Deutsche_Oper schrieb:
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> @Ingolf
>
> 1. Exakte Zahlen sind bei der BVG ja wohl meistens
> Top-Secret. Wenn wir die aber hätten,
Einige - zumindest grobe Zahlen - sind durchaus öffentlich verfügbar (z.B. Mobilität der Stadt, Berlin 2005, S.44 gibt es eine Querschnittsbelastungskarte), Andere Zahlen sind aus meiner Tätigkeit bekannt, aber hier leider nicht vetöffentlichbar.
könnten wir
> m. E. sehr wohl darüber diskutieren, daß z.B.
> Linien wie die bereits erwähnte M4 prinzipiell
> u-bahnwürdig sind (weil sie
> erstens an die Grenzen ihrer Kapazität stoßen und
> zweitens einen nicht zu unterschätzenden Anteil an
> Fahrgastverkehr über längere Strecken aufweisen).
Dann kommen wir konkret zur M4:
1. Diese Linie ist vor allem durch Kurz- und Mittelstreckverkehr geprägt. Dies sind auch die Bereiche, wo Wachstum an Fahrgästen stattfindet ("Wiederbelebung" Prenzlauer Berg seit 1990). Der Anteil der Fahrgäste über lange Strecken nimmt tnedenziell ab: Die Großsiedlung Hohenschönhausen hat Bevölkerung verloren und wird auch weiter welche verlieren. Das hat nicht nur etwas mit der Beliebtheit von Großsiedlungen zu tun, sondern auch mit einigen demographischen Grundregeln: Bei vielen der damals eingezogenen Familien ziehen die Kinder jetzt aus dem Elternhaus und suchen sich eigene Wohnungen.
2. Die gegenwärtige Querschnittsbelastung ist von Straßenbahnen gut bedienbar und es gibt noch weitere Reserven. Die von Dir genannten Abschnitte der U7 und U9 haben heute z.T. die dreifache Querschnittsbelastung der M4. Das ist eine völlig andere Liga und diese Zahlen sind z.T. auch im aktuellen Nahverkehrsplan etwas versteckt nachlesbar.
3. Für die Großsiedlung Hohenschönhausen mit der Kombination von S-Bahn und Straßenbahn eine sehr leistungsfähige und auch gut genutzte Lösung geschaffen wurde, die den Bau einer U-Bahn in dieser Achse nicht mehr notwendig macht. Das Angebot dort ist aufgrund seiner Vernetzung und Dichte sehr gut wettbewerbsfähig mit dem anderer Stadtteile mit je einer radialen U-Bahn.
> Oder um es mit einem historischen Beispiel mal
> anders zu sagen: Die Tram-Abschaffung im Westteil
> war als ganzes selbstverständlich ein Fehler, auf
> den Korridoren der U7 und U9 (etwa Bundesallee
> oder die Relation
> Kreuzberg-Schöneberg-Wilmersdorf-Charlottenburg)
> aber goldrichtig und angebracht.
Siehe oben. Das dreifache der M4...
> 2. Ich bin prinzipiell überhaupt nicht gegen neue
> Straßenbahnen. Aber Deine Argumentation kommt mir
> ein wenig so vor wie Lobbyisten-Lyrik, die sich
> die Fakten zu Recht biegt, um nur ja eine
> möglichst einheitliche "Pro-Tram-Stimmung"
> auszumachen.
Wenn neue Straßenbahnen gebaut werden, ist das schon eine gewisse "Pro-Tram-Stimmung", was denn sonst ;-)
Das nicht alles perfekt läuft und es viele Rückschläge gibt, ist auch nichts Neues.
Aber in einem Vergleich über die ca. letzten 10 -15 Jahren in europäischen Metropolen zeigt, dass die Entwicklung insgesamt aus Sicht der Straßenbahn "positiv" ist.
Es ging hier vor allem um eine Antwort auf eine Anmerkung eines Vorredners, dass ihm kaum europäische Millionenstädte mit Straßenbahnen bekannt seien. Und eine Aufzählung dieser kann da als Antwort nicht schaden. Wo hier Lobbyismus zu finden ist, bleibt mir ein gewisses Rätsel.
Nach München nenne noch ein weiteres
> Beipiel: Kopenhagen listet Du gemeinsam mit
> Hamburg als die beiden einsamen straßenbahnlosen
> Großstädte auf.
Was schlichtweg eine Tatsache ist.
Nun hat Hamburg bekanntlich schon
> ziemlich lange eine, wenn auch vielfach leider
> fehlgeplante U-Bahn. Kopenhagen hatte vor kurzem
> hingegen weder das eine noch das andere, und
> entscheidet sich für was: U-Bahn, statt
> Straßenbahnbau! Das ist doch dann aber wohl ein
> kleiner, aber feiner Unterschied.
1. Sowohl im Hamburg als auch Kopenhagen gab und gibt es Diskussionen um die Wiedereinführung der Straßenbahn, mit dem (vorläufigen?) Ergebnis, diese nicht haben zu wollen.
2. Kopenhagen verfügt mit seiner S-Bahn sehr wohl seit Jahrzehnten über ein gut funktionierendes und die städtebaulichen Hauptachsen (in die Vororte) abdeckendes Schnellbahnsystem, welches in den letzten Jahren auch ausgebaut wurde.
3. In beiden Städten U-Bahn-Strecken geplant werden (bzw. zum Teil gebaut werden), die nicht viel mit dem eigentlichen Einsatzfeld von U-Bahnen (viele Fahrgäste möglichst geradlinig über lange Strecken befördern) zu tun haben: das ist die Hamburger U4 und die Ringlinienplanung in Kopenhagen.
>
> 3. Der springende Punkt ist doch, ob all diese
> Städte, die jetzt hier und da eine
> Straßenbahnstrecke (re)aktivieren, tatsächlich den
> Ausbau eines längeren Netzes (der natürlich
> dauert, das ist mir klar) ernsthaft, und nicht nur
> in Lippenbekenntnissen, anstreben. Und das tun sie
> eben ja durchaus nicht alle.
Da habe ich nie etwas anderes geschrieben. Ich habe nur etwas von einem erkennbaren Trend in den meisten europäischen U-Bahn-Millionenstädten für die Anwendung von Straßenbahnen geschrieben. Wie stark der Trend ist, das war nicht die Frage und eine ganz andere Diskussion.
Nur dann aber kann
> man mit Berliner Verhältnissen überhaupt sinnvolle
> Vergleiche anstellen.
Vergleiche hinken immer. Aber darauf zu verzichten wäre ebenso falsch.
Und es ist aus meiner Sicht
> einfach unredlich, jede Stadt, in der irgendwo als
> punktuelle Ergänzung eine Tram im Verkehrgeschehen
> noch mitjuckelt, gleich als Straßenbahnstadt zu
> verkaufen. Im umgekehrten Schluß, dürfest Du dann
> nie mehr die BVG kritisieren, die sich angesichts
> von Wedding auf die Schulter klopft und sagt, "Was
> wollt ihr eigentlich Jungs, die Straßenbahn ist
> doch in den Westen zurückgekehrt!"
Insgesamt wat die Entwicklung nach 1990 ja positiv. Auch wenn bei weitem nicht so, wie vielleicht gewünscht und von Rückschlägen geprägt und ohne langfristige Strategie.
Hauptkrtikpunkt in Berlin ist jedoch das Fehlen einer sinnnvollen ÖPNV-Entwicklungsstrategie für die ganze Stadt sowie bestimmte Tendenzen, die immer noch der Straßenbahn keine eigene Verkehrsaufgaben zubilligen und sie bestenfalls als "Teilnetz Ost" dulden würden.
Ingolf