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Jahresticket für 365 Euro?!
geschrieben von micha774 
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GraphXBerlin
Zitat

Inzwischen gibt es eine Onlinepetition, die das 365-Euro-Ticket deutschlandweit fordert.
Das ist in Zeiten des Internets ja wieder mal ganz hip. Da unterschreiben hunderte und tausend Leute mit Null Ahnung über die Folgekosten bzw. haben keinerlei Hintergrundwissen. Hauptsache die Forderung ist schlagkräftig. Nichts anderes machen Bild und B.Z.

Das hat doch erstmal nichts mit Internet zu tun - bei klassisch in der Fußgängerzone gesammelten Unterschriften sagen ja auch die wenigsten "Moment, ich muss mich dazu erstmal belesen und die Argumente abwägen - stehen Sie nächsten Dienstag um die Zeit wieder hier?".

Ich habe ein ganz anderes Problem mit solchen Online-Petitionen - sie tragen, so ironisch es klingt, zur De-Politisierung der Gesellschaft und Frustration auf "die Politik" bei, weil sie eine politische Teilhabe vorgaukeln, die sie nicht bieten können. Warum sollte man ein Anliegen als Politiker ernstnehmen, für das die Unterschreibenden offensichtlich nicht mehr Mühe investieren wollen als mal schnell zu unterschreiben? Warum sollte man eine Petition ernstnehmen, bei der man noch nicht mal einschätzen kann, wieviele Personen mehrfach unterschrieben haben und wieviele überhaupt aus der Region kommen?

Und ich verstehe jede/n Politiker/in auch, der/die sich nicht weiter um diese Petitionen kümmert: auch seine/ihre Zeit ist begrenzt, auch seine/ihre Woche hat nur 168 Stunden - die schließlich auch nicht nur für jede Menge andere Themen und Termine, sondern auch noch für etwas Privatleben und - gerade in der Lokalpolitik - auch noch für einen Brotberuf draufgehen. Dann kümmere ich als Politiker mich doch lieber um Themen, für die Menschen minimale Mühen in Kauf nehmen. Wenn nicht sowieso viel einfach durch Tagespolitik "reingeschwemmt" kommt.

Die Unterschreibenden wiederum glauben, sie hätten sich nun politisch engagiert, so wie x andere (x = Anzahl der Unterschreibenden) auch. Natürlich führt das zu Frustration, wenn sich keiner drum kümmert. Dieser Frust basiert aber auch auf einem falschen Demokratieverständnis: man wählt ab und zu mal, und zwischendurch beklagt man sich, dass man nicht gehört wird. Kein Wunder, wenn man nicht sagt, was man möchte. Demokratie heißt halt nicht, dass Politiker Dienstleister sind, sondern dass jede/r Einzelne sich beteiligen muss. Mögliche Wege (Abzählung nicht abschließend): "seinem/r" Abgeordneten schreiben, Bürgersprechstunden besuchen, Demonstrationen organisieren oder zumindest besuchen, sich bei einer Partei engagieren. (Ja, ich habe auch nicht alles davon schon mal gemacht.)
Zitat
GraphXBerlin
Zitat

Inzwischen gibt es eine Onlinepetition, die das 365-Euro-Ticket deutschlandweit fordert.
Das ist in Zeiten des Internets ja wieder mal ganz hip. Da unterschreiben hunderte und tausend Leute mit Null Ahnung über die Folgekosten bzw. haben keinerlei Hintergrundwissen. Hauptsache die Forderung ist schlagkräftig. Nichts anderes machen Bild und B.Z.

Du bist dagegen, Du hast eine andere Meinung, du musst das nicht unterschreiben, das ist OK. Das gibt dir aber nicht das Recht, Befürworter oder Mitzeichner in die Boulevardecke zu stellen.

Wie Du auf den vorherigen Seiten lesen kannst, habe ich sehr wohl Hintergrundwissen, habe hier sogar eine rudimentäre Folgekostenbetrachtung gepostet, stehe deswegen, nicht trotz dessen, hinter der Forderung, und habe deswegen die Petition mit unterschrieben. Und wenn da jetzt tausend Ahnungslose unterschreiben, dann habe ich vielleicht zwei davon überzeugt.

Mit Springermedien habe ich nichts zu tun und will ich auch nichts zu tun haben. Danke, gerne.
@def: Sicher ist an Deiner Kritik über Online-Petitionen etwas dran. Erlaube mir dennoch einen Rückblick auf diese Petition hier: [www.openpetition.de]

Initiiert wurde diese Petition von sehr engagierten Mitgliedern des Fahrgastvereins Pro Bahn. Der "befreundete" Deutsche Bahnkundenverband beteiligte sich an dieser internetgestützten Unterschriftenaktion.

Im Rahmen der für unsere Verhältnisse geglückten Mobilisierung haben wir uns auch immer wieder gezielt an Gewerkschaften, Parteien und auch an Leute gewandt, die am politischen Entscheidungsprozeß über die Anpassung der Regionalisierungsmittel mehr oder weniger beteiligt waren.

Aus meiner Sicht war diese Petition geeignet, sich wechselseitig den Rücken zu stärken - also die Politiker(innen), die für einen besseren Eisenbahnbetrieb in unserem Land eintreten, zu ermutigen, im Rahmen der Haushaltsberatungen Farbe zu bekennen.

Ursprünglich wurde auf irgendeiner Besprechung von den "Finanzern" des Bundes zu fortgeschrittener Stunde 8 Mrd. € als Ausgangsbetrag geboten. Den Ländervertretern, die Medienberichten zufolge bereits kurz vor dem einnicken waren, war die Konsequenz dieser Zahl insbesondere für die "Oststaaten" (wegen der für sie ungünstigen veränderten Verteilung durch den "Kieler Schlüssel") zunächst nicht bewußt.

Immerhin gelang es danach noch, zusätzlich "dynamisierte 200 Mio. €" für die nach Artikel 23 GG (alte Fassung) beigetretenen Länder herauszuholen, womit die Ausgangsforderung der "Oststaaten" sogar mehr als nur erreicht werden konnte.

Im Ergebnis steht z.B. in Sachsen die Wiederaufnahme des SPNV zwischen Döbeln und Meißen im Raum, in Brandenburg gab es eine Reaktivierung, wir können über (wenn auch nicht ausreichende) Zugverlängerungen diskutieren ...

Der Erfolg hat ja immer sehr viele Muttis und Papis - und nicht selten geht es in Parlamenten am Ende um genau eine Stimme, die den Ausschlag gibt. Am Ende waren natürlich alle dafür, ist klar.

In dem Sinne,
Marienfelde.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2019 09:50 von Marienfelde.
Zitat
schallundrausch
Du bist dagegen, Du hast eine andere Meinung, du musst das nicht unterschreiben, das ist OK. Das gibt dir aber nicht das Recht, Befürworter oder Mitzeichner in die Boulevardecke zu stellen.

Ach komm, diese ganze überstürzte Aktion ist doch sehr populistisch und schon der Boulevardecke verdächtig. Da wird ohne nachzudenken mal eben gefordert und damit es hübsch aussieht mit dem grünen Umweltmäntelchen gewedelt.

Zitat

Mit Springermedien habe ich nichts zu tun und will ich auch nichts zu tun haben. Danke, gerne.

Solche Aussagen finden ich irgendwie putzig ...

Gruß aus dem Speckgürtel :-)

Regio + S-Bahn + U-Bahn + Tram + Bus = nur gemeinsam stark
Zitat
Havelländer
Da wird ohne nachzudenken mal eben gefordert

Nunja, wer nur den Text auf der Petitions-Homepage liest, sieht natürlich nicht den Gedanken- und Entscheidungsprozess, der erst zu dieser Petition führte. Eben typisches Verhalten eines Boulevardlesers, der sich über einen Text hinaus keine weiteren Gedanken zum Thema macht. Wäre ja mit Aufwand verbunden...

Ich bin ebenfalls Mitunterzeichner die Petition.

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Zitat
Florian Schulz
Nunja, wer nur den Text auf der Petitions-Homepage liest, sieht natürlich nicht den Gedanken- und Entscheidungsprozess, der erst zu dieser Petition führte. Eben typisches Verhalten eines Boulevardlesers, der sich über einen Text hinaus keine weiteren Gedanken zum Thema macht. Wäre ja mit Aufwand verbunden...

Ich bin ebenfalls Mitunterzeichner die Petition.

Viele Grüße
Florian Schulz

Typische Antwort eines Möchtegern aber auch SIE werden die Folgen tragen müssen :-p

Gruß aus dem Speckgürtel :-)

Regio + S-Bahn + U-Bahn + Tram + Bus = nur gemeinsam stark
@Marienfelde: Eben, ihr habt Euch in einem Verband organisiert und seid dann an andere gesellschaftliche Verbände herangetreten. Es mag sein, dass im konkreten Fall eine solche Onlinepetition unterstützend wirkt, aber letztlich braucht es eben zivilgesellschaftliche Akteure, um etwas voranzubringen. Meine Befürchtung ist, dass genau diese zivilgesellschaftlichen Akteure darunter leiden, wenn zu viele Menschen meinen, mal eine Onlinepetition zu unterschreiben sei schon ausreichendes gesellschaftliches Engagement.

***

An der konkreten Petition stört mich außerdem, dass kein Raum definiert ist, auf den sich die Forderung bezieht. Die 365-Euro-Jahreskarte soll es wo geben? In ganz Deutschland? Auf Bundesland-, Kreis- oder Kommunalebene? Und was hat Angela Merkel damit zu tun? Klar, man kann auf Bundesebene Anreize setzen, damit Kreise und Kommunen solche Tickets einführen, aber letztlich auch niemanden zwingen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2019 09:55 von def.
Das Beratungsunternehmen Civity hat untersucht, inwiefern die 365-Euro-Jahreskarte sich auf den Modal Split ausgewirkt hat. In dieser Eindeutigkeit für mich überraschende Antwort: gar nicht. Die Fahrgastzahlen sind seit 2012 in Wien nicht stärker gestiegen als die die Einwohnerzahlen. Insgesamt ist aber seit den 90er Jahren in Wien ein Rückgang des Pkw-Anteils um ein Viertel zu verzeichnen.

Viel wichtiger ist demnach die Angebotsdichte, sowohl räumlich als auch zeitlich (Taktdichte). Wien hat nicht nur pro Quadratkilometer Siedlungs- und Verkehrsfläche weitaus mehr Haltestellen als die deutschen Vergleichsstädte, diese werden auch häufiger bedient. 74 % der Einwohner und 47 % der Siedlungs- und Verkehsfläche werden in Wien durch Schienenverkehrsmittel erschlossen (Berlin: 58 %/ 43 %; siehe Zusammenfassung bei Civity; Überschrift über der Grafik scheint falsch zu sein).

Und letztlich (ebenfalls aus der Civity-Zusammenfassung):

Zitat

Seit dem Jahr 2000 stiegen die Platzkilometer des ÖPNV in Wien um insgesamt 42 Prozent, zwischen 2006 und 2017 um 31 Prozent (siehe Grafik). Dies ist ein deutliches Bekenntnis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurde das Angebot in Berlin um zehn Prozent, in Hamburg um 16 Prozent, in München um 23 Prozent und in Köln um drei Prozent ausgebaut.

ORF-Meldung: [noe.orf.at]
Zusammenfassung bei Civity: [civity.de]
Zitat
def
Zitat
GraphXBerlin
Zitat

Inzwischen gibt es eine Onlinepetition, die das 365-Euro-Ticket deutschlandweit fordert.
Das ist in Zeiten des Internets ja wieder mal ganz hip. Da unterschreiben hunderte und tausend Leute mit Null Ahnung über die Folgekosten bzw. haben keinerlei Hintergrundwissen. Hauptsache die Forderung ist schlagkräftig. Nichts anderes machen Bild und B.Z.

Das hat doch erstmal nichts mit Internet zu tun - bei klassisch in der Fußgängerzone gesammelten Unterschriften sagen ja auch die wenigsten "Moment, ich muss mich dazu erstmal belesen und die Argumente abwägen - stehen Sie nächsten Dienstag um die Zeit wieder hier?".

Ich habe ein ganz anderes Problem mit solchen Online-Petitionen - sie tragen, so ironisch es klingt, zur De-Politisierung der Gesellschaft und Frustration auf "die Politik" bei, weil sie eine politische Teilhabe vorgaukeln, die sie nicht bieten können. Warum sollte man ein Anliegen als Politiker ernstnehmen, für das die Unterschreibenden offensichtlich nicht mehr Mühe investieren wollen als mal schnell zu unterschreiben? Warum sollte man eine Petition ernstnehmen, bei der man noch nicht mal einschätzen kann, wieviele Personen mehrfach unterschrieben haben und wieviele überhaupt aus der Region kommen?

Und ich verstehe jede/n Politiker/in auch, der/die sich nicht weiter um diese Petitionen kümmert: auch seine/ihre Zeit ist begrenzt, auch seine/ihre Woche hat nur 168 Stunden - die schließlich auch nicht nur für jede Menge andere Themen und Termine, sondern auch noch für etwas Privatleben und - gerade in der Lokalpolitik - auch noch für einen Brotberuf draufgehen. Dann kümmere ich als Politiker mich doch lieber um Themen, für die Menschen minimale Mühen in Kauf nehmen. Wenn nicht sowieso viel einfach durch Tagespolitik "reingeschwemmt" kommt.

Die Unterschreibenden wiederum glauben, sie hätten sich nun politisch engagiert, so wie x andere (x = Anzahl der Unterschreibenden) auch. Natürlich führt das zu Frustration, wenn sich keiner drum kümmert. Dieser Frust basiert aber auch auf einem falschen Demokratieverständnis: man wählt ab und zu mal, und zwischendurch beklagt man sich, dass man nicht gehört wird. Kein Wunder, wenn man nicht sagt, was man möchte. Demokratie heißt halt nicht, dass Politiker Dienstleister sind, sondern dass jede/r Einzelne sich beteiligen muss. Mögliche Wege (Abzählung nicht abschließend): "seinem/r" Abgeordneten schreiben, Bürgersprechstunden besuchen, Demonstrationen organisieren oder zumindest besuchen, sich bei einer Partei engagieren. (Ja, ich habe auch nicht alles davon schon mal gemacht.)

def, das klingt jetzt aber ganz schön frustriert. Man kann natürlich überall eine Haar in der Suppe finden. Aber alles, was politische Teilhabe und Beteiligung erzeugt, kann doch per se nicht de-politisieren, das ist doch schräg.
Das erinnert mich sehr an die Klimadebatte in dem vermurksten Thread, wo jeder haarklein drauf rumreitet und nachweist, warum die vorgeschlagene Maßnahme gar nichts bringen KANN, bevor nicht alles andere unternommen ist. Genauso können wir hier jetzt streiten, was weniger Wert ist, ein zusätzlicher Kopf auf einer Demo (fällt niemandem auf, bringt ja eh nix), oder eine Onlineunterschrift (interessiert ja keinen Politiker). Du siehst schon, wo wir mit der Einstellung hin kommen?

Das einzige, was man wirklich sachlich kritisieren kann, ist die Verwendung von diesem (kommerziellen?) NGO-Tool Change.org - es gibt ja auch das offizielle Petitionsportal vom Bundestag. Keine Ahnung was das soll.

Die Argumentation, Politiker würden ein Thema ignorieren, allein weil es eine Onlinepetition dafür gibt, ist absurd. Richtig ist vielmehr, dass eine Onlinepetition allein, ohne weitere Kampagnenelemente, wahrscheinlich verpufft. Das hingegen ist trivial.

Und ich kann Deine konstruierten Befürchtungen insofern entkräften:
Schau mal, das ist die letzte Petition, die ich geteilt habe:
https://www.bahninfo-forum.de/read.php?9,445440,632174#msg-632174
...war die hier:
https://www.change.org/p/andischeuer-knollestattknöllchen-bußgelder-für-falschparker-anheben
... daraus ist wenige Wochen später das hier geworden:
https://www.change.org/p/andischeuer-knollestattkn%C3%B6llchen-bu%C3%9Fgelder-f%C3%BCr-falschparker-anheben/u/24791531
https://www.spiegel.de/auto/aktuell/deutschland-parken-auf-radstreifen-soll-teuer-werden-bis-zu-100-euro-a-1275930.html

Da denkste nix böses, sammelst 'gerade mal' 35.000 Unterschriften, und auf einmal übernimmt der Bundesminister deine Forderung. So schnell kann's gehen.

Ist hier wie da übrigens zufällig dieselbe Petetentin. Irgendwas muss die richtig machen.
Zitat
def
Das Beratungsunternehmen Civity hat untersucht, inwiefern die 365-Euro-Jahreskarte sich auf den Modal Split ausgewirkt hat. In dieser Eindeutigkeit für mich überraschende Antwort: gar nicht. Die Fahrgastzahlen sind seit 2012 in Wien nicht stärker gestiegen als die die Einwohnerzahlen. .

Aus welchen Gründen soll man nun eigentlich gegen die 365-Euro-Karte sein?
Weil sie soviel Nachfrage erzeugt, dass die BVG und die S-Bahn nicht mehr hinterher kommen (wie auch von Dir neulich zu lesen war)?
Oder doch vielmehr, weil sie so gut wie gar keine neue Nachfrage erzeugt? (So verstehe ich obiges).


Zitat
def
An der konkreten Petition stört mich außerdem, dass kein Raum definiert ist, auf den sich die Forderung bezieht. Die 365-Euro-Jahreskarte soll es wo geben? In ganz Deutschland? Auf Bundesland-, Kreis- oder Kommunalebene?

Das ist übrigens auch bei der Müllerschen Forderung mir noch nicht ganz klar.
Soll danach der Berliner 365 Euro im Jahr zahlen, der Havelländer aber weiterhin ca. 1000 Euro (im Tarifbereich C) oder gar über 1300 Euro (außerhalb von C)?
Und wenn es eine Lösung für den Havelländer gibt, wie kann man es dem Prignitzer verkaufen, dass er für viel schlechteres Angebot viel mehr zahlen muss als der Berlin?
Zitat
Global Fisch
Zitat
def
Das Beratungsunternehmen Civity hat untersucht, inwiefern die 365-Euro-Jahreskarte sich auf den Modal Split ausgewirkt hat. In dieser Eindeutigkeit für mich überraschende Antwort: gar nicht. Die Fahrgastzahlen sind seit 2012 in Wien nicht stärker gestiegen als die die Einwohnerzahlen.

Aus welchen Gründen soll man nun eigentlich gegen die 365-Euro-Karte sein?
Weil sie soviel Nachfrage erzeugt, dass die BVG und die S-Bahn nicht mehr hinterher kommen (wie auch von Dir neulich zu lesen war)?
Oder doch vielmehr, weil sie so gut wie gar keine neue Nachfrage erzeugt? (So verstehe ich obiges).

Ich sehe den Widerspruch nicht. Bei meinem Beitrag neulich kannte ich ja die nun verlinkte Untersuchung nicht. Darauf deutet übrigens auch die Formulierung "In dieser Eindeutigkeit für mich überraschende Antwort" hin. Oder ist es verboten, seine Meinung nach Erhalt neuer Informationen zu revidieren?

Und aus welchem Grund man gegen die 365-Euro-Karte sein kann? Wenn die Erkenntnis aus der zitierten Untersuchung ist, dass die zeitliche und räumliche Angebotsdichte einen größeren Einfluss auf die ÖPNV-Nutzung hat, wäre es eine Möglichkeit, das für die verbilligte Jahreskarte einzusetzende Geld in eine Angebotsverbesserung zu investieren.

Natürlich kann man sich auch irgendwo in der Mitte treffen (die Jahreskarte nicht so viel billiger, dafür Angebotsausbau), und natürlich kann es Effekte geben, die in der Untersuchung nicht berücksichtigt sind oder die auf Berlin gar nicht übertragbar sind. Man sollte aber zumindest die Wiener Erfahrungen auch vollständig betrachten, bevor man sie kopiert.

Vielleicht sollte man aber auch, bevor man überhaupt Forderungen in den Raum stellt, tatsächlich einmal erfassen, warum der ÖPNV nicht benutzt wird. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass da ganz andere Dinge zählen als der Preis: Tür-zu-Tür-Fahrzeiten (insbesondere tangential, insbesondere abends), subjektives Sicherheitsgefühl, Bequemlichkeit etc. Auf einer solchen Untersuchung müsste doch Forderungen basieren.

Gesetzt den Fall, die von mir aufgeführten Gründe stimmen, wären doch die Schlussfolgerungen ganz andere: dann müsste man kurzfristig den X21 wieder zur Jungfernheide und den 133er nach Spandau führen, den 269er ganztägig nach Kaulsdorf-Nord (und auf einen 10-min-Takt verdichten), den X69 ganztägig auf ganzer Strecke alle 10 min verkehren lassen; mittelfristig die Straßenbahn nach Mahlsdorf zweigleisig ausbauen und nach Hellersdorf verlängern (um nur einige Maßnahmen zu nennen, deren Fehlen derzeit die Fahrzeit auf tangentialen Verbindungen verlängern).

(Ich bin jetzt bewusst nur auf die verkehrspolitische Dimension eingegangen, nicht auf die sozialpolitische.)

Zitat
Global Fish
Zitat
def
An der konkreten Petition stört mich außerdem, dass kein Raum definiert ist, auf den sich die Forderung bezieht. Die 365-Euro-Jahreskarte soll es wo geben? In ganz Deutschland? Auf Bundesland-, Kreis- oder Kommunalebene?

Das ist übrigens auch bei der Müllerschen Forderung mir noch nicht ganz klar.
Soll danach der Berliner 365 Euro im Jahr zahlen, der Havelländer aber weiterhin ca. 1000 Euro (im Tarifbereich C) oder gar über 1300 Euro (außerhalb von C)?
Und wenn es eine Lösung für den Havelländer gibt, wie kann man es dem Prignitzer verkaufen, dass er für viel schlechteres Angebot viel mehr zahlen muss als der Berlin?

Genau so ist es übrigens um Wien. Die Preisspünge an der Kernzonengrenze (die nicht überall mit der Stadtgrenze identisch ist) sind sehr heftig, ein, zwei S-Bahn-Stationen mehr verdoppeln den Jahreskartenpreis.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2019 16:12 von def.
Sehr gute Argumentation def :)
Zitat
def
(...)
Und aus welchem Grund man gegen die 365-Euro-Karte sein kann? Wenn die Erkenntnis aus der zitierten Untersuchung ist, dass die zeitliche und räumliche Angebotsdichte einen größeren Einfluss auf die ÖPNV-Nutzung hat, wäre es eine Möglichkeit, das für die verbilligte Jahreskarte einzusetzende Geld in eine Angebotsverbesserung zu investieren.

Natürlich kann man sich auch irgendwo in der Mitte treffen (die Jahreskarte nicht so viel billiger, dafür Angebotsausbau), und natürlich kann es Effekte geben, die in der Untersuchung nicht berücksichtigt sind oder die auf Berlin gar nicht übertragbar sind. Man sollte aber zumindest die Wiener Erfahrungen auch vollständig betrachten, bevor man sie kopiert.

Vielleicht sollte man aber auch, bevor man überhaupt Forderungen in den Raum stellt, tatsächlich einmal erfassen, warum der ÖPNV nicht benutzt wird. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass da ganz andere Dinge zählen als der Preis: Tür-zu-Tür-Fahrzeiten (insbesondere tangential, insbesondere abends), subjektives Sicherheitsgefühl, Bequemlichkeit etc. Auf einer solchen Untersuchung müsste doch Forderungen basieren.

Gesetzt den Fall, die von mir aufgeführten Gründe stimmen, wären doch die Schlussfolgerungen ganz andere: dann müsste man kurzfristig den X21 wieder zur Jungfernheide und den 133er nach Spandau führen, den 269er ganztägig nach Kaulsdorf-Nord (und auf einen 10-min-Takt verdichten), den X69 ganztägig auf ganzer Strecke alle 10 min verkehren lassen; mittelfristig die Straßenbahn nach Mahlsdorf zweigleisig ausbauen und nach Hellersdorf verlängern (um nur einige Maßnahmen zu nennen, deren Fehlen derzeit die Fahrzeit auf tangentialen Verbindungen verlängern).

(Ich bin jetzt bewusst nur auf die verkehrspolitische Dimension eingegangen, nicht auf die sozialpolitische.)
(...)

!. Die Idee, zunächst die Gründe für eine Nichtnutzung des ÖV im Berliner Raum zu analysieren, gefällt mir sehr gut.

2. Im Unterschied zu Wien halte ich die sozialpolitische Komponente im Berliner Raum für wichtiger. Die Preise für eine "normale" Monatskarte waren und sind in Berlin deutlich höher als in Wien, während die Durchschnittseinkommen nach wie vor deutlich niedriger sein dürften als in der Bundeshauptstadt (Wien).

Eine drastische Preissenkung auf 365 € im Jahr für "Normalzahler/innen" könnte daher anders als in Wien zu größeren "Mengeneffekten" bei den Fahrgastzahlen führen, was jedenfalls den Berliner ÖV von der Kapazität her kurzfristig vor kaum lösbare Probleme stellen würde. Eine in bester Absicht durchgeführte drastische Preissenkung würde dann "nach hinten losgehen": Erheblich mehr unzufriedene Fahrgäste würden auf einen den Anforderungen nicht mehr gewachsenen ÖV treffen.

3. Auf längere Sicht sind höhere OV-Anteile am gesamten Verkehrsaufkommen selbstverständlich kein Problem: Sechs Zuggruppen mit Vollzügen auf dem Südring entsprächen z.B. einer Kapazitätserweiterung um 50%; bei der U-Bahn kommt man mit Dreiminutentakten auf ähnliche Potentiale.

Glaubt man den Angaben der BVG bzw. denen im statistischen Jahrbuch der DDR, dann sind die Leistungsreserven bei der Straßenbahn auch sehr erheblich (1988: 212 Mio. Fahrgäste und etwa 989 Mio. Pkm, 2018: 204 Mio. Fahrgäste und etwa 628 Mio. Pkm, bei einer "Seitwärtsentwicklung" des Netzes). Bleibt noch der Autobus: Da geht noch was, könnte man sagen, wenn man sich z.B. der Doppeldeckerbestandszahl vom 1.01.1992 (1.057, BVG-Zahlenspiegel 1.01.1992) wieder annähern würde.

4. Die von "meiner Wunschkoalition" bis jetzt verfolgte "Fahrpreislinie" (gezieltere Vergünstigungen bei den Sozialtarifen, die man auch als familienfreundlich bewerten kann, sowie der "eingefrorene" Normaltarif) gefällt mir eigentlich ganz gut - ebenso die bereits erfolgten bzw. absehbaren Schritte zur Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.

Vielleicht sollte man so eine "Politik der kleinen Schritte" b.a.w. fortführen - jedenfalls solange, bis sich die Fahrzeugsituation bei den Schnellbahnen deutlich verbessert hat.
Zitat
Marienfelde
2. Im Unterschied zu Wien halte ich die sozialpolitische Komponente im Berliner Raum für wichtiger. Die Preise für eine "normale" Monatskarte waren und sind in Berlin deutlich höher als in Wien, während die Durchschnittseinkommen nach wie vor deutlich niedriger sein dürften als in der Bundeshauptstadt (Wien).

Wenn man sich die Kaufkraftdaten für Deutschland und Österreich ansieht, ist der Unterschied nicht so groß, wie auch ich gedacht hätte: Wien hat 23.246 Euro pro Kopf und Berlin 21.689 Euro pro Kopf, das sind rund 7 % mehr. (Quelle: [www.gfk.com] [www.gfk.com] ) Damit liegt Wien zwischen Essen und Nürnberg, Frankfurt und München sind z.B. mit ca. 27.000 bzw. 32.000 Euro deutlich kaufkraftstärker.
Zitat
Marienfelde



Glaubt man den Angaben der BVG bzw. denen im statistischen Jahrbuch der DDR, dann sind die Leistungsreserven bei der Straßenbahn auch sehr erheblich (1988: 212 Mio. Fahrgäste und etwa 989 Mio. Pkm, 2018: 204 Mio. Fahrgäste und etwa 628 Mio. Pkm, bei einer "Seitwärtsentwicklung" des Netzes).
.

.

Nur war der Fahrzeug* und Personalbestand der BVB bei der Bimmel erheblich höher als heute..
Davon zeugten die zahlreichen Berufsverkehreinsetzer als auch E-Wagen am We auf den potentiellen Bäderlinien.
Inzwischen stehen zwei Straßenbahnhöfe nicht mehr zu Verfügung, (die "umzäunte Endstelle Nalepastr. rechne ich nicht mehr als Btf.)

T6JP

* allerdings auch mit höherer Schadwagenquote als heute und mehr Instandhaltungsbedarf.
Anonymer Benutzer
Re: Jahresticket für 365 Euro?!
17.07.2019 20:39
Zitat
schallundrausch

Das erinnert mich sehr an die Klimadebatte in dem vermurksten Thread, wo jeder haarklein drauf rumreitet und nachweist, warum die vorgeschlagene Maßnahme gar nichts bringen KANN, bevor nicht alles andere unternommen ist.

Naja komm, du hast ja nun selbst auch häufig geschrieben, dass es allein mit günstigen Tickets nicht zu machen ist, auf den Zahlen aus Wien rumgeritten und viel mehr für das beabsichtige Ziel gefordert. Gar nicht mal als Vorwurf gemeint, offenbar konntest du ja Def und auch mich davon überzeugen, mal etwas zu recherchieren und die eigene Meinung aufgrund der Fakten zu relativieren.

Auch wenn ich, gerade aufgrund deiner bisherigen Ausführungen und der Faktenlage aus anderen Ländern auch nicht mehr vom großen beabsichtigten Erfolg des 365 EUR-Tickets überzeugt bin und die Bedenken des Users Def durchaus nachvollziehen kann und mitunter teile, werde ich die Petition mitzeichnen, weil ich sie für den richtigen Einstieg halte. Ist vllt. etwas naiv, aber ich denke nicht, dass es bei so einem Begehren die Aufgabe jedes einzelnen Bürgers ist, die Finanzierung bis zu Ende zu kalkulieren und jegliche Vor- und Nachteile auf dem Schirm zu haben. Mir ist dieser Einstieg aber so lieber, als würde man erst den Rückbau von Straßen fordern und erst hinterher ein günstiges Ticket. Irgendwo muss man anfangen, heißt es ja immer, und mit diesem Anfang kann ich besser leben. Gerade weil eben nicht zu erwarten ist, dass der ÖPNV dadurch überrannt wird, wie es vllt. der Fall wäre, wenn man plötzlich überall den MIV im ersten Schritt verdrängt, halte ich das Risiko im Bezug auf die betrieblichen Umstände der VU persönlich für vertretbarer.

Wir hatten hier auch kürzlich an vielen Orten Papierlisten rumzuliegen, wo man für die Enteignung der Deutschen Wohnen unterzeichnen konnte. Das hatte auch regen Zusprüch. Man kann das also nicht nur vom Internet abhängig machen und ich denke auch nicht, dass in dem Fall jeder Vorteile und Konsequenzen bis zu Ende bedacht hat.
Anonymer Benutzer
Re: Jahresticket für 365 Euro?!
17.07.2019 21:05
Zitat
def

Vielleicht sollte man aber auch, bevor man überhaupt Forderungen in den Raum stellt, tatsächlich einmal erfassen, warum der ÖPNV nicht benutzt wird.

Man sollte es nicht nur erfassen, sondern auch ernstnehmen. Leider hört man aber oft gar nicht erst zu und tut die Einwände pauschal als Ausreden, Schutzbehauptungen oder übertriebenes Mimimi ab, obwohl das auf Vieles gar nicht zutrifft, da es nicht von der Hand zu weisen ist.
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
Marienfelde



Glaubt man den Angaben der BVG bzw. denen im statistischen Jahrbuch der DDR, dann sind die Leistungsreserven bei der Straßenbahn auch sehr erheblich (1988: 212 Mio. Fahrgäste und etwa 989 Mio. Pkm, 2018: 204 Mio. Fahrgäste und etwa 628 Mio. Pkm, bei einer "Seitwärtsentwicklung" des Netzes).
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Nur war der Fahrzeug* und Personalbestand der BVB bei der Bimmel erheblich höher als heute..
Davon zeugten die zahlreichen Berufsverkehreinsetzer als auch E-Wagen am We auf den potentiellen Bäderlinien.
Inzwischen stehen zwei Straßenbahnhöfe nicht mehr zu Verfügung, (die "umzäunte Endstelle Nalepastr. rechne ich nicht mehr als Btf.)

T6JP

* allerdings auch mit höherer Schadwagenquote als heute und mehr Instandhaltungsbedarf.

Ja, unbestritten - aber das Pfund der Ostberliner Straßenbahn, nämlich das Netz vom 31.12.1989, ist mit einigen ärgerlichen Abstrichen (Altglienicke, Pflugstraße) noch da. Immerhin wurde es punktuell um teilweise äußerst fahrgastwirksame Abschnitte erweitert. Der Neubau eines zeitgemäßen Betriebshofs in Adlershof wird ja hoffentlich auch gelingen, wie auch die eine oder andere Netzerweiterung. Die (Ost-) Berliner Straßenbahn hat ein beachtliches Potential - man muß es "nur" heben wollen.
Zitat
schallundrausch
Zitat
GraphXBerlin
Zitat

Inzwischen gibt es eine Onlinepetition, die das 365-Euro-Ticket deutschlandweit fordert.
Das ist in Zeiten des Internets ja wieder mal ganz hip. Da unterschreiben hunderte und tausend Leute mit Null Ahnung über die Folgekosten bzw. haben keinerlei Hintergrundwissen. Hauptsache die Forderung ist schlagkräftig. Nichts anderes machen Bild und B.Z.

Du bist dagegen, Du hast eine andere Meinung, du musst das nicht unterschreiben, das ist OK. Das gibt dir aber nicht das Recht, Befürworter oder Mitzeichner in die Boulevardecke zu stellen.

Wie Du auf den vorherigen Seiten lesen kannst, habe ich sehr wohl Hintergrundwissen, habe hier sogar eine rudimentäre Folgekostenbetrachtung gepostet, stehe deswegen, nicht trotz dessen, hinter der Forderung, und habe deswegen die Petition mit unterschrieben. Und wenn da jetzt tausend Ahnungslose unterschreiben, dann habe ich vielleicht zwei davon überzeugt.

Mit Springermedien habe ich nichts zu tun und will ich auch nichts zu tun haben. Danke, gerne.
Ich bin überhaupt nicht gegen das Ticket. Aber ich möchte es schlicht und ergreifend der Politik überlassen ob es sinnvoll ist oder nicht (ja, ich weiß jetzt kommt Gelächter)
Bei der Petition werden einfach zu viele Leute angespült und motiviert die einfach nur unterschreiben weil sie die Überschrift lesen aber eben nicht auch die völlig gerechtfertigten Kritikpunkte der Finanzierung kennen, die ich und auch viele hier als Nahverkehrsinteressierte nachvollziehen können. Daher der Vergleich mit der Boulevard-Presse. Die Petition erinnert mich an die B.Z. die theoretisch meinungsbildend schreiben könnte "Berlin will das 365€-Ticket!". Was glaubst Du wie schnell Onkel Kasupke aus Neukölln der selben Meinung ist ohne groß das Thema verfolgt zu haben.
Anonymer Benutzer
Re: Jahresticket für 365 Euro?!
17.07.2019 22:58
Zitat
GraphXBerlin

Bei der Petition werden einfach zu viele Leute angespült und motiviert die einfach nur unterschreiben weil sie die Überschrift lesen aber eben nicht auch die völlig gerechtfertigten Kritikpunkte der Finanzierung kennen, die ich und auch viele hier als Nahverkehrsinteressierte nachvollziehen können.

Das ist aber eine Annahme. Die Menschen sind doch abseits der Nahverkehrsinteressierten nicht alle blöd. Zudem berichtet doch auch die Presse über Pro und Contra und auch in der Politik wird das diskutiert. Das bekommen die Menschen doch mit.
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