Glinder schrieb:
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> Bahnfreunde sehen die Situation durch ihre Brille.
> Der Bürger sieht sie durch seine. Ob Imke Zuther
> oder andere junge Leute noch für die Stadtbahn
> sind, wenn man ihnen ganz konkret sagt, welche
> Dinge dafür wegfallen oder nicht gemacht werden?
Welche Dinge fallen den bitte konkret durch die Stadtbahn weg? Du scheinst da ja schon einiges zu wissen, also lauschen wir gespannt.
>
> Schön, dass ihr nicht bestreitet, dass in Berlin
> und London auch weiterhin viele straßenbahnwürdige
> Strecken mit Bus befahren werden und die Welt
> nicht untergeht. Die Straßenbahn ist für Hamburg
> wünschenswert, aber eben nicht unverzichtbar.
Auf Dauer ist sie schon unverzichtbar, weil ein guter ÖPNV schlicht eine Voraussetzung ist, daß die Stadt funktioniert. Wenn der Wirtschaftsverkehr jeden Tag im Stau festhängt, gibt es bald keinen Wirtschaftsverkehr mehr. Und die Zeit drängt, weil die Förderung des Bundes ausläuft. Machen wir es jetzt nicht, dann machen wir es nie, mit dem entsprechenden Schaden für die Stadt. Wir haben sozusagen ein Fenster, in dem die Realisierung möglich ist, und wenn wir das verpassen, dann ist für die Bahn Schicht im Schacht - mit allen negativen Auswirkungen auf die Stadt. Das merkt man nicht heute oder morgen, nicht in einem Jahr oder zwei, aber in 20 werden alle Fassungslos vor dieser Entscheidung stehen und sagen "Aber das hätte man doch sehen müssen, die Fakten waren doch alle schon bekannt".
>
> Leider gibt eine Reihe von Projekten, bei denen
> die Welt untergeht, wenn sie nicht gemacht werden.
> Die Eisenbahn und die S4 sind so ein Projekt.
> Davon gibt es schon mehr als Geld da ist. Die
> Politiker haben manches verschlafen, weil ihnen
> Leuchttürme wichtiger waren. Darüber kann man
> jammern, das hilft aber nichts.
Ich kann jetzt nicht sehen, warum bei einem Nicht-Bau der S4 mehr die Welt untergeht als bei einem Nicht-Bau der Stadtbahn. Beide Projekte sind wichtig, und sie sind auch parallel leistbar - wenn das Geld nicht reicht, streichen wir beim Straßenbau und stecken das Geld in die Bahn.
>
> Ansonsten bleibt ihr wolkig, wenn es darum geht,
> wo für die Stadtbahn gespart werden soll.
Warum bleiben wir wolkig? Ist Hafenquerspange oder A7-Deckel nicht konkret genug? Wie detailliert muß es noch werden?
> Beschlossene Projekte braucht ihr nicht zu nennen.
> Das ist gegessen. Die Elbphilharmonie würde ich
> auch liebend gern morgen stilllegen.
Da stimme ich dir durchaus zu, aber hilft ja nichts, da müssen wir jetzt durch. Obwohl Stillegen wahrscheinlich immer noch viel Geld sparen würde, weil man nicht den Betrieb bezahlen muß, aber hoffen wir mal, daß das Bauwerk tatsächlich genug Besucher nach Hamburg lockt, damit am Ende doch eine schwarze Null bei den laufenden Kosten rauskommt - auch wenn man das nur sehr schwer ausrechnen kann.
>
> Auch sonst seid ihr wolkig, wenn es ums Geld geht.
> Fördergelder abgreifen klingt gut. Wenn A1, U4 bis
> Elbbrücke, S4, Stadtbahn kommen, geht es um
> mindestens zwei Milliarden Euro bis 2019, also 1,2
> Milliarden Fördergeld. Jetzt rechne noch den
> Ausbau in Harburg dazu, Umbau Hauptbahnhof und
> Altona-Nord. Hafenquerspange, A7-Deckel und
> Wilhelmsburger Reichstraße. Was nach 2014 an
> Straßen gebaut wird kommt auch aus den Mitteln.
> Das sind über zwei Milliarden Bundesgelder nur für
> Hamburg. Die anderen Länder werden da wohlwollend
> auf ihre Projekte verzichten oder wie.
Was man nicht beantragt, kann man nicht bekommen. "Oh Gott, ich bekomme bestimmt keine Förderung, da versuche ich es gar nicht erst..." Frauenvorgehen! Wer nicht fragt, bekommt nichts. Wenn es für einzelne Projekte dann keine Fördermittel mehr gibt, dann gibt es halt das Projekt (erstmal) nicht, ganz einfach. Und was die anderen Länder dazu sagen, ist mir gestrichen egal. Wenn die Hamburger Projekte Förderungswürdiger sind als die anderen, dann darf Hamburg auch gerne 4 Milliarden abgreifen. Gemacht werden soll, was sinnvoll ist und nutzen bringt, und nicht was der Proporz verlangt.
> Benachteiligt ist die Stadt nicht mal, wenn sie
> nur die Hälfte bekommt.
Ja und? Wenn sie das doppelte bekommt, ist sie auch nicht benachteiligt. Freiwilliges Zurückstecken wird von niemanden belohnt.
>
> Hamburg muss das auch gegenfinanzieren oder ein
> Investor. Der Senat hat keinen Plan dafür. Im
> Moment sagt die GAL: die Stadtbahn kostet nur 338
> Millionen und wir beantragen dafür Fördermittel.
> Klingt toll, aber es ist eine gefährliche Lüge in
> diesen Zeiten. Einen Plan hat sie nicht, wie der
> Rest bis 2020 bezahlt werden soll oder ob es
> überhaupt die Fördergelder dafür gibt. Kann
> Hamburg im Ernstfall 25 Kilometer oder mehr
> komplett allein finanzieren, wenn es dafür keine
> Förderung mehr gibt und auch für andere
> lebenswichtige Projekte nicht? Nebenbei soll noch
> jedes Jahr der Hamburger Haushalt verkleinert
> werden.
Den Haushalt zu verkleinern heißt nicht, in Duldungsstarre zu verfallen. Wir versuchen, so weit wie möglich zu kommen, und dazu müssen wir so früh wie möglich anfangen. Und ja, im Zweifel müssen die letzten Kilometer alleine bezahlt werden. Die Haushaltssituation ist ja nicht ewig so kritisch, wer weiß, wie es 2020 aussieht? Ich zumindest weiß es nicht.
Wenn ich immer das schlimmste annehme, dann mache ich am besten gar nichts, aber das ist nicht die Art und Weise, wie man eine Stadt regieren kann.
>
> Alle tollen Argumente für die Stadtbahn kann man
> sich schenken, wenn die Finanzierung für das
> Gesamtnetz und alle lebenswichtigen Projekte nicht
> klar ist. Solange hat der Abendblatt-Kommentar die
> besseren Argumente.
Wo ist denn die Finanzierung unklar? Wir haben eine Finanzierung für das erste Teilstück (Nur zur Klarstellung: Keine Bundesmittel, keine Stadtbahn), alles andere kann man jetzt noch nicht vorhersehen. Ist aber nicht unüblich für Projekte dieser Art, denn anders geht es nicht. Wie sagt die Behörde so schön? "Hamburg hat einen Anspruch auf diese Mittel, der Bund kann sie nicht verweigern." Es muß nur der Kosten-Nutzen-Faktor ausreichend sein.
Aber der Zeitrahmen dafür ist begrenzt, 2019 läuft das Gesetz aus, und was dann kommt, weiß niemand. Bis dahin muß soviel wie möglich gebaut sein, also laß uns jetzt beginnen, anstatt zitternd vor Angst am Rand stehen zu bleiben.