch ab?

~~~~~~
Sie befinden sich HIER.
Zitat
def
[...]
Das ist das Tragische an Verkehrspolitik: es gibt wohl keinen anderen Politikbereich, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse und jahrzehntelange Evidenz so konsequent zugunsten eines ominösen Bauchgefühls ignoriert werden, es sogar von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik gar nicht gewünscht ist, dazuzulernen.
[...]

Das ist übrigens einer der Hauptgründe, warum ich als diplomierter Verkehrsplaner diesen Berufsweg nicht gewählt habe, obwohl es 'damals' (wie heute) viele offene Stellen in diesem Bereich gab/gibt. Die Verweigerungshaltung in Politik und Bevölkerung (auch hier im Forum) gegenüber den Verkehrswissenschaften ist einfach extrem frustrierend. Insbesondere auf den Feldern induzierter Verkehr, Flächenverteilung und Verkehrssicherheit.

Aber auch der Punkt, wie Verkehrserhebungen durchgeführt werden, ist verdammt anachronistisch und müsste auf wissenschaftlicher Seite längst überarbeitet werden.

Ziemlich kurios ist auch, dass die autozentrierte Politik selbst von Leuten verteidigt wird, die gar kein Auto besitzen. Der Werdegang der Auto-Propaganda ab den 30er Jahren ist eigentlich gut belegt und es gibt einige wissenschaftliche Aufsätze und Artikel dazu. Trotzdem gibt es eine enorme Verweigerungshaltung, insbesondere in Deutschland, bei diesem Thema. Versucht man hier mit Argumenten und Fakten durchzudringen, wird man ziemlich schnell als Autohasser abgestempelt.

Und nun mache ich den Schwenk zu den Grünen: An diesem Punkt bin ich von den Grünen einfach äußerst enttäuscht. Auf Bundesebene haben sie das Verkehrsresort der FDP überlassen, die zwar in Bezug auf den Deutschlandtakt einen wirklich guten Staatssekretär eingesetzt hat, aber sonst leider wenig vom Koalitionsvertrag hält. Und auf Landesebene haben die Grünen durchaus Einiges richtig gemacht, aber nicht nur extrem schlecht kommuniziert, sondern entgegen aller Hasskommentare beim Autoverkehr ziemlich zaghaft agiert. Vor allem, wenn man da mal den vergleichenden Blick in andere europäische Städte wagt. Wobei es natürlich zu einfach ist, die Schuld allein bei den Grünen abzuladen, denn SPD und Linke haben natürlich auch ihren Anteil an der mäßigen Verkehrspolitik der R2G-Ära.

Damit schwenke ich nun noch zur aktuellen Landesregierung: Ein Stück weit erntet sie jetzt die Früchte der letzten Jahre. Allerdings, bei aller Ablehnung der Auto-frist-Politik, werden nun auch endlich mal Entscheidungen beim ÖPNV getroffen. Die Senatsbeschlüsse zum Ausbau des Straßenbahnnetzes würde ich eher als formalen Akt bezeichnen, aber der Systementscheid für die Nahverkehrstangente hat mich schon etwas überrascht, denn den haben bisher alle Vorgängerregierungen weitergeschoben. Und auch dass Schreiner mit der Verkehrslösung Mahlsdorf weiterplanen lässt, obwohl es starken Gegenwind aus der eigenen Partei gibt, rechne ich ihr positiv an. Bei der Vision Zero würde ich dagegen gern mehr als Lippenbekenntnisse sehen. Das Thema Kreuzungsumbau schleift bei allen Regierungen ebenso wie die dringend erforderliche Verwaltungsreform, um die Abläufe endlich mal zu straffen und die notwendigen Beteiligungsrunden (Land/Senatsverwaltungen/Bezirke) zu reduzieren.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Zitat
Jay
Die Verweigerungshaltung in Politik und Bevölkerung (auch hier im Forum) gegenüber den Verkehrswissenschaften ist einfach extrem frustrierend. Insbesondere auf den Feldern induzierter Verkehr, Flächenverteilung und Verkehrssicherheit.

Interessant, dass es dir als Verkehrswissenschaftler auch so geht. Ich erlebe dies als Stadtplaner ähnlich, habe es aber bislang eher als Konflikt zwischen den unterschiedlichen Ansätzen der Disziplinen Stadt- und Verkehrsplanung angesehen.

Die verkehrstechnischen Regelwerke wie die "Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt) sind aus stadtplanerischer Perspektive ziemlich in Stein gemeißelt. Weder "wir Stadtplaner" noch die Kommunalpolitik können normalerweise frei bestimmen, wie eine Straße zu dimensionieren ist, sondern es muss genau aus diesen Regelwerken (mit eher geringen Spielräumen) hergeleitet werden, wie breit sie wird.

Vom Grundansatz her ist die Konstruktion zur Erarbeitung dieser verkehrstechnischen Regelwerke zur Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse eigentlich genau richtig aufgestellt. Sie werden durch akademisch geleitete Arbeitsgruppen innerhalb der "Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen" erarbeitet, in denen Experten aus der Praxis mitarbeiten. Die Politik hat auf diese Regelwerke eher geringe Einflussmöglichkeiten.

Das ist einerseits gut, weil so nicht nach Belieben gebaut werden darf, sondern nach sorgfältig und begründet erarbeiteten Regelwerken. Andererseits ist es:
1. nicht sonderlich demokratisch sondern eher technokratisch, wenn z.B. eine Kommune mit verkehrswendeorientierter Politik nicht frei gestalten kann,
2. nicht sehr flexibel, weil die letzte größere Überarbeitung der RASt nun auch schon "volljährig", also 18 Jahre alt, ist und neuere Erkenntnisse bislang nicht einfließen konnten,
3. wenig transparent, wenn nicht offenlegt wird, welchen Hintergrund die jeweiligen Experten in den Arbeitsgruppen haben. (Immerhin stehen aber Namen, Titel und Orte in den jeweiligen Regelwerken, so dass man selbst recherchieren kann, z.B. hier: [www.fgsv-verlag.de]

Bei dem Link handelt es sich übrigens um die jüngsten Änderungen, um die überalterten Richtlinien nun wenigstens mal etwas zu aktualisieren.

Zitat
Jay
Wobei es natürlich zu einfach ist, die Schuld allein bei den Grünen abzuladen, denn SPD und Linke haben natürlich auch ihren Anteil an der mäßigen Verkehrspolitik der R2G-Ära.

Immerhin kann man den MIV-Lobbyisten eine gute Arbeit bescheinigen. Im Gegensatz zu denjenigen, die sie mit "Argumenten" wie "freie Fahrt für freie Bürger" gewinnen konnten, konnte man bei SPD und Linken die soziale Karte spielen, so dass die "Argumente" nun sind, dass man aus sozialen Aspekten für alle Menschen leistbares Autofahren ermöglichen muss und deshalb Parkraumbewirtschaftung, Citymaut und Co sehr böse wären.

Zitat
Jay
Das Thema Kreuzungsumbau schleift bei allen Regierungen ebenso wie die dringend erforderliche Verwaltungsreform, um die Abläufe endlich mal zu straffen und die notwendigen Beteiligungsrunden (Land/Senatsverwaltungen/Bezirke) zu reduzieren.

Leider sind die Regelwerke formell nur für Neu- und größere Umbauten anzuwenden und es gibt keinen Anspruch, dass diese allgemein für alle Straßen umgesetzt werden müssen. Dies hat zur Folge, dass man Kreuzungen und Straßen oft lieber gar nicht anfasst, als das komplexe aktuelle Regelwerk zur Anwendung bringen zu müssen. Allerdings ist es grundsätzlich schon so, dass diese Regelwerke den aktuellen Stand der Technik definieren, so dass eigentlich Behörden, die längerfristige Abweichungen von diesem tolerieren, dies wider besseren Wissens tun und an sich auch für die Folgen haftbar sind. Die Verkehrswende käme wohl deutlich besser voran, wenn jemand auf dieser Erkenntnis mal im großen Stil den Klageweg bestreiten würde. Die Deutsche Umwelthilfe macht das ja gern mal.
Die Autor:innen (bitte das Wortspiel zu entschuldigen, und muss man das überhaupt gendern?) der RASt scheinen auch noch ein sehr technokratisches Verständnis von Verkehr zu haben, analog zu dem von Wasserbauingenieur:innen - Autos werden größer, also müssen Spuren und Parkplätze breiter werden, dagegen kann man genauso wenig tun wie gegen ein Hochwasser.

In diesem rein reagierenden, technokratischen Denken kann man die Politik nichts lenken, z.B. indem man die Benutzung breiterer Autos unattraktiver gestaltet. In dieser Welt gibt es auch kein menschliches Verhalten und keine Verhaltensänderungen, die durch eine veränderte Straßengestaltung eintreten. Auch auf Unfälle kann man allenfalls reagieren und ihnen keinesfalls vorbeugen.

Schade, dass die Entscheider:innen zu Beginn der autozentrierten Umgestaltung unserer Städte nicht genauso in der Vergangenheit lebten wie jene, die nun krampfhaft an ihr festhalten und darauf basierend Richtlinien definieren. Dann wäre uns viel erspart geblieben.
Zitat
def
Der Politik geht Verkehrssicherheit am allerwertesten vorbei
Dem Volk wohl auch. Man latscht mit Kleinkind auf eine viel befahrene Straße statt die "verkehrssichere" Ampel zu nutzen. Bravo!
Zitat
GraphXBerlin
Zitat
def
Der Politik geht Verkehrssicherheit am allerwertesten vorbei
Dem Volk wohl auch. Man latscht mit Kleinkind auf eine viel befahrene Straße statt die "verkehrssichere" Ampel zu nutzen. Bravo!

Die Straße war nicht befahren, sie war bestanden! Und man darf imStau die Straße überqueren. 100m bis zur nächsten Ampel sind auch nicht so dicht dran an der Ampel, dass der Zwang greift, die Ampel auch lt. StVO benutzen zu müssen.

Aus Sicherheitsgründen, war es natürlich eine blöde Idee. Allerdings hat der Autofahrer gegen jegliche Sicherheitsbedenken verstoßen und gegen die StVO. Damit ist doch eigentlich alles klar. Das gibt einen halben Tagessatz Rentenentzug!

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.03.2024 17:05 von Nemo.
Zitat
GraphXBerlin
Zitat
def
Der Politik geht Verkehrssicherheit am allerwertesten vorbei
Dem Volk wohl auch. Man latscht mit Kleinkind auf eine viel befahrene Straße statt die "verkehrssichere" Ampel zu nutzen. Bravo!

Wie schon geschrieben, war Stau. Zudem waren es Touristen. Damit muss man in der Hauptstadt rechnen, wie mit Ortsfremden Autofahrern.
In der Presse wurde kolpotiert, dass die Personen von dem stehenden Auto, vor dem sie gequert haben, ein Handzeichen erhalten hätten. Also nach der quasi "sicheren" Überquerung auf dem Radweg von einem Fahrzeug umgemetert zu werden, konnten sich die Belgier wohl einfach nicht vorstellen.
Die nächste LSA war 100m entfernt, also 200m Umweg. Ich glaube, innerhalb von 50m muss man diese LSA nutzen.
Bitte stört unseren Vorzeige-Abgasfreak nicht mit Fakten.


Diese Grafik vom Tagesspiegel zeigt das alles recht gut. Wer da jetzt noch erklärt, dass man bitte als Tourist durch diesen Baustellentunnel einen gigantischen Umweg laufen soll, statt eine leere und eine zugestaute Fahrspur zu überqueren, wenn einem dann anscheinend sogar noch ein Handzeichen gegeben wird, dem kann man wohl nicht helfen. Man sieht auch schön, wieso man da nicht mit rechnen kann, dass dort ein Auto über den (ja eigentlich auch nicht besonders breiten) Radweg brettert.
Gigantischer Umweg? Man kanns auch übertreiben.

Es passen keine 2 Autos nebeneinander an der Stelle, wo der Unfall passiert ist, mit (Überhol)Absicht kann das eigentlich nicht passiert sein.
Und auf der kurzen Strecke, wie auf dem Bild zu sehen ist, schafft nicht mal mein höher motorisiertes Auto die angeblichen Tempo 100...muss wohl eine akustische Täuschung des Zeugen gewesen sein.
Nee, das war leider wieder ein altersbedingter Unfall und kein Raserunfall, der 2 Menschenleben gekostet hat.

___
Gute Nacht, Forum!
Zitat
def
Wie sind eigentlich Ärzt:innen und Polizei/Führerscheinbehörde vernetzt? Eigentlich wäre es doch sinnvoll, wenn eine festgestellte Fahruntauglichkeit direkt weitergemeldet würde?

Meines Wissens nach sind die gar nicht vernetzt. Die Ärzte unterliegen ja der Schweigepflicht und diese gilt auch gegenüber den Führerscheinbehörden.

Nach dem Unfall in der Invalidenstraße gab es ja auch die Diskussion, die Schweigepflicht aufzuheben und Ärzte sogar zu verpflichten, bestimmte Einschränkungen ihrer Patienten an die Füherscheinbehörden zu melden. Dagegen wurde aber vorgebracht, dass das das Vertrauensverhältnis Arzt⇄Patient stören würde und die Gefahr besteht, dass Patienten nicht mehr alle Beschwerden dem behandelnden Arzt offenbaren könnten, weil die Patienten befürchen, dadurch ihren Führerschein zu verlieren. Folge wäre eine fehlerhafte oder unzureichende Behandlung der Patienten durch die Ärzte.

Man könnte jetzt anführen, ohne die Meldung verlieren Dritte ihre Gesundheit oder gar ihr Leben.
Sorry, in diesem Forum dürfen nur registrierte Benutzer schreiben.

Hier klicken, um sich einzuloggen