Hi!
@manuel und @t6
Ich bin ja mittlerweile fast halb-Wiener, deshalb...:
Der Mann, der über vier Jahrzehte lang mit seinen leicht monotonen aber echt 'weanarischn' Stimme den Wiener Linien ihren ganz eigenen Klang verlieh, heißt Franz Kaida. Der war ursprünglich Techniker, später dann Sicherheitschef, da er aber vor seiner Zeit bei den Wiener Linien schon einen Job als Radiosprecher mit entsprechender Ausbildung hatte, ist er zufällig auch in die Rolle des Stationsansagers hineingerutscht. Auch nach seiner Pensionierung vor 2004 Jahren hat er noch alle Ansagen für U-Bahn, Bim und Bus gesprochen. Von ihm selber kommt übrigens die Idee, die Ansagen so monoton, ja fast leierig zu sprechen. Er wollte, daß die Ansagen gut verständlich seien, doch gleichzeitig sollten sie zurückhaltend sein und nicht aufdringlich gegenüber dem Fahrgast, der sie jeden Tag hört. Schließlich sind die meisten Fahrgäste Pendler, die auch ohne die Ansagen genau wissen, wo sie aussteigen müssen, für diese sollte seine Stimme einfach im Hintergrund verschwinden... Für Fremde jedoch verleiht sein unverkennbar wienerischer Akzent den 'Öffis' sofort ein lokales Gepräge.
Wir diskutieren ja hier im Forum heiß, wer denn die wahre Berliner Stimme sei - Helga Beyertz, Jana Louka... oder doch der Ingo von der S-Bahn? - doch ich habe das Gefühl, das sich die Diskussion doch stark auf Fanforen und Railfans beschränkt. Nicht so in Wien, jedes Kind kennt die Stimme, sein Sing-Sang ist bekannter, als die meisten Radiomoderatoren, die Identifikation ist ungleich höher, Franz Kaida
ist die U-Bahn, und die U-Bahn ist Franz Kaida. Entsprechend groß war der Aufschrei, als die Wiener Linien beschlossen, die Stimme des mittlerweile über Siebzigjährigen durch einen neue zu ersetzen.
Die neue Stimme wurde durch ein mehrstufiges Auswahlverfahren durch die Öffentlichkeit bestimmt - doch niemand war so recht zufrieden mit ihr. Denn sie (es ist diesmal eine Frauenstimme) hat so gar nichts Wienerisches an sich, sie wirkt kühl. Nicht zuletzt mag das an der neuen Aufnahmetechnik liegen. Während zu Kaidas Zeiten noch alle Ansagen am Stück aufgenommen wurden (und die konnten bei der U-Bahn bei Nennung aller Umsteigebeziehungen schon recht lang werden!), werden sie jetzt digital aus Satzbausteinen gestückelt. Mit einem Absenken der Stimme hinter jeder Liniennennung. Wie zum Satzende. Aus Kaidas eleganten Satzmelodien mit " ... umsteigen zur U-Bahnlinie 4, zu den Linien ..., sowie zur Badner Bahn und zu den Fernzügen der ÖBB" wurde so ein schnödes " Umsteigen zu: U4. 49. 12A. 58A. Fernzüge." Was nicht nur grammatikalisch anzweiflungswürdig ist, sondern einfach plump klingt.
Die Wiener sind natürlich Sturm gelaufen. Wochenlang war das Thema in den (nationalen) Medien, mit großem Vergnügen habe ich damals die Leserkommentare auf Standard.at gelesen. Die Wiener stehen in ihrer Rüffeligkeit den Berlinern ja um nichts nach, doch bewahren sich, selbst wenn sie 'haten', immer noch einen feinen Humor...
Die Umstellung kam im Dezember 2012 und war schon bald für alle U-Bahn und Straßenbahnen vollzogen. Allerdings gibt es noch einige Lücken beim Bus - zumindest meine Hauslinie (sie wird nicht von den Wiener Linien, sondern von einem privaten Subunternehmer betrieben), hatte im Juli noch die alten Kaida-Ansagen, eingeschlossen des von Manuel erwähnten Highlights:
"Sehr geehrte Fahrgäste! Wir bitten Sie, Ihren Sitzplatz anderen Personen zu überlassen, wenn diese Ihn notwendiger brauchen."
Wobei ich letztere Formulierung einfach unübertroffen finde.
Hier noch zwei youtubelinks, der erste nur für eingfleischte Kaida-Fans, der zweite eine echt schöne Kurzdoku(mit Franz Kaida) auch für Nicht-U-Bahnnerds:
Die MEGA-Ansage
Zugfährtab!
Die T-Wagen auf U6 und Badnerbahn sind in der Tat nicht sehr hübsch. Hier ist man für die Niederflurigkeit viele Kompromisse eingegangen. Die Türen sind sind zu wenige und vor allem nicht da, wo sie sein sollten, zu den Sitzen muss man in der rush hour klettern, wenn man mal sitzt, kommt man nicht mehr raus, die Wagen rattern und schaukeln tierisch.
Ich bin zwei Monate lang zum Job mit der Badner Bahn gependelt und habe dort die Wahl zwischen Hoch- und Niederflurteil sehr zu schätzen gelernt und zum Besseren genutzt. Außerdem war in den E-Wagen meist der Fahrscheinautomat kaputt. Das hat mir doch ganz erheblich Fahrgeld gespart...
Dafür könnte ich jetzt eine Lobeshymne auf die ULFes anstimmen, doch die sprengt dann wahrscheinlich doch den Umfang dieses Threads. Nur soviel - er ist zwar vielgescholten, und das Beheben der Kinderkrankheiten dauerte viel zu lange. Doch mittlerweile ist der ULF ein schönes (wenigstens außen!), intelligent konstruiertes, zuverlässiges, laufruhiges und leises Niederflurfahrzeug mit erstaunlich hohem Sitzplatzanteil. Welches NFzeug kann das schon von sich behaupten? Mit dem extrem niedrigen Einstieg, der geringen Breite und Unidirektionalität ist er einfach maßgeschneidert für das Wiener Netz, das wird leider auch sein Untergang. Man hat nicht geschafft, ihn in andere Städte zu verkaufen. Die Wiener Linien bereiten gerade die Ausschreibung für Neufahrzeuge vor, doch der ULF wird wegen der hohen Anschaffungskosten kaum zum Zuge kommen. Flexitys sollen recht hoch im Kurs stehen. ;)
Herzliche Grüße,
s&r