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Nemo
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Wutzkman
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Nemo
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PassusDuriusculus
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angus_67
Moin moin,

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Heidekraut
Was die Verkehrspolitik betrifft, gibt es doch eine einfache Lösung. Innen machen wir grüne Politik, außen tief schwarz. 😂😂😂

Meine Rede! Zaun drum und drei mal am Tag ist Fütterungszeit...

Man muss ja nicht immer ein Zaun drum machen. Reicht doch, dass der ÖPNV nur in der Innenstadt fährt, dann gibt auch kein Fahrermangel mehr,.und außerhalb nur Autos. Da brauch man keinen Zaun und Viel Spaß mit dem zusätzlichen Autoverkehr am Stadtrand.. Wurde ja so gewünscht

Nur wie kommen dann die Außenstädter in die Innenstadt, wenn sie dort nicht mehr Auto fahren dürfen und es bei denen kein ÖPNV gibt?

Ehemalige Bahnhöfe in der Außenstadt werden abgerissen und zu Parkplätzen umfunktioniert.

Und wie kommt man dann von dort weg?

Ich kann doch der schwarz-grünen Regierung nun nicht alle Feinheiten vorkauen.
Ich hab eher den Verdacht die Straße Altmoabit ist für den MIV wichtiger, als die Turmstraße. Vonwegen Durchgangsverkehr und so.
Gerne würde ich die folgende Kolumne von Petra Pinzler bei Zeit Online hier zur Diskussion stellen.
[www.zeit.de]

Ist das so? Braucht es nur bessere Angebote in den Außenbezirken? Oder ist die Verkehrspolitik vielleicht eher ein Katalysator gewesen für ein größeres, umfassenderes "Sich-abgehängt-fühlen"?

Zwar betrachtet sich vermutlich kaum jemand als Person zuvorderst als "Autofahrer" oder "Radfahrer", erst recht nicht "ÖPNV-Nutzer". Dennoch werden Diskussionen um eine Veränderung des Status quo im Verkehrssektor, der ja nun mal dummerweise wegen Klimawandel und Flächenkonkurrenz unausweichlich ist, häufig sehr emotional geführt. Vielleicht liegt es daran, dass für gar nicht so wenige das Auto ein letztes Refugium der Freiheit bedeutet? Vielleicht eher, weil es bequem ist? Oder wirklich unausweichlich, wobei selbst in Außenbezirken in Berlin das Auto selten wirklich alternativlos ist? Ich weiß es nicht.

Allerdings, das ist und bleibt etwas meine Sorge, wer den Wandel nicht konstruktiv gestaltet, wird später umso härtere Konflikte ernten. Insofern wäre es vielleicht nur zu wünschen, dass die CDU nun an der Reihe ist, ihr Modell für die Verkehrspolitik einer geeinten Stadt vorzustellen. In dem Artikel wird der Wunsch der Autorin nach Veränderung folgendermaßen beschrieben:
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Zeit Online
Ändern wird sich die Einstellung vieler Menschen wahrscheinlich erst, wenn sich real etwas ändert. Oder anders formuliert: Sitzbänke auf Parkplätzen in Kreuzberg sind nicht nur schön, sondern auch mehrheitsfähig – wenn man sie aus Teltow ohne Auto erreicht. Das aber braucht einen langen Atem, viel öffentliches Geld und Überzeugungskraft.

Aber stimmt das in der Konsequenz überhaupt? Wurde der Wandel in den, darauffolgend genannten, Städten Paris, Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam nicht gerade dadurch erreicht, dass jemand in Politik und Verwaltung anfangs einfach etwas angepackt hat? Würde es nicht fast immer eine Mehrheit für den Status quo geben, wenn man die Alternative nicht kennt und nicht abschätzen kann? Ist das nicht menschlich?
Ich finde den Beitrag ziemlich anstrengend zu lesen: es sind die üblichen dummen Plattitüden - Arme, die angeblich auf das Auto angewiesen sind (klar, in Ghettos wie Mahlsdorf-Süd...), und natürlich kommt der übliche Hinweis auf die Handwerker. Dabei ist es doch eher so:

- Die wirklich Armen können sich gar kein Auto leisten. Wer Armen helfen möchte, muss ein gutes Leben ohne Auto ermöglichen.
- Die Pinzler tut so, als sei in Berlin ein Leben ohne Auto außerhalb der Ringbahn gar nicht möglich. (Tiefpunkt: "Sitzbänke auf Parkplätzen in Kreuzberg sind nicht nur schön, sondern auch mehrheitsfähig – wenn man sie aus Teltow ohne Auto erreicht.")
- Wer fordert denn eigentlich ernsthaft, dass Handwerker:innen (pauschal! alle!) nicht mehr Auto fahren sollen?
- Natürlich gibt es Bauarbeiten. Im Straßennetz nicht?

Die ganzen Strohmänner also, die stets bemüht werden, um inhaltliche, konkrete Diskussionen zu vermeiden. Was man den Grünen aber wirklich vorwerfen kann und muss: dass sie diese Strohmänner Strohmänner sein lassen und kein bisschen selbst auf die dümmsten Lügen eingehen: "Nein, natürlich fordern wir nicht, dass Handwerker:innen das Autofahren verboten wird - aber wir finden, auch der Wirtschaftsverkehr hat es einfacher, wenn viele auf den ÖPNV, Fahrräder und Fußwege umsteigen. Natürlich muss der ÖPNV auch in den Außenbezirken ausgebaut werden - und das haben wir seit 2016 auch getan, die Leistung bei Bussen und Straßenbahnen ist um ... % gestiegen. Was stört Euch an der FuZo Friedrichstraße? Gibt's in der Spandauer Altstadt seit Jahrzehnten!" etc.

Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen, wie sehr die Grünen die Macht solcher Strohmänner und Narrative unterschätzt haben, und das zum dritten Mal in zwei Jahren (1x Bund, 2x Land). Woher kommt das? Ist das Arroganz, sich nicht an Menschen außerhalb der eigenen Zielgruppe wenden zu wollen? Dummheit, es nicht zu können? (Oder ist es manchmal einfach Genervtsein, immer wieder dem selben, stupide wiederholten Blödsinn widersprechen zu müssen?)

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hvhasel
Vielleicht liegt es daran, dass für gar nicht so wenige das Auto ein letztes Refugium der Freiheit bedeutet? Vielleicht eher, weil es bequem ist?

Ich glaube, es sind v.a. Beharrungskräfte, und ein fehlendes Vorstellungsvermögen, wie viel besser es sein könnte. Das ist auch kein Berliner Phänomen - der "Guardian" hatte vor ein, zwei Jahren dazu einen Artikel veröffentlicht, demzufolge verkehrsberuhigende Maßnahmen nach (mit Blick auf die Friedrichstraße: qualitativ hochwertiger) Umsetzung recht schnell positiv gesehen werden, egal, wie hoch die Wogen vorher gingen.

In dieser Hinsicht habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu Vorbildstädten: positive Vorbilder sind wichtig, um Alternativen aufzuzeigen. Allzu schnell geraten da aber viele in eine Schwärmerei, weil sie mal was aufgeschnappt oder zwei Tage im Urlaub was gesehen haben.

Kopenhagen wirkt halt bei genauerem Hinsehen weniger vorbildlich, wenn man nicht nur auf den Rad-, sondern auch auf den ÖPNV- und MIV-Anteil schaut und feststellt, dass der Autoanteil höher als in Berlin ist. Die Wiener Öffis wirken nicht mehr so ganz toll, wenn man unter Termindruck nach (außerplanmäßig) 30-minütiger Wartezeit auf einer der zahlreichen Langsamfahrstellen im Gleisnetz der Straßenbahn unterwegs ist. Vor ein paar Monaten (nach der Velocity) ging ein Ljubljana-Hype durch die Öko- und Fahrradbubble, weil man dort ein paar Straßen im Zentrum in eine Fußgänger:innen-Zone umgewandelt hat - das haben andere europäische Großstädte schon in den 70ern geschafft; außerhalb dieser paar Straßen ist die Radinfra lebensgefährlich und der ÖPNV miserabel, er hat noch nicht mal eine funktionierende Fahrplanauskunft...

Umso wichtiger wären eben Vorbilder in räumlicher Nähe, umso wichtiger wäre, dass die Friedrichstraße zum Erfolg wird. In Wien haben die Grünen in der Stadtregierung den Umbau der (inneren) Mariahilfer Straße in eine Begegnungszone durchgesetzt, und die Reaktionen und das Gegröle war das gleiche wie nun in der Friedrichstraße. Einige Jahre nach der Umsetzung haben selbst frühere Gegner ähnliche Straßen in allen Bezirken gefordert.
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hvhasel
Vielleicht eher, weil es bequem ist? Oder wirklich unausweichlich, wobei selbst in Außenbezirken in Berlin das Auto selten wirklich alternativlos ist? Ich weiß es nicht.

Freunde von mir wohnen in Lichterfelde im Einfamilienhausgebiet und sind m.M.n. ein gutes Beispiel für dieses "aufs Auto angewiesen sein":

- nächste Bushaltestelle: 160 Meter, 3 Bus-Linien im 20-Min-Takt
- weitere Bushaltestelle: 280 Meter, 1 weitere Bus-Linie im 20-Min-Takt
- S Osdorfer Straße: 950 Meter, 10-Min-Takt
- Bhf Lichterfelde Ost: 1,5km (5-Min-Fahrrad)

- Nächster Supermarkt: 280 Meter
- Alle weiteren Nahversorger im Umkreis von 1km
- Arbeitsweg wird mit ÖPNV bestritten
- Familie & Freunde alle mit ÖPNV erreichbar
- Familien-Sommerhaus an der Nordsee per ÖPNV erreichbar

Brauchen aber laut ihrer Aussage das Auto (jetzt hat man ja auch einen Wohnwagen) und klagen gleichzeitig über die Unterhaltskosten & Spritpreise. Das man keines der oben genannten Ziele auf einem sicheren Radweg erreichen kann, fällt gar nicht auf.
Sie hat das 9€-Ticket nicht zum Umstieg bewogen und da wird ein 10-Min-Takt auf den Buslinien wahrscheinlich auch nichts ändern. Wenn sie den ÖPNV nutzen, dann weil man am Ziel nicht oder nur sehr teuer parken kann.


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Zeit Online
Ändern wird sich die Einstellung vieler Menschen wahrscheinlich erst, wenn sich real etwas ändert. Oder anders formuliert: Sitzbänke auf Parkplätzen in Kreuzberg sind nicht nur schön, sondern auch mehrheitsfähig – wenn man sie aus Teltow ohne Auto erreicht. Das aber braucht einen langen Atem, viel öffentliches Geld und Überzeugungskraft.

Die Sitzbänke auf Parkplätzen in Kreuzberg sind doch jetzt schon aus Teltow ohne Auto erreichbar. Es besteht doch bei vielen einfach gar kein Interesse an einem anderen Mobilitätsverhalten.
Bei vielen scheint die Denkweise noch "wenn ich mit dem Auto 10 Minuten schneller als mit den Öffis bin, dann lohnt sich mein Auto und ich bin darauf angewiesen" zu sein. Dabei sind auch innerhalb des Rings viele Wege mit dem MIV schneller zurückgelegt als mit dem ÖPNV, es ist nur nicht genug Platz da, insbesondere zum Abstellen der Kfz.

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hvhasel
Aber stimmt das in der Konsequenz überhaupt? Wurde der Wandel in den, darauffolgend genannten, Städten Paris, Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam nicht gerade dadurch erreicht, dass jemand in Politik und Verwaltung anfangs einfach etwas angepackt hat? Würde es nicht fast immer eine Mehrheit für den Status quo geben, wenn man die Alternative nicht kennt und nicht abschätzen kann? Ist das nicht menschlich?

Absolut, hier bringt der rbb Sondersendungen zu ein paar Pollern im Bergmannkiez, während anderswo großflächig umgebaut wird.
Ich glaube Berlin fällt auch die kaputt gesparte Verwaltung, finanziell knappere Mittel & die langen Planungsprozesse auf die Füße. Dadurch entstehen hier Low-Cost & schnell umzusetzende Maßnahmen (z.B. rot-weiße-Kiezblock-Poller), während London dafür Blumenkübel verwendet & die Einhaltung des Durchfahrverbots per Kamera kontrolliert. So fallen mögliche Konflikte bezügl. Ästhetik & Rettungswege weg und die allgemeine Akzeptanz ist wahrscheinlich höher, obwohl das Ergebnis das selbe ist.

Übrigens: Ich bin im Dorf Bruchmühle aufgewachsen, damals fuhr dort gar kein ÖPNV. Meine Eltern sind früh mit dem Fahrrad zur S-Bahn. Mittlerweile kommt man auch mit dem Bus alle 20 Minuten zum S-Bhf Fredersdorf oder Petershagen. Zumindest nach Berlin & Strausberg kommt man also auch ohne Auto.
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hvhasel
Wurde der Wandel in den, darauffolgend genannten, Städten Paris, Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam nicht gerade dadurch erreicht, dass jemand in Politik und Verwaltung anfangs einfach etwas angepackt hat? Würde es nicht fast immer eine Mehrheit für den Status quo geben, wenn man die Alternative nicht kennt und nicht abschätzen kann? Ist das nicht menschlich?

Zumindest in Paris, Kopenhagen und Brüssel, halbwegs auch in Amsterdam, wurde die Verkehrswende politisch dadurch begünstigt, dass sie alle eher nur so groß sind wie Berlin innerhalb der Ringbahn. Damit haben die von den Verkehrsproblemen betroffenen Menschen in den dicht besiedelten (Innen-)Stadtquartieren die stabile politische Mehrheit, den Verkehr in sinnvollere Bahnen zu lenken und selbst Parteien, die denen entsprechen, die hier stark autoorientiert agitieren, unterstützen diese Politik dort tendenziell, weil sie ja auch gewählt werden wollen.

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def
Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen, wie sehr die Grünen die Macht solcher Strohmänner und Narrative unterschätzt haben, und das zum dritten Mal in zwei Jahren (1x Bund, 2x Land). Woher kommt das? Ist das Arroganz, sich nicht an Menschen außerhalb der eigenen Zielgruppe wenden zu wollen?

Man muss dabei auch berücksichtigen, dass die Grünen bereits recht deutlich Widerspruch in ihrer Kernzielgruppe bekommen, weil sie aus deren Sicht den ursprünglichen "Markenkern" nicht energisch genug im Fokus haben. Einer der Hauptkritikpunkte aus Sicht der Kernzielgruppe (wie auch hier im Forum häufig zu hören) ist ja nicht die Verkehrswende an sich, sondern die schleppende Umsetzung der Verkehrswende. Aus meiner persönlichen Sicht war z.B. die Entwidmung der Friedrichstraße ein wichtiges Signal, das für Stimmen in der Kernzielgruppe gesorgt hat, die im Zweifel auch an die Klimaliste oder die Tierschutzpartei hätten gehen können.
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Lopi2000
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def
Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen, wie sehr die Grünen die Macht solcher Strohmänner und Narrative unterschätzt haben, und das zum dritten Mal in zwei Jahren (1x Bund, 2x Land). Woher kommt das? Ist das Arroganz, sich nicht an Menschen außerhalb der eigenen Zielgruppe wenden zu wollen?

Man muss dabei auch berücksichtigen, dass die Grünen bereits recht deutlich Widerspruch in ihrer Kernzielgruppe bekommen, weil sie aus deren Sicht den ursprünglichen "Markenkern" nicht energisch genug im Fokus haben. Einer der Hauptkritikpunkte aus Sicht der Kernzielgruppe (wie auch hier im Forum häufig zu hören) ist ja nicht die Verkehrswende an sich, sondern die schleppende Umsetzung der Verkehrswende. Aus meiner persönlichen Sicht war z.B. die Entwidmung der Friedrichstraße ein wichtiges Signal, das für Stimmen in der Kernzielgruppe gesorgt hat, die im Zweifel auch an die Klimaliste oder die Tierschutzpartei hätten gehen können.

Darum ging es mir weniger, sondern um die Kommunikation auch gegenüber Menschen außerhalb der Kernzielgruppe. Hätten Hinweise auf die zahlreichen Mehrleistungspakete wirklich die Kernzielgruppe abgeschreckt - oder viel mehr bestärkt, und nebenbei eben auch andere Zielgruppen erreicht? Stattdessen lässt man zu, dass die politischen Gegner das Narrativ verbreiten, die Grünen würden sich nur um die Innenstadt kümmern.

Auch bei der Friedrichstraße ist ziemlich viel schiefgelaufen. Wieso gab es zur Sperrung Öffnung noch kein Konzept, wie die Friedrichstraße und ihr Umfeld (!) einmal aussehen soll, mit dem man Vorfreude machen könnte? Was haben die eigentlich in den >2 Jahren seit Sperrung so gemacht? Wieso wurden die Belange des ÖPNV (Stichwort N6) und des Radverkehrs (Pseudo-Fahrradstraße Charlottenstraße) nicht berücksichtigt? So hat man nicht nur Menschen außerhalb der Kernzielgruppe abgeschreckt, sondern z.T. auch grüne Kernklientel nicht wirklich zufrieden gestellt. (Vielleicht sollte man sich die österreichische Parteikollegin Maria Vassilakou ins Boot holen, die seinerzeit den Umbau der Mariahilfer Straße durchgesetzt und zum Erfolg gemacht hat?)



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 16.02.2023 15:19 von def.
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marc-j
Freunde von mir wohnen in Lichterfelde im Einfamilienhausgebiet und sind m.M.n. ein gutes Beispiel für dieses "aufs Auto angewiesen sein":

- nächste Bushaltestelle: 160 Meter, 3 Bus-Linien im 20-Min-Takt
- weitere Bushaltestelle: 280 Meter, 1 weitere Bus-Linie im 20-Min-Takt
- S Osdorfer Straße: 950 Meter, 10-Min-Takt
- Bhf Lichterfelde Ost: 1,5km (5-Min-Fahrrad)

- Nächster Supermarkt: 280 Meter
- Alle weiteren Nahversorger im Umkreis von 1km
- Arbeitsweg wird mit ÖPNV bestritten
- Familie & Freunde alle mit ÖPNV erreichbar
- Familien-Sommerhaus an der Nordsee per ÖPNV erreichbar

Brauchen aber laut ihrer Aussage das Auto (jetzt hat man ja auch einen Wohnwagen) und klagen gleichzeitig über die Unterhaltskosten & Spritpreise. Das man keines der oben genannten Ziele auf einem sicheren Radweg erreichen kann, fällt gar nicht auf.

Gut die Takte sind jetzt nicht unbedingt alles wenn man oft umsteigen muss, oder die Umsteigezeiten verkorkst sind. Aber ich als Lankwitzer bräuchte ein Auto vielleicht zwei mal im Jahr für Sperrmüll wegbringen o.ä. Zur Arbeit fahre ich Fahrrad, da die Linien die dorthin fahren chronisch verspätet sind und ich mit dem Fahrrad deshalb im Schnitt 10 Minuten schneller pro Strecke bin.

Gibt aber natürlich auch Situationen wo das Auto schon sinnvoll ist. Ein guter Freund von mir wohnt z.b. in Zehlendorf und pendelt zur Arbeit ins Stern Center. Das sind mit dem Auto 20 Minuten, mit dem ÖPNV 60 Minuten, wenn man die Fußwege von und zur Haltestelle mit einberechnet. Da würde ich dann auch auf's Auto setzen, wenn ich mir so ein Drittel der Fahrzeit sparen kann.
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def
Ich finde den Beitrag ziemlich anstrengend zu lesen: es sind die üblichen dummen Plattitüden - Arme, die angeblich auf das Auto angewiesen sind (klar, in Ghettos wie Mahlsdorf-Süd...), und natürlich kommt der übliche Hinweis auf die Handwerker. Dabei ist es doch eher so:

- Die wirklich Armen können sich gar kein Auto leisten. Wer Armen helfen möchte, muss ein gutes Leben ohne Auto ermöglichen.
- Die Pinzler tut so, als sei in Berlin ein Leben ohne Auto außerhalb der Ringbahn gar nicht möglich. (Tiefpunkt: "Sitzbänke auf Parkplätzen in Kreuzberg sind nicht nur schön, sondern auch mehrheitsfähig – wenn man sie aus Teltow ohne Auto erreicht.")
- Wer fordert denn eigentlich ernsthaft, dass Handwerker:innen (pauschal! alle!) nicht mehr Auto fahren sollen?
- Natürlich gibt es Bauarbeiten. Im Straßennetz nicht?

Das ist zwar richtig und ich sehe das grundsätzlich auch so. Aber seit ich die Umfragen gesehen habe, dass die Mehrheit der (vermeintlich oder tatsächlich) "Armen", die sich kein Auto leisten können, das sofort tun würden, wenn sie es könnten, sehe ich diesen Punkt differenzierter. Der ÖV muss weg von dieser Verlierererzählung (und ich meine damit weiß Gott keine Menschen, sondern das Ansehen des ÖV von außen!) und hin zu einer Gewinnerstory. Dazu braucht man jedoch auch weniger Gleichmacherei und m.E. auch "Premiumprodukte", z.B. zwischen Bus und Taxi, um ein plakatives Beispiel zu nehmen.

Ihre, Petra Pinzlers, Ansicht ist eine rein Innenstadt-bezogene subjektive, aber das finde ich nicht schlimm. Denn außerhalb der Kreise, die sich für das Thema interessiert, erlebe ich es in meinem Freundeskreis auch genau so: Die einen, die ihren Lebensstil am Rosenthaler Platz oder im Wedding nur mit Fahrrad, ÖPNV und Carsharing leben und die anderen, die in Dahlem oder Spandau wohnen und wirklich nur mit dem eigenen Auto täglich in Berlin unterwegs sind. Natürlich, das sind die beiden Extreme, aber das Zwischenmodell, für das ich mich halte, gibt es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis nur sehr selten: Tägliches Pendeln zur Arbeit vom Stadtrand mit der Bahn, eigenes Auto eigentlich nur am Wochenende und damit (fast) nie in der Innenstadt unterwegs.

Das Handwerker-Argument ist aber nicht zu unterschätzen, weil es ein weit verbreitetes und über die Berufsgruppe hinaus die Befürchtungen der Leute anspricht, auch wenn es vermutlich nicht weniger mit Fachkräftemangel und Inflation zu tun hat. Das müssten die Grünen dringend angehen, um ihre Argumentation zu stärken. Die Anziehungskraft der Innenstadt ist zwar in der Kolumne überspitzt dargestellt, aber sie stimmt auch. In den Außenbezirken oder im Umland ist die Anziehungskraft ein vielfaches geringer, weil die soziale Infrastruktur fehlt. Das ist ein anderes Problem, aber es existiert.

Bauarbeiten ändern mit dem eigenen Auto den gewohnten Ablauf aber nur relativ geringfügig, beim ÖV aber grundlegend. Meine Kollegen betrachten den derzeitigen Nord-Süd-S-Bahn SEV bspw. wie eine tägliche Bestrafung, dessen Ende am Freitag entgegengefiebert wird. Auf meinen Hinweis, dass man auch Alternativen hätte (z.B. U6) reagieren sie gar nicht. Das stört vermutlich die Gewohnheit durch eine zusätzliche, bisher unbekannte Busfahrt doch zu sehr.

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def
Die ganzen Strohmänner also, die stets bemüht werden, um inhaltliche, konkrete Diskussionen zu vermeiden. Was man den Grünen aber wirklich vorwerfen kann und muss: dass sie diese Strohmänner Strohmänner sein lassen und kein bisschen selbst auf die dümmsten Lügen eingehen: "Nein, natürlich fordern wir nicht, dass Handwerker:innen das Autofahren verboten wird - aber wir finden, auch der Wirtschaftsverkehr hat es einfacher, wenn viele auf den ÖPNV, Fahrräder und Fußwege umsteigen. Natürlich muss der ÖPNV auch in den Außenbezirken ausgebaut werden - und das haben wir seit 2016 auch getan, die Leistung bei Bussen und Straßenbahnen ist um ... % gestiegen. Was stört Euch an der FuZo Friedrichstraße? Gibt's in der Spandauer Altstadt seit Jahrzehnten!" etc.

Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen, wie sehr die Grünen die Macht solcher Strohmänner und Narrative unterschätzt haben, und das zum dritten Mal in zwei Jahren (1x Bund, 2x Land). Woher kommt das? Ist das Arroganz, sich nicht an Menschen außerhalb der eigenen Zielgruppe wenden zu wollen? Dummheit, es nicht zu können? (Oder ist es manchmal einfach Genervtsein, immer wieder dem selben, stupide wiederholten Blödsinn widersprechen zu müssen?)

Ja, das wirkt für viele "abgehoben", vielleicht ist es das sogar. Man hält sich selbst für eine Art Avantgarde, aber spricht eben eine andere Sprache. Zumal die Grünen in den Außenbezirken oftmals die Ansichten der Innenstadt-Grünen konterkarieren. Ich erinnere mich gut an meinen Hinweis an einen grünen Bezirkspolitiker, um Maßnahmen wegen eines ständig zugeparkten Gehwegs/Radwegs z.B. durch bauliche Maßnahmen oder entsprechende Beschilderung zu ergreifen. Das war fernab von einem Wohngebiet, aber die größte Sorge des Grünen waren die fehlenden Ersatzparkmöglichkeiten, nicht der Nachteil der Unbenutzbarkeit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer.

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def
Ich glaube, es sind v.a. Beharrungskräfte, und ein fehlendes Vorstellungsvermögen, wie viel besser es sein könnte. Das ist auch kein Berliner Phänomen - der "Guardian" hatte vor ein, zwei Jahren dazu einen Artikel veröffentlicht, demzufolge verkehrsberuhigende Maßnahmen nach (mit Blick auf die Friedrichstraße: qualitativ hochwertiger) Umsetzung recht schnell positiv gesehen werden, egal, wie hoch die Wogen vorher gingen.

In dieser Hinsicht habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu Vorbildstädten: positive Vorbilder sind wichtig, um Alternativen aufzuzeigen. Allzu schnell geraten da aber viele in eine Schwärmerei, weil sie mal was aufgeschnappt oder zwei Tage im Urlaub was gesehen haben.

Kopenhagen wirkt halt bei genauerem Hinsehen weniger vorbildlich, wenn man nicht nur auf den Rad-, sondern auch auf den ÖPNV- und MIV-Anteil schaut und feststellt, dass der Autoanteil höher als in Berlin ist. Die Wiener Öffis wirken nicht mehr so ganz toll, wenn man unter Termindruck nach (außerplanmäßig) 30-minütiger Wartezeit auf einer der zahlreichen Langsamfahrstellen im Gleisnetz der Straßenbahn unterwegs ist. Vor ein paar Monaten (nach der Velocity) ging ein Ljubljana-Hype durch die Öko- und Fahrradbubble, weil man dort ein paar Straßen im Zentrum in eine Fußgänger:innen-Zone umgewandelt hat - das haben andere europäische Großstädte schon in den 70ern geschafft; außerhalb dieser paar Straßen ist die Radinfra lebensgefährlich und der ÖPNV miserabel, er hat noch nicht mal eine funktionierende Fahrplanauskunft...

Umso wichtiger wären eben Vorbilder in räumlicher Nähe, umso wichtiger wäre, dass die Friedrichstraße zum Erfolg wird. In Wien haben die Grünen in der Stadtregierung den Umbau der (inneren) Mariahilfer Straße in eine Begegnungszone durchgesetzt, und die Reaktionen und das Gegröle war das gleiche wie nun in der Friedrichstraße. Einige Jahre nach der Umsetzung haben selbst frühere Gegner ähnliche Straßen in allen Bezirken gefordert.

Das ist richtig und es wird auch sehr selektiv getan. Was mich z.B. bei Deinem Beispiel Kopenhagen wundert: So wird auch der m.E. für die Größe der Stadt sehr umfangreiche ÖPNV-Ausbau der letzten Jahre völlig vernachlässigt. Hinzu kommt eine deutlich geringere Fahrradnutzung im Winter und damit verbunden höhere saisonale ÖPNV-Anteile, auch in Kombination. Und natürlich ein Verhältnis zum Auto, welches auch der Berliner CDU gefallen würde. Die vermeintlich hohen Parkgebühren gelten schon in Frederiksberg nicht mehr. Aber auch hier schaffen es die Grünen nicht, gegen den absurden Bullerbü-Vorwurf anzustinken.

Zu Wien, wobei, Du sagst es: Die Mariahilfer Straße ist eine Begegnungszone! Was hätte man sich ersparen können, wenn die Grünen dieses Konzept für Deutschland insgesamt gefordert und in der Friedrichstraße als Modell umgesetzt hätten und nicht das Rad dort mehrfach neu erfinden? Was mir unabhängig vom Verkehrsalltag auch besser gefällt: das politisch-strategische Vorgehen im Städtebau, neben der deutlich besseren Wohnungspolitik. In Wien hätte man bspw. die Wasserstadt Spandau nicht ohne Bim oder S-Bahn fertiggestellt. Dann kommen die Leute auch gleich weniger mit ihren Autos in so genannte "autoarme Viertel".

Es ist aber kein Wunder, so empfinde ich es, dass sich a) die Probleme verschärfen und b) der Glaube an Veränderung langsam aber sicher abstirbt, wenn man, wie in Berlin üblich, viel sich selbst überlässt.
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BusUndBahnAusBerlin
Gibt aber natürlich auch Situationen wo das Auto schon sinnvoll ist. Ein guter Freund von mir wohnt z.b. in Zehlendorf und pendelt zur Arbeit ins Stern Center. Das sind mit dem Auto 20 Minuten, mit dem ÖPNV 60 Minuten, wenn man die Fußwege von und zur Haltestelle mit einberechnet. Da würde ich dann auch auf's Auto setzen, wenn ich mir so ein Drittel der Fahrzeit sparen kann.

Mir käme das auf den Einzelfall an. Wenn ich an seiner Stelle wäre und in der Nähe einer Haltestelle von der 118 wohnen würde, wäre mir auch die längere Fahrt egal. Die Fußwege vom Parkplatz am Stern-Center sind ja auch nicht gerade kurz. Das Umsteigen z.B. in Stahnsdorf würde mich aber schon mehr stören.
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BusUndBahnAusBerlin
Gibt aber natürlich auch Situationen wo das Auto schon sinnvoll ist. Ein guter Freund von mir wohnt z.b. in Zehlendorf und pendelt zur Arbeit ins Stern Center. Das sind mit dem Auto 20 Minuten, mit dem ÖPNV 60 Minuten, wenn man die Fußwege von und zur Haltestelle mit einberechnet. Da würde ich dann auch auf's Auto setzen, wenn ich mir so ein Drittel der Fahrzeit sparen kann.

Es gibt sicherlich Menschen, die tatsächlich ein Auto für ihre Wege brauchen. Es gibt aber eben einen Unterschied zwischen "ohne Auto geht es nicht" und "mit dem Auto bin ich schneller". Mich stört, dass viele Menschen so tun als ginge es in den Außenbezirken nicht ohne Auto und wenn man sich dann mal deren alltägliche Wege anschaut, fällt die Aussage (zumindest in meinem Bekanntenkreis) sehr schnell in sich zusammen.

Umso unverständlicher finde ich es eigentlich, dass die Car-Sharing Anbieter noch nicht verpflichtet wurden ihr Geschäftsgebiet auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten.
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hvhasel
Aber seit ich die Umfragen gesehen habe, dass die Mehrheit der (vermeintlich oder tatsächlich) "Armen", die sich kein Auto leisten können, das sofort tun würden, wenn sie es könnten, sehe ich diesen Punkt differenzierter. Der ÖV muss weg von dieser Verlierererzählung (und ich meine damit weiß Gott keine Menschen, sondern das Ansehen des ÖV von außen!) und hin zu einer Gewinnerstory. Dazu braucht man jedoch auch weniger Gleichmacherei und m.E. auch "Premiumprodukte", z.B. zwischen Bus und Taxi, um ein plakatives Beispiel zu nehmen.

Natürlich, da wirken eben auch Jahrzehnte automobilen Marketings nach, in dem nicht die gestresste Mutter auf der achtspurigen Autobahn neben einem abgrundtief hässlichen Wohngebiet im Stau steht, sondern eine glückliche Familie durch eine spektakuläre Landschaft fährt, natürlich im einzigen Auto weit und breit.

Unabhängig von Premiumprodukten wäre wahrscheinlich erstmal sinnvoll, überhaupt für ein gewisses Maß an Qualität zu sorgen: regelmäßigere Reinigung von "Problembahnhöfen", Durchsetzung der Hausordnung (es ist nicht Aufgabe von S-Bahn und BVG, soziale Probleme zu lösen), aber auch so etwas wie ausreichend vorhandener Wetterschutz. Wenn ich mir die neuen S-Bahnhöfe an der Dresdner Bahn anschaue, scheint man immer noch nicht gelernt zu haben, dass zumindest die regelmäßig anzutreffende Zuglänge bei Schnellbahnen überdacht gehört.

Was eben auch dazu gehört: die Einsicht, dass es trotzdem Menschen gibt, die nicht in die Öffis zu bewegen, aber vielleicht von attraktiven Radwegen anzusprechen sind, und umgekehrt.

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hvhasel
Die einen, die ihren Lebensstil am Rosenthaler Platz oder im Wedding nur mit Fahrrad, ÖPNV und Carsharing leben und die anderen, die in Dahlem oder Spandau wohnen und wirklich nur mit dem eigenen Auto täglich in Berlin unterwegs sind. Natürlich, das sind die beiden Extreme, aber das Zwischenmodell, für das ich mich halte, gibt es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis nur sehr selten: Tägliches Pendeln zur Arbeit vom Stadtrand mit der Bahn, eigenes Auto eigentlich nur am Wochenende und damit (fast) nie in der Innenstadt unterwegs.

Ich gehöre auch zum Dazwischen und lebe in zwei Städten (Berlin und Wien) außerhalb der Innenstadt bzw. der inneren Bezirke, aber ohne Auto. In meinem Umfeld erlebe ich v.a. zwei Dinge:

1. Die radikalen Nur-Autofahrer gehören eher der Boomer:innen-Generation an, die jüngeren haben einen pragmatischeren Zugang, also entscheiden sich je nach Weg für ein Verkehrsmittel; auch die in den 70er und 80er Jahren Geborenen, die ein Auto besitzen, haben oft auch eine Jahreskarte und ein nicht im Keller verstaubendes Fahrrad. (Im Wahlergebnis vom letzten Sonntag scheint das auch etwas durchzuschimmern, immerhin waren die Grünen bei den U60 stärkste Partei - bei den U60, nicht U30!)

2. Dieser pragmatische Zugang scheint mir in meinem Wiener Umfeld weiter verbreitet, über Altersgruppen hinweg.

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hvhasel
Das Handwerker-Argument ist aber nicht zu unterschätzen, weil es ein weit verbreitetes und über die Berufsgruppe hinaus die Befürchtungen der Leute anspricht, auch wenn es vermutlich nicht weniger mit Fachkräftemangel und Inflation zu tun hat.

Umso dringender, dass sie halt endlich mal den Spieß umdrehen und sagen: "Lieferzonen sind wichtiger als Parkplätze". Ich verstehe nicht, warum man diese Low Hanging Fruit nicht nur liegenlässt, sondern regelrecht zertrümmert.

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hvhasel
Zu Wien, wobei, Du sagst es: Die Mariahilfer Straße ist eine Begegnungszone! Was hätte man sich ersparen können, wenn die Grünen dieses Konzept für Deutschland insgesamt gefordert und in der Friedrichstraße als Modell umgesetzt hätten und nicht das Rad dort mehrfach neu erfinden?

Das ist diese Berliner (wie Wiener) Eigenart, das Rad immer wieder neu erfinden zu müssen, auch wenn man dann viel Geld für schlechtere Lösungen ausgibt...

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hvhasel
Was mir unabhängig vom Verkehrsalltag auch besser gefällt: das politisch-strategische Vorgehen im Städtebau, neben der deutlich besseren Wohnungspolitik. In Wien hätte man bspw. die Wasserstadt Spandau nicht ohne Bim oder S-Bahn fertiggestellt. Dann kommen die Leute auch gleich weniger mit ihren Autos in so genannte "autoarme Viertel".

Da möchte ich aber auch direkt widersprechen: es gibt natürlich die Seestadt, die schon eine U-Bahn hatte, bevor die ersten Anwohner:innen kamen, und von Anfang an eine Art Erdgeschossmanagement, um das Viertel zu beleben. Das ist aber eher die löbliche Ausnahme. An sich sehe ich aber in Wien weder politisch-strategisches Vorgehen im Städtebau (der passiert eher als dass er gelenkt wird) noch prinzipiell eine Berücksichtigung des ÖPNV bei der Planung neuer Wohngebiete.

Um ein (!) ganz schlechtes Beispiel zu nennen: das alte Gaswerk Leopoldau. Das ist tatsächlich autoarm konzipiert, mit Parkhäusern am Rand des Viertels und vielen autoarmen bis -freien Freiflächen im Viertel. Das Dumme nur: nicht nur die Parkhäuser, sondern auch die Bushaltestellen sind am Rand, und zwar noch weiter am Rand als die Parkhäuser. Die im Osten haltende Buslinie fährt nur alle 20-30 min und nur bis ca. 21 Uhr, die im Südwesten haltende Buslinie häufiger und länger, erreicht aber außer dem nächsten S-Bahnhof keine wirklich relevanten Ziele; und weil es bei der S-Bahn keine regelmäßigen Intervalle gibt (mehrere Linien im 30-min-Takt, die aber gerade abends nicht gleichmäßig verteilt sind, Lücken von >15 min), sind Anschlüsse vom und zum Bus reiner Zufall. Ein wenig Radweg gibt es im Umfeld, aber relevante Ziele (außer vielleicht das S-Bahn) erreicht man so auch nicht.

Auch die Wohnungspolitik ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist die hohe Anzahl von Gemeindebauten wirklich großartig. Aber wer das Pech hat, dort nicht unterzukommen, bezahlt auch in Wien absurd hohe Mieten; verschärfend kommt hinzu, dass es auf dem privaten Wohnungsmarkt fast nur noch befristete Mietverträge gibt.
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def
Da möchte ich aber auch direkt widersprechen: es gibt natürlich die Seestadt, die schon eine U-Bahn hatte, bevor die ersten Anwohner:innen kamen, und von Anfang an eine Art Erdgeschossmanagement, um das Viertel zu beleben. Das ist aber eher die löbliche Ausnahme. An sich sehe ich aber in Wien weder politisch-strategisches Vorgehen im Städtebau (der passiert eher als dass er gelenkt wird) noch prinzipiell eine Berücksichtigung des ÖPNV bei der Planung neuer Wohngebiete.

Um ein (!) ganz schlechtes Beispiel zu nennen: das alte Gaswerk Leopoldau. Das ist tatsächlich autoarm konzipiert, mit Parkhäusern am Rand des Viertels und vielen autoarmen bis -freien Freiflächen im Viertel. Das Dumme nur: nicht nur die Parkhäuser, sondern auch die Bushaltestellen sind am Rand, und zwar noch weiter am Rand als die Parkhäuser. Die im Osten haltende Buslinie fährt nur alle 20-30 min und nur bis ca. 21 Uhr, die im Südwesten haltende Buslinie häufiger und länger, erreicht aber außer dem nächsten S-Bahnhof keine wirklich relevanten Ziele; und weil es bei der S-Bahn keine regelmäßigen Intervalle gibt (mehrere Linien im 30-min-Takt, die aber gerade abends nicht gleichmäßig verteilt sind, Lücken von >15 min), sind Anschlüsse vom und zum Bus reiner Zufall. Ein wenig Radweg gibt es im Umfeld, aber relevante Ziele (außer vielleicht das S-Bahn) erreicht man so auch nicht.

Dass auch in Wien nicht alles Gold ist, was glänzt, ist mir bewusst. Zwar bin ich kein Experte was die österreichische Hauptstadt betrifft und ich möchte Wien ohnehin nicht als perfektes Modell verklären, aber mit dem Negativbeispiel Berlin bei neuen Lösungen wird man der Stadt doch auch nicht gerecht oder?

Ich erwarte absolut keine Wunder, aber selbst kleine Dinge, wie die Lösung des Busverkehrs rund um den Wienerberg/Meidling würden bei mir, wäre es in Berlin, schon Freudentränen hervorrufen.

Zitat
def
Auch die Wohnungspolitik ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist die hohe Anzahl von Gemeindebauten wirklich großartig. Aber wer das Pech hat, dort nicht unterzukommen, bezahlt auch in Wien absurd hohe Mieten; verschärfend kommt hinzu, dass es auf dem privaten Wohnungsmarkt fast nur noch befristete Mietverträge gibt.

Ich fürchte, das ist einer der Tode, die man bei derzeitiger gesetzlicher Lage in Metropolen leider generell sterben muss.
Moin moin,

Zitat
Nemo

Nur wie kommen dann die Außenstädter in die Innenstadt, wenn sie dort nicht mehr Auto fahren dürfen und es bei denen kein ÖPNV gibt?

Brauchen sie ned..."Homeoffice" lautet das Stichwort. In der Innenstadt gibt es doch eh fast kein bis gar kein produzierendes Gewerbe mehr.

Gruß
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def
Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen, wie sehr die Grünen die Macht solcher Strohmänner und Narrative unterschätzt haben, und das zum dritten Mal in zwei Jahren (1x Bund, 2x Land). Woher kommt das? Ist das Arroganz, sich nicht an Menschen außerhalb der eigenen Zielgruppe wenden zu wollen? Dummheit, es nicht zu können? (Oder ist es manchmal einfach Genervtsein, immer wieder dem selben, stupide wiederholten Blödsinn widersprechen zu müssen?)

Zitat
hvhasel
Ja, das wirkt für viele "abgehoben", vielleicht ist es das sogar. Man hält sich selbst für eine Art Avantgarde, aber spricht eben eine andere Sprache.

Ich weiß nicht, ob es mit Arroganz, Abgehobenheit oder Avantgarde richtig umschrieben ist, vielleicht noch am ehesten mit Dummheit: Die Grünen überschätzen die Wähler:innen. Sie denken, dass die Strohmänner und Narrative in ihrer Offensichlichkeit doch auch allen auffallen müssten oder, dass eine Art allgemeines Interesse an Fakten bestünde.

Ich war geschockt, dass sich selbst in meinem links-grün-versifften Umfeld auto-kritische Menschen bei dieser Wahl gegen die Grünen ausgesprochen haben, weil sie die Friedrichstraße einzig für eine Wahlkampfaktion hielten. Dass sich das ganze Antragsverfahren zog und eben schon ewig lief und man eher mal die Frage stellen müsste, wer warum so kurz vor der Wahl das Gericht angerufen hat - tja, das ist leider nicht passiert. Und wurde auch nicht wirklich richtig gestellt...
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eiterfugel
Ich weiß nicht, ob es mit Arroganz, Abgehobenheit oder Avantgarde richtig umschrieben ist, vielleicht noch am ehesten mit Dummheit: Die Grünen überschätzen die Wähler:innen. Sie denken, dass die Strohmänner und Narrative in ihrer Offensichlichkeit doch auch allen auffallen müssten oder, dass eine Art allgemeines Interesse an Fakten bestünde.

Das klingt plausibel und spräche ja fast wieder für die Grünen, weil es für ein urliberales, dem Individuum vertrauendes Menschenbild spricht - das hier aber leider etwas ins Naive kippt. Ich verzweifle auch manchmal daran, wie viele Entlastungsversprechen eigentlich noch gebrochen werden müssen, bis wenigsten Journalist:innen mal anfangen, bei dem Blödsinn zu widersprechen, Beispiele gibt es nun wahrlich genug. Das wäre ja wenigstens der allererste Schritt...

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def
Was eben auch dazu gehört: die Einsicht, dass es trotzdem Menschen gibt, die nicht in die Öffis zu bewegen, aber vielleicht von attraktiven Radwegen anzusprechen sind, und umgekehrt.

Da möchte ich dringend einen Gedanken ergänzen, weiß der Fußverkehr sonst so gern vergessen wird (auch von mir): es gehört v.a. natürlich auch eine sinnvolle Stadtplanung hinzu, die es ermöglicht, möglichst viele Wege zu Fuß zurücklegen.

***

Themenwechsel zu etwas Optimistischerem: Die walisische Regierung hat jüngst auf Grundlage des Berichts eines Expertengremiums verkündet, bei Investitionen in die Straßeninfrastruktur künftig auf folgende Punkte zu achten:

1. Förderung des Modal Shift (also der Verlagerung vom MIV hin zu ÖPNV, Rad- und Fußverkehr), Reduktion des CO2-Ausstoßes, Vermeidung induzierter Verkehre durch Straßenneubau

2. Erhöhung der Sicherheit statt der Kapazitäten

3. Klimaanpassung

4. Unterstützung des Modal Shifts auch bei der Anbindung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftszentren

(Quelle, und auf dem Twitteraccount der walisischen Regierung etwas einfacher und kürzer als Video konsumierbar.)

Nun muss man natürlich aufpassen, dass man nicht Zustände anderswo idealisiert (das habe ich vorhin selbst erst kritisiert, da wäre ich ja schön blöd, direkt einzusteigen). Ich habe so gar keinen Einblick in die walisische Verkehrspolitik, und inwiefern das Roads Review Panel und die Schlussfolgerungen der walisischen Regierung dann konkret in die Tat umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Was ich aber bemerkenswert finde: dass überhaupt eine "Landesregierung" über offizielle Kanäle verkündet, dass die Strategie, einfach nur immer mehr Straßen zu bauen, gescheitert ist, und entsprechende Schlussfolgerungen zieht - und das ist letztlich die Grundvoraussetzung für alles weitere. Ob und wann wir so etwas auch in Deutschland einmal erleben dürfen?
Ich weiß nicht, ob die Leute, die nicht ohnehin schon Grün wählen, überhaupt ansprechbar sind. Über das angeblich unverzichtbare Auto in Lichterfelde hat Marc bereits berichtet. Es gibt in weiten Teilen der Bevölkerung wohl eine Mentalität, dass für einen selbst das Beste gerade gut genug ist, und nach MIR erstmal eine ganze Weile nichts kommt. Das sehe ich nicht nur beim Verkehr, das sehe ich beim Essen, wo der Supermarkt das Biofleisch gefälligst zum Discountpreis anzubieten hat. Das sehe ich beim Pay TV, wo für die teuersten Sportereignisse und die neuesten Filme und Serien alles über monatlich 10 Euro ein Skandal ist und mit dem Gucken russischer Streams beantwortet wird. Das sehe ich beim Sport, wo Eltern erwarten, dass der ehrenamtliche Trainer Tag und Nacht erreichbar ist, die Wettkampftermine danach ausrichtet, wann gerade keine Familienfeier ist, und jedes Kind an der Haustür abholt und wieder zurückbringt. Und das betrifft selbstverständlich den Verkehr, wo Steuern auf Benzin und Diesel nur erhoben werden, um damit Unisex-Toiletten für Problem-Araber-Banden zu finanzieren, staufreie Fahrt und kostenlose Parkplätze eine Selbstverständlichkeit sind, und der ohnehin nie genutzte ÖPNV im 5-Minuten-Takt mit Sitzplatzgarantie umsteigefrei von Haustür zu Haustür zu fahren hat. Und zwar deutschlandweit für 9 Euro. Inklusive Fernverkehr und Taxi!
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hvhasel
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BusUndBahnAusBerlin
Gibt aber natürlich auch Situationen wo das Auto schon sinnvoll ist. Ein guter Freund von mir wohnt z.b. in Zehlendorf und pendelt zur Arbeit ins Stern Center. Das sind mit dem Auto 20 Minuten, mit dem ÖPNV 60 Minuten, wenn man die Fußwege von und zur Haltestelle mit einberechnet. Da würde ich dann auch auf's Auto setzen, wenn ich mir so ein Drittel der Fahrzeit sparen kann.

Mir käme das auf den Einzelfall an. Wenn ich an seiner Stelle wäre und in der Nähe einer Haltestelle von der 118 wohnen würde, wäre mir auch die längere Fahrt egal. Die Fußwege vom Parkplatz am Stern-Center sind ja auch nicht gerade kurz. Das Umsteigen z.B. in Stahnsdorf würde mich aber schon mehr stören.

In seinem Fall wohnt er 15 Minuten Fußweg vom 118 entfernt und er hat zum Glück einen Mitarbeiterparkplatz, der ist vielleicht 100 Meter von seiner Arbeitsstelle entfernt. Wie gesagt ich hab eh kein Auto (und Werd wohl auch nie eins haben), aber wenn ich mir so ⅓ der Fahrzeit sparen kann, würde ich das auch machen. Sind auf eine Arbeitswoche, mit Hin- und Rückfahrt gerechnet immerhin gut 6 Stunden Zeitersparnis.

Wenn es jetzt um meinetwegen 10 Minuten pro Richtung geht wäre mir das den deutlichen Aufpreis für die Unterhaltskosten eines Autos aber definitiv nicht wert.
Zitat
BusUndBahnAusBerlin
Mir käme das auf den Einzelfall an. Wenn ich an seiner Stelle wäre und in der Nähe einer Haltestelle von der 118 wohnen würde, wäre mir auch die längere Fahrt egal. Die Fußwege vom Parkplatz am Stern-Center sind ja auch nicht gerade kurz. Das Umsteigen z.B. in Stahnsdorf würde mich aber schon mehr stören.

In seinem Fall wohnt er 15 Minuten Fußweg vom 118 entfernt und er hat zum Glück einen Mitarbeiterparkplatz, der ist vielleicht 100 Meter von seiner Arbeitsstelle entfernt. Wie gesagt ich hab eh kein Auto (und Werd wohl auch nie eins haben), aber wenn ich mir so ⅓ der Fahrzeit sparen kann, würde ich das auch machen. Sind auf eine Arbeitswoche, mit Hin- und Rückfahrt gerechnet immerhin gut 6 Stunden Zeitersparnis.

Wenn es jetzt um meinetwegen 10 Minuten pro Richtung geht wäre mir das den deutlichen Aufpreis für die Unterhaltskosten eines Autos aber definitiv nicht wert.[/quote]

Um das Beispiel mal als Pars pro toto zu nehmen: Das ist doch auch vollkommen verständlich, sogar wenn er direkt an der Haltestellte wohnen würde.

Meine persönliche Ansicht und das habe ich auch schon bei einem komplett anderen Thema, der "Blockierung der Straßenbahn in der Dörpfeldstraße" geschrieben, ist, das man ohnehin niemanden vorschreiben kann, was wer wie nutzt, solange es nicht verboten ist bzw. es eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür gibt, die dann durch konkrete Maßnahmen umzusetzen ist.

Um das auf die Praxis und Grünen zu übersetzen, sind die Bezirksvertreter der Partei in der Innenstadt eben deutlich weiter als die Landespolitiker, die keine stadtweiten Vorgaben und Vorstellungen vermittelt bekommen. Erstere setzen auf konkrete Maßnahmen, die den Anwohnern zu Gute kommen, wie Diagonalsperren oder mehr Fahrradstraßen. Klar, die sind auch umstritten und führen zu kontroversen Diskussionen. Aber bis auf Strohfeuer der Gegner habe ich jetzt auch nicht viel konstruktive Alternativvorschläge vernommen. Diese Politik scheint außerdem ja aufzugehen, wenn ich mir die BVV-Ergebnisse so ansehe.

Spannend finde ich jetzt die Situation in den Außenbezirken und dann eventuell für die CDU. Denn so politisch homogen, wie jetzt alle tun, sind die natürlich auch nicht. Nehmen wir als Beispiel das Waldseeviertel in Reinickendorf. In dieser CDU-Hochburg wollen die Anwohner auch keinen Durchgangsverkehr und schlagen damit ganz ordentliche Wellen. In diesen Fragen wird es für die CDU also früher oder später auch zum Offenbarungseid gegenüber ihrer eigenen Klientel kommen.

Vielleicht ist genau das der Berliner Weg: Es dauert alles ewig und ist furchtbar zäh, aber wenn es genug Einzelfälle "von unten" gibt, sickert das langsam nach oben durch.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.02.2023 08:52 von hvhasel.
Zitat
hvhasel
Spannend finde ich jetzt die Situation in den Außenbezirken und dann eventuell für die CDU. Denn so politisch homogen, wie jetzt alle tun, sind die natürlich auch nicht. Nehmen wir als Beispiel das Waldseeviertel in Reinickendorf. In dieser CDU-Hochburg wollen die Anwohner auch keinen Durchgangsverkehr und schlagen damit ganz ordentliche Wellen.

Ich habe mir mal den Spaß gemacht und den betreffenden Stimmbezirk bei der BVV-Wahl herausgesucht:
[wahlen-berlin.de]

Mit 20,9 % und damit nochmals ein wenig mehr als 2021 ist das für die Grünen in einem Stimmbezirk am Stadtrand schon sehr eindrucksvoll. Sogar bei der AGH-Wahl zieht das ein vergleichbares Ergebnis nach sich. Die Verkehrswende ist also auch in Außenbezirken bei konkreten Fällen nicht zwangsläufig ein Verliererthema. Es braucht aber - wie so oft - die persönliche Betroffenheit und auch eine gewisse Organisationsfähigkeit, die dann gegenseitig wirkt.
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