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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Jens Holger Kirchner ist aus dem einstweiligen Ruhestand zurück, meldet die heutige Berliner Zeitung (S. 13). Für ihn wird (wie angekündigt) eine Stabsstelle in der Senatskanzlei geschaffen.

"Er werde die Infrastrukturplanung für Großprojekte im Nordwesten Berlins managen, sagte er. Dazu zählen die Bebauung des Flughafens Tegel und der Siemens-Campus. Die Siemensbahn Jungfernheide-Gartenfeld werde reaktiviert, nun sei unter anderem zu ermitteln, wohin die S-Bahn darüber hinaus fahren sollte. In die Urban Tech Republic TXL auf dem früheren Flughafengelände? In die Wasserstadt Oberhavel und über die Havel hinweg nach Hakenfelde? Auch in Spandau wird viel gebaut, Straßenbahntrassen sind geplant."

Hier noch ein Link zur Online-Fassung: [www.berliner-zeitung.de]
Meine Schlussfolgerung:
Berlin scheint auf den ersten Blick zwar viel ungesättigter (deutlich weniger Stationen pro Quadratkilometer bzw. pro Einwohner),

da Berlin aber viel flächiger ist, gibt es in Paris pro Quadratkilometer knapp 5 mal so viele Stationen wie in Berlin, als auch mehr als 4 mal so viele Einwohner, was meine erste Schlussfolgerung relativiert. Und durch die Flächigkeit ist die Straßenbahn als Schnellbahnzubringer in Berlin viel nötiger als in Paris.

Was ich jetzt nicht untersucht habe ist Berlins A Bereich und die Metropolregion.
Zitat
PassusDuriusculus
Jetzt hat mich der Sättigungsgrad Berlins mit Schnellbahnen doch nochmal interessiert.

Als Vergleich ziehe ich hierzu stichprobenartig Paris heran. Die Dichte/Sättigung werde ich aus dem Verhältnis der Schnellbahnstationen zu verschiedenen Städtekenngrößen errechnen.
Mein zugegebebes Ziel ist herauszufinden, ob/dass Berlin verglichen zu Paris weniger gesättigt ist.

Die Anzahl der Schnellbahnstationen habe ich einfach auf den üblichen Liniennetzplänen gezählt. Beim Rest habe ich mich mal Wikipedia bedient.

Hier erstmal meine Datengrundlage
Paris:
253 Stationen RER+Metro (nur im eigentlichen Paris)
auf einer Fläche von 105km^2 (nur Paris)

2,2 Mio. Einwohner in Paris
12,5 Mio. Einwohner in der Metropolregio


Berlin:
279 Stationen S+U (Tarifzonen A+B)
auf einer Fläche von 891km^2

3,6 Mio. Einwohner in Berlin
6,1 Mio. Einwohner in Metropolregion



Ergebnisse:
1.) auf die Fläche bezogen:
Da Paris im Prinzip kaum Parks etc. hat und in Berlin viele Flächen aus Wald und Wasser bestehen (z.B. Grunewald, Müggelsee...) ziehe ich für die Vergleichbarkeit mal die Wald- und Wasserflächen (223 km^2) ab.

Paris: 2,4 Stationen pro km^2
Berlin: 0,5 Stationen pro km^2

2.) auf die Einwohner bezogen:
Da Paris ja im Prinzip nur aus einer erweiterten Innenstadt besteht und bei Berlin ja auch dörfliche Regionen (Rahnsdorf, ...) in die Berechnung mit reinzählen:

Paris: 115 Stationen pro 1 Mio. Ew
Berlin: 77,5 Stationen pro 1 Mio. Ew

oder anders formuliert
In Paris gibt es pro km^2 2,4 Stationen und 21.000 Einwohner
In Berlin gibt es pro km^2 0,5 Stationen und 5.000 Einwohner

Zunächst meinen Respekt für die Mühe, die in Deinem Beitrag steckt. Drei Anmerkungen sind mir dazu eingefallen:

1. Das heutige Paris wäre sinnvollerweise mit dem "Berlin innerhalb der Ringbahn" (das größer ist als Paris) zu vergleichen.

2. Der sich anbietende Vergleichsmaßstab für "Groß-Berlin" wäre ein "Groß-Paris" (bestehend aus Paris selbst sowie den drei Departements Hauts-de-Seine, Seine-Saint-Denis und Val-de-Marne). Dieses "Groß-Paris" wäre flächenmäßig kleiner als "Groß-Berlin", hätte aber deutlich mehr Einwohner.

3. Mit dem Begriff der "Metropolregion" kann ich wenig anfangen. Bezüglich Berlin wird offenbar das gesamte Land Brandenburg mit einer durchschnittlichen Einwohner"dichte" von etwa 84/m² dazugerechnet. Elsterwerda würde ich eher einer "Metropolregion Dresden" zurechnen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.05.2019 10:53 von Marienfelde.
Ich möchte noch einen Aspekt zum Thema U-Bahn/Straßenbahndiskussion
hinzufügen, der m. M. n. zu kurz kommt. Es wurde zwar schon angesprochen,
dass es individuelle Entscheidungsgründe für/gegen eine Verkehrsmittel
geben kann und auch die Definition von schnell nicht für jeden die gleiche
Bedeutung hat, aber ich bitte, folgendes zu bedenken:
Eine U-Bahn oder S-Bahn mag für den normal-gehenden Menschen auf den
meisten Strecken das schnellere Verkehrsmittel sein, aber gerade bei kurzen
und mittleren Distanzen würde ich i. d. R. immer eine Straßenbahn bevorzugen.

Der Hintergrund ist, dass, um zu einer U-/S-Bahn zu gelangen, immer Treppen
zu steigen und/oder der Fahrstuhl zu nutzen ist. Bin ich mit viel Gepäck oder
Kinderwagen unterwegs (Rollstuhlfahrenden geht es ebenso), ist man auf
die Funktionsfähigkeit der Aufzüge angewiesen. Die Bevölkerung in
Deutschland wird immer älter. Der Komfort des Zugangs ist oft eine
entscheidende Frage für den Gesamtreisekomfort. Man sieht es doch jetzt
schon. Die Aufzüge sind immer voll.

Sobald ich viel Gepäck habe oder Kinderwagen, wähle ich immer
die Straßenbahn, auch wenn es theoretisch länger dauert.
In der Praxis ist es meist das schnellste. Die Chance, dass auch
nur einer der notwendigen Aufzüge defekt ist, ist nicht gerade
gering. Zudem sind bestimmte Aufzüge elendig langsam (z.
B. S-Bahn Pankow, Hbf) hoffnungslos überlastet und tw. nur nach
10 min Anstehen nutzbar (z. B. U2 Alex) oder ständig defekt
(z. B. Gesundbrunnen). Wenn ich bei einer Fahrt mit einmal
umsteigen 4 Aufzüge benötige, können auch 4 Aufzüge defekt sein,
ich muss 4x warten usw. Das summiert sich leicht. In der
Gesamtschau ist die Schnellbahn dann eben nicht immer das
schnellste Verkehrsmittel von A nach B für bestimmte Nutzergruppen.

Ich bin stark für Beschleunigung des Oberflächen-ÖPNV, um
auf kurze und mittlere Distanzen komfortablen und schnellen
ÖPNV nutzen zu können. Für längere Distanzen dann gerne
S-/U-Bahnen und Regios mit ausreichend funktionierenden und
schnellen Aufzügen.
Danke, du hast vollkommen Recht.

Fällt jemanden spontan eine Quelle ein für Bevölkerungszahl und Fläche innerhalb des S-Bahn-Ringes? Sonst google ich das nochmal.

Dann würde ich das noch nachreichen.

Wobei das alles natürlich nur qualitativ/normativ nichts aussagende Zahlenspielchen sind. [Das macht mir Spaß... ;) ]

Mit nerdigen Grüßen
Graf Zahl... ääh Til

Zitat
Marienfelde


1. Das heutige Paris wäre sinnvollerweise mit dem "Berlin innerhalb der Ringbahn" (das größer ist als Paris) zu vergleichen.

2. Der sich anbietende Vergleichsmaßstab für "Groß-Berlin" wäre ein "Groß-Paris" (bestehend aus Paris selbst sowie den drei Departements Hauts-de-Seine, Seine-Saint-Denis und Val-de-Marne). Dieses "Groß-Paris" wäre flächenmäßig kleiner als "Groß-Berlin", hätte aber deutlich mehr Einwohner.

3. Mit dem Begriff der "Metropolregion" kann ich wenig anfangen. Bezüglich Berlin wird offenbar das gesamte Land Brandenburg mit einer durchschnittlichen Einwohner"dichte" von etwa 84/m² dazugerechnet. Elsterwerda würde ich eher einer "Metropolregion Dresden" zurechnen.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
09.05.2019 12:41
Zitat
Logital
Im Idealfall soll der Staat dem Bürger für die eine Handlung, die schädlich ist, etwas aus der Tasche ziehen und ihn für eine andere Handlung die nützlich ist, wieder zurück geben.

Ja, im Idealfall. Enden wird es dann aber vermutlich damit, dass finanziell schwache Familien noch seltener in den Urlaub fliegen können als ohnehin schon, sie dafür vielleicht an anderer Stelle nen Schmankerl bekommen, von dem die Meisten aber nichts haben und der Steuerzahler die teuren Flugtickets der Politiker finanzieren darf, da diese ja bei dem vollen Terminkalender unmöglich auf den Flieger verzichten können. Dann bitte so konsequent sein und Mehrwertsteuer bei der Bahn, wie von einem anderen User vorgeschlagen, abschaffen. Das wäre eine 1:1 "Steuerung".
Danke TomB für die guten Argumente. Ich komme dabei aber zu einer ganz anderen Schlussfolgerung:

Gerade die Wahlmöglichkeit zwischen dem schnellen Fitnessweg, dem theoretisch langsameren umsteigefreien Weg und einem Umweg mit Sitzplatzgarantie, oder die Verbindung mit mehr Fußweg im 4-Minuten-Takt oder die Verbindung direkt bis vor die Tür im 20-Minuten-Takt...

Gerade das macht doch den ÖPNV in einer Großstadt gegenüber dem Auto so attraktiv.
(Einschub: Das im Havelland sich so ein redundantes Angebot nicht lohnt und das Automobil dort seine Berechtigung behalten wird ist logisch und klar ;-) )

An vielen Stellen gibt es ja schon eine Auswahl an Alternativen.

Jetzt zu verordnen, dass alle den theoretisch langsameren Weg nehmen müssen, halte ich für Gleichschaltung [überspitzt]. Oder besser gesagt: Nur ein Bedürfnis zu berücksichtigen halte ich für einen Fehler

Klar braucht es Oberflächenverkehrausbau. Genauso wie Schnellbahnausbau.

Zitat
TomB
Ich möchte noch einen Aspekt zum Thema U-Bahn/Straßenbahndiskussion
hinzufügen, der m. M. n. zu kurz kommt. Es wurde zwar schon angesprochen,
dass es individuelle Entscheidungsgründe für/gegen eine Verkehrsmittel
geben kann und auch die Definition von schnell nicht für jeden die gleiche
Bedeutung hat, aber ich bitte, folgendes zu bedenken:
Eine U-Bahn oder S-Bahn mag für den normal-gehenden Menschen auf den
meisten Strecken das schnellere Verkehrsmittel sein, aber gerade bei kurzen
und mittleren Distanzen würde ich i. d. R. immer eine Straßenbahn bevorzugen.

Der Hintergrund ist, dass, um zu einer U-/S-Bahn zu gelangen, immer Treppen
zu steigen und/oder der Fahrstuhl zu nutzen ist. Bin ich mit viel Gepäck oder
Kinderwagen unterwegs (Rollstuhlfahrenden geht es ebenso), ist man auf
die Funktionsfähigkeit der Aufzüge angewiesen. Die Bevölkerung in
Deutschland wird immer älter. Der Komfort des Zugangs ist oft eine
entscheidende Frage für den Gesamtreisekomfort. Man sieht es doch jetzt
schon. Die Aufzüge sind immer voll.

Sobald ich viel Gepäck habe oder Kinderwagen, wähle ich immer
die Straßenbahn, auch wenn es theoretisch länger dauert.
In der Praxis ist es meist das schnellste. Die Chance, dass auch
nur einer der notwendigen Aufzüge defekt ist, ist nicht gerade
gering. Zudem sind bestimmte Aufzüge elendig langsam (z.
B. S-Bahn Pankow, Hbf) hoffnungslos überlastet und tw. nur nach
10 min Anstehen nutzbar (z. B. U2 Alex) oder ständig defekt
(z. B. Gesundbrunnen). Wenn ich bei einer Fahrt mit einmal
umsteigen 4 Aufzüge benötige, können auch 4 Aufzüge defekt sein,
ich muss 4x warten usw. Das summiert sich leicht. In der
Gesamtschau ist die Schnellbahn dann eben nicht immer das
schnellste Verkehrsmittel von A nach B für bestimmte Nutzergruppen.

Ich bin stark für Beschleunigung des Oberflächen-ÖPNV, um
auf kurze und mittlere Distanzen komfortablen und schnellen
ÖPNV nutzen zu können. Für längere Distanzen dann gerne
S-/U-Bahnen und Regios mit ausreichend funktionierenden und
schnellen Aufzügen.
Zitat
PassusDuriusculus
Fällt jemanden spontan eine Quelle ein für Bevölkerungszahl und Fläche innerhalb des S-Bahn-Ringes?

Auf [atlas.zensus2011.de] komme ich auf 955.770 Menschen auf 87,76 qkm.
Muss man in den Urlaub fliegen?

Wenn sich reiche Familien sich dann nur noch 3 statt 6 Flugreisen im Jahr leisten können und arme Familien nur noch alle 6 Jahre statt alle 3 Jahre ist doch genau das Ziel erreicht.

Wenn die Schere zwischen Arm und Reich so groß ist, dann liegt das nicht daran, dass Fliegen zu teuer ist und Steuern zu hoch sind,

sondern an der Gesellschaft und den Einkommens-Mechanismen.

Fliegen ist nun mal ein Luxus. Und ich finde jede/r hat das Recht auf Luxus, aber nicht auf jeden einzelnen Luxus. Der eine spart dann fürs Fliegen, der nächste für ein schallgeschütztes PC-Spiel-Paradies in den eigenen vier Wänden, der nächste für ein Eigenheim, der nächste für ein Motorrad... etc.

Und dass die Staatsoberhäuptet von bspw. Deutschland und China sich irgendwo treffen müssen und dafür die Fahrt via Transib.Eisenbahn nicht schnell genug ist finde ich absolut legitim.


Zitat
Railroader
Zitat
Logital
Im Idealfall soll der Staat dem Bürger für die eine Handlung, die schädlich ist, etwas aus der Tasche ziehen und ihn für eine andere Handlung die nützlich ist, wieder zurück geben.

Ja, im Idealfall. Enden wird es dann aber vermutlich damit, dass finanziell schwache Familien noch seltener in den Urlaub fliegen können als ohnehin schon, sie dafür vielleicht an anderer Stelle nen Schmankerl bekommen, von dem die Meisten aber nichts haben und der Steuerzahler die teuren Flugtickets der Politiker finanzieren darf, da diese ja bei dem vollen Terminkalender unmöglich auf den Flieger verzichten können. Dann bitte so konsequent sein und Mehrwertsteuer bei der Bahn, wie von einem anderen User vorgeschlagen, abschaffen. Das wäre eine 1:1 "Steuerung".
Zitat
PassusDuriusculus

Jetzt zu verordnen, dass alle den theoretisch langsameren Weg nehmen müssen, halte ich für Gleichschaltung [überspitzt]. Oder besser gesagt: Nur ein Bedürfnis zu berücksichtigen halte ich für einen Fehler

Wo schrieb ich das??
Zitat
Lopi2000
Zitat
PassusDuriusculus
Fällt jemanden spontan eine Quelle ein für Bevölkerungszahl und Fläche innerhalb des S-Bahn-Ringes?

Auf [atlas.zensus2011.de] komme ich auf 955.770 Menschen auf 87,76 qkm.

Danke.

Dann sind das bei
125 Schnellbahnstationen im Tarifbereich BERLIN A

nach Fläche:
Paris: 2,4 Stationen pro km^2
Berlin A: 1,4 Stationen pro km^2

nach Einwohnerzahl:
Paris: 115 Stationen pro 1 Mio Ew.
Berlin A: 131 Statione pro 1 Mio Ew.

anders formuliert
Paris pro Quadratkilometer:
2,4 Stationen und 21.000 Einwohner

Berlin A pro Quadratkilometer:
1,4 Stationen und 11.000 Einwohner

Tatsächlich nehmen sich dann Paris und Berlin A kaum etwas. Der einzige Unterschied ist: Dass in Berlin alles weniger dicht ist.

Wenn man jetzt plakativ weiter denkt müssten die Berliner S-&U-Bahnen häufiger fahren (wie in Paris) oder es müsste unter Beibehaltung der 3- bis 10-Minuten-Takte weitere Strecken gebaut werden. Wenn ich mir die Stadtbahn anschaue, bei der im Berufsverkehr eigentlich jetzt schon ein 2-Minuten-Takt angemessen wäre, dann freue ich mich auf die baldige Eröffnung der U5
Zitat
TomB
Zitat
PassusDuriusculus

Jetzt zu verordnen, dass alle den theoretisch langsameren Weg nehmen müssen, halte ich für Gleichschaltung [überspitzt]. Oder besser gesagt: Nur ein Bedürfnis zu berücksichtigen halte ich für einen Fehler

Wo schrieb ich das??

Du schriebst das nicht, ich hatte fälschlicherweise zwischen den Zeilen gelese , dass es dir darum geht.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.05.2019 15:01 von PassusDuriusculus.
Danke Tilman, ich hatte schon wieder einen Beitrag in der Feder, aber Du hast das besser auf den Punkt gebracht, als mir das gerade gelungen wäre.

Noch ein paar Anmerkungen - ich find's verblüffend, wie hier Argumente gegen eine CO2-Steuer gebracht werden, die bei genauerer Beschau aber eine solche eher unterstützen:

* "Ein Steuer trifft nur den kleine Mann." Das ist eine Schutzbehauptung, nichts weiter. Geäußert von denen, deren Interessen wirklich geschützt werden sollen, nämlich Industrie und Fluglinien. In der realität trifft so eine Steuer natürlich die besonders hart, die viel emittieren. Und das ist nicht Oma Pachulke, die alle zwei Jahre mal nach Malle fliegt.

* "Ökosteuer und LKW-Maut haben auch nix gebracht?" Wirklich nicht? Anders gefragt, wie sähe der Markt aus, wenn es die beiden Instrumente nie gegeben hätte? Wenn die Ziele - Energieeinsparung und Verlagerung von Verkehren - nicht erreicht wurde, dann liegt das entweder an dritten, nicht von der Steuer oder Abgabe berührten Faktoren... oder die Abgabe ist einfach nicht hoch genug.

* 3-Flüge-Regel: Ich weiß nicht, wer sich diese bewusste Provokation ausgedacht hat, aber ich möchte betonen, dass ich mir dieses Argument nicht zueigen mache. Das ist ja planwirtschaftlicher Irrsinn. Ich bin eindeutig für die Marktwirtschaft, auch wenn ich der Meinung bin, dass der Markt der Emissionen viel stärker (oder überhaupt mal) reguliert gehört.

* Das Beispiel von Ebostrab. Erlaubt mir, dass ich das mal genüsslich seziere, das macht einfach zu viel Spaß.
„Berufspendler, die auf ein altes, wenig effizientes Auto angewiesen sind und in einer schlecht isolierten Wohnung mit Ölheizung leben, würden durch die CO2-Steuer draufzahlen. Sie sollen deshalb einen Ausgleich erhalten.“
Ein Berufspendler ist nicht auf sein Auto 'angewiesen'. Er wählt es als die bequemere Alternative. Es sei denn, er wäre (um Stadtmieten zu sparen?) vor Jahren so weit ins Umland gezogen, dass er weder Bus- noch Regioanschluss hat und über den Waldweg nicht mit dem Rad zum nächsten Bahnhof kommt. Beim Bau seines Eigenheims hat er anscheinend die geltenden Regeln der Kunst vernachlässigt und sich eine vernünftige Fassadendämmung gespart. Oder er profitiert von äußerst geringen Mietkosten einer unsanierten Wohnung.
Mit anderen Worten, unser Mustermann hat gespart, gespart, gespart, sich bei jeder anstehenden Entscheidung für den eigenen Geldbeutel und gegen die Interessen der Gemeinschaft (Nähe von Wohnort und Arbeitsplatz, Energieeffizienz im Wohnen und Fortbewegen) entschieden und finanziert sich das alles aus den lächerlich geringen Mobilitätskosten und der Pendlerpauschale. Und jetzt will das Handelsblatt, dass wir mit diesem Kandidaten Mitleid haben. Nö.

In Momenten wie diesen vermisse ich die Financial Times...

Zitat
PassusDuriusculus
Muss man in den Urlaub fliegen?

Wenn sich reiche Familien sich dann nur noch 3 statt 6 Flugreisen im Jahr leisten können und arme Familien nur noch alle 6 Jahre statt alle 3 Jahre ist doch genau das Ziel erreicht.

Wenn die Schere zwischen Arm und Reich so groß ist, dann liegt das nicht daran, dass Fliegen zu teuer ist und Steuern zu hoch sind,

sondern an der Gesellschaft und den Einkommens-Mechanismen.

Fliegen ist nun mal ein Luxus. Und ich finde jede/r hat das Recht auf Luxus, aber nicht auf jeden einzelnen Luxus. Der eine spart dann fürs Fliegen, der nächste für ein schallgeschütztes PC-Spiel-Paradies in den eigenen vier Wänden, der nächste für ein Eigenheim, der nächste für ein Motorrad... etc.

Und dass die Staatsoberhäuptet von bspw. Deutschland und China sich irgendwo treffen müssen und dafür die Fahrt via Transib.Eisenbahn nicht schnell genug ist finde ich absolut legitim.


Zitat
Railroader
Zitat
Logital
Im Idealfall soll der Staat dem Bürger für die eine Handlung, die schädlich ist, etwas aus der Tasche ziehen und ihn für eine andere Handlung die nützlich ist, wieder zurück geben.

Ja, im Idealfall. Enden wird es dann aber vermutlich damit, dass finanziell schwache Familien noch seltener in den Urlaub fliegen können als ohnehin schon, sie dafür vielleicht an anderer Stelle nen Schmankerl bekommen, von dem die Meisten aber nichts haben und der Steuerzahler die teuren Flugtickets der Politiker finanzieren darf, da diese ja bei dem vollen Terminkalender unmöglich auf den Flieger verzichten können. Dann bitte so konsequent sein und Mehrwertsteuer bei der Bahn, wie von einem anderen User vorgeschlagen, abschaffen. Das wäre eine 1:1 "Steuerung".
Zitat
PassusDuriusculus
Muss man in den Urlaub fliegen?

Wenn sich reiche Familien sich dann nur noch 3 statt 6 Flugreisen im Jahr leisten können und arme Familien nur noch alle 6 Jahre statt alle 3 Jahre ist doch genau das Ziel erreicht.

Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen, sagte Goethe, der zwar nicht mit dem Flugzeug unterwegs war, aber auch deutlich mehr Zeit gehabt haben dürfte.
Dass eine Flugreise heute nicht mehr den gehobenen Kreisen vorbehalten ist, sehe ich im Sinne der Völkerverständigung daher als eine sehr positive Entwicklung.


Zitat

Fliegen ist nun mal ein Luxus. Und ich finde jede/r hat das Recht auf Luxus, aber nicht auf jeden einzelnen Luxus. Der eine spart dann fürs Fliegen, der nächste für ein schallgeschütztes PC-Spiel-Paradies in den eigenen vier Wänden, der nächste für ein Eigenheim, der nächste für ein Motorrad... etc.

Also zwischen einem Flug an die Algarve und dem Einfamilienhaus mit Garten sehe ich dann aber schon noch einen gewissen Unterschied.

Grüße
Nic
Zitat
Nicolas Jost
Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen, sagte Goethe, der zwar nicht mit dem Flugzeug unterwegs war, aber auch deutlich mehr Zeit gehabt haben dürfte.
Dass eine Flugreise heute nicht mehr den gehobenen Kreisen vorbehalten ist, sehe ich im Sinne der Völkerverständigung daher als eine sehr positive Entwicklung.

Also Goethe wird mit der Postkutsche bestimmt nicht nach Thailand, Malle o. ä. gereist sein. Außerdem können heutzutage auch Orte virtuell bereist werden. Man muss sich auch über den historischen Kontext gedanken machen: Zu Goethes Zeiten war es üblich, dass die meisten Menschen (ausgenommen Herrscher, Künstler, Erfinder etc.) nicht aus ihrem Bauernhaus/Wohnviertel rausgekommen sind.
Da zählte die Fahrt von Berlin nach Potsdam (oder von Weimar nach Erfurt oder Jena) als Reise. Gegen solche Reisen habe ich nun wirklich gar nichts.

Völkerverständigung
Das heißt wir müssen einfach nur abgeschottete Touri-Komplexe in Palestina und Isreal schaffen, dann besuchen alle das jeweils andere Land am besten per Kurzstreckenflug und die Konflikte sind abgemildert?


Zitat

Also zwischen einem Flug an die Algarve und dem Einfamilienhaus mit Garten sehe ich dann aber schon noch einen gewissen Unterschied.

Grüße
Nic

Ja ich definitiv auch. Ich hatte nicht den Anspruch nur gleich teure Luxi* zu nennen, sondern möglichst verschiedene.

*Was wohl die Mehrzahl von Luxus ist?
Edit: Die gibt es tatsächlich nicht.

Edit2&3: Autokorrektur und Tippfehler korrigiert.



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.05.2019 15:15 von PassusDuriusculus.
Zitat
Railroader
Das Hauptargument für Reisende mit Easyjet zu dieser endgültigen Destination (ohne Anschluss) wird der Preis sein. Bei Anschlussreisenden kann ich den Flieger als 1. Wahl verstehen, aber das Problem lässt sich vielleicht eindämmen, wenn unser toller Flughafen dann irgendwann mal fertig ist.

Bei den Verbindungen am frühen Morgen und am späten Abend wird es immer noch der (zwar geringer gewordene) Zeitfaktor sein. Wer um 9 Uhr in München in einer Besprechung sein muss, kann nicht erst um 10 Uhr am Hauptbahnhof ankommen.
Ansonsten kannibalisieren sich Easyjet, die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings seit Air Berlin vom Markt verschwunden ist, auf dieser Strecke geradezu. Easyjet bemüht sich seit einiger Zeit sehr darum, Zubringerpartnerschaften mit großen Carriern einzugehen

Zitat

Die Frage ist nur, wie man hier die Push-Faktoren am besten gestaltet. Kann man denn für die einzelne Relation Berlin-München Preise diktieren oder einzelne Flüge verbieten?

Was mich doch aber stark wundert ist die Nachfrage beim Flieger auf dieser Strecke. Mir scheint es so, als dass die meisten Menschen vom Klimaschutz doch sehr angetan sind. Hört das etwa da auf, wo der Einzelne 30 EUR mehr für ein Ticket berappen muss?

Ich habe gerade mal spaßeshalber geprüft, was man für eine Reise nach München (one way) am kommenden Dienstag bezahlen müsste. Easyjet wäre bereit, mich für 53,50 EUR zu befördern, wenn ich nur Handgepäck mitbringe.
Die Bahn würde zwar einen Koffer tolerieren, verlangt für den Sprinter aber 95,90 EUR, für andere Verbindungen 79,90 EUR, eine Fahrt gibt es für 67,90 EUR.
Die Strecke ist einfach so gefragt, dass hier alle Verkehrsmittel auf Dauer gut ausgelastet sein werden.

Gruß
Nic
Zitat
PassusDuriusculus
Muss man in den Urlaub fliegen?

Ja... wenn die Reisezeit sonst zuviel vom Urlaub verschlingt.
Damit mein ich nicht den Flug Berlin-München als Soloflug, nur um nach Berchtesgaden zu kommen..
Wenn das Reiseziel, wie bei meiner nächsten Tour, wieder weit im Osten liegt, werd ich dahin und dort vor Ort nicht tagelang mit der Eisenbahn herumzuckeln wollen.
IN der Eisenbahn will ich den Urlaub nämlich nicht verbringen.
Und wenn ich auf dem Weg dahin aus dem Flugzeugfenster die Lasterkolonnen zwischen Berlin und Terespol auf der Autobahn seh,
hab ich nichtmal ansatzweise ein schlechtes Gewissen von wegen Co2 Ausstoß o.ä.

T6JP
Zitat
PassusDuriusculus
Also Goethe wird mit der Postkutsche bestimmt nicht nach Thailand, Malle o. ä. gereist sein.

Also auf seiner Italienreise kam er doch bis nach Sizilien und auch Frankreich hatte es ihm angetan, wenn ich mich nicht täusche.

Zitat

Außerdem können heutzutage auch Orte virtuell bereist werden. Man muss sich auch über den historischen Kontext gedanken machen: Zu Goethes Zeiten war es üblich, dass die meisten Menschen (ausgenommen Herrscher, Künstler, Erfinder etc.) nicht aus ihrem Bauernhaus/Wohnviertel rausgekommen sind.
Da zählte die Fahrt von Berlin nach Potsdam (oder von Weimar nach Erfurt oder Jena) als Reise. Gegen solche Reisen habe ich nun wirklich gar nichts.

Entschuldige bitte, aber eine virtuelle Reise (was muss ich mir darunter eigentlich vorstellen? Google Street View mit VR-Brille?) Ist doch niemals dasselbe wie einen Ort zu erleben.
Gerüche aufnehmen, mit Menschen sprechen, über einen Marktplatz laufen, das alles geht doch nur vor Ort.

Zitat

Völkerverständigung
Das heißt wir müssen einfach nur abgeschottete Touri-Komplexe in Palestina und Isreal schaffen, dann besuchen alle das jeweils andere Land am besten per Kurzstreckenflug und die Konflikte sind abgemildert?

Sei mir nicht böse, aber beim Nahostkonflikt steige ich grundsätzlich aus.

Zitat

Ja ich definitiv auch. Ich hatte nicht den Anspruch nur gleich teure Luxi* zu nennen, sondern möglichst verschiedene.

Jede Zeit definiert Luxus anders. Nach dem Krieg war es die erste Italienreise im VW Käfer, heute istnes vielleicht das Abendessen im **-Restaurant. Aber eine Flugreise ist definitiv kein Luxus mehr.

Zitat

*Was wohl die Mehrzahl von Luxus ist?
Edit: Die gibt es tatsächlich nicht.

In Südbaden würde man vermutlich Luxusse sagen. ;)

Grüße
Nic
Zitat
schallundrausch



* Das Beispiel von Ebostrab. Erlaubt mir, dass ich das mal genüsslich seziere, das macht einfach zu viel Spaß.
„Berufspendler, die auf ein altes, wenig effizientes Auto angewiesen sind und in einer schlecht isolierten Wohnung mit Ölheizung leben, würden durch die CO2-Steuer draufzahlen. Sie sollen deshalb einen Ausgleich erhalten.“
Ein Berufspendler ist nicht auf sein Auto 'angewiesen'. Er wählt es als die bequemere Alternative. Es sei denn, er wäre (um Stadtmieten zu sparen?) vor Jahren so weit ins Umland gezogen, dass er weder Bus- noch Regioanschluss hat und über den Waldweg nicht mit dem Rad zum nächsten Bahnhof kommt. ...

Da muß er nichtmal "weit" weg ins Umland gezogen sein.
Da reicht schon Gosen oder Neuenhagen, um vom öffentlichen Nahverkehr prima abgeschnitten zu sein,
wenn Beschäftigte aus Versorgungs oder Verkehrsbetrieben, Feuerwehr, Krankenhäusern,Polizei usw. usf zu Zeiten zum oder vom Dienst fahren,
wo die Mehrzahl der den ökologischen Zeigefingern hebenden noch ins Dinkelkissen schnarcht...
dann ist er aufs Auto angewiesen, egal ob alte Klapperkarre, Familienkutsche oder SUV...

T6JP
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
schallundrausch
* Das Beispiel von Ebostrab. Erlaubt mir, dass ich das mal genüsslich seziere, das macht einfach zu viel Spaß.
„Berufspendler, die auf ein altes, wenig effizientes Auto angewiesen sind und in einer schlecht isolierten Wohnung mit Ölheizung leben, würden durch die CO2-Steuer draufzahlen. Sie sollen deshalb einen Ausgleich erhalten.“
Ein Berufspendler ist nicht auf sein Auto 'angewiesen'. Er wählt es als die bequemere Alternative. Es sei denn, er wäre (um Stadtmieten zu sparen?) vor Jahren so weit ins Umland gezogen, dass er weder Bus- noch Regioanschluss hat und über den Waldweg nicht mit dem Rad zum nächsten Bahnhof kommt. ...

Da muß er nichtmal "weit" weg ins Umland gezogen sein.
Da reicht schon Gosen oder Neuenhagen, um vom öffentlichen Nahverkehr prima abgeschnitten zu sein,
wenn Beschäftigte aus Versorgungs oder Verkehrsbetrieben, Feuerwehr, Krankenhäusern,Polizei usw. usf zu Zeiten zum oder vom Dienst fahren,
wo die Mehrzahl der den ökologischen Zeigefingern hebenden noch ins Dinkelkissen schnarcht...
dann ist er aufs Auto angewiesen, egal ob alte Klapperkarre, Familienkutsche oder SUV...

Und von wieviel Prozent des Kfz-Verkehrs reden wir hier? 5 %?
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